Abkürzungsverzeichnis a.A. anderer Ansicht a.a.O. am angegebenen Ort Abs. Absatz AcP Archiv für civilistische Praxis (Band, Jahr, Seite) a.E. am Ende AG Aktiengesellschaft AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AktG Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) Alt. Alternative a.M. anderer Meinung Anm. Anme rkung ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz Art. Artikel AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage BAG Bundesarbeitsgericht BAGE Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Band, Seite) BauR Zeitschrift für das gesamte öffentliche und private Baurecht BayObLG Bayer isches Oberstes Landesgericht BB Der Betriebsberater (Jahr, Seite) Bd. Band bestr. bestritten BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBL Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Band, Seite) BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Band, Seite) BSG Bundessozialgericht BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite) BVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht

BVerwG Bundesverwaltungsgericht bzw. beziehungsweise c.i.c culpa in contrahendo DB Der Betrieb (Jahr, Seite) DR Deutsches Recht (Jahr, Seite) Drucks. Drucksache ECLI European Case Law Identifier (Europäischer Urteilsidentifikator ) EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch EheG Ehegesetz Einf. Einführung Einl. Einleitung Erl. Erläuterung etc. et cetera (= und so weiter) EuGH Europäischer Gerichtshof f. folgender ff. folgend FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Jahr, Seite) FS Festschrift Fußn. Fußnote GBO Grundbuchordnung gem. gemäß GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GoA Geschäftsführung ohne Auftrag GVG Gerichtsverfassungsgesetz GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen HGB Handelsgesetzbuch HKK Historisch -Kritischer Kommentar h.L. herrschende Lehre h.M. herrschende Meinung HS Halbsatz InsO Insolvenzordnung

i.S. im Sinne i.d.R. in der Regel i.V.m. in Ve rbindung mit JR Juristische Rundschau (Jahr, Seite) Jura Jura/Juristische Ausbildung (Jahr, Seite) JuS Juristische Schulung (Jahr, Seite) JW Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) JZ Juristenzeitung (Jahr, Seite) KG Kammergericht, Kommanditgesellscha ft KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien LG Landgericht LM Lindenmaier -Möhring, Nachschlagewerk des BGH (Paragraph, Nr.) LMK Lindenmaier -Möhring, Kommentierte BGH -Rechtsprechung LZ Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (Jahr, Seite) MDR Monatsschr ift für Deutsches Recht (Jahr, Seite) m.w.Nachw. mit weiteren Nachweisen MünchKomm Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Bearbeiter) Neubearb. Neubearbeitung NJW Neue Juristische Wochenschrift (Jahr, Seite) Nr. Nummer OHG Offene Handelsgese llschaft OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht OWiG Gesetz über Ordnungswidrigkeiten pVV positive Vertragsverletzung Rn. Randnummer Recht Das Recht (Jahr, Nr. der Entscheidung) RG Reichsgericht RGRK Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichtes und des Bundesgerichtshofes (Bearbeiter) RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Band, Seite) RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (Band, Seite) Rspr. Rechtsprechung

RVO Reichsversicherungsordnung S. Seite, Satz s. siehe sog. sogenannt (e, er, es) SchG Scheckgesetz StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung str. strittig, streitig st.Rspr. ständige Rechtsprechung u. und u.a. unter anderem, und andere u.U. unter Umständen UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb VerbrKrG Gesetz über Verbraucherkredite VersR Versicherungsrecht (Jahr, Seite) vgl. vergleiche VwGO Verwaltungsgerichtsordnung WEG Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) WG Wechselgesetz WM Zeitschrift für Wirtschafts - und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen (Jahr, Seite) z.B. zum Beispiel ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels - und Wirtschaftsrecht (Band, Jahrgang, Seite) Ziff. Zi ffer ZPO Zivilprozess ordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik (Jahrgang, Seite) z.T. zum Teil

  • Fragen, die Sie beantworten, und um
  • Fälle, die Si e lösen sollen.

Vorbemerkung d) Online- Quellen proxy.fernuni -hagen.de/ abrufbar. e) Verlinkte Fußnoten Sie werden feststellen, dass viele der in den Fußnoten auftauchenden Quellen ver linkt sind. Damit Sie die Quellen mit einem Doppelklick abrufen können, müssen Sie über VPN (näheres unter folgendem Link: https://www.fernuni -ha gen.de/zdi/produkte -service/netz- account/vpn.shtml#vpn ) mit dem Uni -S erver verbunden sein. (Für die Datenbank „Juris“ gilt im Besonderen, dass Sie angemeldet sein müssen. Dafür geben Sie bei Google „Fernuni Hagen Juris“ wählen das zuerst erscheinende Ergebnis und ge-langen so zu „Juris“ Eine weitere Möglichkeit die Quellen abzurufen ist, dass Sie sich mit dem Proxy -S erver verbinden. Eine Erklärung, wie Sie vorgehen müssen, erhalten Sie unter folgendem Link: https://www.fernuni -ha gen.de/bibliothek/recherche/zugang -zu-elektronischenmedien/elektronische -medien -zu-hause.shtml . Wenn Sie angemeldet sind, können Sie die entsprechenden Stellen in den Datenban-ken suchen. 2. Gesetzestexte Zur Bearbeitung des Kurses benötigen Sie Textausgaben der genannten Gesetze. Die wichtigsten Gesetze sind in Einzelausgaben erhältlich. Folgende Textausgaben kom-men in Betracht: BGB Bürgerliches Gesetzbuch mit EinführungsG, BeurkundungsG u.a., München (dtv 5001) , in der jeweils aktuellen Auflage HGB Handelsgesetzbuch ohne Seehandelsrecht, mit Wechselgesetz und Scheckge setz. München (dtv 5002) , in der jeweils aktuellen Auflage GG Grundgesetz mit Menschenrechtskonve ntion u.a., München (dtv 5003) , in der jeweils aktuellen Auflage Neben diesen Einzelausgaben gibt es Gesetzessammlungen ( zum Teil in Loseblattform). Die Gesetzestexte, die Sie für den vorliegenden Kurs benötigen, sind enthalten in: Nomos Gesetze, Zivilrech t: Wirtschaftsrecht, Baden -Baden, in der jeweils aktuellen Auflage H ABERSACK (früher: SCHÖNFELDER ), Deutsche Gesetze, München (als Loseblatt und gebunden Ausgabe ), in der jeweils aktuellen Ergänzungslieferung/Auflage

Vorbemerkung in der Einführungsveranstaltung und dem virtuel len Mentoriat zu diesem Modul. 3. Rechtsprechung, Kommentare und Aufsätze 1. Anders als das common law ist das deutsche Recht kein „case law“; daher sind die Instanzgerichte nicht an die Entscheidungen von Obergerichten (z.B. des BGH) gebunden. Gleichwohl bes timmt deren Rechtsprechung in einem erheblichen Maße die juristische Meinungsbildung. Zwar entscheiden auch die Obergerichte nur konkrete Einzelfälle, die Untergerichte folgen in ihrer Rechtsprechung aber regelmäßig den beispielgebenden Entscheidungen der Obergerichte. Die Entscheidungen der Obergerichte sind in folgende amtliche Sammlungen aufgenommen (Abkürzung vorangestellt): EuGHE/Slg. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (Sammlung der Rechtsprechung des EuGH) ; heute meist zitiert nach dem ECLI BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen BAGE Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts BSGE Entscheidungen des Bundessoz ialgerichts BFHE Entscheidungen des Bundesfinanzhofes BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts OLGZ Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen

Eine Entscheidung, die in die amtliche Sammlung aufgenommen ist, wird zitiert mit Angabe der amtlichen Sammlung, Angabe des Bandes der Sammlung, Seitenzahl des Beginns der Entscheidung (Leitsätze) und Seitenzahl der genauen Fundstelle (z.B. BGHZ 1 80, 114, 120 ). Ist die Entscheidung nicht in eine amtliche Sam mlung aufgenommen worden, so wird sie nach einer (möglichst gängigen) Zeitschrift zitiert (z.B. BGH NJW 2009, 2824). Einzelheiten finden Sie im Kurs 55100 (Propädeutikum) er-läutert (Teil 4 [Juristisches Arbeiten – Praktische Hinweise], Abschnitt H).

2. In einem juristischen Kommentar wird – anders als in juristischen Lehrbüchern – nicht ein Sachgebiet zusammenhängend erklärt, sondern in erster Linie jede einzelne Gesetzesvorschrift erläutert. Die in der Gesetzesvorschrift verwendeten Begriffe und die Rechtsfolgen werden anhand der angeführten Meinungen aus der Rechtsprechung und Literatur ausgelegt und interpretiert. Insbesondere in den größeren Kommentaren äußern die Kommentatoren häufig auch eigene Auffassungen, die die Rechtsprechung beeinflussen können . Mitunter vertreten Autoren jedoch Me inungen, die von den Auffassungen der Rechtsprechung und/oder der " herrschenden" Lehre abweich en, ohne diese als solche zu kennzeichnen. Im Zweifel sollten Sie mindestens eine weitere Quelle hinzuziehen. Neben der Kommentierung der einzelnen Gesetzesvorsch rift finden sich regelmäßig Vorbemerkungen und Einführungen vor

Vorbemerkung der ersten Vorschrift eines neuen Sachgebietes mit einem zusammenhängenden Überblick über das gesamte Sachgebiet (z.B. Schadensersatzrecht vor § 249 BGB; Kaufrecht vor § 433 BGB; das Recht der unerlaubten Handlungen vor § 823 BGB). Die Kommentare werden innerhalb eines Textes in der Regel zitiert mit dem Namen des Bearbeiters der Fundstelle und der genauen Fundstelle (z.B. P ALANDT /ELLENBERGER , § 1 BGB, Rn. 1). Der genaue Titel sowie die Auflage gehören in ein gesondertes Literaturverzeichnis. Die Arbeit mit dem Kommentar soll an einem praktischen Beispiel verdeutlicht werden. Wenn Sie Ihr Wissen über den Begriff der "Willenserklärung", insbesondere über die Bedeutung eines "geheimen Vorbehalts", anhand der gebräuchlichen Kommentare des BGB vertiefen wollen, so ist ein möglicher erster Zugriff ein Blick in das Sach-verzeichnis. G rundlegende Ausführungen finden sich häufig in den Vorbemerkungen zu einzelnen Büchern oder Titeln des Gesetzes. Zum geheimen Vorbehalt finden Sie in den einzelnen Kommentaren an folgenden Stellen nähere Ausführungen:

G RÜNEBERG /ELLENBERGER , vor § 116 BGB Rn. 1 ff. ERMAN /PALM, vor § 116 BGB Rn. 1 ff . BECKOK /WENDTLANDT BGB § 116 , Rn. 1 ff. BGB–RGRK/K RÜGER -NIELAND vor § 116 BGB, Rn. 1 ff. STAUDINGER /HERRLER ), vor § 116 BGB Rn. 1 ff . MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB vor § 116 Rn. 2 ff.

3. Juristische Aufsätze finden Sie in den juristischen Zeitschriften, von denen eine große Anzahl existiert. Die Aufsätze in den Zeitschriften befassen sich in der Regel mit aktuellen Rechtsproblemen. Die wicht igsten allgemeinen juristische n Zeitschrift en sind die Neue Juristische Wochenschrift (NJW) und die Juristenzeitung (JZ) . Neben den Aufsätzen werden in den Zeitschriften aktuelle Entscheidungen der Gerichte, zumeist der Obergerichte, veröffentlicht. Zitier t wird ein Aufsatz innerhalb des Textes mit dem Namen des Verfassers, der Zeitschrift mit Jahrgangsangabe und Seitenzahl bezüglich Anfangsseite und Fundstellen-seite (z.B. G RIMM, JZ 2009 , 596, 598 ). Im Literaturverzeichnis wird zudem der Titel des Aufsatzes aufgeführt. 4. Die Anwendung des Rechts Die Rechtsanwendung besteht im W esentlichen darin, das in den Gesetzen enthaltene Recht auf Lebenssachverhalte anzuwenden, um eine rechtliche Beurteilung zu ermöglichen. Dazu müssen der Lebenssachverhalt festgestellt und die Rechtsvorschrif-ten, die auf ihn anzuwenden sind, gefunden werden. Darüber hinaus ist häufig der Inhalt der abstrakt gehaltenen Rechtsvorschriften festzustellen. Hierzu bedient sich der Jurist einer bestimmten Auslegungsmethodik. Seine wesentliche Leistung besteht

Vorbemerkung dann darin, den konkreten Lebenssachverhalt unter das abstrakte Gesetz zu subsumieren. Dabei sind etwaige Probleme im Wege der Schwerpunktsetzung herauszuarbeiten. Beispiel (A): B bricht die Autoantenne am PKW des V mutwillig ab. V hat den Vorfall beobachtet und verlangt nach Durchführung der Reparatur die Re paraturkosten in Höhe von € 50, –– von B.

Dieses ist der Lebenssachverhalt. Um die Frage beantworten zu können, ob der Schadensersatzanspruch besteht, muss zunächst die gesetzliche Vorschrift gefunden wer-den, aus der sich der Anspruch ergibt, die so genannte Anspruchsgrundlage. Gemäß § 194 Abs. 1 BGB ist ein Anspruch das Recht, von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Das Finden von einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, die in der Regel in Paragraphen oder Artikeln gefa sst sind, ist oft schwierig, weil es eine unüberschaubare Menge von Rechtsvorschriften gibt, die die Probleme, die menschliches Zusammenleben mit sich bringt, regeln sollen. Hinweis: Gesetzliche Definitionen (sog. Legaldefinitionen) wie in § 194 Abs. BGB erkennt man häufi g daran, dass der zu definierende Begriff vom Gesetzgeber in Klammern gesetzt wird. Ebenso ist es z.B. bei der gesetzlichen Definition von "unverzüglich" als "ohne schuldhaftes Zögern" in § 121 Abs. 1 BGB.

Die im Beispiel (A) angeschnittene Frage gehört i n den Bereich des bürgerlichen Rechts, das die Rechtsbeziehungen zweier oder mehrerer Personen zueinander regelt. Das bürgerliche Recht ist überwiegend in einem Gesetz, dem Bürgerlichen Gesetz-buch (BGB), zusammengefa sst. Die in dem angeführten Beispiel in Betracht kommende Vorschrift ist § 823 Abs. 1 BGB.

Lesen Sie § 823 Abs. 1 BGB!

Die Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB auf den geschilderten Lebenssachverhalt ergibt, dass B das Eigentum (das Kfz) eines anderen (des V) verletzt (die Antenne abgebrochen) hat und zwar widerrechtlich (es liegt kein Rechtfertigungsgrund vor) und vorsätzlich. B ist nach § 823 Abs. 1 BGB zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet.

Gesetzliche Vorschriften im materiellen Sinne enthalten in der Regel Normen, die sich an eine u nbestimmte Vielzahl von Personen richten. Sie regeln nicht einen konkreten Einzelfall, sondern enthalten eine generelle Regelung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen. Beispiel (B): Die Vorschriften des BGB über den Kaufvertrag (§§ 433 ff. BGB) sind nic ht vom Gesetzgeber erlassen worden, um Regeln über den Abschluss und die Durchführung nur eines Kaufvertrages zwischen zwei bestimmten Personen – etwa zwischen S und M – zu treffen. Die §§ 433 ff. BGB sollen für alle Kaufverträge gelten, die Personen im Geltungsbereich des BGB miteinander abschließen, sofern diese nicht eine andere, individuelle Kaufvertragsregelung an die Stelle der §§ 433 ff. BGB setzen. Nach dem Grundsatz der Privatautonomie sind die Vertragsparteien in der Ausgestaltung ihrer Verträge g rundsätzlich frei.

Vorbemerkung Die juristische Sprache, die in den Gesetzen, in der juristischen Literatur, in Gerichtsurteilen und Schriftsätzen von Rechtsanwälten verwandt wird, weist manche Besonderheit im Vergleich mit der Umgangssprache auf. Die juristische Spra che wird Ihnen deshalb zunächst mehr oder weniger fremd sein. Dennoch werden Sie sich schnell daran gewöhnen, wenn Sie sich stets vor Augen halten, dass es viele fachspezifische Begriffe gibt, deren Inhalt und Bedeutung Sie sich aneignen müssen. Viele Wört er haben in der Sprache der Juristen eine andere oder nicht ganz dieselbe Bedeutung wie in der Umgangssprache. Manche aus der Umgangssprache vermeintlich bekannte Begriffe werden in juristischen Texten in einem genau definierten Sinne und damit häufig ande rs als in der Umgangssprache verwandt. Achten Sie daher genau auf die sprachlichen Formulierungen in den Gesetzen und in den übrigen juristischen Texten und denken Sie an die im Vergleich zur Umgangssprache veränderte Bedeutung. Dazu ein Beispiel : Eigentum und Besitz sind auseinander zu halten. Eigentum bedeutet etwas Anderes als Besitz. Mit Eigentum wird das Recht bezeichnet, das dem Eigentümer einer Sache die Befugnis gibt, mit der Sache grundsätzlich nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auf die Sache auszuschließen (§ BGB). Demgegenüber ist der Besitz kein Recht an einer Sache, sondern nur das tatsächliche Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache (§ 854 Abs. 1 BGB). Deshalb können Eigentum und Besitz an einer Sache auch auseinander fallen . Beispiel (C): E ist Eigentümer eines PKW. D stiehlt den PKW und benutzt ihn. E bleibt trotz des Diebstahls Eigentümer des PKW. D ist aber der Besitzer, weil er die tatsächliche Herrschaft über die Sache ausübt.

Ein weiteres, anfänglich u ngewohntes Merkmal der juristischen Ausdrucksweise ist ihre höhere Informationsdichte. Während in der Umgangssprache häufig Füllwörter verwendet werden, die nahezu keine zusätzlichen Informationen vermitteln, treten diese in juristischen Texten seltener au f. Fast jedes Wort ist Informationsträger und damit für das Verständnis der juristischen Ausführungen wesentlich. Sie müssen daher genau auf die verwendeten Begriffe achten und Ihre Lesegeschwindigkeit der veränderten Informationsdichte anpassen. Bemühen S ie sich deshalb auch in Ihren eigenen schriftlichen und mündlichen Ausführungen um ein hohes Maß an Genauigkeit in der Ausdrucksweise! Der Erfolg Ihres Studiums hängt nicht zuletzt davon ab, in welchem Maße es Ihnen gelingt, die juristische Terminologie zu verstehen und zu benutzen. Vermeiden Sie Füllwörter und seien Sie in Ihren Ausführungen und Subsumtionen präzise. Eine längere Lösung ist nicht automatisch die bessere Lösung . II. Die Anfertigung eines juristischen Gutachtens (Falllösung) 1. Grundlagen Juristisc he Kenntnisse bleiben für denjenigen, der sie erworben hat, ohne großen Wert, wenn er nicht weiß, auf welche Weise er sie auf Lebenssachverhalte anwenden kann. Die Anwendung des Rechts auf einen Lebenssachverhalt mit dem Ziel, eine Entscheidung zu treffen, wird etwas vereinfachend als das "Lösen von Fällen" bezeichnet. Für den Bearbeiter eines Falles ist es grundsätzlich unumgänglich, sich eines bestimmten Aufbaus zu bedienen. Damit soll erreicht werden, dass die Anwendbarkeit rechtlicher Regeln in der Weis e detailliert "geprüft" wird, dass sich für den Leser zum

Vorbemerkung Schluss zwin gend die Beantwortung der dem Gutachten zugrunde liegenden Frage ergibt. Diese stufenweise Entwicklung von der möglicherweise anspruchsbegründenden Norm (Anspruchsgrundlage) zum Ergebnis ist das we sentli che Kennzeichen des "Gutachtenstils". Der Gutachtenstil ist keine Formalie, sondern eine Methode, die den Bearbeiter zu dem systematischen Denken zwingen soll, ohne da ss er für die Lösung eines Falles - unter Berücksichtigung aller wesentlichen Gesichtspunkte – zwingend erforderlich ist. Der Gutachtenstil geht immer von einer "Hypothese" ("Es könnte ein Anspruch bestehen") aus, um am Ende zu einem bestimmten Ergebnis zu kommen ("Der Anspruch besteht/besteht nicht."). In Ihren Einsendearbeit en und Klausuren wird stets eine Lösung im Gutachtenstil erwartet. Im Gegensatz zum Gutachtenstil wird beim "Urteil sstil", mit dem der Richter seine Urteilsgründe abzufassen hat, die Rechtsfolge - das Ergebnis einer zuvor vorgenommenen Prüfung – vorangeste llt; danach folgt die Begründung (kennzeichnende Wörter: "denn", "da", "weil" etc.). Dieser Stil ergibt sich aus der Aufgabe des Richters, eine zuvor ver kündete Entscheidung zu begründen. Sie können sich den Gutachtenstil nur einprägen, indem Sie ihn ständig üben.

Fassen Sie also das Lösen von Einsende - und Selbsttestaufgaben nicht als lästige Pflichtübung auf! Sehen Sie diese Arbeit vielmehr als Möglichkeit der Übung an, bei der der Korrektor sich bemüht, Sie auf Ihre Mängel hinzuwei-sen. Auch die gutachterliche Bearbeitung der Selbsttestaufgaben, deren Lösung Sie jeweils am Ende einer Kurseinheit finden, dient dem Ziel, der Beherrschung des Gutachtenstils einen Schritt näher zu kommen. Wenn Sie - was empfehlenswert ist - die Musterlösungen unter dem Aspe kt des Aufbaus durcharbeiten wollen, fertigen Sie sich am besten dazu eine Gliederung in Stichpunkten an, anhand derer Sie sich die einzel-nen Lösungsschritte klarmachen können. Entwerfen Sie stets zunächst eine Lösungsskizze. Damit Sie den Gutachtenstil ve rinnerlichen, sollten Sie unbedingt jede Lösung anschließend schriftlich ausformulieren. In der Klausurbearbeitung werden Sie keine Zeit haben, intensiv über Formulierungsfragen nachzudenken. a) Vorüberlegungen vor der Niederschrift des Gutachtens

(1) Die F allfrage Der Ausgangspunkt Ihrer vor der Niederschrift des Gutachtens anzustellenden Über-legungen ist die so genannte Fallfrage , die Sie am Ende des vorgegebenen Lebenssachverhalts, den Sie rechtlich würdigen sollen, finden. Mit der Fallfrage macht Ihnen der Aufgabensteller klar, in welche Richtung er eine gutachterliche Bearbeitung wünscht. Beispiel (A): Die Fallfrage lautet: "Kann Spotz Bezahlung des von ihm gelieferten Kastens Bier von Ganter verlangen?" In diesem Fall ist nur der Anspruch zu prüfen, der Spotz möglicherweise die von ihm verlangte Bezahlung gewährt. Dieser Anspruch kann sich auf mehrere Anspruchsgrundlagen stützen. Weitergehende Ansprüche – wie etwa auf Herausgabe des Bierkastens – sind dagegen nicht zu prüfen.

Vorbemerkung Beispiel (B): Die Fallfrage lautet: "Wie ist die Rechtslage?" Mit dieser Frage wird das Ziel des Gutachtens zunächst in keiner Weise eingeengt. Es sind alle - sinnvollerweise in Betracht kommenden - Ansprüche, die die im Lebenssachverhalt auftretenden Personen gegeneinander haben könnten, zu prüfen. Wenn im Sachverhalt von den Personen A, B und C die Rede ist, erörtern Sie also, falls es sich nicht um abwegige Ansprüche handelt:

A B

Ansprüche?

C

Daraus folgt: Ist Ihnen klar, worauf die Fallfrage abzielt, wissen Sie, welche Ansprüche der einzelnen Personen gegeneinander geprüft werden müssen. (2) Die Anspruchsgrundlagen Zunächst müssen Sie die Anspruchsgrundlage(n) auffinden, aufgrund derer der zu prüfende Anspruch realisiert werden könnte . Ob das der Fall ist, ob also die Ansprüche bestehen oder nicht, wird sich aus der im Gutachten folgenden Prüfung ergeben. Das Tun oder das Unterlassen, das der Anspruchsteller konkret vom Anspruchsgegner verlangt, muss sich aus der gesuchten Rechtsnorm abstrakt ergeben. Beispiel (C): Stadelmann bestellt in seinem Stammlokal beim Wirt Lipper ein e Flasche , bekommt sie und trinkt sie aus. Wird nach "dem Anspruch des Lipper gegen Stadelmann" gefragt (Fallfrage), dann stellen Sie fest, dass es sich nur um einen Kaufpreisanspruch handeln kann. Sie müssen daher nun die Rechtsnorm suchen, aus der Sie diesen Anspruch herleiten können (hier: Kaufpreisanspruch aus § 433 Abs. 2 BGB).

Sie werden in den folgenden Kurseinheiten weitere Anspruchs grundlagen kennen lernen, die Sie sich als solche merken sollten, denn mit der Beher rschung der typischen Anspruchs grundlagen wächst Ihre Sicherheit, bei einer Fallbearbeitung einen rechtlichen Konflikt aus allen Richtungen ausgeleuchtet und keine Gesichts punkte übersehen zu haben. Wenn auch in den Kurseinheiten nicht alle nur möglichen Anspruchsgrundlagen aufgeführt werden können, werden Sie doch bald in der Lage sein, Anspruchsnormen anhand Ihres Wortlauts zu erkennen. Verinnerlichen Sie unbedingt die häufigsten Anspruchsgrundlagen aus diesem Skript. Mit dem Auffinden der rich-tigen Anspruchsgrundlage(n) steht und fällt die Fallbearbeitung. In der letzten Kurseinheit (KE 8) finden Sie eine Zusammenstellung der wichtigsten Anspruchsgrundla-gen des BGB. Es emp fiehlt sich, auch im weiteren Verlauf Ihres Studiums immer wieder auf die Übersicht zurückzukommen. Das Finden der „richtigen“ Anspruchsgrundlage gehört zu den wichtigsten Vorüberlegungen einer Fallbearbeitung.

Vorbemerkung Gemäß § 194 Abs. 1 BGB ist ein Anspruch das Recht, von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Anspruchsgrundlagen sind also Normen, aus denen sich ergibt, dass einer Person ein solches Recht gewährt oder ihr eine entsprechende Pflicht auferlegt wird. Ansprüche sind "relative subjektiv e Rechte", die gegebenenfalls auch mit staatlichem Zwang (also vor Gericht) gegen einen Schuldner durchgesetzt werden können. Auf die Einzelheiten kommen wir am Ende des Kurses zu sprechen (KE 8, § 24). Beispiel (D) für weitere Anspruchsgrundlagen: § 179 Abs. 1 BGB normiert einen Anspruch gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht; §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 824 und 826 BGB sind jeweils selbstständige Anspruchsgrundlagen - bei verschiedenen unerlaubten Handlungen -; gemäß § 985 BGB kann der Eigentümer vom B esitzer eine Sache herausverlangen.

Die geschilderten "Vorüberlegungen" lassen sich in der Regel gut durch die große "W-Frage" strukturieren:

Wer will was von wem woraus?

Bei "wer?" und "von wem?" geht es um Anspruchsteller und –gegner, "was?" zielt auf den Anspruchsinhalt, "woraus?" auf die Anspruchsgrundlage. Die "W -Frage" gehört auf keinen Fall ins ausformulierte Gutachten, sollte aber unbedingt durchdacht werden, um später im Gutachten einen sauberen "Obersatz" (dazu sogleich) formu-lieren zu können. Von den Anspruchsgrundlagen sind die Rechtsnormen zu unterscheiden, die lediglich eine Aussage treffen. Diese Vorschr iften sind zur Auslegung von An spruchsgrundlagen heranzuziehen, dürfen aber niemals als selbständige Anspruchs grundla gen zitiert werden. Beispiel (E): § 145 BGB normiert kein Recht eines Vertragspartners, von dem anderen ein Tun (z.B. Annahme eines Angebots) zu verlangen, sondern es wird bestimmt, unter welchen Umständen ein einmal abgegebenes Angebot bindend ist. Die Vorschrift könnte dahe r - wenn eine solche Klärung notwendig ist - zur Bestimmung des Tatbestandsmerkmals "Kaufvertrag" in der Anspruchsgrundlage § 433 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 2 BGB herangezogen werden. Sie stellt selbst aber keine Anspruchsgrundlage dar.

In der Regel müssen Sie das schriftliche Gutachten mit der Anspruchsgrundlage beginnen; sie ist notwendiger Bestandteil des Obersatzes. Es ist zweck mäßig, sich noch vor der Nieder schrift des Gutachtens in Form einer kurzen, stichworta rtigen Gliederung auf Konzeptpa pier klar zu m achen, welche Probleme bei der Fassung des konkreten Lebenssachverhalts unter die abstrakte Anspruchsnorm entstehen könnten. Versuchen Sie, sich möglichst früh die Schwerpunkte bzw. Probleme des Falles klar-zumachen und markieren Sie sich diese bereits in d er Gliederung. Die richtige Schwerpunktsetzung ist essentiell für eine gute Bearbeitung.

Beispiel (F): Stadelmann ist Stammgast bei Lipper. Als er die Gaststätte betritt und sich dann an die Theke stellt, reicht ihm Lipper - wie immer - ein großes Pils, das Stadelmann auch austrinkt. Lipper will wissen, ob er € 3,10 für das nicht

Vorbemerkung ausdrücklich bestellte Pils verlangen kann (Fallfrage!). § 433 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass ein Kaufvertrag zustande gekommen ist; hier könnten Probleme bei der Abgabe des Angebots und der Annahme (§§ 145 ff. BGB) liegen.

In ganz seltenen Fällen ist die Fallfrage nicht auf die Prüfung eines Anspruchs gerich-tet. Möglich ist etwa, dass danach gefragt wird, ob ein Vertrag zustande gekommen ist, wer der Eigentümer einer bestimmten Sa che oder wer Erbe geworden ist. Die Frage nach dem Vertragsschluss wird im Gutachten in derselben Weise beantwortet wie im Rahmen der Anspruchsprüfung (vgl. dazu den Beispielsfall am Ende des Kapitels). Fragen nach der Eigentümer - oder der Erbenstellung (die sich auch als Vorfragen bei der Prüfung konkreter Ansprüche stellen können) werden in der Regel in "historischer" Reihenfolge abgehandelt. Beispiel (G) : Die Studentin S hat sich für das Wintersemester das Fahrrad ihrer Freundin F geliehen. Gegenüber ihrem ahnungslosen Kommilitonen K gibt sich S als Eigentümerin des Fahrrads aus und verkauft es dem K für 50 Euro. Nach Zahlung des Geldes einigt sich S mit K über den Eigentumsübergang und übergibt ihm das Fahrrad. Wer ist Eigentümer des Fahrrades? Die Fall lösung beginnt mit den Sätzen: "Ursprünglich war F Eigentümerin des Fahrrades. Fraglich ist ob sie ihr Eigentum verloren hat. In Betracht kommt zunächst eine Übereignung an S…" Im Folgenden wird gutachterlich geprüft, ob die Voraussetzungen einer Übereignung an S vorliegen.

b) Das Gutachten Bezogen auf jeweils eine Anspruchsgrundlage vollzieht sich die Bearbeitung einer juristischen Fragestellung in folgenden Stufen: (1) Auf der ersten Stufe steht der Obersatz mit der Anspruchsgrundlage: Wenn der gesetzliche Tatbestand (= die Anspruchsgrundlage) A 1 verwirklicht ist, gilt die konkrete Rechtsfolge R. Es bietet sich an, den Obersatz im Konjunktiv zu formulieren oder Formulierungen wie "Es ist zu prüfen, ob …" etc. zu verwenden. (2) Auf der zweiten Stufe werden die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage A1 wiedergegeben. Hier wird beispielsweise eingeleitet mit " Das setzt voraus, dass… " oder "Voraussetzung hierfür ist, dass… ".

Beispiel ( F) für verschiedene Formulierungen im Gutachten bei diesen beiden Stufen:

(a) Lipper könnte gegen Stadelmann einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises von € 3,10 aus Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 2 BGB haben. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen beiden Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. (b) Lipper hat gegen Stadelmann einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 3,10 aus § 433 Abs. 2 BGB , wenn zwischen ihm und Stadelmann ein Kaufvertrag zustande gekommen ist . _________________________________________________ 1 § 929 S. 1 BGB, abzulehnen wegen fehlender Einigung über den Eigentumsübergang, Eigentumsverlust an K §§ 929 S. 1, 932 BGB; gutgläubiger Erwerb des K von S, zu bejahen.

Vorbemerkung

(3) Auf der dritten Stufe wird der konkrete Sachverhalt unter die einzelnen Tat bestandsmerkmale T 1, T2 ... der Anspruchsgrundlage gefas st, d.h. subsumiert. Die Subsumtion ist also die Prüfung der Tatbestandsmerkmale einer gesetzlichen Vorschrift hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf einen konkreten Sachverhalt. Dadurch, dass auf der zweiten Stufe die Voraussetzungen der An spruchsgrundlage wieder gegeben werden, wird Ihnen und dem Leser Ihres Gutachtens aufgezeigt, unter welche Tatbestandsmerkmale der Lebenssachverhalt zu fassen ist, damit die Rechtsfolge R eintritt. Tatbestandsmerkmale, bei denen es auf der Hand l iegt, dass sie durch den Lebens sachverhalt ausgefüllt werden, bedürfen keiner näheren Erläuterung. Ein knapper Satz genügt hier. Das ist die - äußerst seltene - einfachste Art der Subsumtion. Beispiel ( G): Wenn Stadelmann von Tilt einen gebraucht en E-Scooter kauft, der nicht funktioniert, ist bei der Erörterung der Rechtslage nicht ausführlich der Be-griff "Sache" (erwähnt z.B. in §§ 434, 437, 438, 439, 433 BGB) anhand von § BGB zu prüfen; es ist selbstverständlich, dass ein E -Scooter eine Sache ist. Bei allen anderen - nicht ohne weiteres bestimmbaren - Rechtsbegriffen erfolgt nun die wesentliche Arbeit des Gutachtens: die Erläuterung jedes wichtigen Tatbestandsmerkmals so weit, bis entschieden werden kann, ob der Sachverhalt das Tatbestandsmerkmal ausfüllt, ob er also insoweit subsumierbar ist.

Beispiel ( H): Der Abschluss eines Kaufvertrages ist als gegeben vorauszusetzen, wenn der Sachverhalt lautet: "Stadelmann kaufte bei Tilt einen E- Scooter ..." oder "die Parteien schlossen am... einen Vertr ag über die Lieferung eines E-Scooter , in dem es u.a. heißt..." Mit diesen Formulierungen ist allerdings noch nicht gesagt, dass der geschlossene Kaufvertrag auch wirksam ist. Dies würde der Aufgabensteller mit folgenden Worten im Sachverhalt klarstellen: „Stadelmann und Tilt schlossen einen wirksamen Kaufvertrag…“ Die logische Reihenfolge, die bei der Erläuterung der Tatbestandsmerkmale ein-zuhalten ist, ergibt sich aus dem jeweiligen Einzelfall. Beispiel ( I): Bestehen Bedenken, ob ein Kaufvertrag zustand e gekommen ist, muss der Begriff "Angebot" vor dem Begriff "Annahme" geprüf t werden. Wenn nämlich keine Of ferte vorliegt (z.B. bei der Einladung zur Abgabe eines Angebotes), kann die vermeintliche "Annahme" keinen Vertrag zustande bringen: es fehlt bereits an zwei übereinstimmenden Willenserklärungen.

Betrachtet man den in Beispiel (F) geschilderten Sachverhalt, so ist zweifelhaft, ob ein Kaufvertrag geschlossen wurde, da keiner der Beteiligten eine ausdrückliche Willenserklärung abgegeben hat. Es ist somi t (aa) der nicht ohne weiteres bestimmbare Rechtsbegriff "Kaufvertrag" abstrakt, also ohne Bezug auf den konkreten Fall, so zu erläutern (zu definieren ), dass eine Subsumtion möglich wird; (bb) der Lebenssachverhalt unter die - soeben erhaltene(n) - Definition(en) zu fassen (zu subsumieren ). Vollziehen Sie jetzt den Schritt (a a) nach, lautet die Definition: "Ein Kaufvertrag kommt zustande durch Angebot und Annahme."

Vorbemerkung Damit unter (bb) die Subsumtion erfolgen könnte, müsste die Bedeutung der Begriffe "Angebot" und "Annahme" auf der Hand liegen. Das ist jedoch nicht der Fall. An diesem Beispiel erkennen Sie, dass aufgrund der zunächst unter (a a) erstellten Definition weitere erklärungsbedürftige Rechtsbegriffe auftauchen können, hier: "Angebot" und "Annahme". Di ese Begriffe bedürfen dann ihrerseits wieder einer Definition mit dem Ziel, die Subsumtion zu ermöglichen. Für die Fortsetzung des Beispiels (F) bedeutet das: (aa) "Das Angebot ist eine Willenserklärung, mit der si ch jemand, der einen Vertrag abschließen m öchte, an einen anderen wendet und die zukünftigen Vertragsbedingungen so vollständig zusammenfasst, dass der andere, ohne inhaltliche Änderungen vorzunehmen, durch ein bloßes „Ja“ den Vertrag entstehen lassen kann." Zum Aufbau : Beachten Sie, dass hiernach nicht unmittelbar auch noch die Definition des Begriffes "Annahme" folgt, sondern zunächst zu prüfen ist, ob der Sachverhalt sich unter die Definition des Begriffes "Angebot" fassen lässt, da andernfalls die Prü-fung schon hier abgebrochen werden könnte. Fortsetzung des Beispiels (F): "Stadelmann hat kein ausdrückliches Angebot abgegeben. Er könnte es jedoch konkludent, d.h. durch schlüssiges Handeln, abgegeben haben, indem er sich wortlos an die Theke in der Gaststätte des Lipper stellte. Bei-den - Lipper und Stadelmann - waren die Vertragsbedingungen klar, zu denen der Vertrag über das Bier abgeschlossen werden sollte: Stadelmann trank als Stammgast stets große Pils, deren Preis bekannt war. Nach der Verkehrsanschauung (vgl. §§ 133, 157 BGB), d.h. nach der natürlichen Betrachtungsweise eines verständigen, unvoreingenommenen Beurteilers, musste Lipper annehmen, Stadelmann wolle - wie immer - ein großes Pils haben. Somit hat Stadelmann konkludent ein Angebot abgegeben." Steht nach der ersten Subsumtion fest, dass das Tatbestandsmerkmal T insoweit den Lebenssachverhalt umfasst, erfolgt die nächste Definition (aa); daran schließt sich wiederum - wenn möglich - die Subsumtion (bb) an. Fortsetzung des Beispiels (F): (aa) "Die Annahme ist die Erklärung, mit der sic h derjenige, an den das Angebot gerichtet ist, mit dem Inhalt des Angebots einverstanden erklärt und damit den angestrebten Vertrag entstehen lässt." (b b) "Indem Lipper dem Stadelmann ein großes Pils auf die Theke setzte, nahm er das Angebot konkludent (durch schlüssiges Handeln) an." (4) Auf der vierten Stufe werden die Ergebnisse der Subsumtionen zusammengefasst und daraus der formale Schluss gezogen, der die Rechtsfolge (das Ergebnis Ihrer Prüfung zur Anspruchsgrundlage A 1) enthält. Das bedeutet für Beis piel (F): "Zwischen Lipper und Stadelmann ist ein Kaufvertrag zustande gekommen. Daher hat Lipper gegen Stadelmann einen Anspruch auf den Kaufpreis von € 3,10 für ein großes Pils aus Kaufvertrag, § 433 Abs. 2 BGB." Demnach stellt sich der Aufbau eines Fall es - bezogen auf eine gefundene und als erörterungswürdig erachtete Anspruchsgrundlage (Denken Sie daran, dieser Aufbau muss für jede neue Anspruchsgrundlage unter einem neuen Gliederungspunkt erneut vollzogen werden) - graphisch wie folgt dar:

Vorbemerku ng 1. Obersat z mit Anspruchsgrundlage A 1 und Rechtsfolge R Inhalt: Wer will was von wem woraus? Formuliert wird der Obersatz aber nicht als direkte Frage, sondern als Hauptsatz im Konjunktiv (s. die Beispiele oben)!

2. abstrakt: Voraussetzungen von A = Tatbestands merkmale T1 --> Tx

  • - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

4. Zusammenfassung der Subsumtionen unter die Anspruchsgrundlage und Nennen der Rechtsfolge für die Anspruchsgrundlage A

Den Weg zu den infrage kommenden Anspruchsgrundlagen finden Sie, indem Sie im Rahmen Ihrer Vorüberlegungen 1. die Fallfrage und damit die infrage kommenden Ansprüche feststellen 2. für jeden einzelnen Anspruch die möglichen Anspruchsgrundlagen A 1 --> Ax aufsuchen Dies soll anhand eines weiteren Falles erläutert werden: Aufgabe: Blum will dem Korf einen PKW verkaufen. Er sagt zu Korf, er wolle ihm ein günstiges Angebot machen: Korf könne einen PKW der Ma rke X Typ Florida für 6.500, -- € haben. Korf antwortet, er sei einverstanden, allerdings müsse Blum ihm für diesen Preis noch einige Extras, nämlich Heckscheibenwischer, Fußmatten und Nebelscheinwerfer mitliefern. Blum erklärt, darauf könne er nicht eingeh en, weil ihm sonst kein Gewinn verbleibe. Daraufhin sagt Korf, es tue ihm leid, aber wenn Blum so kleinlich sei, könne er bei ihm kein Auto kaufen. Blum verlangt nun von Korf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 6.500, -- €. Korf verweigert die Zahlung. Kann Blum von Korf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 6.500, -- € verlangen? Versuchen Sie, diesen Fall mit Hilfe der oben dargestellten Methode schriftlich im Gutachtenstil zu lösen! Vergleichen Sie bitte Ihre Ausführungen anschließend mit dem dargestellten L ösungsweg. Die Gliederung ist dabei als Vorschlag zu verstehen um Ihnen als ersten Berührungspunkt mit der Fallbearbeitung die einzelnen Ebenen zu verdeutlichen.

Vorbemerkung 2. Umsetzung anhand der Aufgabe a) Vorüberlegungen zum Sachverhalt (die schriftliche Falllösung kann erst nach dieser Vorarbeit erfolgen) 1. Feststellung der Fallfrage : Sie müssen sich darüber klar werden, zu welcher Frage Sie sich gutachtlich äußern sollen. -> Kann Blum von Korf die Zahlung des Kaufpreises von 6.500,-- € verlangen? Es ist nur nach dem Kaufpreisanspruch gefragt. Daraus resultiert die Antwort auf die Frage, um welche Ansprüche es im konkreten Fall geht. 2. Welche Anspruchsgrundlagen kommen für jeden der infrage stehenden Ansprüche in Betracht? -> Da nur nach dem Kaufpreis gefragt ist, kommt § 433 Abs. 2 BGB in Betracht. b) Gutachten

I. Obersatz mit der Anspruchsgrundlage A 1 und der Rechtsfolge R Blum könnte gegen Korf einen Anspruch auf Zahlung von 6.500, -- € aus Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 2 BGB haben.

II. abstrakt: Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage A Ein solcher Anspruch besteht nur, wenn zwischen Blum und Korf ein Kaufvertrag § 433 I BGB zustande gekommen ist.

III. Die Subsumtion des Le benssachverhaltes unter T 1 ("Kaufvertrag") ist nicht ohne weiteres möglich. Daher: 1. abstrakt: Klärung der Bedeutung des „Kau fvertrages“ (Definition ) Ein Kaufvertrag kommt zustande durch Angebot und Annahme. 2. Subsumtion; in diesem Fall noch nicht möglich, daher auf nächste Gliederungsebene.

a) Obersatz Blum könnte ein Angebot abgegeben haben. b) Definition des Begriffs "Angebot" Das Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der sich jemand, der einen Vertrag abschließen möchte, an einen an deren wendet und die zukünf

Vorbemerkung tigen Vertragsbedingungen in einer Weise vollständig zusammenfasst, dass der andere, ohne inhaltliche Änderungen vorzunehmen, den Vertrag durch ein bloßes „Ja“ entstehen lassen kann. c) Subsumtion Hier sagt Blum zu Korf, er woll e ihm ein günstiges Angebot machen, Korf könne einen PKW der Marke X Typ Florida für 6.500, -- € erwerben. Blum hat also die wesentlichen Vertragsbestandteile, insbesondere den Kaufgegenstand, den Kauf-preis und den Vertragspartner, konkret bestimmt. Damit hat er seinen Willen zum Ausdruck gebracht, mit Korf eine rechtliche verbi ndliche Vereinbarung über den PKW zu treffen. K könnte durch ein bloßes "Ja" einen Kaufvertrag über das Fahrzeug zustande bringen. Blum hat also ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages zum Preis von 6.500, -- € über den PKW der Marke X Typ F lorida abgegeben.

a) Obersatz Fraglich ist, ob Korf dieses Angebot von Blum angenommen hat. b) Definition des Begriffs "Annahme" Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der sich derjenige, an den sich das Angebot richtet, mit dem I nhalt des Angebots einverstanden erklärt und damit den angestrebten Vertrag entstehen lässt. c) Subsumtion Korf hat die Annahme des Angebots nicht mit einem bloßen „ja“ erklärt, sondern nur unter einer Erweiterung: er fordert, Blum solle ihm zu dem genann ten Preis noch eine Reihe von Extras mitliefern. Korf hat sich somit nicht mit dem Inhalt des Angebots durch Blum einverstanden erklärt. Korf hat das Angebot des Blum somit nicht angenommen. Der Kaufvertrag über den PKW einschließlich der Extras ist daher nicht zustande gekommen. Blum kann von Korf nicht die Zahlung von 6.500, -- € gemäß § 433 Abs. 2 BGB verlangen.

3. Zusammenfassung der Subsumtionen als Zwischenergebnis Das könnte bedeuten, dass zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustande ge-kommen ist, weil das Angebot des Blum durch Korf nicht angenommen wurde .

a) abstrakt: gesetzliche Wertung der Annahme eines Angebots unter Änderungen Nach § 150 Abs. 2 BGB gilt eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen zwar a ls eine Ablehnung, jedoch verbunden mit einem neuen Angebot.

Vorbemerkung b) Subsumtion Korf hat daher eine neue Offerte mit dem o.a. Inhalt abgegeben. Dieses Angebot müsste Blum angenommen haben, damit ein Kaufvertrag zustande kommt. Bei konsequentem Aufbau müsste an dieser Stelle erneut die Definition des Begrif-fes "Annahme" erfolgen. Darauf kann jedoch hier verzichtet werden, da der Begriff bereits oben definiert wurde. Blum erklärt indes, dass er darauf nicht eingehen könne, weil ihm sonst kein Ge-winn verbleibe. Dam it lehnt er das Gegenangebot des Korf ab.

4. Zusammenfassung der Subsumtionen und Rechtsfolge für die Anspruchsgrundlage A1 Folglich ist zwischen Blum und Korf kein Kaufvertrag i.S.d. § 433 I BGB zustande gekommen. Daher hat Blum gegen Korf keinen Ans pruch auf Zahlung von 6.500, -- € aus Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 2 BGB.

§1 Einleitung §1 Einleitung Schrifttum: BYDLINSKI , Zu den dogmatischen Grundfragen des Kontrahierungszwanges, AcP (1980), 1 ff.; EIDENMÜLLER , Der unliebsame Kritiker: Theaterkritik und Schmähkritik, NJW 1991, 1439 ff .; HÖNN, Zur Problematik der Privatautonomie, Jura 1984, 75 ff .; KILIAN, Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem, AcP 180 (1980), 47 ff.; ; NEUNER , Diskriminierungsschutz durch Privatrecht, JZ 2003, 57 ff .; PAULUS /ZENKER , Grenzen der Privatautonomie, JuS 2001, 1 ff.; ARMBRÜSTER /WOLLENBERG , Grundfälle zum AGG, JuS 2020, 400 ff.; STÜRNER , R., Der hundertste Geburtstag des BGB – nationale Kodifikation im Greisenalter?, JZ 1996, 741 ff ; THÜSING /VON HOFF, Vertragsschluss als Folgenbeseitigung: Kontrahierungszwang im zivilrechtlichen Teil des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, NJW 2007, 21 ff.

Schrifttum zur Entstehung des BGB: EISENHARDT , Deutsche Rechtsgeschichte, 7. Aufl. 2019; HÄHNCHEN , Rechtsgeschichte, 6. Auflage 2021 ; LAUFS, Die Begründung der Reichskompetenz für das gesamte bürgerliche Recht, JuS 1973, 740; VON SAVIGNY , Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 1814; Schulte -Nölke, Die schwere Geburt des Bürgerlichen Gesetzbuchs, NJW 1996, 1705 ff .; STÜRNER , Der hundertste Geburtstag des BGB – nationale Kodifikation im Greisenalter?, JZ 1996, 741 ff.; THIBAUT , Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland, 1814; Z IMMERMANN , Das Bürgerliche Gesetzbuch und die Entwicklung des Bürgerlichen Rechts, in: HKK , Band I, vor § 1. I. Der Begriff des bürgerlichen Rechts Das bürgerliche Recht ist ein Teilgebiet des Privatrechts. Das Privatrecht regelt (im Gegensatz zum Öffentlichen Recht , das regelmäßig Beziehungen innerhalb eines Über /Unter ordnungsverhältni sses betrifft ) die Beziehungen von rechtlich gleichgestellten Personen zueinander. Der Kern des deutschen Privatrechts ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Man kann das bürgerliche Recht als denjenigen Ausschnitt des Privatrechts bezeichnen, dessen Rechtssätze im Bürgerlich en Gesetzbuch zusammengefasst sind und für alle Bürger gelten .2 Alle anderen Gebiete des Privatrechts schließen an die im Bürgerlichen Gesetzbuch enthaltenen Grundregeln an. So gelten z.B. die allgemeinen Vorschriften des BGB über den Abschluss von Verträ gen (§§ 145 – 157 BGB) , die Geschäftsfähigkeit (§§ 104 – 113 BGB) und die Verjährung (§§ 194 – 218 BGB) auch für Handelsgesellschaften und im Wertpapierrecht. Die vereinsrechtlichen Vorschriften über den Notvorstand (§ 29 BGB), über besondere Vertreter (§ 30 BGB), die Haftung für Organe (§ 31 BGB) und über Sonderrechte eines Mitglieds sind auf alle juristischen Personen des Privatrechts anzuwenden .3 Ebenso sind die bürgerlich- rechtlichen Vorschriften über den Vertragsschluss auch bei Handelsgeschäften (vgl. § 343 Abs. 1 HGB) und Arbeitsverträgen (vgl. § 611a BGB) zu beachten . Wer sich mit Spezialgebieten des _________________________________________________ 2 Vgl. dazu RÜTHERS /STADLER , § 1 Rn. 2. 3 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 29 BGB, Rn. 1, § 31 BGB, Rn. 3.

§1 Einleitung Privatrechts befassen will, muss sich deshalb zunächst mit den Grundzügen des bürgerlichen Rechts auseinander setzen . In anderen privatrechtlichen Geset zen, etwa dem HGB, werden für bestimmte Bereiche ergänzende, manchmal auch abändernde Regelungen getroffen. Hintergrund ist, dass die Unterschiede bzw. Besonderheiten auf tatsächlicher Ebene (im Lebenssachverhalt) spezielle gesetzliche Regelungen erfordern bzw. opportun erscheinen lassen. II. Überblick über den Inhalt der fünf Bücher des BGB Das BGB ist in fünf Bücher gegliedert: den Allgemeinen Teil, das Recht der Schuldverhältnisse, das Sachenrecht, das Familienrecht und das Erbrecht. Um sich den Aufbau klar zu machen, empfiehlt sich ein Blick auf die dem Gesetzestext vorangestellte Inhaltsübersicht. Das erste Buch des BGB, der Allgemeine Teil (§§ 1-240 BGB), ist Gegen stand des vorliegenden Moduls. Es e nthält diejenigen Normen , die auch für alle anderen Teile des Bürgerlichen Gesetzbuches (2. – 5. Buch) gelten sollen. Der Allgemeine Teil trifft Regeln über die Personen, die Rechtsgeschäfts - und Vertragslehre und die Ausübung der Rechte. In ihm sind allgemeine Regeln über die Nichtigkeit und die Vernichtbarkeit von Rechtsgeschäften enthalten. Ebenfalls im Allgemeinen Teil findet sich das durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2002 neu gefasste Verjährungsrecht. Da die Regelungen des Allgemeinen Teils für alle folgenden Bücher gelten , spricht man auch davon, dass diese durch den Gesetzgeber " vor die Klammer gezogen" wurden. Das zweite Buch des BGB enthält das Recht der Schuldverhältnisse. Aufgrund eines Schuldverhältnisses kann eine Person von einer anderen Person ein e Leistung verlangen (§ 241 Abs. 1 S. 1 BGB) . Die aus dem Schuldverhältnis erwachsenden Rechte und Pflichten berechtigen und verpflichten in der Regel nur die an dem Schuldverhältnis beteiligten Personen (Relativität des Schuldrechts). Ein Schuldverhältnis kann "rechtsgeschäftlich", z.B. durch Abschluss eines Vertrages, aber auch kraft Gesetzes entstehen. Der Allgemeine Teil des Schuldrechts (§§ 241 – 432 BGB) enthält Regelungen, die grundsätzlich für alle Schuldverhältnisse Anwendung finden sollen. Demgegenüber sind im Bes onderen Teil des Schuldrechts (§§ 433 – 853 BGB) Vorschriften über die meisten Vertragstypen enthalten, die täglich geschlossen und vollzogen werden. Darüber hinaus enthält der Besondere Teil des Schuldrechts u.a. Regelungen über unerlaubte Handlungen und die ungerechtfertigte Bereicherung. Mit Wirkung zum 1. Januar 2002 ist das Schuldrecht des BGB umfassend reformiert worden. Seitdem enthält das zweite Buch auch viele Vorschriften zum Verbraucherschutz, die sich vorher in einer Reihe von Spezialgesetzen be fanden . Das allgemeine und das besondere Schuldrecht sind Gegenstand de r Modul e 55103 (Allgemeines Schuldrecht II) und 55106 (Besonderes Schuldrecht) . Im dritten Buch des BGB ist das Sachenrecht geregelt. Das BGB unterscheidet zwi-schen unbeweglichen und beweglichen Sachen. Unbewegliche Sachen (Immobilien) sind Grundstücke mit ihren Bestandteilen (§ 94 BGB). Alle anderen Sachen sind bewegliche Sachen ("Fahrnis") . Das wichtigste und umfassendste Sachenrecht ist das Eigentum (§ 903 BGB) . Zu den Sachenrechten z ählen aber auch Nutzungsrechte, z.B. der Nießbrauch, oder Sicherungsrechte, z.B. die Pfandrechte an beweglichen Sachen (§§ 1204 ff. BGB) und Grundstücken (§§ 1113 ff. BGB: Hypothek, Grundschuld) . Sachenrechte wirken absolut , d.h. gegenüber jedermann . Der B esitz (§§ 854 ff. BGB) als tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache ist hingegen nach ganz h.M.

§1 Einleitung kein subjektives (Sachen)Recht, sondern ein tatsächliches Verhältnis. Das dritte Buch des BGB regelt u.a. die Übertragung des Eigentums an beweglichen und unbeweglichen Sachen, die Belastung des Eigentums mit Pfandrechten und den Besitz an Sachen. Das Sachenrecht und diejenigen Teile des Besonderen Schuldrechts, die im Zusammenhang mit den Sicherungsrechten stehen, werden ausführlicher im Modul 55108 (Sachenrecht und Recht der Kreditsicherung ) behandelt. Das Familienrecht (viertes Buch des BGB) umfasst die wichtigsten Teile des Eherechts, das Kindschafts - und Verwandtschaftsrecht sowie Betreuung, Vormundschaft und Pflegschaft. Das Familienrecht ist gru ndsätzlich – seiner Stellung im BGB entsprechend – Teil des Privatrechts, da es personenrechtliche Beziehungen von Individuen, die sich auf gleicher Ebene gegenüberstehen, betrifft. Die institutionelle Garantie von Ehe und Familie im Grundgesetz (Art. 6 GG ) bedingt aber, im Gegensatz zu dem übrigen im BGB verankerten Zivilrecht, vielfältige Mitwirkungs -, Aufsichts - und Eingriffsrechte des Staates. Das Familienrecht ist daher mit einer Reihe von öffentlich -rechtlichen Regelungen durchsetzt. Der Gesetzgeber hat das Erbrecht im fünften Buch des BGB besonders ausführlich geregelt. Grundsätzlich hat der Erblasser Testierfreiheit, d.h. er kann seine Erben durch letztwillige Verfügung frei bestimmen (vgl. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, § 1937 BGB). Ersatzweise tritt die gesetzlich vorgesehene Erbfolge ein. Im BGB ist die Familienerbfolge als die gesetzliche Erbfolge verankert (§§ 1924 ff. BGB). Das Familien - und Erbrecht ist Gegenstand des Ergänzungsmoduls Familien- und Erbrecht (Modul 55502) im EJP Studiengang. III. Die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs 1. Vorgeschichte Vor Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs herrschte in den Gebieten des späteren Deutschen Reichs eine seit Jahrhunderten andauernde Rechtszersplitterung im Bereich des Zivilrechts .4 Es galt in den verschiedenen deutschen Teilstaaten neben dem römischen Recht der französische Code Civil, das Preußische Allgemeine Landrecht, der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis, das Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch sowie weiteres deutsches Gewohnheits - und Partikularre cht.5 Somit waren diese Gebiete weit entfernt von einer Rechtseinheit. Dies erschwerte vor allem den über die Teilstaaten hinausgehenden Handel. Daher wurde die Forderung nach einer Rechtsvereinheitlichung im Bereich des Privatrechts immer lauter erhoben. Berühmtheit er-langt hat in diesem Zusammenhang der „Kodifikationsstreit“ zwischen A NTON FRIEDRICH JUSTUS THIBAUT und FRIEDRICH KARL VON SAVIGNY . Während sich T HIBAUT mit seiner Schrift "Ueber die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deut schland" bereits 1814 für eine einheitliche Kodifikation ausgesprochen hatte, sprach sich von SAVIGNY gegen ein solches Vorhaben aus. In seiner ebenfalls 1814 veröffentlichten Schrift "Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" wandte er ein, dass die Zeit für eine Kodifikation noch nicht reif sei .6 _________________________________________________ 4 BROX/WALKER , § 2, Rn. 1 . 5 EISENHARDT § 20, Rn. 746. 6 Näher EISENHARDT , § 18, Rn. 688 ff.

§1 Einleitung Die fehlende Vereinheitlichung des deutschen Zivilrechts im Norddeutschen Bund sowie zu Beginn des Deutschen Reichs ist auch damit zu erklären, dass dem Reichsge-setzgeber die Kompetenz fehlte, ein einheitliches Zivilrecht zu schaffen. Ein einförmiges Zivilgesetzbuch im Wege einzelstaatlicher Gesetzgebung zu erreichen, schien jedoch schon wegen der verschiedenen Rechtstraditionen in den Bundesstaaten schwierig. Erst eine 1873 vorgenommene Verfassungsänderung (lex M IQUEL/LASKER ) ließ es zu, das Zivilrecht im gesamten Reichsgebiet einheitlich zu gestalten (Art. 4 Nr. 13 Deutsche Reichsverfassung i.d.F. von 1873). Tendenzen zu einheitlicher Gesetzgebung auf dem Gebiet des Privatrechts waren jedoch schon lange vor Reichsgründung im Jahre 1871 gegeben: So waren bereits die Allgemeine Deutsche Wechselordnung (ADWO) von 1847 sowie das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (ADHGB) von 1861 Vorläufer einer (Zivil- )Gesetzgebung für das gesamte Reich . 7 Diese wurden zwar im ganzen Land einheitlich kodifiziert. Dies beruhte aber nicht auf einheitlichen Reichsgesetzen, sondern jeweils auf einer Ratifizierung in einem einzelstaatlichen Ge-setzgebungsverfahren. 2. Ausarbeitung Insbesondere auf den Druck Preußens und der liberalen Mehrheit im Reichstag begannen unmittelbar nach der Verfassungsänderung die Vorarbeiten für das Bürgerli-che Gesetzbuch mit der Einsetzung einer "Vorkommission" im Jahre 1874. Diese sollte Vorschläge über Plan und Methode des zu erstellenden Normenwerks erarbeiten. Sie lieferte ihr Gutachten noch im April desselben Jahres . 8 Die daraufhin vom Bundesrat einberufene „erste Kommission“ bestand aus sechs Richtern, zwei Professoren und drei Ministerialbeamten, die die wichtigsten deutschen Länder und Rechtsgebiete vertraten. Die vor allem von Preußen geforderte Neukodifizierung des Zivilrechts wurde jedoch durch eine knappe Mehrheit der anderen, insbesondere süddeutschen Bundesstaaten, die einer Reformierung des Privatrechts ablehnend ge-genüberstande n, in dieser Kommission erschwert . Die erste Kommission erarbeitete unter Ausschluss der Öffentlichkeit einen ersten Entwurf, der 1887 dem Reichskanzler vorgelegt und 1888 zusammen mit einer umfassenden Begründung (den "Motiven") veröffentlicht wurde .10 Die bis heute gültige Einteilung des BGB in seine fünf Bücher (Allgemeiner Teil, Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht) und speziell das "vor die Klammer ziehen" des Allgemeinen Teils wurde dabei schon im ersten Entwurf festgelegt. Der erste En twurf wurde heftig kritisiert und sogar als undeutsch bezeichnet, da er sehr stark vom römischen Recht beeinflusst war .11 Dieser römischrechtliche Einfluss beruht mittelbar auf den Lehren der von F RIEDRICH CARL VON SAVIGNY begründeten Historischen Rechtssch ule. Aus deren "romanistischem" Zweig ging die Pandektenwissenschaft hervor, die sich um die Systematisierung des in Deutschland rezipierten römischen Rechts bemühte. Eingang in das BGB gefunden hat die römische Rechtstradition beispielsweise durch die Gru ndsätze von Privateigentum und Vertragsfreiheit sowie durch die Anerkennung der Testierfreiheit . 12 Die bereits erwähnte Einteilung _________________________________________________ 7 EISENHARDT , § 20 Rn. 740 ff..; L AUFS, JuS 1973, 741. 8 EISENHARDT § 20, Rn. 746. 9 SCHULTE -NÖLKE, NJW 1996, 1705 m .w.N. 10 EISENHARDT , § 20 Rn. 748 . 11 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , Einl., Rn. 5. 12 HÄHNCHEN , § 12 Rn. 657.

§1 Einleitung des BGB in fünf Bücher geht – zumindest zum Teil – ebenfalls auf die Pandektenwissenschaft zurück .13 Die deutsche Rechtstraditi on hatte vor allem im Sachenrecht einen entscheidenden Einfluss, insbesondere durch die Aufteilung in bewegliche Sachen und Immobilien. Die Ergebnisse der ersten Kommission gelten als geprägt von einer rechtsliberalen Einstellung .14 Der Entwurf wurde daher vor allem von sozialistischer Seite als zu wenig sozial kritisiert, anderweitig auch als zu doktrinär und lebensfremd bezeichnet .15 Nicht zuletzt wurde auch die Sprache des ersten Entwurfs als zu verklausuliert und gespickt mit komplizierten Nebensatzkonstruktionen von Gelehrten für Gelehrte bezeichnet . Die größten Kritiker des ersten Entwurfs fanden sich im Sozialisten A NTON MENGER und dem Germanisten O TTO VON GIERKE.17 Die Kritik am ersten Entwurf ließ den Ruf nach einer Neufassung lauter werden. Bevor jedoch die Arbeit an einer solchen begann, wurde das Verfahren geändert indem eine andere, „zweite Kommission“ eingesetzt wurde .18 Diese bestand neben Ministerialbeamten, Richtern, Anwälten, Professoren, Vertretern von Reichstagsparteien mit Ausnahme der Sozia ldemokraten auch aus Laien und Vertretern wichtiger Berufsstände wie dem Handel und der Industrie . Sie bekam 1890 den Auftrag, das bestehende Werk sprachlich zu vereinfachen und sachliche Wertungen zu verbessern. Der Einfluss des Reichsjustizamtes wurde durch den Vorsitz eines Staatssekretärs, der die Sitzungen zudem vor - und nachbereitete, nachhaltig gesichert. Der erste Entwurf sollte allerdings nicht gänzlich verworfen, sondern lediglich überarbeitet werden. 1895 wurden die Erträge der zweiten Kommissi on als „zweiter Entwurf“ zusammen mit den Beratungen (den „Protokollen“) dem Reichskanzler zugesandt, der ihn wiederum an den Bundesrat weiterleitete .20 In der Sache folgt der zweite Entwurf weitgehend der ursprünglichen „privatrechtsliberalen“ Konzeption.21 Materielle Änderungen gegenüber dem ersten Entwurf begegnen selten. Hervorzuheben sind die Regelung der Rechtsfähigkeit der Vereine (§§ 21 ff. BGB), die erweiterten Generalklauseln (§§ 157, 242, 826 BGB), die Möglichkeit zur Herabsetzung einer Vertragsstrafe (§ 343 BGB), einzelne Regelungen zum Schutze des Mieters (§§ 544, 571 BGB) und des Dienstnehmers (§ 618 BGB) sowie die Einführung der Rentenschuld (§§ ff. BGB) 22. Nach der Beratung im Bundesrat wurde der daraufhin erneut geringfügig überarbeitete Entwurf („dritter Entwurf“) 1896 dem Reichstag als eine vom Reichs-justizamt angefertigte Denkschrift zugeleitet. Das Gesetzeswerk wurde im Reichstag intensiv diskutiert, aber nach der dritten Le-sung mit einigen kleinen Änderungen mehrheitlich verabschiedet . Insbesondere die Sozialdemokraten stimmten gegen den Entwurf, weil sie ihre Forderungen im Gesetz-gebungsverfahren nicht durchsetzen konnten. Hierzu gehörten u.a. die rechtliche _________________________________________________ 13 Näher HKK -Schmoeckel , vor § 1 BGB, Rn. 19. 14 SCHULTE -NÖLKE, NJW 1996, 17 05 ff. 15 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , Einl., Rn. 5. 16 STÜRNER , JZ 1996, 742. 17 EISENHARDT , § 20 Rn. 748; S CHULTE -NÖLKE, NJW 1996, 1705 ff . 18 EISENHARDT , § 20, Rn. 751. 19 SCHULTE -NÖLKE, NJW 1996, 1707 . 20 EISENHARDT , § 20 Rn. 752. 21 SCHULTE -NÖLKE, NJW 1996, 1708 f . 22 SCHULTE -NÖLKE, NJW 1996, 1708 .

§1 Einleitung Gleichstellung der Frau in Ehe, Familie und Wirtschaftsleben, die rechtliche Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern und die Gleichbehandlung aller Ar-beitnehmer. 3. Inkrafttreten sowie weitere Entwicklung Die endgültige Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der kaiserlichen Ausfertigung vom 18.08.1896 trat zusammen mit dem neu geschaffenen Handelsgesetzbuch und einigen anderen Gesetzen am 1. Januar 1900 in Kraft (vgl. Art. 1 I EGBGB, 1 I EGHGB). Ein großer Teil seiner Vorschriften blieb auch nach mehreren Reformen, beispielsweise im Familienrecht (u.a. 1957, 1976 und 1986), bis heute unverändert. Dies gilt insbesondere für den Allgemeinen Teil (mit Ausnahme des zum 1.1.2002 neu gefassten Verjährungsrechts), das Sachen- und das Erbrecht. Tiefe Eingriffe in das Schuldrecht brachte das am 1.1.2002 in Kraft getretene Schuldrechtsmodernisierungsgesetz. Auch die gesetzliche Regelung des Mietvertrages weicht heute grundlegend von der ursprünglichen Fassung der §§ 535 ff. BGB ab. Im Arbeitsrecht hingegen hat sich die Entwicklung weitgehend in Spezialgesetzen, also außerhalb der dienstvertraglichen Vorschriften des BGB (§§ 611 ff. BGB) vollzogen. Den Arbeitsvertrag als speziellen Dienstvertrag hat der Gesetzgeber erst im Jahr 2017 mit § 611a BGB ins BGB aufgenommen. IV. Die Ausklammerung von Schlüsselregeln durch den Allgemeinen Teil Der Gesetzgeber kannte bereits bei der Schaffung des BGB bestimmte Fragen, die nicht nur bei einzelnen Verträgen, sondern allgemein (und in unterschiedlichen Bereichen des Privatrechts ) auftauchen. So stellt sich etwa die Frage der Verjährung für Ansprüc he aus einem Kaufvertrag (§ 433 Abs. 1 und 2 BGB) ebenso wie für Schadensersatzansprüche aus einer unerlaubten Handlung (z.B. § 823 Abs. 1 BGB), für sachenrechtliche Ansprüche (z.B. auf Herausgabe einer Sache , § 985 BGB) oder für familien - oder erbrechtlic he Ansprüche (z.B. auf Unterhalt). Um nicht bei jedem dieser Gebiete die Verjährungsfrage (mit einer separaten Vorschrift) neu beantworten zu müssen, hat der Gesetzgeber die entsprechenden Vorschriften im Allgemeinen Teil , genau gesagt: in den §§ 194 – 218 BGB geregelt. Man sagt: die Regeln des Allgemeinen Teils sind "vor die Klammer gezogen" (Ausklammerungsmethode). Das bezieht sich auf eine Vorgehensweise, die aus der Ma-thematik als "Distributivgesetz" bekannt ist. Man kann z.B. den Term a*b+a*c vereinfac hen, indem man a*(b+c) schreibt ; es gilt: a*b+a*c = a*(b+c). In diesem Beispiel ist "a" der "Allgemeine Teil ". Der Gesetzgeber musste aufgrund der Ausklammerungsmethode bestimmte Regeln nur einmal aufstellen, konnte also überflüssige Wiederholungen vermeiden. In den späteren Büchern sind dann lediglich solche Regeln erforderlich, die nicht allgemein, sondern nur für ein bestimmtes Rechtsgebiet, etwa das Kaufrecht (§§ 433 ff. BGB), gelten. _________________________________________________ 23 EISENHARDT , § 20 Rn. 755.

§1 Einleitung

Freilich hat die mit der "Ausklammerungsmethode" erstre bte "Vereinfachung" ihren Preis. Diese Regelungstechnik führt zu sehr abstrakten allgemeinen Vorschriften und erschwert damit die erstmalige Befassung mit dem BGB . Scheinbar ist es zwar eine Erleichterung, dass z.B. die Regeln über die Verjährung nur einma l durchzu arbeiten sind. Später muss man sich aber stets daran erinnern, dass die Vorschriften über Kaufverträge (§ § 433 ff. BGB) nicht alle erheblichen Fragen beantworten. Vielmehr bewirkt erst d ie Zusammen schau mit den Regeln des Allgemeinen Teils des BGB (sowie zusätzlich noch mit den Regeln des Allgemeinen Teils des Schuldrechts) ein vollständiges Verständn is der gesetzlichen Regelung des Kaufvertrags. Verkompliziert werden die Dinge auch deshalb, weil eine allgemeine Vorschrift durch eine speziellere So nderregel verdrängt oder abgeändert werden kann ("lex specialis derogat legi generali"). Beispiel : Grundsätzlich gelten die allgemeinen Verjährungsvorschriften (§§ ff. BGB) auch bei Mietverträgen. § 548 BGB enthält indes eine Norm über die Verjährung von Ersatzansprüchen des Vermieters gegen seinen Mieter nach einer "Verschlechterung" (Beschädigung) der Mietsache. Für diese (und nur für diese!) Ansprüche modifiziert § 548 BGB die "allgemeinen Vorschriften" der §§ 194 ff. BGB und ordnet eine (im Verglei ch zu § 195 BGB) besonders kurze Verjährungsfrist von 6 Monaten an.

Der Allgemeine Teil des BGB enthält unter anderem die Regeln über das Zustandekommen von Verträgen (§§ 145 ff. BGB) . Verträge werden im täglichen Leben sehr häufig geschlossen. Auch Sie s elbst schließen bereits beim täglichen Einkauf von Zeitung und Brötchen eine Reihe von Verträgen . Es gibt aber nicht nur Kaufverträge, sondern u.a. auch Mietverträge, Dienstverträge und Werkverträge. Auch die Ehe ist ein Vertrag. Außerdem gibt es Verträge im Gesellschafts -, Arbeits- oder Sachenrecht ebenso wie in allen anderen Gebieten des Privatrechts. Wie ein Vertrag zustande kommt , ist deshalb nicht nur eine besonders wichtige, sondern auch eine allgemeine Frage, die im Kaufrecht grundsätzlich nicht ande rs beurteilt wird als im Arbeitsrecht. Aus diesem Grunde be handelt der Allgemeine Teil des BGB z.B. die Folgen der Minderjährigkeit eines Geschäftspartners (§§ 104 ff. BGB) oder die Vertretung eines Vertragspartner s durch eine andere Person (§§ 164 ff. BG B). Der Allgemeine Teil behandelt u.a. auch die Probleme des Irrtums und der Täuschung bei Vertragsschluss (§§ 119 ff. BGB) oder die Folgen einer Missachtung von Formvorschriften (§§ 125 ff. BGB). All' diese Fragen können sich im Kaufrecht genauso stellen wie im Arbeitsrecht oder im Gesellschaftsrecht.

  • der Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages , durch den sich die Vertragschließenden verpflichten , einander bestimmte Leistungen zu erbringen ; aufgrund eines
  • die Änderung eines bestehenden Vertrages.
  • die Änderung der Eigentumsverhältnis se an einer Sache;

§1 Einleitung Beispiel für die Ä nderung der Eigentumsverhältnisse an einer Sache: Überträgt E das Eigentum an dem ihm gehörenden Kraftfahrzeug auf A, dann geht das Eigentum an dem Kraftfahrzeug auf A über. Die gewollte und eingetretene Rechtsfolge ist die Änderung der Eigentumslage an dem Kraftfahrzeug. Die Übertragung des Eigentums an dem Kraftfahrzeug ist ein (sachenrechtliches) Rechts-geschäft. Manche Rechtsgeschäfte, z.B. die Errichtung eines Testaments ( § 2247 BGB), können von einer Privatperson allein vorgenommen werden (einseitige Rechtsgeschäfte). Bedarf eine Person zur Verfolgung ihrer Ziele jedoch der Mitwirkung anderer Personen, muss sie sich mit diesen darüber einigen. Kommt eine solche Einigung zustande, so wird ein Vertrag, ein mehrseitiges Rechtsgeschäft geschlossen.

Beispiel für die aus dem Abschluss eines Vertrages erwachsenden Rechtsfolgen: Nach dem Abschluss eines Kaufvertrages kann der Verkäufer vom Käufer die Zahlung des vereinbarten Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB) und der Käufer vom Verkäufer die Übergabe und Übereignung der Kaufsache verlangen (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB). Während für den Anspruch auf Kaufpreiszahlung der Verkäufer der Gläubiger und der Käufer der Schuldner ist, ändern sich diese Rollen beim An-spruch auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache; hier ist nunmehr der Käufer der Gläubiger und der Verkäufer der Schuldner.

Beispiel für die Änderung eines bestehenden Vertrages: Vermieter und Mieter haben am 1. Januar 2021 einen Mietvertrag abgeschlossen. Am 1. März verein baren sie, die monatliche Miete um 10 % zu erhöhen. Die am 1. März 20 getroffene Vereinbarung über die Höhe der Miete verändert die Verpflichtung des Mieters, eine bestimmte Geldsumme als Miete an den Vermieter zu zahlen (§ 535 Abs. 2 BGB) .

2. Privatautonomie und vertragliche Schuldverhältnisse Eine wichtige Art von Rechtsgeschäften sind die bereits erwähnten schuldrechtlichen Verträge. Zu diesen vertraglichen Schuldverhältnissen zählen "entgeltliche" Verträge, z.B. Kaufverträge (§§ 433 ff. BGB) , Mietverträ ge (§§ 535 ff. BGB) , Dienst verträge (§§ 611 ff. BGB), Werkverträge (§§ 631 ff. BGB) , Darlehensverträge (§§ 488 ff., ff. BGB), Behandlungsverträge (§§ 630a ff. BGB) und Maklerverträge (§§ 652 ff. BGB). Auch die "unentgeltlichen" Verträge, bei denen keine Gegenleistung erbracht werden muss, begründen jeweils ein Schuldverhältnis. Beispiele hierfür sind Schen-kung (§§ 516 ff. BGB), Leihe (§§ 598 ff. BGB) und Auftrag (§§ 662 ff. BGB). Bei vertragliche n Schuldverhältnisse n ist die wohl wichtigste Erscheinungs form der Privatautonomie – die Vertragsfreiheit – von zentraler Bedeutung. Die Vertragsfreiheit beinhaltet die Abschluss -, die inhaltliche Gestaltungs - und die Formfreiheit. a) Die Abschlussfreiheit Die Abschlussfreiheit ist die Freiheit des Einzelnen zu entscheiden, ob, mit wem und worüber er Verträge schließen möchte.

§1 Einleitung Beispiel (I): Der Buchhändler, der eine größere Anzahl Bücher in seinem Ladenlokal aufgestellt hat, kann nicht gezwungen werden, diese Bücher zu veräußern, wenn er sich entschlossen hat, die Bücher für sich zu behalten. Denn er hat das Recht zu entscheiden, ob er über den Verkauf dieser Bücher Verträge abschließen möchte oder nicht.

Beispiel (II): K möchte das Grundstück des E kaufen. E lehnt es ab, mit K überhaupt rechtliche Bindungen einzugehen, weil K einer religiösen Sekte angehört, deren Prinzipien E missfallen. E ist aufgrund der sich aus der Privatautonomie ergebenden Abschlussfreiheit in der Wahl seiner Vertragspartner grundsätzlich frei. Er kann daher nicht gezwungen werden, mit K Verträge abzuschließen, selbst wenn die Begründung für seine ablehnende Haltung einer objektiven Betrachtung nicht standhält. Die Abschlussfreiheit gewährt damit dem Anbieter von Leistungen oder Waren das Recht, die eigentlich bestehende Pflicht zur Gleichbehandlung zu vernachlässigen. Dieses Recht wird allerdings in Einzelfällen eingeschränkt (siehe dazu „Die Grenzen der Privatautonomie“ unter 3.). Mit der Abschlussfreiheit verbunden ist das Recht der Parteien, sich unter be-stimmten Voraussetzungen von einem Vertrag zu lösen. Dies kann einverständlich (etwa durch einen Aufhebungsvertrag) oder durch eine einseitige Vertragsauflösung (z.B. Widerruf, Rücktritt, Kündigung) geschehen.

b) Die inhaltliche Gestaltungsfreiheit Die Rechtsordnung bietet für die meisten Verträge, die täglich geschlossen und voll-zogen werden, feste Typen mit bestimmten Regeln an. Bereits erwähnt wurden aus dem Besonderen Teil des Schuldrechts die Vorschriften über den Kauf, die Miete, die Pacht, das Darlehen und die Geschäftsbesorgung. Allerdings ist niemand gezwungen, sich dieser vom Gesetz angebotenen Vertragstypen zu bedienen. Jedermann kann ganz andere Verträge abschließen oder die vorhandenen Vertragstypen so abändern, dass sie seinen tatsächlichen oder vermeintlichen Bedürfnissen entspr echen. So können neue Vertragstypen entstehen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelt sind, sich aber dennoch im Wirtschaftsverkehr durchsetzen. Ein Beispiel hierfür ist der Leasingvertrag als sogenannter typengemischter Vertrag mit Elementen aus Ka uf- und Mietvertrag . Die Vereinbarung von Regelungen, die von den gesetzlich geregelten Vertragstypen abweichen, erfolgt oft über die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (siehe dazu Teil 4 dieses Kurses). Beispiel: Wollen S und B einen Vertrag abschließen, der B die Möglichkeit einräumt, eine dem S gehörende Sache zu benutzen, so sind sie nicht gezwungen, einen Miet -, Pacht - oder Leihvertrag mit genau den Regeln zu vereinbaren, die in den §§ 535, 598 ff. BGB enthalten sind. Sie können – gestützt au f die Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie – einen atypischen Vertrag (wie etwa einen Leasingvertrag) abschließen. Sie haben aber auch die Möglichkeit, einen oder mehrere Vertragstypen des BGB zugrunde zu legen und teilweise andere als die gesetzl ichen Regeln zu vereinbaren, um den Vertrag den individuellen Bedürfnissen besser anzupassen.

§1 Einleitung c) Die Formfreiheit Aufgrund der Formfreiheit können die Parteien ihre Einigung über den Abschluss eines Vertrages auf die von ihnen gewählte Art zum Ausdruck bringen .27 So kann etwa ein wirksamer Vertrag durch mündliche Erklärungen geschlossen werden. Die Parteien können die Wirksamkeit aber auch an die Wahrung der Schriftform oder gar an eine notarielle Beurkundung knüpfen (vgl. § 125 S. 2 BGB). In einigen Fällen besteht hingegen ein Formzwang. Dieser ist die Ausnahme und muss gesetzlich vorgeschrieben sein. Der Formzwang trägt in einigen Fällen dem Interesse des Rechtsverkehrs an Publizität und Offenkundigkeit Rechnung. Ist für die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften deren notarielle Beurkundung erforderlich (siehe z.B. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB), stehen oft die Bedürfnisse nach Beweissicherung, nach rechtlicher Belehrung der Parteien durch einen Notar und der Schutz der Parteien vor übereilten Entscheidungen im Vordergr und. Vertragsfreiheit

Abschlussfreiheit Gestaltungsfreiheit Formfreiheit

Grundlage: Prämisse Gesetzgeber; Art. 2 I GG Grundlage: §§ 241, 311 BGB Grundlage: Umkehrschluss § 125 BGB

3. Die Grenzen der Privatautonomie Die Privatautonomi e wird nicht uneingeschränkt gewährleistet. Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit des Einzelnen im Rechtsleben wird vielmehr durch die Rechtsordnung begrenzt und inhaltlich ausgestaltet. So ordnet das BGB z.B. in § BGB die Nichtigkeit solche r Rechtsgeschäfte an, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Dies bildet aber nur die äußerste Grenze der Privatautonomie. Darüber hinaus führt ihre uneingeschränkte Anerkennung nämlich nur dort zu einem angemessenen Inte-ressenausgleich, wo zwischen den Beteiligten ein annähernd ausgewogenes Kräfte-verhältnis besteht. a) Ausgangspunkt Die Schöpfer des Bürgerlichen Gesetzbuches waren von dem Modell formal gleicher Teilnehmer am Rechtsverkehr ausgegangen. Eines ihrer Ziele wurde erreicht: die pri-vatautonome Gestaltung der Privatrechtsverhältnisse mit Hilfe des Vertrages und des Eigentums setzte zusammen mit der Gewerbefreiheit die Kräfte frei, die zu einem bis dahin nicht gekannten wirtschaftlichen Aufschwung führten. Eine andere Vorstellung hat sich indes i n der Praxis als falsch erwiesen : die Annahme, dass Privatautonomie _________________________________________________ 27 MUSIELAK , JUS 2017, 950 f .

§1 Einleitung und Gewerbefreiheit ausreichend seien, um der einseitigen Machtentfaltung einzelner (durch Wettbewerb ) zu begegnen . Die Möglichkeit, den Vertragspartner frei auszuwählen und den Vertragsin halt frei auszuhandeln, besteht heute kaum noch. Gelegentlich mag eine solche "Basaridylle" noch auf einem Floh- oder Wochenmarkt anzutreffen sein. Schon beim Erwerb wertvollerer Konsumgüter – z.B. von Elektrogeräten oder Kraftfahrzeugen – oder beim Abschl uss von Kredit - und Versicherungsverträgen diktiert häufig ein Vertragspartner durch so genannte "Allgemeine Geschäftsbedingungen" mehr oder weniger einseitig den Vertrags inhalt. Ist der andere auf den Vertragsschluss angewiesen, so bleibt ihm häufig keine andere Wahl, als sich darauf einzulassen. Wenn aber ein Vertragsteil – aus welchen Gründen auch immer – dem anderen so überlegen ist, dass dieser sein Handeln nicht mehr frei bestimmen kann, geht die un-eingeschränkte Wahrnehmung der Privatautonomie durch den Stärkeren mit einer Beeinträchtigung des Selbstbestimmungsrechts des Schwächeren einher. Da sich aber beide auf das Grundrecht der Privatautonomie berufen können (Art. 2 Abs. 1 GG), müssen diese Positionen zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden. In Fällen, in denen das Kräftegleichgewicht nachhaltig gestört ist, muss die Rechtsordnung daher den Schwächeren schützen . b) Grenzen der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit Auch die Freiheit der inhaltlichen Gestaltung eines Vertrages ist nicht grenzenlos. Mit den im Folgenden dargestellten Einschränkungen soll vor allem die schwächere Ver-tragspartei davor geschützt werden, Verträge abzuschließen, deren Inhalt sie gegen-über dem stärkeren Vertragspartner unangemessen benachteiligt. (1) Zwingendes dispositives Recht Die durch die Privatautonomie gewährleistete Freiheit ermöglicht es den Personen, ihre Rechtsverhältnisse durch Vereinbarungen weitgehend selbst zu gestalten. Wenn die am Rechtsverkehr beteiligten Personen die im Gesetz enthaltenen Regelungen nach ihrem Willen verändern oder ergänzen können, handelt es sich um nachgiebiges Recht (dispositives Recht). Dispositiv sind vor allem viele Normen des Schuldrechts. Beispiel : Die Vorschriften der §§ 434 ff. BGB über die Gewährleistungspflichten des Verkäufer s könne n abgeändert und ergänzt werden. Dabei sind freilich die Vorschriften über "Allgemeine Geschäftsbedingungen" ( §§ 305 ff. BGB), die in vielen Fällen den Käufer schützen, zu beachten. Beim Kauf einer gebrauchten Sache kann also z.B. vereinbart werden, dass b estimmte Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen sind. Beim Kauf einer neuen Sache ist jedoch ein völliger Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen in Formularverträgen nach § 309 Nr. 8 b BGB unwirksam. Noch gravierender sind die Einschränkungen beim "Verbrauchsgüterkauf" (§§ 474 ff. BGB; dazu unter 5). Im Gegensatz zum dispositiven Recht steht das "zwingende" Recht. Hierunter versteht man diejenigen Vorschriften, die immer angewandt werden. Diese Normen sind also auch dann zu beachten, wenn die Beteiligten eine abweichende Regelung gewollt haben . Anders formuliert: Zwingende (oder unabdingbare) ge_________________________________________________ 28 BVerfG NJW 1994, 36, 38 f.; PAULUS /ZENKER , JuS 2001, 1 .

§1 Einleitung setzliche Regeln können von den Personen, die in ein bestimmtes Rechtsverhältnis eintreten oder bereits an ihm beteiligt sind, nicht durch Vereinbarung aus geschlossen, veränder t oder ergänz t werden . Zum zwingenden Recht gehören z.B. diejenigen Vorschriften, die die Voraussetzungen der Privatautonomie und ihrer Ausübung betreffen. Von den Regeln über die Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB) kann also nicht durch Part eivereinbarung abgewichen werden. Auch diejenigen Normen, die die Sicherheit des Rechtsver-kehrs garantieren, das Vertrauen Dritter schützen und grobe Ungerechtigkeiten verhüten sollen, sind unabdingbar. Zum zwingenden Recht zählen daher die meisten Vorschriften des Sachen -, Familien - und Erbrechts. Im Sachen -, Familien und Erbrecht stellt die Rechtsordnung den Bürgern bestimmte Typen zulässiger Regelungen zur Verfügung, unter dene n sie wählen können . Beispiel : Schließen die Parteien einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) über eine bewegliche Sache, erhält der Käufer einen Anspruch gegen den Verkäufer auf Übereignung und Übergabe der Kaufsache (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB). Auf welche Art und Weise der Kaufgegenstand übereignet wird, können die Parteien nicht durch eine individuelle Übereinkunft regeln . Für die Übereignung des Eigentums an beweglichen Sachen enthält das BGB zwingende Vorschriften in §§ 929 ff. BGB Verkäufer und Käufer können sich nur dieser vom Gesetz angebotenen Möglichkeiten für die Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen bedienen. Eine davon abweichende Regelung ist nicht möglich.

(2) Generalklauseln Der Gesetzgeber hat nicht alle Fälle von gestörtem Vertragsgleichgewicht abschließend ausdrücklich regeln können und wollen. Um Missbräuchen der Priv atautonomie , insbesondere der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit, flexibel und mit Rücksicht auf den Einzelfall begegnen zu können, hat er sich deshalb so genannter "Generalklauseln" bedient. Neben § 242 BGB ist hier vor allem § 138 BGB zu nennen. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die "guten Sitten" verstößt, nichtig. Den Zivilgerichten ist damit ein wirksames Mittel an die Hand gegeben, Auswüchse der Privatautonomie zu beschneiden und einer Fremdbestimmung durch die überlegene Vertragspartei entgegen zu wirken . Die Generalklauseln des BGB sind außerdem ein Einfallstor für eine Prüfung der Grundrechte. Es ist anerkannt, dass die Grundrechte auch eine objektive Werteordnung unter den Bürgern vermitteln, die im Rahmen der unbestimmt en Rechtsbegriffe zu berücksichtigen ist. (sog. "mittelbare Drittwirkung " der Grundrechte) Eine weitere Generalklausel, die die inhaltliche Gestaltungsfreiheit begrenzt, ist § 134 BGB, wonach Rechtsgeschäfte, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, nichtig sind. (3) Allgemeine Geschäftsbedingungen Die schwächere Vertragspartei wird auch durch die in das BGB eingefügten Bestimmungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen geschützt (siehe dazu ausführlich KE 4, § 7 dieses Kurses) . Nach § 307 BGB sind z.B. solc he Bestimmungen unwirksam, die den Vertragspartner des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen "entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen". In den §§ 308, 309 BGB finden sich konkrete Bestimmungen, deren Vereinbarung in allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Unwirksamkeit der Klausel führt bzw. führen kann. _________________________________________________ 29 Vgl. zu Alledem: B ROX/WALKER , § 2 Rn. 17 .

§1 Einleitung (4) Schutz des Verbrauchers Erheblich eingeschränkt wird die inhaltliche Gestaltungsfreiheit darüber hinaus durch eine Reihe von Verbraucherschutzvorschriften des BGB. Diese Vorschriften greifen i.d.R. im Verhältnis zwischen Verbraucher n und Unternehmern . Sie wurden im Zuge der Umsetzung der EU- Verbraucherrechterichtlinie RL 2011/83/EU (durch das sog. Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung v. 20.09.2013, BGBl. I, 3642) mit Wirkung zum 13.06.2014 umfassend novelliert. Hauptz iel der Richtlinie ist es, zu einem hohen Verbraucherschutzniveau und zum besseren Funktionieren des europäischen Binnen-marktes für Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern beizutragen. Den Begriff des Unternehmers hat der Gesetzgeber in § 14 BGB, den des Verbrauchers in § 13 BGB definiert. Hervorzuheben sind die Vorschriften über: – allgemeine Vorschriften für Verbraucher verträge über entgeltliche Leistungen/Allgemeine Informationspflichten (§§ 312 f f. BGB) , – außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge ( § 312b BGB), – den Fernabsatzvertrag (§ 312c BGB), – den elektronischen Geschäftsverkehr (§§ 312i, 312j BGB) , – die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen (digitale Produkte ) durch den Unternehmer (§§ 327 ff.) – die Regeln über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB), – die Verbraucherdarlehensverträge (§§ 491 ff. BGB) und – die Ratenlieferungsverträge (§ 5 10 BGB). Verbraucherverträge sind solche Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossen werden und für die das Gesetz eine den Schutz des Verbrauchers in besonderer Weise bezweckende Norm, wie z.B. die Einräumung eines Widerrufsrechts, vorsieht, die von der Regelung des Normalvertrages abweicht. Verbraucher ist nach § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Durch die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ist hier das Wort „überwiegend“ eingefügt worden . Das hat Auswirkungen auf die Einordnung von sog. Dual -use-Verträgen, die sowohl zu gewerblichen als auch zu nichtgewe rblichen Zwecken geschlossen werden . Hier soll es auf den überwiegenden Zweck des Vertrages ankommen. Demgegenüber ist Unternehmer gemäß § 14 BGB jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rech tsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Beispiel (1): Wenn der Steuerberater S beim Möbelhaus M -GmbH Büromöbel für seine Kanzlei kauft, sind sowohl S als auch die M -GmbH Unternehmer. Es handelt sich um einen normalen Kaufvertrag, nicht um einen Verbrauchervertrag oder einen Verbrauchsgüterkauf.

_________________________________________________ 30 Vgl. JAUERNIG /MANSE L, § 13 Rn. 3.

§1 Einleitung Beispiel (2): Rentner R kauft beim Möbelhaus M -GmbH Schlafzimmermöbel. Hier ist R Verbraucher im Sinne des § 13 BGB; die M -GmbH ist Unternehmerin , denn sie handel t in Ausübung ihrer gewerblichen Tä tigkeit (§ 14 BGB). Es handelt sich also um einen Verbrauchsgüterkauf ( § 474 BGB).

Beispiel (3): Wenn, anknüpfend an das oben dargestellte Beispiel, Steuerberater S bei der M -GmbH Schlafzimmermöbel für sein Eigenheim kau ft, ist S Verbraucher im Sinne des § 13 BGB; denn der Abschluss des Vertrages kann nicht überwiegend seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden. Die M GmbH ist hingegen wieder Unternehmer in (§ 14 BGB). Es handelt sich folglich um einen Verbrauchsgüterkauf. Die gesetzlichen Regelungen, die den Verbraucher schützen sollen, können nicht durch Vereinbarungen der vertrags schließenden Parteien eingeschränkt oder modifiziert werden. Die Verbraucherschutzvorschriften des BGB unterliegen also nicht der Parteidisposition. Liegt ein "Verbrauchsgüterkauf" gem. §§ 474 ff. BGB vor, kauft also ein Verbraucher (§ 13 BGB) eine bewegliche Sache bei einem Unternehmer (§ 14 BGB), dann ist die Gestaltungsfreiheit noch geringer. (a) Die Verbraucherverträge Für Ver braucherverträge typisch ist die Gewährung eines Widerrufsrecht s (§ BGB), mit dem sich der Verbraucher von dem bereits abgeschlossenen Vertrag lösen kann, ohne dass es dafür eines besonderen Grundes bedarf. Während etwa vor dem 13.06.2014 noch die komm entarlose Rücksendung der Ware für die Ausübung des Widerrufs genügte, reicht dies nun grundsätzlich nicht mehr aus: der Verbraucher muss eine Erklärung abgegeben, aus der sein Entschluss zum Widerruf des Vertrages eindeutig hervorgeht, vgl. § 355 Abs. 1 S. 3 BGB. Ein Widerruf in Textform ist indes nicht mehr zwingend, der Verbraucher kann auch durch einen Telefonanruf widerru-fen. Voraussetzung ist stets, dass seine an den Unternehmer gerichtete Erklärung eindeutig ist. Der Unternehmer muss den Verbraucher über sein Widerrufsrecht belehren und kann dafür die in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB abgedruckte Muster -Widerrufsbelehrung verwenden. Gemäß § 355 BGB hat ein Verbraucher ( § 13 BGB), dem das Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Norm einräum t, nach Vertragsschluss die Möglichkeit, seine Willenserklärung wirksam zu widerrufen, wenn er sich vom Vertrag lösen will. Die Frist für den Widerruf beträgt bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung 14 Tage (§ Abs. 2 BGB). Sie beginnt mit dem Vertragssc hluss, soweit nichts anderes bestimmt ist. Fehlt diese Belehrung, so gilt regelmäßig eine Höchstfrist von zwölf Monaten und Tagen , die i. d.R. mit Vertragsschluss zu laufen beginnt. Nach Fristablauf erlischt das Widerrufsrecht (vgl. z.B. §§ 356 Abs. 3 S. 2, 356a Abs. 3 S. 2 BGB). Hat der Verbraucher eine Widerrufserklärung abgegeben, so sind weder er noch der Unternehmer "an ihre auf den Abschluss des Vertrages gerichtete n Willenserklärungen" gebunden ( § 355 Abs. 1 S. 1 BGB). Das bedeutet, dass ein Vertr ag zunächst wirksam zustande gekommen ist . 31 Der Verbraucher kann sich allerdings durch Widerruf vom Vertrag lösen. Von diesem Zeitpunkt an ist der Vertrag, der bis zu diesem Zeitpunkt bestanden hat, beendet. Sind bis zum Wirksamwerden des Widerrufs be_________________________________________________ 31 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 355 BGB, Rn. 3.

§1 Einleitung reits Leistungen ausgetauscht worden, so wird der Vertrag über die Widerrufsvorschriften "rückabgewickelt" (§§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 ff. BGB). Hierbei kommt es im Einzelnen auf die Besonderheiten des widerrufenen Vertrages an. Für Verbraucherverträge ordnet § 310 Abs. 3 BGB eine strenge Inhaltskontrolle an, wie sie sonst nur bei der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorgesehen ist . Diese Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB findet auch bei solchen vorformulierten Verträgen statt, die nur einmal verwendet wurden , also eigentlich nicht unter den Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 BGB ("für eine Vielzahl von Verträgen") fallen. (Vgl. hierzu im Einzelnen KE 4, § 7). (b) Der Verbrauchsgüterkauf Einige Besonderheiten ergeben sich für Kaufverträge, die zwischen einem Verbraucher ( § 13 BGB) als Käufer und einem Unternehmer ( § 14 BGB) als Verkäufer über eine bewegliche Sache abgeschlossen werden (Verbrauchsgüterkauf). Hierauf finden abweichend von den §§ 434 ff. BGB die Sonderregelungen der §§ 474 ff. BGB Anwendung. Hier verkleinert § 475 Abs. 1 -3 BGB den Spielraum für eine (aus Sicht des Verbrauchers) ungünstige Abweichung vom gesetzlichen Gewährleistungsrecht noch stärker als der bereits erwähnte § 309 Nr. 8 b BGB (der nur für Formul arverträge gilt). Nach § 476 Abs. 2 BGB kann z.B. die Verjährungsfrist von zwei Jahren für die Gewährleistungsansprüche und Rechte aus § 437 BGB nicht durch eine Individualvereinbarung unterschritten werden, wenn es sich um den Kauf neuer Sachen handelt.

c) Die Abschlusspflicht als Ausnahme der Abschlussfreiheit Grundsätzlich ist der Einzelne in seiner Entscheidung darüber frei, ob er einen Vertrag schließen möchte und wer der Vertragspartner sein soll. Die Abschlussfreiheit kann jedoch ausnahmsweise durch einen Kontrahierungszwang eingeschränkt sein. Dieser führt dazu, dass man auch gegen seinen Willen dazu verpflichtet ist, mit einer anderen Person einen Vertrag zu schließen. Es liegt dann eine Abschlusspflicht, d.h. die Pflicht zur Abgabe einer auf Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung, vor. (1) Daseinsvorsorge Im Bereich der Daseinsvorsorge ist die Abschlusspflicht in einigen Fällen gesetzlich ausdrücklich geregelt. Ziel dieser Regelungen ist es, jedem Bürger den Zugang zu un-verzichtbaren Leistungen für die Lebensführung zu ermöglichen. 32 Ein Kontrahierungszwang besteht daher beispielsweise für Versorgungsunternehmen, die Gas und Strom anbieten (§ 36 Abs. 1 S. 1 EnWG), für Personenbeförderungsunternehmen (§ 22 PersBefG) und für Anbieter der Kfz -Haftpflich tversicherung (§ 5 Abs. PflVersG). (2) Gründe der Gleichbehandlung In die Vertragsfreiheit greift auch das im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB ) geregelte Kartellrecht ein. Für Unternehmen, die eine marktbeherrschende Stellung innehaben, sowie f ür Wirtschafts - und Berufsvereinigungen kann eine Abschlusspflicht aus dem Verbot der Ungleichbehandlung und Behinderung gemäß _________________________________________________ 32 BeckOK/ MÖSLEIN , BGB § 145 Rn. 50.

§1 Einleit ung §§ 19, 20 Abs. 2 GWB folgen.33 Hieraus kann sich z.B. eine Belieferungspflicht gegenüber einem Unternehmen ergeben, das von den Waren oder Leistungen eines "marktstarken" Unternehmen s abhängig ist. Auch hierbei handelt es sich um einen Kontrahierungszwang. Dieser Eingriff in die Vertragsfreiheit wird damit gerechtfertigt, dass eine freiheitliche Marktordnung für alle Teilnehmer siche rgestellt werden soll.34 (3) Allgemeiner zivilrechtlicher Kontrahierungszwang Darüber hinaus kann sich eine Abschlusspflicht auch aus dem allgemeinen Zivilrecht ergeben. Hier entwickelte sich folgender Grundsatz: Unternehmen, die solche Güter oder Leistungen zu r Deckung des Lebensbedarfs öffentlich anbieten, die sich ein Kunde nicht anderweitig – etwa durch andere Anbieter – verschaffen kann, dürfen den Abschluss eines Vertrages nur verweigern, wenn dafür sachlich berechtigte Gründe bestehen. Die betroffenen Unternehmen haben nämlich regelmäßig eine Monopolstellung inne, wenn diese auch örtlich oder sachlich eng begrenzt sein mag. Andernfalls -wenn keine sachli ch berechtigten Gründe bestehen- sieht die h. M. darin eine sittenwidrige Schädigung i. S. d. § 826 BGB, wodurch ein Abschlusszwang im Zuge der Naturalrestitution nach § 249 I BGB begründet wird.

Beispiel: A lebt gemeinsam mit weiteren 3000 Menschen auf einer Insel, von der aus das Festland nur unregelmäßig und unter großen Mühen zu erreichen ist. So daue rt eine Überfahrt 12 Stunden und ihr Preis übersteigt das monatliche Gehalt des A. Auf dieser Insel betreibt die Inselverwaltung ein Kunstmuseum, das in wechselnden Ausstellungen zeitgenössische Kunstwerke verschiedener Maler der Insel und des Festlandes a usstellt. Der Leiter des Museums (L), der gleichzeitig der Kartenverkäufer und unmittelbarer Nachbar des A ist, verweigert A fortgesetzt den Zugang zum Museum. Hintergrund ist ein schon seit Jahren zwischen beiden bestehender Nachbarschaftsstreit. Hier kön nte L verpflichtet sein, mit A einen Vertrag zu schließen. Ein Museum deckt den Bedarf seiner Besucher an Kultur und bildender Kunst und stellt damit wichtige Leistungen zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung. 36 Diese Leistungen bietet das Museum auch öffentlich an. Zudem ist es A nicht möglich, seinen Bedarf an Kunst und Kultur durch Besuche anderer Museen zu decken; insbesondere kann er nicht darauf verwiesen werden, die beschwerliche Reise zum Festland auf sich zu nehmen. Des Wei-teren lehnt L den Vertragsschluss auch nicht aus sachlich berechtigten Gründen ab. Etwas anderes käme z.B. in Betracht, wenn A in der Vergangenheit im Rahmen seiner Besuche Kunstwerke zerstört, beschädigt oder entwendet hätte. Hier-für gibt es im vorliegenden Fall aber keine Anhaltspunkte. Mithin ist L verpflichtet, gegenüber A eine auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung abzugeben. _________________________________________________ 33 MünchKomm/ WAGNER , BGB § 826 Rn. 216 f . 34 Hierzu näheres im Modul Unternehmensrecht II [55201] – Wettbewerbsrecht, G ewerblicher Rechtsschutz und Kartellrecht 35 OLG Karlsruhe NJWE -VHR 1996, 127 f .; OLG Celle OLGZ 1972, 281, 283; EIDENMÜLLER , NJW 1991, 1439, 1441. 36 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , vor § 145 BGB, Rn. 10.

§1 Einleitung Erhebliche Eingriffe in die Abschlussfreiheit bringt neuerdings die Umsetzung europäischer "Antidiskriminierungsrichtlinien" mit sich, insbesondere das Allge-meine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das am 18.8.2006 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz verbietet vor allem im Arbeitsrecht "Diskriminierungen" aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, A lter oder sexueller Identität, hat aber auch Auswirkungen auf den allgemeinen Zivilrechtsverkehr. Nach § 21 Abs. 1 AGG stehen dem Benachteiligten Ansprüche auf Beseitigung der Beeinträchtigung und Unterlassung zu, wenn ein Verstoß gegen das Benach-teiligu ngsverbot des § 19 AGG begangen wurde bzw. dessen Begehung droht. Nach h.M. 39 ist der Beseitigungsanspruch in den Fällen, in denen die Folge des Verstoßes in einem Nichtabschluss eines Vertrages liegt, auf den Abschluss des beabsichtigten Vertrages gerichtet. Es besteht daher insoweit ein Kontrahierungszwang. Zur Entstehung eines solchen Anspruchs muss zunächst durch einen Verstoß gegen § 19 I, II AGG ein gegenwärtiger rechtswidriger, benachteiligender Zustand geschaffen worden sein. Darüber hinaus muss ein besonderes Kausalitäts - und ein Bestimmtheitserfordernis erfüllt sein. Schließlich darf der beabsichtigte Ver-tragsschluss nicht unmöglich im Sinne des § 275 BGB sein. Das Kausalitätserfordernis ist erfüllt, wenn es ohne den Verstoß gegen das zivilrechtlic he Benachteiligungsverbot zu einem Vertragsschluss gekommen wäre. Dies ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Benachteiligte der einzige Interessent gewesen ist oder es sich um Massengeschäfte dergestalt handelt, dass die Ver-träge ohne Ansehen der Person grundsätzlich mit jedermann geschlossen werden. Problematisch ist die Kausalität dagegen in den Fällen, in denen die Nachfrage das Angebot übersteigt . 40 Der abzuschließende Vertrag muss des Weiteren hinreichend bestimmt sein. So müssen beispielsweise für einen Kaufvertrag der Kaufpreis, die Kaufsache und die Vertragsparteien ( „essentialia negotii“ ) feststehen. Eine Unmöglichkeit des Vertragsschlusses kommt insbesondere in Betracht, wenn das fragliche Angebot an einer Ware oder Dienstleistung begrenzt ist (Beispiel: der Verkäufer hat nur ein Auto, das er verkaufen möchte) und der potentielle Vertragspartner inzwischen mit einem Dritten kontrahiert hat und feststeht, dass er die Verfügungsmacht über die betreffende Sache nicht mehr zurückerlangen kann. Wird das Benachteiligungsverbot schuldhaft verletzt, so kann der Benachteiligte nach § 21 Abs. 2 S. 1 AGG auch den Ersatz des entstandenen Schadens verlangen. Ein Verschulden des Verletzers wird gemäß § 21 Abs. 2 S. 2 AGG vermutet. Vermutungen führen in der Praxis zu einer Umkehr der Beweisführungslast. Neben den Vermögensschäden sind dabei auch immaterielle Schäden durch eine Entschädigung in Geld zu ersetzen. Nach § 21 Abs. 3 AGG lässt die Haftung aus § 21 Abs. 1 und 2 AGG eine Haftung aus unerlaubter Handlung unberührt. Verletzt daher die Benachteiligung gleich-zeitig das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Geschädigten, dann kommt eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Dieser Anspruch stünde, ebenso wie ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 19 Abs. 1 und 2 AGG neben den _________________________________________________ 37 BGBl. I S. 1897 . 38 Zur Bedeutung des AGG für die Bearbeitung zivilrechtlicher Fälle S CHREIER , JuS 2007, 308. 39 SCHACK , Rn. 393; BeckOGK/ MÖRSDORF AGG § 21 Rn. 32-40; THÜSING / VON HOFF, NJW 2007, 21 f . 40 THÜSING /VON HOFF, NJW 2007, 21 f .

§1 Einleitung Ansprüchen aus § 21 AGG. Ein Anspruch kann sich also aus mehreren Anspruchsgrundlagen ergeben, die im Rahmen der Fallbearbeitung nacheinander zu prüfen sind. Der Anspruchsteller kann den Anspruch allerdings nur einmal geltend machen. Er w ird den Anspruch in der Regel auf die Anspruchsgrundlage mit den geringsten Tatbestandsanforderungen bzw. den am einfachsten zu begründenden Tatbestandsmerkmalen stützen. Beispiel: A ist Inhaber einer Veranstaltungshalle und organisiert monatlich einen „Nachmittag der über 60 -jährigen verwitweten Damen“. Diese treffen sich dort, um Kaffee zu trinken, zu plaudern und sich zu weiteren Aktivitäten zu verabreden. A wollte damit ursprünglich seiner verwitweten Mutter, die neu in die Stadt gezogen war, einen größeren Bekanntenkreis ihres Alters vermitteln. Nun erfreut sich diese Veranstaltung größter Beliebtheit im gesamten Umland. Eines Nachmittags stehen eine 50 -jährige Dame (D) und deren 62- jähriger erster Ehegatte (E) vor der Tür und bitten um Einlass, der ihnen jedoch verweigert wird. In diesem Fall hat A für seine Veranstaltung einen Titel gewählt, der dem Ziel des Treffens (Austausch zwischen verwitweten Frauen über 60) Ausdruck verleiht. Grundsätzlich steht es jedem Veranstalter frei, den Personenkreis fes tzulegen, für den eine Veranstaltung organisiert wird. Hier werden E und D abgelehnt, weil sie die Voraussetzungen für den Einlass nicht erfüllen. D ist mit 50 Jahren zehn Jahre jünger als die Zielgruppe der Veranstaltung und überdies nicht verwitwet. E is t im richtigen Alter, jedoch ein Mann und ebenfalls nicht verwitwet. In Betracht kommt hier ein Anspruch von D und E gegen A auf Einlass aus § Abs. 1 S. 1 AGG. Voraussetzung dafür ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aus § 19 Abs. 1 AGG. Di eser verbietet eine Diskriminierung aufgrund des Alters einer Person und ihres Geschlechts. Jedoch muss es sich bei dem beabsichtigten Geschäft um ein Massengeschäft oder ein solches, bei dem das Ansehen der Person eine nachrangige Bedeutung hat, handeln. Hier kam es A darauf an, Frauen im Alter seiner Mutter anzusprechen, damit diese Erfahrungen austauschen und neue Kontakte knüpfen können. Die Auswahl der Personen aufgrund des Alters und der Lebenssituation (verwitwete Frau) war daher für die Veranstaltung wesentlich. Daher liegt hier keine unzulässige Diskriminierung im Sinne des § 19 Abs. 1 AGG vor. D und E haben somit keinen Anspruch auf Einlass zu dieser Veranstaltung aus § 21 Abs. 1 S. 1 AGG. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn D 62 Jahre alt und verwitwet wäre und damit alle Voraussetzungen erfüllte, aber aufgrund ihrer ethnischen Herkunft abgelehnt würde, § 19 Abs. AGG. (4) Kontrahierungszwang bedeutet auch Inhaltszwang Ziel der Abschlusspflicht ist es, allen Bürgern einen Zugang zu den Waren und Dienstleistungen zu ermöglichen, die sie zur Deckung ihres Lebensbedarfs benötigen und darüber hinaus eine Diskriminierung Einzelner aufgrund ihrer Herkunft, Religion, ihres Geschlechts usw. zu verhindern. Diese Ziele können jedoch auch mit der Abschlusspflicht nur erreicht werden, wenn der Anbietende verpflichtet ist, den Vertrag zu angemessenen Bedingungen zu schließen. Andernfalls könnte sich die Diskriminierung im Vertragsinhalt fortsetzen (z.B. erhöhter Mietpreis für Mieter ausländischer Herkunft, hal ber Lohn für nichtchristliche Arbeitnehmer usw.), oder der Anbieter könnte seine Monopolstellung trotz Abschlussverpflichtung ausnutzen (z.B. doppelte Preise für den ungeliebten Nachbarn im einzigen Lebensmittelgeschäft der näheren Umge-bung).

§1 Einleitung (5) Einschränkung der Freiheit, sich vom Vertrag zu lösen Auch die Freiheit der Vertragsparteien, sich wieder von einem geschlossenen Vertrag zu lösen, wird nicht für jeden umfassend gewährt. So ist in § 573 Abs. 4 BGB zum Schutze der Mieter von Wohnraum die grundsätzlich freie Gestaltungsmöglichkeit der Privatpersonen über die Beendigung von Leistungsbeziehungen (hier: die Kündigung) erheblich eingeschränkt .

Übersicht: Grenzen der Vertragsfreiheit

_________________________________________________ 41 Vgl. dazu und zu anderen gesetzlichen Einschränkungen H ÖNN, Jura 1984, 57, 65; zur Mietrechtsreform auch G RUNDMANN , NJW 2001 , 2497 .

§1 Einleitung d) Prüfungsschema – Anspruch aus Vertrag

  • Objektiver TB
  • Subjektiver TB
  • Ggf. Stellvertretung § 164 ff. BGB
  • Abgabe der WE
  • Zugang
  • S.o.
  • Untätigbleiben ausn. als Annahme
  • S.o.
  • z.B. Fomm ichtigkeit nach § 125 S.
  • gesetzliches Verbot und Sittenwidrigkeit. §§ 134,
  • Erfüllung (§ 362)
  • Aufrechnung (§ 378)
  • Auflösende Bedingung (§ 158)
  • Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1)
  • Rucktritt (§ 346 Abs. 1)
  • Widerruf (§§ 355 ff.)
  • Verjährung (§ 214 I)
  • Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 821)
  • Einrede des nicht erfullten Vertrags(§ 320 Abs. 1 S. 1)
  • Allg. Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1)

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Der Inhalt dieses Studienbriefs wird gedruckt auf Recyclingpapier (80 g/m2, weiß), hergestellt aus 100 % Altpapier.

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis .................................................................................................. § 2 Rechtsgeschäft und Will enserklärung ....................................................... I. Der Begriff "Rechtsgeschäft" ............................................................... II. Die Willenserklärung ............................................................................ 1. Überblick ......................................................................................... 2. Der objektive Tatbestand einer Willenserkl ärung ............................... a) Grundlagen .................................................................................. b) Willenserklärungen und unverbindliche Erklärungen .................... 3. Der subjektive Tatbestand einer Willenserklärung ............................ a) Der Handlungswille .................................................................... b) Das Erklärungsbewusstsein ......................................................... c) Der Geschäftswille ...................................................................... 4. Bewusste Willensmängel ................................................................ a) Überblick .................................................................................... b) Der geheime Vorbehalt (§ 116 BGB) ............................................ c) Die Scheinerklärung (§ 117 BGB) ................................................ 5. Das Fehlen des Erklärungsbewusstseins ........................................... a) Der Mangel der Ernstl ichkeit (§ 118 BGB) .................................... b) Sonstige Fälle ............................................................................. 6. Das Fehlen des Geschäftswillens ..................................................... 7. Erklärungen von und mithilfe technischer Einrichtungen .................. a) Verwendung herkömmlicher technischer Hilfsmittel ..................... b) Automatische Erklärungen .......................................................... c) Erklärungen unter Anwendung von Künstlicher Intelligenz ........... § 3 Das Wir ksamwerden von Willenserklärungen ......................................... I. Die Empfangsbedürftigkeit von Willenserklärungen ............................ II. D er Zugang ....................................................................................... 1. Willenserklärungen unter Anwesenden ........................................... 2. Willenserklärungen unter Abwesenden ........................................... 3. Dritte im Übermittlungsweg ........................................................... a) Empfangsvertreter ...................................................................... b) Empfangsbote ............................................................................

c) Erklärungsbote ........................................................................... 4. Besonderheiten .............................................................................. III. Einzelfälle .......................................................................................... IV. Von § 130 BGB abweichende Vereinbarungen über die Erklärungswirkung ............................................................................. V. Der Widerruf von Willenserklärungen ................................................. VI. Zugangshindernisse ........................................................................... VII. Der Eintritt von Rechtsfolgen aufgrund von geschäftsähnlichen Handlungen und Realakten ................................................................ 1. Geschäftsähnliche Handlungen ...................................................... 2. Realakte ........................................................................................ Lösungen zu den Selbsttestaufgaben ...............................................................

Rechtsgeschäft und Willenserklärung § 2 Rechtsgeschäft und Willenserklärung Schrifttum: BYDLINSKI , Erklärungsbewußtsein und Rechtsgeschäft, JZ 1975, 1 ff.; CANARIS , Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971; Daßbach, Gefälligkeitsverhältnisse in der Fallbearbeitung, JA 2018, 575 ff. ; EISENHARDT , Zum subj ektiven Tatbestand der Willenserklärung, JZ 1986, 875 ff.; EISFELD , Der Zugang von Willenserklärungen, JA 2006, 851 ff.; Kainer/Förster, A utonome Systeme im Kontext des Vertragsrechts Z fPW, 2020, 275 ff .; GUDIAN , Fehlen des Erklärungsbewusstseins, AcP [1969], 232 ff.; ISAY, Die Willenserklärung im Tha tbestande des Rechtsgeschäfts nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1899; JOHN, Grundsätzliches zum Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen, AcP 184 [1984], 385 ff; KÖHLER , Die Problematik automatisierter Rechtsvorgänge, ins besondere von Willenserklärungen, AcP 182 [1982], 126 ff.; KRETSCHMANN , NICOLAS /PUTZ, MICHAEL , Der Rechtsbindungswille – Annäherungen an eine Unbekannte. JURA 2022, 294 ff .; LANGE, Die Willenserklärung, JA 2007 687 ff., 766 ff.; LARENZ , Die Begründung von Schuldverhältnissen durch sozialtypisches Verhalten, NJW 1956, 1897 ff .; PAEFGEN , Bildschirmtext – Herausforderung zum Wandel der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre?, JuS 1988, 592 ff; SCHMIDT , Rationalisierung und Privatrecht, AcP 166 [1966], 1 ff.; Schack , in: Schack, BGB- Allgemeiner Teil, I. Rechtsgeschäft, Vertrag, Willenserklärung Rn. 177.; Thalmair, Kunden- Online -Postfächer : Zugang von Willenserklärungen und Textform, NJW 2011, 14 ff.; W EILER, Der Zugang von Willenserklärungen, JuS 2005, 789 ff.; Wertenbruch, Abgabe und Zugang von Willenserklärungen, JUS 2020, 481 ff .

I. Der Begriff " Rechtsgeschäft " Die Vornahme eines Rechtsgeschäfts bezweckt, eine Rechtsfolge herbeizuführen. Einen entsprechenden Willen akzeptiert die Rechtsordnung grundsätzlich. Das Rechtsgeschäft beruh t auf dem erklärten , auf rechtliche Bindung gerichteten Willen einer oder mehrerer Personen, d.h. auf deren Willenserklärungen. Mindestens eine Willenserklärung ist also notwendiger Bestandteil eines Rechtsgeschäfts. Beispiel: Schließen V und K einen Kaufvertrag ab, so tätigen sie ein Rechtsgeschäft. Sie geben Willenser klärungen ab, die zum Vertragsschluss führen. Die beabsichtigte Rechtsfolge ist das Entstehen eines Kaufvertrages.

Das BGB enthält weder eine Definition des Rechtsgeschäfts noch eine solche der Willenserklärung. Dem BGB liegen die von der Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts herausgearbeiteten Begriffsbestimmungen zugrunde .1 Diese sah in dem Rechtsgeschäft "eine auf die Hervorbringung einer rechtlichen Wirkung gerichtete Privatwil-lenserklärung" . 2 Im Anschluss an die Gesetzesmaterialien3 wird das Rechtsg eschäft auch definiert als "Rechtshandlung, deren erklärte Rechtsfolge nach der Rechtsord-nung (nur) deshalb eintritt, weil sie gewollt ist" 4. Ein Rechtsgeschäft liegt demnach auch dann vor, wenn die Rechtsordnung die Verwirklichung des bezweckten Erfolges _________________________________________________ 1 RGZ 68, 322, 324. 2 WINDSCHEID , § 69, S. 26. 3 Mot. I., 126 = M UGDAN I, 421. 4 BORK, § 12 Rn. 395 .

Rechtsgeschäft und Willenserklärung ablehnt .5 Das BGB spricht dann von nichtigen Rechtsgeschäften (wie z.B. in § § 125, 134 und 138). Es gibt mehrseitige und einseitige Rechtsgeschäfte. Verträge sind mehr seitige (meist: zweiseitige) Rechtsgeschäfte ; denn hier wirken mindestens zwei Rechtssubj ekte an der Verwirklichung des rechtsgeschäftlichen Tatbestandes mit . Die Rechtsfolgen eines Vertrages beruhen auf den einander inhaltlich entsprechenden Willenserklärungen der Vertragschließenden. Zu den mehrseitigen Rechtsgeschäften gehören auch die Beschlüsse, die der internen Willensbildung innerhalb von Verbänden dienen.6 Beispiele hierfür sind die Beschlüsse des Vorstands ( § 28 Abs. 1 BGB) oder der Mitgliederversammlung eines Vereins ( § 32 Abs. 1 BGB). Die Rechtsfolgen eines einseitigen Rechtsgeschäft s beruhen auf der Willenserklärung nur einer Person. Beispiel: Gibt der Mieter gegenüber seinem Vertragspartner, dem Vermieter, eine wirksame Kündigungserklärung ab, so führt der Mieter allein damit die gewünschte Rechtsfolge (hier: die Beendigung des Miet verhältnisses) herbei. Auf das Einverständnis des Vermieters kommt es nicht an. Die Kündigung ist also ein einseitiges Rechtsgeschäft. Da der Mieter hierdurch einseitig die Rechtslage neugestalten kann, spricht man auch von einem "Gestaltungsrecht ".

  • der auf das Erzielen eines Rechtserfolg es gerichtete innere Wille
  • die Kundgabe dieses Willens, also eine äußerlich wahrnehmbare Erklärung

Beispiel: Der lediglich gedanklich gefasste, aber in keiner Weise geäußerte Entschluss eines Vermieters, dem Mieter zu kündigen, ist keine Willenserklärung, weil de r Wille zu kündigen nicht kundgemacht worden ist. Hat der Vermieter hingegen die Kündigungserklärung dem Mieter schriftlich übergeben, wird sein Wille nach außen hin verkündet und es handelt sich um eine Willenserklärung.

  • Handlungswille,
  • Erklärungsbewusstsein,
  • Geschäfts wille.

_________________________________________________ 9 Vgl. dazu und zur Geschichte der Begriffe „Rechtsgeschäft“ und „Wille nserklärung“: FLUME, § 4, Rn. und 4 m.w.N. Willenserklärung Wille = innerer Tatbestand Handlungswille bei Fehlen keine WEErklärungswille h.M. bei Fehlen eine anfechtbare WEGeschäftswille bei Fehlen eine anfechtbare WEErklärung = äußerer Tatbestand Rechtsbindungs wille bei Fehlen keine WE

Rechtsgeschäft und Willenserklärung 2. Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung a) Grundlagen Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung ist die für andere Per sonen erkennbare Kundgabe des Willens, eine Rechtsfolge herbeizuführen, also eine sinnlich wahrnehmbare Erklärungshandlung. Erklärungshandlungen sind beispielsweise das Sprechen und das Schreiben. Das Gesetz schreibt in den meisten Fällen keine bestimmte A rt vor, in der Personen ihren Willen, eine Rechtsfolge herbeizuführen, äußerlich erkennbar machen müssen. Die Art und Weise der Kundgabe eines auf die Herbeiführung eines Rechtserfolges gerichteten W illens bleibt in der Regel dem Einzelnen überlassen. Es ist allerdings erforderlich, dass der Wille des Erklärenden verstanden werden kann. Auch wenn in der Realität die meisten Willenserklärungen ausdrücklich abgegeben werden, ist eine solche Willenskundgabe nicht erforderlich, um die gewollte Rechtsfolge herbeizuführen. Vielmehr kann eine Person eine Willenserklärung auch durch konkludentes (schlüssiges) Verhalten abgeben, ohne ihren Willen ausdrücklich in Worte zu fassen . 10 Ein solches Verhalten muss aber stets – jedenfalls unter Berücksichtigung der Begleitums tände – den Schluss des Adressaten (= der anderen Person, an die sich die Erklärung richten soll) auf einen ganz bestimmten Willen des Handelnden zulassen. Das ist in der Regel der Fall, wenn die Person, an die sich die "Erklärung" richtet, die allgemein ü bliche Bedeutung eines solchen Verhaltens erkennen kann. Beispiel : K betritt einen Bäckerladen und sagt zu dem Bäcker B: "10 Brötchen bitte." Wortlos packt B 10 Brötchen in die Tüte und übergibt sie dem K. Dieser übergibt dem B den Kaufpreis. Mit der Aussage „10 Brötchen bitte“ bietet K dem B an, die Brötchen zum üblichen Preis (meistens Preisschild in der Auslage) zu kaufen, er gibt eine Willenserklärung (Angebot) ab. Indem B die 10 Brötchen wortlos in die Tüte packt und diese an K übergibt, bringt er zum Ausdruck, dass er eine Rechtsfolge, nämlich das Zustandekommen eines Kaufvertrages zwischen ihm und K , herbeiführen will. B hat durch sein konkludentes Verhalten eine Willenserklärung abgegeben, mit der er einen Kaufvertrag zustande kommen lassen will (Annahme) . Aufgrund des Abstraktions - und Trennungsprinzips ist der Abschluss des Vertrags von der Übertragung des Eigentums an den Brötchen (von B an K) und an dem Kaufpreis (von K an B) getrennt zu betrachten. Es liegen drei Vorgänge vor: 1. Der Abschluss des Vertrags, 2. Die Übertragung des Brötchens und die Übertragung des Geldes. Die Einigungen gem. § 929 S. 1 BGB, dass das Ei-gentum übertragen werden soll, erfolgt jeweils durch wechselseitige s Angebot und Annahme. Wie man sieht, verlieren K und B über di e Eigentumsübertragung kein Wort. Die Einigung nach § 929 S. 1 BGB erfolgt damit – wie bei Alltagsgeschäften üblich- konkludent.

Rechtsgeschäft und Willenserklärung (Parkplätze, öffentliche Verkehrsmittel) vertragliche Entgeltansprüche herzuleiten. Es besteht indes kein Anlass, bei Massengeschäften des täglichen Lebens von den allgemeinen Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts abzurücken. Denn in der Regel liegt in der Inanspruchnahme einer Versorgungsleistung auch eine auf einen Vertragsschluss gerichtete schlüssige Willenserkl ärung .13 Dabei bleibt es auch, wenn der Erklärende – wie im Parkplatz -Fall – von vornherein die Zahlung des Entgelts verweigert, weil er keine vertragliche Bindung wünsche. Eine solche "protestatio facto contraria" als Unterfall des „venire contra factum proprium“ ist als widersprüchliches Verhalten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unerheblich.14 Die Willenserklärung unterscheidet sich von rechtlich unverbindlichen Erklärungen dadurch, dass eine rechtliche Bindung gewollt , vor allem aber, dass sie auch "objektiv" zum Ausdruck gebracht worden ist. Ob eine Erklärung eine rechtliche Bindung herbeiführt, hängt also zunächst davon ab, welchen Inhalt die äußerlich wahrnehm-bare Erklärung oder das "schlüssige" Verhalten des Handelnden hat. In diese m Zusammenhang wird vielfach der auf den ersten Blick missverständliche Begriff des "Rechtsbindungswillens" benutzt. Hierbei geht es nicht um "subjektive" Anforderungen, die auf Seiten des Erklärenden erfüllt sein müssen, damit die Äußerung Rechtswirkungen entfalten kann. Vielmehr ist der Rechtsbindungswille dem objektiven "Erklärungstatbestand" der Willenserklärung zuzuordnen. Rechtsbindungs wille liegt vor, wenn der Rechtsverkehr ein Verhalten des Erklärenden als eine rechtlich verbindliche Erklärung auffasst . Es kommt also darauf an, ob sich dem Verhalten aus Sicht des Erklärungsempfängers der Wunsch beim essen lässt , eine rechtliche Bindung herbeizuführen. 15 Ob subjektiv Handlungs -, Erklärungs - oder Geschäftswille vorliegen (hierzu sogleich unter 3 .), ist f ür den "Rechtsbindungswillen" unerheblich. Auch der BGH hat sich dieser Einordnung ausdrücklich angeschlossen:16 "Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, ist nicht nach dem nicht in Erscheinung getretenen inneren Willen des Leistenden zu beurteilen, sonde rn danach, ob der Leistungsempfänger aus dem Handeln des Leistenden unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Es kommt also darauf an, wie sich dem objektiven Beobacht er das Handeln des Leistenden darstellt." Ist für einen Dritten klar erkennbar, dass der Erklärende eine Rechtsfolge nicht herbeiführen möchte, dass also der Rechts bindungs wille fehlt, dann liegt keine Erklärung vor, die eine recht sgeschäftliche Wirkung en tfalten kann. Häufig ist indes dem Verhalten einer Person nicht eindeutig zu entnehmen, ob sie sich durch ihr Verhalten binden möchte. In solchen Fällen ist der objektiv erklärte Wille des Handelnden zu ermitteln. Dies geschieht im Wege der „ Auslegung“ (§§ 133, 157 BGB) .17 Durch Auslegung wird dasjenige ermittelt, was als (erklärter) Wille für den Erklärungsempfänger ersichtlich und damit dem Erklärenden zurechenbar ist.18 Ist die Willenserklärung auf _________________________________________________ 13 Vgl. nur SCHACK , AT, Rn. 183. 14 Siehe auch Kurseinheit 3, dort unter § 5 V. 15 BeckOGK/ MÖSLEIN , BGB § 145 Rn. 111 ff .; MünchKomm /BACHMANN , BGB § 241 Rn. 235 ; DAßBACH , JA, 2018, 575; KRETSCHMANN /PUTZ, JURA 2022, 2858 . 16 BGHZ 21, 102, 106 f. 17 Hierzu ausführlich KE Teil 4, § 8. 18 SCHACK , AT, Rn. 209.

Rechtsgeschäft und Willens erklärung Abschluss eines Vertrages gerichtet, so spielt für das Vorhandensein eines Rechtsbindungswillens eine wichtige Rolle, ob sich der Erklärung im Wege der Auslegung An-gaben über die regelungsbedürftigen Punkte (essentialia negotii ) 19 entnehmen lassen. Im Wege der Auslegung zu ermitteln ist auch, ob (objektiv) keine bindende Willens-erklärung, sondern nur eine Aufforderung, ein Angebot abzugeben (invitatio ad of-ferendum ), vorliegt .

b) Willenserklärungen und unverbindliche Erklärungen Manche Erklärungen, bei denen ein auf einen Rechtserfolg gerichteter Wille objektiv nicht zum Ausdruck gebracht worden ist, nennt man rein gesellschaftliche Erklärungen oder Gefälligkeiten nicht rechtsgeschäftlichen Charakters. Beispiel: Zwei Tennisspieler, die sich zu einem Tennismatch verabreden, wollen sich rechtlich nicht binden. Ihnen fehlt der auf die rechtliche Bindung ge-richtete Wille. Daraus folgt: Zwei Tennisspieler, die sich verabredet haben, kön-nen sich gegenseitig nicht zwingen, Tennis zu spielen, weil die rechtsgeschäftliche Bindung (objektiv) fehlt.

Das BGB regelt ausdrücklich nur eine Reihe charakteristischer, den Rechtsalltag be-stimmender Vertragstypen. Es gibt aber keinen „ Typenzwang“ schuldrechtlicher Beziehungen im BGB . 20 auch solche Verträge, die das BGB nicht ausdrücklich regelt (z.B. der Leasingvertrag), können daher geschlossen werden und entfalten Rechtswirkun-gen. Anders gesagt: aufgrund der historischen Entstehungsgeschichte und Systematik des BGB werden keine der in privatautonomer Freiheit geschlossenen Vereinbarungen „ausgegrenzt “. 21 Die Meinung, bestimmte Bereiche menschlicher Beziehungen (z.B. in den Bereichen Freundschaft und gesellschaftlicher Verkehr) könnten überhaupt nicht Gegenstand rechtlicher Vereinbarungen sein,22 findet im Gesetz keine Stütze. Auszugehen ist vom Begriff des Rechtsgeschäfts. Ob persönliche Angelegenheiten Gegenstand einer bindenden Vereinbarung sein können, ist nach §§ 134, 138 BGB zu beurteilen. Im Übrigen ist danach zu fragen, ob rechtsgeschäftliche Erklärungen vorliegen . Bei der Beurteilung eines Verhaltens als Gefälligkeit ist zu berücksichtigen, dass die Gefälligkeit die Unentgeltlichkeit der Leistung voraussetzt : man tut jemand anderem einen „Gefallen“, ohne dass dieser dafür etwas (rechtlich) „schuldig“ wird . Wie die gesetzlichen Regelungen von Gefälligkeitsverträgen, wie z.B. Schenkung (§ 516 BGB), Leihe ( § 598 BGB) und Auftrag ( § 662 BGB) zeigen, lässt sich aber allein aus der Unentgeltlichkeit noch nicht auf das Fehlen des rechtsgeschäftlichen Charakters schlie-ßen. 23 Gefälligkeiten müssen zwar nicht, sie können aber im Einzelfall durchaus in Form eines Vertrags erwiesen werden. _________________________________________________ 19 Hierzu Kurseinheit 3, § 4 III 3. a. 20 Anders hingegen: Typenzwang im Sachenrecht. 21 MünchKomm/ EMMERICH , BGB § 311 Rn. 26 ff . 22 vgl. u.a. F LUME, § 7, 2. 23 BGHZ 21, 102, 106 .

  • die wirtschaftliche Bedeutung einer Angelegenheit,
  • den Wert einer anvertrauten Sache,
  • das erkennbare Interesse des Begünstigten und die sowohl ihm als auch dem

Fall: A trifft den ihm bis dahin unbekannten B in einem Abteil des I CE Karlsruhe – Hannover der Deutschen Bahn AG. A bittet den B in Koblenz, ihn zu wecken, wenn der Zug in den Kölner Hauptbahnhof einfa hre, weil er dort aussteigen müsse. A und B schlafen beide ein. In Wuppertal–Hauptbahnhof wacht B auf. A versäumt in Köln einen wichtigen Termin, wodurch ihm ein Schaden in Höhe von € 500,–– entsteht. Hat A gegen B einen Anspruch auf Zahlung von € 500,––?

Lösung: Seinen Schaden kann A von B (aus § § 280 ff. BGB) ersetzt verlangen, wenn B eine vertragliche Verpflichtung gegenüber A schuldhaft verletzt hat. Ein Vertrag (zu den-ken ist an einen Auftrag, § 662 BGB) ist nur zustande gekommen, wenn A und B den Willen zum Ausdruck gebracht hatten, sich rechtlich (rechtsgeschäftlich) zu binden, _________________________________________________ 24 BGHZ 21, 102, 107 ; RGZ 128, 39, 42 . 25 BGHZ 21, 102, 107 ; OLG Braunschweig NJW -RR 2022, 26 Rn. 21 ; LG Offenburg, NJW-RR 2022, 1036, 18 ff. 26BGHZ 21, 102, 107; DAßBACH , JA 2018, 575, 576. 27Ein Überblick zur Fallbearbeitung bietet : DAßBACH , JA 2018, 575 ; Schack, BGB -Allgemeiner Teil, V., Rn. 196.

Rechtsgeschäft und Willenserklärung wenn ihr Verhalten also auf einen Rechts bindungswillen schließen lässt . Jedenfalls bei B bestehen erhebliche Zweifel daran, ob er einen Rechtsbindungswillen kundgetan hat. B w ar die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit nicht bekannt. Es fehlte dem B daher auch die Kenntnis der Gefahr, in die der A dadurch geraten konnte, dass B ihn nicht rechtzeitig weckte. Dies war für A, der den B über den Geschäftstermin und dessen Bedeutung nicht informiert hatte, auch erkennbar. Es handelt sich hier also um eine bloße Gefälligkeit ohne rechtsgeschäftlichen Charakter, d.h. ohne vertragliche Bindung. Da jedenfalls B keine wirksame Willenserklärung abgegeben hat, ist ein Vertrag, den B verletzt haben könnte, nicht zustande gekommen. A hat deshalb gegen B keinen vertraglichen Schadensersatzanspruch. Zweifelhaft sind sowohl die dogmatische Einordnung von "reinen" Gefälligkeitsverhältnissen ohne vertragliche Bindung als auch deren Rechtsfol gen. Einigkeit besteht darüber, dass solche Gefälligkeitsverhältnisse für die Beteiligten insofern "unverbind-lich" sind, als sie keine primären Leistungspflichten nach sich ziehen. D er Begünstigte hat keinen Erfüllungsanspruch, der Gefällige kann nicht den Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Umstritten ist hingegen, ob sich etwaige Sekundäransprüche , insbesondere Schadensersatzansprüche , nach Vertragsrecht richten. Gegen einen "Vertrag ohne primäre Leistungspflichten“ spricht , dass die Parteien kaum ein en auf sekundäre Verhaltenspflichten beschränkten Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen werden; hiermit wäre die Auslegung "endgültig überfordert". 29 Näher liegt, dass de r Vollzug der Gefälligkeit im Einzelfall einen "geschäftsähnlichen Kontakt " i.S. vo n § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB begründe t.30 Ist dies der Fall, so haftet der Gefällige bei Verletzung einer Sorgfaltspflicht ( § 241 Abs. 2 BGB) gemäß § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz ;31 diese Haftung erfasst auch reine Vermögensschäden und bietet eine Grundlage für die Gehilfenhaftung nach § 278 BGB. Daneben kommt vor allem eine Haftung aus §§ 823 ff. BGB in Betracht .32 Haftungsmaßstab ist grundsätzlich § 276 BGB; eine allgemeine Haftungserleichterung analog §§ 521, 599, 690 BGB ist abzulehnen (arg. e §§ 662, 680 BGB)33. Das Gefälligkeitsverhältnis kann auch Rechtsgrund i.S. von § BGB sein .34

Rechtsgeschäft und Willenserklärung a) Der Handlungswille Der Handlungswille (auch als Betätigungswille bezeichnet) bezieht sich auf die Vornahme der Erklärungshandlung. Er ist unstreitig konstitutiv für das Vorliegen einer Willenserklärung. Der Handlungswille ist der Wille, einen Erklärungsakt vorzunehmen. Von einem rechtlic h bedeutsamen Handeln kann nur gesprochen werden, wenn es vom Willen bestimmt ist ; dies ist der Kern der Privatautonomie. Demjenigen, der unbewusst etwas tut, fehlt der Handlungswille; er gibt also keine Willenserklärung ab. Bewegungen, die ohne Steuerung des menschlichen Willens, demnach ohne Handlungswillen vorgenommen werden, sind z.B. Bewegungen, die im Traum oder beim Schlafwandeln vorgenommen werden; auch Reflexbewegungen und Bewegungen unter Zwang zählen dazu. Zwang kann sowohl psychisch als auch phy sisch erfolgen : vis absoluta (physischer Zwang) und vis comulsiva (psychischer Zwang) . Vis absoluta meint die unmittelbare körperliche Überwältigung, bei der die freie Willensbetätigung des „Erklärenden“ ausgeschlossen wird und ihm dadurch die Willenserklärung nicht zugerechnet werden kann, während bei der vis compulsiva - trotz der Drohung - eine Willensbetätigung stattfindet. 36 Hier ermöglicht der Gesetzgeber die Anfechtung der unter Drohung abgegebenen Willenserklärung, § 123 BGB. Beispiel für vis absolut a: A möchte von B ein Grundstück erwerben, um seinen lang ersehnten Traum des Baus einer Villa mit einem Swimming -Pool zu ermöglichen. B allerdings lehnt alle Angebote des A ab, da das Grundstück ein „ Familiengut “ sei und deshalb weiterhin bei der Familie bleiben müsse. Daher greift A in einem unerwarteten Augenblick zu seinem Messer und fordert B auf, einen Stift in die Hand zu nehmen. Dann ergreift A die Hand des B und führt sie mit Kraftaufwand so über den mitgebrachten Vertrag, dass es aussieht als habe der B selbständig unterschrieben. Beispiel für vis compulsiva: A möchte von B ein Grundstück erwerben, um seinen lang ersehnten Traum des Baus einer Villa mit einem Swimming -Pool zu ermöglichen. B allerdings lehnt alle Angebote des A ab, da das Grundstück ein „Familiengut“ sei und deshalb weiterhin bei der Familie bleiben müsse. A reicht dem B erneut den Vertrag rüber und äußert dabei, dass er sonst solange auf B einschlagen werde, bis er den Vertag unterschreibt. Beispiel: Bei einer Versteigerung, bei der das Heben eines Armes eine – konkludent abgegebene – Willenserklärung, nämlich das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages zum Ausdruck bringt , wird der bei der Versteigerung anwesende A, der nur zuschauen, aber nicht mitbieten will, von einer Biene in den Arm gestochen. Vor Schmerz reißt er den rechten Arm hoch. Der Auktio-nator sieht dies und erteilt A den Zuschlag. Da A lediglich eine Reflexbewegung ausführte und keine Erklärungshandlung vornehmen wollte, fehlte ihm der Handlungswille. Obwohl hier äuße rlich wahrnehmbar ein schlüssiges Verhalten vorliegt, das den objektiven Tatbestand einer Willenserklärung erfüllt, fehlt eine subjektive Voraussetzung, der Handlungswille. A hat deshalb keine Willenserklärung abgegeben.

_________________________________________________ 36 MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 123 Rn. 110 .

Rechtsgeschäft und Willenserklärung b) Das Erklärungsbewusstsein Das Er klärungsbewusstsein (gelegentlich auch: Erklärungswille) ist das Bewusstsein, überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben. Es genügt das Bewusstsein des Handelnden, "dass sein Verhalten als auf Verwirklichung einer Rechtsfolge irgendwelchen Inhalts zielend aufgefasst werden kann".37 Fehlt das Erklärungsbewusstsein, so hat derjenige, der den äußeren Tatbestand einer Willenserklärung setzt, zwar Handlungswillen; er weiß aber nicht, dass seine Handlung berechtigterweise als Willenserklärung verstande n werden darf. Beispiel : Derjenige, der seine Unterschrift unter ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages setzt, sich dabei aber in dem Irrtum befindet, es handle sich um ein Glückwunschschreiben, hat nicht das Bewusstsein, eine rechtsge-schäftliche Erklär ung abzugeben. Ihm fehlt das Erklärungsbewusstsein. Beispiel ("Trierer Weinversteigerung" 39): Bei einer Weinversteigerung in Trier winkt ein ortsfremder Besucher einem Freund zu. Er weiß nicht, dass das Heben des Arms die Abgabe eines höheren Gebots (= eine Willenserklärung) bedeutet. Auch hier fehlt das Erklärungsbewusstsein.

Es wird immer noch die Frage erörtert, ob das Erklärungsbewusstsein zum konstitutiven Bestandteil einer Willenserklärung gehört. Dabei wird häufig das Problem in den Vordergrund gerückt, welche Konsequenzen sich vor allem unter Haftungsgesichtspunkten daraus ergeben können, dass eine Person den objektiven Tatbestand einer Willenserklärung geschaffen hat, ohne in dem Bewusstsein gehandelt zu haben, Rechtserhebliches zu erklären. Unter Hinweis auf den Wortlaut des § 119 meint GUDIAN ,40 eine Willenserklärung könne auch ohne Erklärungsbewusstsein zustande kommen. Mit Recht hat B YDLINSKI41 dargelegt, der isolierte Wortlaut des § 119 biete kein Argument für die Notwendigkeit des Erklärungsbe wusstseins, allerdings auch keines dagegen. Der BGH42 vertritt seit einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1984 die Auffassung, eine Willenserklärung liege bei fehlendem Erklärungsbewusstsein jedenfalls dann vor, "wenn sie als solche dem Erklärenden zugerechnet werden" könne; das setze aber voraus, "dass dieser bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Erklärung oder sein Verhalten vom Empfänger nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verke hrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte". Erforderlich, aber auch ausreichend ist hier-nach das "potentielle Erklärungsbewusstsein" des Erklärenden. Eine Willenserklärung liegt (schon) vor, wenn dem Erklärenden seine Äußerung als auf die Verw irklichung einer Rechtsfolge gerichtet zugerechnet werden kann. Ob dem Erklärenden das auch aktuell bewusst ist, spielt insoweit keine Rolle. _________________________________________________ 37 FEUERBORN IN HEIDEL/HÜßTEGE /MANSEL /NOACK, BGB vor § 116 Rn. 7. 38 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , Einf. v. § 116 Rn. 17. 39 Erdacht von I SAY, Willenserklärung, S. 25 f.; abgewandelt bei WOLF/NEUNER , § 32, Rn. 1. 40 AcP 169 [1969], 232 ff. 41 JZ 1975, 1 ff. 42 BGH, NJW 1984, 2279, 2280; ebenso NJW 1995, 953 .

Rechtsgeschäft und Willenserklärung Diejenigen Autoren, die eine Willenserklärung ohne Erklärungsbewusstsein nicht entstehen lassen wollen, berufen si ch demgegenüber vor allem darauf, dass das Erklärungsbewusstsein ein unverzichtbarer Bestandteil des Rechtsgeschäfts sei: Wenn jemand sich nicht bewusst sei, dass er eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgebe, so gestalte er ein Rechtsverhältnis nicht in Se lbstbestimmung . 43 Die oben erwähnte Lösung des BGH geht damit an den "Nerv der Privatautonomie", auf der die Rechtsgeschäftslehre beruht .44 Auch der BGH räumt in seiner Entscheidung45 ein, "dass ohne Erklärungsbewusstsein keine privatautonome Gestaltung in Selbstbestimmung vorliege". Das OLG Düsseldorf stellt sich – in einem vor der Grundsatzentscheidung des BGH ergangenen Urteil46 – noch auf den Standpunkt, dass ohne das Vorhandensein eines Erklärungsbewusstseins und weitergehend eines Geschäftswillens "von e iner Willenserklärung tatbestandsmäßig nicht die Rede sein kann". D ie Gegenauffassung sei "mit der Regelung des Gesetzes und mit der Idee der Privatautonomie nicht vereinbar". Nicht zutreffend ist allerdings der Hinweis des OLG Düsseldorf auf die Rechtspre chung des Reichsgerichts.47 Das RG spricht zwar von der auf die Erzeugung von Rechtswirkungen gerichteten Absicht des Erklärenden als Erfordernis eines Rechtsgeschäfts,48 nimmt aber zu dem Problem, ob das Vorhandensein eines Erklärungsbewusstseins Voraussetz ung einer Willenserklärung ist, ebenso wenig Stellung wie die ältere Rechtsprechung des BGH,49 die diese Fragestellung ausklammert. Nach der erwähnten Leitentscheidung des BGH50 dürfte der Streit um die Bedeutung des Erklärungsbewusstseins für den Tatbestand der Willenserklärung praktisch entschieden sein. Die heute ganz h.M. folgt der Auffassung des BGH, da ss ein Verhalten, das sich für den Erklärungsempfänger als Ausdruck eines bestimmten Rechtsfolgewil-lens darstellt, dem Erklärenden auch dann als Willenser klärung zuzurechnen ist, wenn er kein "aktuelles" Erklärungsbewusstsein hatte. 51 Das "potentielle" Erklärungsbewusstsein genügt also; ob der Erklärende auch die subjektive Vorstellung hat, seine Äußerung werde vom Empfänger als Willenserklärung aufgefasst, ist unerheblich. Der Erklärende trägt folglich das "Erklärungsrisiko". Damit wird das Verkehrsinteresse gegenüber dem Schutz des Erklärenden deutlich bevorzugt. Dies ist auch angemessen; denn das Recht der Willenserklärung baut zwar auf der Selbstbestimmung des Rechtsträgers auf; es schützt in §§ 119, 157 BGB aber zugleich das Vertrauen des Erklärungsempfängers und die Verkehrssicherheit. Dies rechtfertigt es, den Erklärenden auch an solche Rechtsfolgen zu binden, die er sich nicht vorgestellt oder bewusst gemacht hat . 52 Zur weiteren Illustration diene der folgende Fall. _________________________________________________ 43 So CANARIS , S. 427 f. 44 SCHACK , Rn. 204 . 45 BGH, NJW 1984, 2279 . 46 OLGZ 1982, 240 ff. 47 RGZ 122, 138, 140. 48 RGZ 68, 322, 324 f.; 122, 138, 140 f. 49 NJW 1968, 2102, 2103 . 50 BGH, NJW 1984, 2279 . 51 BGH NJW 2002 , 3629, 3631 ; GRÜNEBERG /ELLENBERGER , Einf. v. § 116 BGB Rn. 17; R ÜTHERS /STADLE r BGB AT § 17 Rn. 8; BROX/WALKER BGB AT, § 4 Rn. 17 , § 6 Rn. 16; ILLMER , in: HERBERGER /MARTINEK /RÜßMANN /WETH/WÜRDINGER , jurisPK -BGB§ 116, Rn. 5. 52 BGH NJW 1995, 953, 953.

Rechtsgeschäft und Willenserklärung Fall: Die Firma A befindet sich in finanziellen Schwierigkeiten. Sein Lieferant L macht weitere Lieferungen davon abhängig, dass A zur Sicherung rückständiger Verbindlichkeiten eine Bankbürgschaft über € 25.000, –– beibringt. A erklärt, dass er sich um eine Bürgschaft der B–Bank bemühen werde. Wenige Tage später erhält L folgendes Schreiben der B–Bank: "Unsere Bürgschaft53 in Höhe von € 25.000, –– zugunsten Firma A. Zugunsten der Firma A haben wir gegenüber Ihrer Firma die selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von € 25.000, –– übernommen. Bitte teilen Sie uns möglichst bald mit, wie hoch sich die Verpflichtungen der Firma A bei Ihnen derzeit belaufen." L bestätigt den Eingang dieses Schreibens und teilt der B –Bank mit, dass rückständige Verbindlichkeiten in Höhe von € 27.500, –– bestünden, die nunmehr mit der übernommenen Bürgschaft weitgehend abgesichert seien. Hierauf antwortet die B–Bank: "Unter Bezugnahme auf Ihr letztes Schreiben in dieser Angelegenheit müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir keine Bürgschaft übernommen haben. A hat zwar die Bitte an uns herangetragen, eine Bürgschaft zu übernehmen. Hierüber ist aber nicht abschließend entschieden worden. Infolge eines Irrtums sind wir von einem b ereits zustande gekommenen Bürgschaftsvertrag ausgegangen. Da bei uns zu keiner Zeit der Wille bestanden hat, uns durch Übernahme einer Bürgschaft rechtlich zu binden, bitten wir um Verständnis, dass wir keinerlei Zahlungen leisten werden." Nachdem die Fir ma A in die Insolvenz geraten ist, nimmt L die B –Bank aus der Bürgschaft in Anspruch. Zu Recht?

Lösung: L könnte gegen die B–Bank gemäß § 765 Abs. 1 einen Anspruch auf Zahlung von € 25.000, –– haben. Dann müsste zwischen den Parteien ein Bürgschaftsvertrag zustande gekommen sein. Das Angebot zum Abschluss eines Bürgschaftsvertrages könnte in dem ersten Schreiben der B–Bank an L zu sehen sein. Bedenken bestehen hinsichtlich des Erklärungsbewusstseins der B–Bank. Sie hat später geltend gemacht, dass der Inhal t des Schreibens auf einem Irrtum beruhe und dass die Erklärung ohne den Willen, sich rechtlich durch die Übernahme der Bürgschaft zu binden, abgegeben worden sei. Allerdings liegt trotz fehlenden "aktuellen" Erklärungsbewusstseins eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat. 54 Im vorliegenden Fall hat L dem Wortlaut des Schreibens entnehmen können, dass die zuständigen Gremien intern einem Bürgschaftsantrag zugestimmt haben. Dies gilt umso mehr, als A dem L gegenüber erklärt hat, dass er sich um eine Bürgschaft der B–Bank bemühen werde. Es _________________________________________________ 53 Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen, § 765 BGB. 54 BGH, NJW 1984, 2279 .

Rechtsgeschäft und Willenserklärung kommt hinzu, dass die Erklärung der B–Bank auch die sonstigen Voraussetzungen, die an eine Bürgschaftsverpflichtung zu stellen sind, erfüllt: der Hauptschuldner (A) ist zweifelsfrei bezeichnet; zum anderen sind auch die Forderungen, für die die Bank als Bürge einstehen soll, hinreichend bestimmbar (Forderungen aus Warenlieferungen des L an A). Bei dieser Sachlage durfte L die Erklärung der B –Bank als Willenserklärung zum Abschluss eines Bürgschaftsvertrages verste hen, da auch ein objektiver Beobachter das Verhalten der Bank so aufgefasst hätte. 55 Dies hätte auch die B –Bank bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen und vermeiden können. Sie muss sich daher so behandeln lassen, als wenn sie ein Ang ebot zum Abschluss eines Bürgschaftsvertrages abgegeben hätte. Der Bank ist ihre Äußerung also als Wil-lenserklärung zuzurechnen. Dieses Angebot der B –Bank müsste durch L angenommen worden sein. In dem Bestätigungsschreiben kommt der Wille des L, das Angebot anzunehmen, konkludent zum Ausdruck. Es ist daher ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zustande gekommen. Es besteht auch eine der Bürgschaft zugrunde liegende Hauptforderung in Höhe von € 27.500, –– aus Warenlieferungen von L an A (Akzessorietät der Bürgscha ft). L hat daher gegen die B –Bank einen Anspruch auf Zahlung von € 25.000, –– gemäß § 765 Abs. 1. Auf die Frage, ob die Bank berechtigt ist, die ihr zugerechnete Bürgschaftserklärung anzufechten, ist an dieser Stelle nicht weiter einzugehen. Die hiermit zus ammenhängenden Fragen sind noch zu erörtern . c) Der Geschäftswille Der Geschäftswille , der nicht mit dem – dem objektiven Tatbestand der Willenserklärung zuzuordnenden – Rechtsbindungswillen gleichgesetzt werden sollte57– ist auf die rechtsgeschäftliche Herbe iführung eine r bestimmten Rechtsfolge gerichtet. Beim Rechtsbindungswillen geht es hingegen nicht um den "inneren Willen" der Erklärenden, sondern um die (im Wege objektiver Auslegung zu beantwortende) Frage, ob der auf eine bestimmte rechtliche Bindung ge richtete innere W ille in der Erklärung des Handelnden auch nach außen erkennbar bekundet wurde. Im BGB wird der Begriff Willenserklärung auch dann verwandt, wenn ein Geschäftswille überhaupt nicht vorhanden ist, so z.B. beim geheimen Vorbehalt ( § 116), der Scheinerklärung ( § 117) und der Scherzerklärung ( § 118). Daraus allein kann allerdings nicht geschlossen werden, dass der Geschäftswille kein Erfordernis einer Willenserklärung sei. Die in § § und 117 geregelten Fälle, in denen der Erklärende zwar das Erklärungsbewusstsein hat, ihm aber der Geschäftswille fehlt, stellen Sonderfälle dar, die nicht ohne Weiteres den Schluss gestatten, eine Willenserklärung bedürfe keines Geschäfts willens. Vielmehr lässt sich die Sonderregelung des § 116 BGB als gesetzlich e (nicht rechtsgeschäftliche) Haftung für den veranlassten Rechtsschein einer Willenserklärung verstehen. _________________________________________________ 55 Ebenda; a.A. S TAUDINGER /SINGER, Vorbem. §§ 116 ff. BGB Rn. 28 ; CANARIS , Anm., NJW 1984, 2281 . 56 Vgl. § 2 II. 2 . 57 Staudinger/ SINGER, Vorbem. §§ 116 ff. BGB Rn. 29 . 58 OLG Düsseldorf, OLGZ 1982, 240, 242 ; STAUDINGER /SINGER, § 116 BGB Rn. 1.

  • die Nichtigkeit der Willenserklärung;
  • die Vernichtbarkeit der Willenserklärung durch Anfechtung (vgl. § 142 Abs.
  • die uneingeschränkte, auch nicht durch Anfechtung aufhebbare Wirksamkeit

Rechtsgeschäft und Willenserklärung der mit Erklärungsbewusstsein, aber ohne Geschäftswillen den Erklärungstatbestan d geschaffen hat, sich gleichwohl an dem Erklärten festhalten lassen muss, beruht auf der Überlegung, dass das Vertrauen, das ein Adressat in die Wirksamkeit einer bewusst abgegebenen Erklärung setzt, Schutz verdient. Manches spricht dafür, dass § 116 BGB ein Fall gesetzlicher (nicht : rechtsgeschäftlicher) Haftung für den veranlassten Rechtsschein einer Willenserklärung ist.62 Entscheidend ist allerdings , dass der geheime Vorbehalt der Wirksamkeit der Willenserklärung nicht entgegensteht. Beispiel: A macht d em B ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages, behält sich aber insgeheim vor, den Abschluss des Vertrages nicht zu wollen. Stattdessen möchte er abwarten, ob er nicht einen höheren Kaufpreis von ei-nem anderen Interessenten erzielen kann. B weiß davon nichts und erklärt sich mit dem Abschluss des Vertrages einverstanden. Der geheime Vorbehalt des A ist gemäß § 116 S. 1 BGB unbeachtlich. As Willenserklärung ist wirksam; der Kaufvertrag kommt zustande. Eine Anfechtung der Erklärung (vgl. § Abs. 1 BGB) ist nicht möglich.

Keinen Schutz verdient der Empfänger der Erklärung, wenn er den Vorbehalt kennt. Dem trägt § 116 S. 2 BGB Rechnung. Bei reiner Kenntnis des Erklärungsempfängers ist die Willenserklärung nichtig. c) Die Scheinerklärung ( § 117 BGB) Wird eine Willenserklärung im Einverständnis mit dem Adressaten – in Abgrenzung zu § 116 S. 2 BGB mit der vorherigen Kenntnis vor Abgabe der Willenserklärung - nur zum Schein abgegeben, so fehlt dem Erklärenden jedenfalls der auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtete Geschäfts wille. 63 Da der Adressat hier zudem nicht schutzwürdig ist, muss sich der Erklärende im Gegensatz zu § 116 S. BGB nicht an der Erklärung festhalten lassen. Sie ist nichtig. Insofern erfolgt ein Gleichlauf mit § 116 S. 2 B GB. Ein Einverständnis i.S. des § 117 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Adressat weiß, dass der abgegebenen Erklärung eine rechtliche Bindung nicht zukommen soll und er dies billigt. Liegt der Wille, eine Scheinerklärung abzugeben, nur auf einer Seite, so han delt es sich um einen Fall des § 116 BGB oder des § 118 BGB.64 Beispiel: V (Unternehmer) verkauft an seinen Freund K einen gebrauchten PKW. Der vereinbarte Kaufpreis beträgt € 4.250, ––. Um bei der Steuererklärung weiterhin Betriebsausgaben geltend zu machen und den Veräußerungsgewinn nicht zu versteuern, schließen V und K zum Schein schriftlich einen Leihvertrag ab. Als K später den Kaufpreis nicht zahlen möchte und auf die Unentgeltlichkeit (den Leihvertrag) besteht, kommt es zum Streit. Die Erklärungen, die V und K einverständlich zum Schein abgegeben haben, sind ge-mäß § 117 Abs. 1 nichtig. Der Leihvertrag sollte nur zum Schein geschlossen werden. K kann deshalb die Überlassung des PKW zum Gebrauch nicht unentgeltlich verlangen.

Rechtsgeschäft und Willenserklärung Wird durch das Scheingeschäft ein anderes Geschäft verdeckt, das von beiden Parteien gewollt war, so ist dieses verdeckte Geschäft wirksam. Zu dem vorhergehenden Beispiel: Der abgeschlossene Kaufvertrag ist durch das Scheingeschäft Leihe (i.S. des § 598 BGB) verdeckt. Während der L eihvertrag gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig ist, ist der Kaufvertrag nach § 117 Abs. 2 BGB wirksam, so dass sowohl V als auch K die Erfüllung des Kaufvertrages verlangen können. Beispiel :65 A tritt seinen Gesch äftsanteil der X –GmbH, der einen Wert von € 75.000, –– hat, durch notariell beurkundeten Vertrag an B ab. Aus steuerlichen Gründen wird das Entgelt in einen in der notariellen Urkunde offen aus-gewiesenen Betrag in Höhe von € 15.000, –– und in ein so genannte s Beratungshonorar aufgespalten. Das Honorar beträgt € 60.000, –– und ist in monatlichen Raten zu je € 5.000, ––, beginnend mit dem Monat des Vertragsabschlusses, zu zahlen. Die Aufspaltung geschieht ausschließlich zum Zweck der Steuerhinterziehung. Ohne die se Preisgestaltung hätten die Parteien den Vertrag nicht geschlossen. Sie sind sich darüber einig, dass das Beratungshonorar den größten Teil des Entgelts für den GmbH– Anteil darstellt und dass B nicht verpflichtet sein soll, Leistungen aus dem Beratungsvertrag zu erbringen. Die beurkundete Vereinbarung ist unter Berücksichtigung des vorgeschobe-nen Beratungshonorars als Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB anzusehen und damit nichtig. Das verdeckte Rechtsgeschäft, der Verkauf des GmbH–An-teils zum tatsächlic h gewollten Entgelt (€ 75.000, ––), ist nicht notariell beurkundet worden und könnte damit nichtig sein ( § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG, § 125 BGB). Der Formmangel wird jedoch durch die in der notariellen Urkunde enthaltene Abtretung des Gesellschaftsanteils geheil t, § 15 Abs. 4 S. GmbHG. Ein weiteres Problem ergibt sich dadurch, dass das verdeckte Rechtsgeschäft – der Kaufvertrag – gemäß § 134 oder § 138 Abs. 1 nichtig sein könnte, weil es zum Zwecke der Steuerhinterziehung § 370 AO abgeschlossen worden ist.

Vertiefungshinweis: Der Abschluss von notariellen Grundstückskaufverträgen, in denen zum Schein ein zu niedriger Kaufpreis angegeben wurde um Grunderwerbsteuer zu verringern, ist ein in Praxis und Prüfungskonstellationen häu-fig auftretendes Problem. Die Bem essungsgrundlage der Grunderwerbsteuer richtet sich gem. §§ 8 I, 9 I Nr. 1 GrEStG grundsätzlich nach dem Wert der Gegenleistung, folglich dem Kaufpreis. Zum e inen könnte es dem verdeckten Grundstückskaufvertrag zu einem höheren Kaufpreis an der notariellen Form des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB fehlen , bzw. gem. § 311b Abs. 1 S. 2 geheilt worden sein . Zum anderen könnte der Kaufvertrag gem. § 134 BGB i.V. § 370 AO nichtig sein. 67 Weiterhin könnte ein Kondiktionsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB an der Kondi ktionssperre des § 817 S. 2 BGB scheitern.68

Rechtsgeschäft und Willenserklärung 5. Das Fehlen des Erklärungsbewusstseins a) Der Mangel der Ernstlichkeit ( § 118 BGB) Eine nicht ernstlich gemeinte Erklärung, mit der der Erklärende keine rechtliche Bindung erzielen will und die er in der Absicht abgibt, der Adressat werde den Mangel der Ernsthaftigkeit nicht verkennen, ist nichtig ( § 118 BGB). Derjenige, der den objektiven Erklärungstatbestand schafft, handelt ohne (subjektives) Erklärungsbewusstsein und ohne Geschäftswillen . Bei § 118 BGB handelt es sich um den einzigen gesetzlich geregelten Fall, in dem (zusammen mit § 122 BGB) die Konsequenzen des fehlenden Erklärungsbewusstseins ausdrücklich bestimmt werden.69 Nach dem Wortlaut des § 118 BGB ist die Willenserklärung auch nichtig, wenn der Mangel de r Ernstlichkeit für Dritte objektiv nicht erkennbar ist.70 Dies ist auch nur konsequent, da ein objektiver Rechtsbindungswille weiterhin bestehen muss. Die Willenserklä rung ist selbst dann nichtig, wenn die Erwartung des Erklärenden, die Äußerung werde nich t ernst genom men, nach den Umständen nicht gerechtfertigt war.71 Sofern der Erklärende nachträglich feststellt, dass der Empfänger den “Scherz“ nicht erkennt, kann ihn eine A ufklärungspflicht treffen.72 In solchen Fällen wird allerdings derjenige, der auf di e Wirksamkeit der Erklärung vertraut hat – der Adressat –, durch § 122 BGB geschützt. Mit § 122 BGB wird der Zweck verfolgt, denjenigen, der auf die Gültigkeit einer Willenserklärung vertraut, gegen Nachteile zu schützen, soweit dieses Vertrauen schutzwürd ig ist.

Beispiel: Der Mieter M trifft am 1. April beim Verlassen der Wohnung den Vermieter S im Treppenhaus. S übergibt dem M lächelnd ein Schreiben, in dem S erklärt, er kündige dem M den Mietvertrag zum 30. Juni. Während S seine Äußerung als Aprilscherz betrachtet, gibt M auf seinem Weg zur Arbeit bei allen drei örtlichen Zeitungen für die Rubrik Wohnungssuche Kleinanzeigen auf. Als M am Abend dem S von seinen Bemühungen um eine neue Wohnung berichtet, deckt dieser seinen Scherz mit den Worten "April, April" auf. Gemäß § 118 BGB ist die Kündigungserklärung des S nichtig. Der Mietvertrag zwischen S und M besteht also fort. Allerdings muss S dem M den Schaden, den dieser infolge der Scherzerklärung erlitten hat (Kosten für alle Zeitungsanzeigen), nach § 122 Abs. 1 ersetzen, da M auf die Ernsthaftigkeit der Kündigungserklärung vertraut hat.

b) Sonstige Fälle Außerhalb des Sonderfalls des § 118 BGB war lange Zeit streitig, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, dass jemand durch sein Verhalten den objektiven T atbestand einer Willenserklärung schafft, ihm aber das Erklärungsbewusstsein – und erst recht der Geschäfts wille – fehlt . Als Beispiel sei noch einmal der Fall genannt (vgl. oben das Beispiel unter 3. b.), dass jemand in der irrigen Annahme, es handele sic h _________________________________________________ 69 CANARIS , S. 549. 70 BROX/WALKER BGB AT § 17 Rn. 6 ff.; STAUDINGER /SINGER, § 118 Rn. 3. 71 BROX/WALKER BGB AT § 17 Rn. 6 ff. 72 MünchKomm/ ARMBRÜSTER , BGB § 118 Rn. 12; BeckOK/ WENDTLAND , BGB § 118 Rn. 7; BeckOGK/ REHBERG , BGB § 118 Rn. 5.2.

Rechtsgeschäft und Willenserklärung um ein Glückwunschschreiben, ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages unterschreibt und damit den objektiven Tatbestand der Abgabe einer Willenserklärung schafft. Geht man mit der ganz h.M. davon aus, dass lediglich das "potentielle" Erklärungsbewusstsein ein unverzichtbarer Bestandteil einer Willenserklärung ist, 73 so fehlt es nur dann am Tatbestand einer Willenserklärung, wenn dem Erklärenden seine Äußerung nicht als Willenserklärung zugerechnet werden kann. Hätte der Erklärende hingegen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen und vermeiden können, dass seine Erklärung vom Empfänger als Willenserklärung aufgefasst wird, so wird er (auch ohne "aktuelles " Erklärungsbewusstsein) an seiner Äußerung (oder seinem Verhalten) festgehal ten. Hiermit wird das Vertrauen desjenigen geschützt , der auf die für ihn erkennbare Willensä ußerung einer anderen Person vertraut hat und der weder wissen noch prüfen konnte, ob diese Erklärungshandlung auch von einem "aktuellen" Erklärungsbewusstsein get ragen ist . Bliebe man bei dieser Lösung stehen, so würde der Erklärende allein aufgrund von Zurechnungserwägungen dauerhaft an seine Willenserklärung gebunden. Denn das Fehlen des (aktuellen) Erklärungsbewusstseins ist kein "Irrtum" i.S. von § 119 BGB (Anfechtungsgrund) , der zur Anfechtung ( § 142 Abs. 1 BGB - anspruchsvernichtende Norm ) berechtigt. Eine solche vollständige Gleichstellung von "Rechtsschein" ( Anschein, dass eine vom Erklärungsbewusstsein getragene Willenserklärung abgegeben wurde) und "Rechts wirklichkeit" (fehlendes aktuelles Erklärungsbewusstsein) wäre kaum vereinbar mit den §§ 118, 122 (Scherzerklärung) . Denn in diese m gesetzlich geregelten Fall fehlenden Erklärungsbewusstseins hat der "enttäuschte" Erklärungsempfängers lediglich einen Anspr uch auf das negative Interesse : 74 er wird nach § Abs. 1 BGB so gestellt , als hätte er von dem Rechtsgeschäft nie etwas gehört , kann aber sein Interesse an der Durchführung des Vertrages geltend machen . Außerdem ist zu beachten, dass z wischen demjenigen , der überhaupt nichts Rechtserhebliches erklären will, und demjenigen, der rechtsgeschäftlich etwas ganz anderes will (und sich deshalb in einem Erklärungs – oder Inhaltsirrtum [§ 119 BGB] befindet), kein grundsätzlicher Unterschied besteht . In beiden Fäll en hat der Erklärende eine falsche Vorstellung über die Tragweite seiner Äußerung. Fehlt ihm das Erklärungsbe-wusstsein, so geht er fälschlicherweise davon aus, überhaupt nicht rechtsgeschäftlich gebunden zu sein. 75 Hat er sich geirrt ( § 119 BGB), dann wollt e er etwas anderes erklären als das, was er objektiv zum Ausdruck gebracht hat. Die Tragweite der Fehl-vorstellung dürfte beim fehlenden "aktuellen" Erklärungsbewusstsein sogar größer als in den Irrtumsfällen des § 119 BGB sein. Daher ist es geboten , die §§ 119, 121 f., 142 f. BGB auf das Fehlen des Erklärungsbewusstseins analog anzuwenden. 76 Eine direkte Anwendung der Anfechtungsvorschriften ist nicht möglich; denn beim fehlenden "aktuellen" Erklärungsbewusstsein fallen zwar (subjektive) Willensebene und (objektiver) Erklärungstatbestand auseinan-der. Ein Irrtum i.S. von § 119 BGB liegt aber nicht vor. Fehlt dem Erklärenden bei _________________________________________________ 73 Siehe oben 3. c . 74So zutreffend C ANARIS , S. 548 f. 75 BYDLINSKI , JZ 1975, 1, 5. 76 Ganz h.M; BGH NJW 1984, 2279, 2280 f. ; BGH NJW 2017, 1660 ;B ITTER/RÖDER § 7 Rn. 14, 85; GRÜNEBERG/ELLENBERGER Einf. v. § 116 Rn. 17; MünchKomm/ ARMBRÜSTER , BGB § 119 Rn. 99 ff.

Rechtsgeschäft und Willenserklärung seiner Äußerung das "aktuelle" Erklärungsbewusstsein, so kann er sich also analog §§ 119, 121, 142 f. BGB von seiner Erklärung lösen.77 Exkurs: Eine analoge Anwendung einer Vorschrift kommt unter zwei Voraussetzungen in Betracht: 1) Es muss eine planwidrige Regelungslücke vorliegen. Es liegt also ein Lebenssachverhalt vor, der von keiner gesetzlichen Vorschrift umfasst wird. Hätte der Ge setzgeber den Fall gekannt, hätte er jedoch eine Regelung hierzu getroffen. 2) Es muss eine vergleichbare Interessenlage bestehen. Die Interessenlage ist vergleichbar, wenn sich beide Sachverhalte in den wesentlichen Elementen gleichen.

In Betracht kommt die Anwendung der Anfechtungsvorschriften freilich nur, wenn der Erklärende nach den dargestellten Zurechnungserwägungen zunächst rechtsgeschäftlich an seine Erklärung gebunden worden ist. Dies setzt voraus , dass er zumindest "potentielles Erklärungsbewuss tsein" hatte. Fehlt selbst dieses (weil der Verkehr die Äußerung des Erklärenden nicht als Willenserklärung auffasst ), so bleibt die Erklärung von vornherein (ohne den Weg über eine nachträgliche Anfechtung) ohne Rechtsfolgen. Zu beachten ist daher auch hier der Grundsatz, dass "Auslegung vor Anfechtung" geht. 78 In erster Linie ist also im Wege der Auslegung festzustellen, ob eine rechtsgeschäftliche Bindung zum Ausdruck gebracht wurde. Erst wenn diese Voraussetzung zu bejahen ist und wenn zugleich das aktuelle Erklärungsbewusstsein fehlt, kommt eine Anfechtung in Betracht. Ficht der Erklärende an, so ist er dem anderen gegenüber gemäß § 122 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Gemäß § 122 Abs. 2 BGB entfällt diese Schadensersatzpflicht, wenn durch den objektiven Erklärungstatbestand ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand nicht geschaffen worden ist, wenn also der Adressat das Fehlen des Erklärungsbewusstseins kannte. Für die beiden Beispiele (oben S. ) ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Im Fall der "Trierer Weinversteigerung" waren dem Besucher die Gebräuche einer Weinversteigerung nicht bekannt. Er wusste also nicht, dass das Heben des Armes in dieser Situation als eine durch konkludentes Verhalten abgege-bene Willenserklärung angesehen wurde. Allerdings wird man verlangen können, dass sich der Besucher einer Weinversteigerung vorher über die dort zu geltenden Regeln und Gepflogenheiten informiert. Sein Verhalten kann ihm deshalb z ugerec hnet werden . Im Ergebnis ebenso ist es im ersten Beispiel : Bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätte der Unterzeichnende feststellen können, was er unterschreibt. Er muss sich sein Erklärungsverhalten deshalb zurechnen lassen, obwohl ihm das Erklärungsbewusstsein gefehlt hat. Er ist allerdings gemäß § Abs. 1 BGB zur Anfechtung berechtigt. Für den Fall, dass er von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch macht, könnte er aus § 122 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein.

Rechtsgeschäft und Willenserklärung 6. Das Fehlen des Geschäftswillens Da der Geschäftswille nach heute h.M. kein konstitutiver Bestandteil einer Willenserklärung ist , hindert das Fehlen eines auf eine bestimmte Rechtsfolge gerichteten Willens nicht das Vorhandensein einer Willenserklärung. Die Wirksamkeit der Willenserklär ung hängt also nicht davon ab, ob sie vom Geschäfts willen getragen ist oder nicht. Die Fälle des fehlenden Geschäftswillens werden u.a. von § 119 Abs 1 BGB (direkt) erfasst ; es kommt also im Einzelfall eine Irrtumsanfechtung nach § § 119, f, 142 f. BGB in Betracht.80

7. Erklärungen von und mithilfe technischer Einrichtungen Grundsätzlich können Willenserklärungen auch durch technische Einrichtungen erzeugt und übertragen werden. Dies ist vor allem seit dem Aufkommen von elektronischer Kommunikation vermehrt der Fall. Insbesondere die seit den 1990er Jahren steigende und heute nicht mehr wegzudenkende Verwendung von Computern in jeglicher Form (Personal Computer, Smartphone, „Intelligente“ Assistenten etc.) hat auch Auswirkungen auf den Vertragsschluss und da mit auf Willenserklärungen. Wenngleich neue technische Phänomene und ihre Auswirkungen auf Willenserklärungen immer schon durch das Zivilrecht eingeordnet werden mussten, stellt die Anwendung von Computern spezielle Herausforderungen an die Behandlung dami t in Verbindung stehender Willenserklärungen.81

a) Verwendung herkömmlicher technischer Hilfsmittel Unproblematisch sind die Fälle, in denen diese Geräte als Hilfsmittel für die Erzeugung von Willenserklärungen verwendet werden, beispielsweise ein Personal Co mputer zum Verfassen und Versenden einer Willenserklärung per E -Mail. Denn eine Willenserklärung als eine Erklärung, die sich als menschliches Erklärungshandeln darstellt, liegt auch vor, wenn sich der Mensch zur Willensbildung oder zur Erklärung maschi-neller Hilfen bedient, z.B. Computer einsetzt. Dem Computer fehlt die Fähigkeit zu einem eigene n Entschluss; er ist Werkzeug des Menschen. 82 Bei herkömmlicher Verwendung beruhen die vom Computer gefertigten und ausgedruckten Erklärungen in allen ihren Phasen d er Herstellung auf dem Willen des Menschen, der die Maschine benutzt und sie gerade zum Erklärungszweck verwendet. Deshalb ist jedenfalls derje-nige Mensch, der zur Benutzung der Maschine berechtigt ist, Erklärender im Rechts-sinne . 83 Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen an eine Willenserklärung sind erfüllt, insoweit sich der Benutzer seiner Erklärung bewusst ist.84

Rechtsgeschäf t und Willenserklärung b) Automatische Erklärungen Allerdings können Erklärungen auch automatisch erzeugt werden. Bei automatischen Erklärungen werden vorgeferti gte Willenserklärungen als Reaktion auf Handlungen von anderen Personen als Folge einer Wenn -Dann -Regelung durch den Computer erzeugt. Bereits KÖHLER85 hat aber gezeigt, dass auch mit Hilfe von EDV–Anlagen abgegebene "automatisierte Willenserklärungen" echt e Willenserklärungen sind. Der Betreiber des Computers entscheidet also frei darüber, ob automatisch erzeugte Erklärungen überhaupt erzeugt werden und in den Verkehr gelangen.86 Fraglich ist insbesondere , ob automatische Bestellbestätigungen als Annahme zu werten sind; dies ist im Rahmen der Auslegung zu ermitteln.87 Der BGH hat im Jahr eine Annahmeerklärung des Unternehmens für ein en Beförderungsvertrag durch eine automatisierte Buchungsbestätigung abgelehnt, weil für die Auslegung der Erklärung nicht a uf die automatisierte Erklärung abzustellen sei; vielmehr komme es darauf an , was derjenige, der das automatisierte System als Kommunikationsmittel nutzt, nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte verstehen darf. 88 Der Kläger hatte bei der Buchung nicht den vollständigen Namen eingegeben, allerdings eine automatisierte Buchungsbestätigung erhalten und somit angenommen, dass der Vertrag zustande gekommen war. Ist dagegen die automatische Bestätigung als Annahmeerklärung aufzufassen, so wird eine Willenserklärung zu bejahen sein. Das gilt auch, wenn dem Erklärenden das Erklärungsbewusstsein fehlt ; denn die Bestätigung ist nach Treu und Glauben auch in diesem Fall als eine Annahme aufzufassen. 89 Bei automatischen Erklärungen sind in diesen Fällen die Tatbestandsvoraussetzungen einer Willenserklä-rung erfüllt. Solche Erklärungen sind daher Willenserklärungen der jenigen Person, die sich de s System s bedient, welches die automatische Erklärung erzeugt und in Verkehr bringt.

Rechtsgeschäft und Willenserklärung ren und abgeben. Der Begriff der Künstlichen Intelligenz ist nicht trennscharf bestimmbar.91 Im w eiten Verständnis handelt es sich bei Systemen der Künstlichen Intelligenz um deterministische92 Computerprogramme, deren mögliche Ausgaben im Verhältnis zu ihren Eingaben in praktischer Zeit nicht mehr vorherberechnet und damit überprüft werden können. Dam it bringt das Verhalten derartiger Systeme praktische Unvorhersehbarkeiten mit sich. Zugleich besteht die Möglichkeit, dass derartige Systeme aufgrund von externen Einflüssen von ihrer Umwelt lernen,93 womit eine gewisse Autonomie derartiger Systeme entsteht der zu weiter aufkommenden Problemen bei der Einordnung von Willenserklärungen geführt hat.94 Bei der Anwendung von Künstlicher Intelligenz ist zwischen zwei Szenarien zu differenzieren: Der Anwendung als Hilfsmittel und der Anwendung als autonomer Erklärender. Im ersten Fall – beispielsweise bei der Verwendung spracherkennender smarter Assistenten – wird die Künstliche Intelligenz nur als Hilfsmittel der Verkörperung verwendet. Es macht keinen Unterschied, ob nun eine simple Textverarbeitung oder eine spr acherkennende Künstliche Intelligenz zur Verkörperung verwendet wird. Probleme treten nur möglicherweise dann auf, wenn die Künstliche Intelligenz eine andere Erklärung verkörpert als vom Verwendenden gewollt. Liegt keine Handlung zu Grunde, fehlt es berei ts am Handlungswillen und es liegt keine Willenserklärung vor. Gleiches gilt auch, wenn keine Erklärung gewollt war und damit kein Erklärungsbewusstsein vorliegt. 95 War eine Erklärung mit anderem Inhalt gewollt, kommt es darauf an, ob der Erklärende hätte m it Rücksicht auf Treu und Glauben erkennen können, dass er diese Erklärung abgibt. Wie dies zu beurteilen ist, hängt vom Einzelfall und der Implementierung des jeweiligen verwendeten Systems ab. Anders einzuordnen sind hingegen Systeme, die eine Erklärung, die als Willenserklärung aufgefasst werden könnte, nicht mehr auf Basis einer Handlung eines Menschen erzeugen, sondern aufgrund von gelernten Verhaltensweisen eine solche durch Handlungen ihrer Umwelt generieren, also eine gewisse „ Autonomie “ an den Tag legen. Ein treffendes Beispiel wäre ein „smarter“ Kühlschrank, der durch gelernte Präferenzen seiner Nutzer und dem bekannten Status vorhandener Lebensmittel selbstständig neue Artikel nachbestellt. Er erzeugt also Erklärungen, die aus Sicht des Verkehrs w ie Willenserklärungen seines Benutzers wirken. Problematisch ist allerdings, dass außer der Inbetriebnahme keine weiteren Handlungen des Nutzers mehr vorliegen, sodass eine Willenserklärung hier regelmäßig ausscheidet. Im Gesamten ist die Einordnung derart iger Erklärungen noch nicht geklärt. Es bestehen Ansätze der sog. Blankett -Erklärung, einer Lösung über die Stellvertretung oder Lösungen über Haftungsansätze, die allerdings an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden sollen. _________________________________________________ 91 Die KI -VO definiert ein „KI -System “ in Art. 3 Nr. 1 als „ein maschinengestütztes System, das für einen in unterschiedlichem Grade autonomen Betrieb ausgelegt ist und das nach seiner Betriebsaufnahme anpassungsfähig sein kann und das aus den erhaltenen Eingaben für explizite oder implizite Ziele ableitet, wie Ausgaben wie etwa Vorhersagen, Inhalte, Empfehlungen oder Entscheidungen erste llt werden, die physische oder virtuelle Umgebungen beeinflussen können“. 92 Aufgrund der deterministischen Eigenschaft von Computern und dem Fehlen von echtem Zufall, ist aufgrund dieser Grenzen, jedes Computerprogramm deterministisch. 93 Was aber keine not wendige Voraussetzung ist. Vgl. allgemein und ausführlich zum Begriff der „Künstlichen Intelligenz“, K ONERTZ /SCHÖNHOF , S. 21 ff. 94 Vgl. TEUBNER , AcP 2018 (2018), 155 ff. 95 SPECHT /HEROLD , MMR 2018, 40, 42 f. 96 Vgl. hierzu KONERTZ /SCHÖNHOF , S. 104 ff.; D ORNI S, AcP 223 (2023), 717 ff.

Rechtsgeschäft und Willenserklärung Empfehlungen zum Nacharbei ten: BGHZ 91, BGHZ 21, Zusätzliche Literatur: KONERTZ /SCHÖNHOF , Das technische Phänomen „Künstliche Intelligenz“ im allgemeinen Zivilrecht, Baden Baden WIEBE, Die elektronischen Willenserklärung, Tübingen

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen § 3 Das Wirksamwerden von Willenserklärungen I. Die Empfangsbedürftigkeit von Willenserklärungen Die mit einer Willenserklärung beabsichtigte Rechtsfolge tritt erst zu dem Zeitpunkt ein, in dem die Person, der gegenüber die Erklärung abzugeben ist, die Möglichkeit hat, diese Erklärung wahrzunehmen. Bis auf wenige Ausnahmen sind Willenserklärungen deshalb empfangsbedürftig. Das bedeutet: sie sind einer anderen Person gegenüber abz ugeben.

Def.: Abgegeben ist eine Willenserklärung, wenn die Erklärung mit Wissen und Wollen des Erklärenden so in Richtung auf den Empfänger auf den Weg gebracht wird, dass ohne sein weiteres Zutun der Zugang der Erklärung eintreten kann. Wird die Erklärung hingegen ohne Wissen oder Willen des Erklärenden in Richtung auf den Empfänger auf den Weg gebracht (z. B. : der Sekretär der Erklärenden nimmt eine bereits gefertigte Erklärung von deren Schreibtisch und sendet sie ab ; diese will aber noch einmal übe r seine Erklärung nachdenken) , so soll sie keine Rechtswirkung herbeiführen.97 Wenn die Erklärende das Inverkehrbringen einer solche n abhanden gekommene n Willenserklärung zu vertreten hat, dann kann dies ähnlich dem fehlenden Erklärungsbewusstsein behandelt werden;98 die a bhanden gekommene Willenserklärung kann der Erklärenden als o als wir ksam zugerechnet werden. Die Gegenansicht 99 bemängelt hieran, dass das Vertretenmüssen des Inverkehrbringe ns der Willenserklärung nicht dazu führe n könne , dass die Erklärung auch als wirksam abgegeben gilt – ein vertraglicher Erfüllungsanspruch bestehe daher nicht . Eine andere Frage ist, ob und gegebenenfalls wie derjenige geschützt wird, der auf die Wirksamkeit der Erklärung vertraut hat.100

  • Willenserklärungen, die unter Anwesenden abgegeben werden,
  • Willenserklärungen, die unter Abwesenden abgegeben werden.

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen 1. Willenserklärungen unter Anwesenden Bei Willenserklärungen, die unter Anwesenden abgegeben werden, ist zu unterscheiden. Für verkörperte (insbesondere schriftliche) Willenserklärungen gelten dieselben Grundsätze wie für Willenserklärungen unter Abwesenden. Nicht verkörperte (also insbesonde re gesprochene) Willenserklärungen unter Anwesenden hingegen werden in der Regel sofort mit ihrer Abgabe wirksam. Beispiel: Der Kunde K fragt den Verkäufer V, wie viel ein bestimmtes Bild kostet. V sagt: "Ich gebe es ihnen für € 5.000, --.“ Sofort mit dieser Aussage ist die Willenserklärung des V wirksam. Genauer: Eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die unter Anwesenden abgegeben wird, wird wirksam, wenn der Empfä nger – derjenige, an den die Erklärung gerichtet ist (auch Adressat genannt) – die Erklärung sinnlich wahrnimmt. Bei gesprochenen Willenserklärungen ist das nach der "strengen" Vernehmungstheorie der Zeitpunkt, an dem der Empfänger die Worte akustisch richtig vernommen hat. Vielfach wird von dieser "strengen" Vernehmungstheorie eine Ausnahme gemacht; genügen soll (heute wohl die h.M.) für den Zugang , dass ein sorgfältig Erklärender davon ausgehen durfte , seine Erklärung sei akustisch richtig verstanden worden (sog. „gemäßigte“ Vernehmungstheorie“ ). 101 Hiernach trägt der Empfänger (und nicht der Erklärende) das Risiko für Verständigungsprobleme (etwa Schwerhörigkeit), die für den Erklärenden nicht erkennbar sind. Ob der Empfänger auch den Sinn der Erklärung verstanden hat, ist indes für den Zugang nach beiden Auffassungen ohne Relevanz. Versteht der Empfänger aufgrund fehlender Sprachkenntnisse die Willens-erklärung nicht (z. B. im Verkehr mit Ausländern oder im Ausland), so wollen manche Autoren allerdings auch dies als Zugangsproblem einordnen. 102 Brauche der Adressat die Erklärung in einer für ihn fremden Sprache nicht gelten zu lassen, so sei der Zu-gang zu verneinen. Richtigerweise dürfte es sich dabei jedoch um ein Auslegungs und Irrtumsproblem handeln. Wird unter Anwesenden ein Brief übergeben, in dem eine Willenserklärung enthalten ist, so genügt nach herrschender Auffassung104 – wie bei der Willenserklärung unter Abwesenden – der Zugang, der hier durch Aushändigung des Schriftstückes erfolgt, um die Willense rklärung wirksam werden zu lassen. Ob der Empfänger die Erklärung auch zur Kenntnis nimmt, ist unerheblich. Willenserklärungen, die per Telefon abgegeben werden , werden einhellig als Willenserklärungen unter Anwesenden angesehen , vgl. § 147 I 2 Alt. 1 „Fer nsprecher“. Personen, die viele tausend Kilometer voneinander entfernt sind und telefonische Willenserklärungen austauschen, werden also wie "Anwesende" behandelt . Darüber hinaus ist je nach technischer Ausstattung ein unmittelbarer Dialog zwischen Sender und Empfänger möglich. Unmittelbare Kommunikation "in Echtzeit", ist unproblematisch bei einem (Video-) Chat, gegeben, daher gleicht die Interessenlage der_________________________________________________ 101 EISFELD , JA 2006, 851, 854; L ANGE, JA 2007, 766; W EILER, JuS 2005, 788, 791; MünchKomm /EINSELE , BGB § 130 Rn. 28 ; Bork, § 16 Rn. 631. 102 Z. B. R ÜTHERS /STADLER , § 17 Rn. 56. 103 Zur Auslegung Kurseinheit 4 § 8 und zum Irrtum Kurseinheit 6 § 13 II. 104 MünchKomm /EINSELE , BGB § 130 Rn. 27; WEILER, JuS 2005, 788, 791; BAG NJW 2005, 1533 .

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen jenigen beim Austausch von Willenserklärungen unter Anwesenden. Mündliche Willenserklärungen, die "online" während eines Video- Chats zwischen Erklärendem und Erklärungsempfänger abgegeben werden, gehen daher nach den Grundsätzen der (eingeschränkten) "Vernehmungstheorie" zu.105 Auch bei sogenannten Instant -messaging-Diensten106 - dazu gehören unteranderem de r erste internetweite InstantMessenger ICQ, aber auch aktuell sehr beliebte Plattformen wie WhatsApp, Telegram oder Signal – besteht die Möglichkeit der „unmittelbaren Kommunikation“. Wird hingegen per E -Mail (oder früher: per Fax oder Fernschreiben) komm uniziert, handelt es sich um Willenserklärung en unter "Abwesenden". Zur Differenzierung, ob die Erklärung unter An - und Abwesenden erfolgt, wird häufig darauf abgestellt, ob sie verkörpert ist oder nicht. Es häufen sich in der Literatur Stim-men an, die ei ne solche Beurteilung für nicht mehr zeitgemäß halten . 108 Vermehrt auf die unmittelbare Kommunikation abgestellt, denn diese kann bei einem Telefonat ebenso wie bei einem Chat gegeben sein und spricht für die Behandlung als Erklärung unter "Anwesenden" . Ande rerseits können auch mündliche Erklärungen (z.B. auf einer Mailbox) "unter Abwesenden" abgegeben werden, wenn es an einer direkten Kommunikation fehlt. Dann gilt – ebenso wie für E-Mails, SMS sowie für verkörperte (schriftliche) Willenser klärungen – § 130 I BGB . Trotz dieser technischen Möglichkeiten bestand überwiegend Einigkeit darüber, dass weder die Anwesenheit der Parteien bzw. das Bestehen eines direkten Vermittlungskontaktes noch die Nichtverkörperung bzw. Nichtspeicherung der Erklärung Umstände darstellten, die ein Abweichen von der in § 130 Abs. 1 S.1 BGB statuierten Risikoverteilung zu Lasten des Erklärenden begründen können. Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung, ob die Erklärung wie unter An - oder Abwesenden zu bewerten ist, muss wie oben schon erwähnt aber die Möglichkeit der dauerhaften Speicherung der Nachricht sein. Neuerdings bieten die Messenger -Dienste die Option an, dass Nachrichten nach dem Einmal -Sehen gelöscht werden. In diesem Fall kann unproblematisch von einer Erklärung unter Anwesenden auszugehen sein. Bei Messenger -Diensten ist also auf den jeweiligen Einzelfall zu schauen und darauf abzustellen, ob die Nachricht nach dem Einmal -Sehen gelöscht wurde – dann ist sie wie eine Erklärung unter Anwesenden zu beurteilen, oder ob die Nachricht dauerhaft abgespeichert wird. Dann ist die Erklärung unter Abwesenden erfolgt. 2. Willenserklärungen unter Abwesenden Das Gesetz regelt in den § § 130 ff. BGB, wann Willenserklärungen wirksam werden, die gegenüber abwesenden Personen abgegeben werd en. Daraus folgt: Empfangsbedürftige Willenserklärungen, die in Abwesenheit des Adressaten abgegeben werden und in einem Brief enthalten sind, aber auch solche, die mündlich durch einen Boten überbracht werden, werden in dem Moment wirk-sam, in dem sie dem Empfänger zugehen. _________________________________________________ 105 Dazu oben § 3 II. 1. 106 Definition von Instant -messaging -apps: Internetdienste, die eine text – oder zeichenbasierte Kommunikation in Echtzeit ermöglichen. 107 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 147 BGB Rn. 5. 108 MünchKomm /EINSELE , BGB § 130 Rn. 17 ff. ; BeckOK/ WENDTLAND BGB § 130 Rn. 29 . 109 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 130 Rn. 7 a; BeckOGK /GOMILLE , BGB § 130 Rn. 36 ff.

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen § 130 BGB enthält keine Definition des Begriffes des Zugehens (Zugang). Das RG110 vertrat bereits die Ansicht, es genüge, dass derjenige, dem gegenüber eine Willenserklärung abgegeben wird, in eine Lage versetzt wird, die ihm unter gewöhnlichen Verhältnissen (Krankheit, Abwesenheit von zu Hause etc. kommen dabei nicht in Be-tracht) die Möglichkeit gewährt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Sobald diese Voraussetzung erfüllt ist, wird die Willenserklärung wirksam ( § 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Darauf, ob und wann der Empfänger von der Erklärung Kenntnis genommen hat, kommt es nicht an. Für den Zugang gilt daher:112

Def.: Eine Willenserklärung ist zugegangen , wenn sie in verkehrsüblicher Weise so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, sie zur Kenntnis zu nehmen. Beispiel: Ein Brief des K an den S, in dem K gegenüber S eine empfangsbedürftige Willenserklärung abgibt, ist zugegangen, wenn der Briefträger den Brief in den Kasten gesteckt hat und S normalerweise die Möglichkeit hat, den Brief an sich zu nehmen und zu lesen.

Eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die in Abwesenheit der Person abgege-ben wird, an die sie gerichtet ist, wird demnach wirksam, wenn sie dem Empfänger zugeht, er sie also normalerweise zur Kenntnis nehmen kann. Unerheblich ist, ob der Empfänger die Willenserklärung tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Maßgeblich für das Wirksamwerden der Willenserklärung, die an einen Abwesenden gerichtet ist, ist demnach der Zugang, nicht die Kenntnisnahme. Beispiel (in Anlehnung an das vorhergehende Beispiel): Die Willenserklärung des K, die in einem Brief enthalten ist, wird wirksam, wenn sie dem S am 26. Juni 2023 zugeht. Die Erklärung ist zugegangen, wenn der Briefträger den Brief am 26. Juni 2023 in den Briefkasten gesteckt hat und S normalerweise die Möglichkeit hatte, den Inhalt des Briefes zur Kenntnis zu nehmen. Wenn S den Briefkasten zwei Tage lang nicht leert, obwohl er es hätte tun können, also auch den Brief nicht zur Kenntnis nimmt, ändert das nichts daran, dass die in dem Brief enthaltene Willenserklärung schon am 26. Juni 2023 wirksam wird; denn im Hinblick auf das Wirksamwerden einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist gemäß § 130 Abs. 1 der Zeitpunkt des Zugangs, nicht aber der Zeitpunkt der Kenntnisnahme entscheidend.

Der Zugang markiert einen Risikoübergang. Daraus ergibt sich, dass die Kriterien für einen wirksamen Zugang wegen des damit verbundenen Risikoüberganges so deut-lich erkennbar sein müssen, dass der Absender sein Verhalten danach einrichten kann. Der Absender muss an ein Verhalten anknüpfen können, "mit dem der Empfänger die Grenze seines Machtbereichs in einer Weise markiert hat, dass der Absender an-nehmen konnte, vom Erreichen dieses Punktes ab werde der Empfänger das Risiko _________________________________________________ 110 RGZ 60, 334, 336 . 111 BGH NJW 1964, 1951 . 112 BGHZ 67, 271, 275; BGH NJW 1965, 965, 966 ; RGZ 142, 402, 407 ; MünchKomm /EINSELE , BGB § BGB Rn. 16; FLUME, § 14 3 b).

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen der Erklärungskenntnis tragen".113 Die erkennbaren Anstalten, die der Empfänger entweder allgemein oder für einen bestimmten Einzelfall für den Empfang der verkörperten Erklärung getroffen hat, sind als Kriterien für die En tscheidung darüber heranzuziehen, ob eine Willenserklärung zugegangen ist oder nicht. Dabei muss sich der Erklärende darauf verlassen können, dass mit dem Überschreiten der durch die ge-troffenen Empfangsvorkehrungen gezogenen Grenze sein Risiko im Hinblick auf die Erklärung endet und das Kenntnisnahmerisiko auf den Empfänger übergeht. Zu solchen Empfangsvorkehrungen, die der Empfänger wegen der an ihn gerichteten Willenserklärungen trifft, gehören auch technische Maßnahmen, z.B. das Anbringen eines Briefkastens und das Mieten eines Postfaches. Wenn der Absender eine schriftliche Willenserklärung in einen von dem Empfänger dafür bestimmten Briefkasten ge-legt hat, so kann man aber darüber streiten, ob die Willenserklärung auch dann i.S. des § 130 Abs. 1 zugeg angen ist, wenn sie zu einer Zeit in den Briefkasten geworfen wird, zu der der Empfänger den Briefkasten üblicherweise nicht mehr leert. Für elektronische Vorrichtungen gilt der aktuellen Rechtsprechung des BGH: Sofern der Empfänger zum Ausdruck gebracht hat, Rechtgeschäfte in der elektronischen Form –sei es per E -Mail oder per WhatsApp- abzuschließen, gehört die Vorrichtung zu seinem Machtbereich. Für das Anlegen eines E -Mail- Postfaches für den Geschäftsverkehr gilt: Das Hineingelangen der Erklärung in den Aufnahmebereich des Empfängers bedeutet, dass dieser Bereich objektiv bestimmt und normalerweise geeignet sein muss, eine Erklärung an-zunehmen und zu speichern. 116 Die Möglichkeit der Speicherung ist vorhanden, wenn es nur noch vom Empfänger abhängt, ob die Erklärung ihrer fortgesetzten Verfügbar-keit zugeführt wird. Dabei ist auf gewöhnliche Verhältnisse abzustellen. 117 Das bedeutet, dass der Empfänger dann über die Möglichkeit der Kenntnisnahme verfügt, wenn seine Empfangseinrichtung die eintreffenden Erklä rungen ordnungsgemäß speichert und zum Abruf bereithält. Dies sicherzustellen, liegt in der Risikosphäre des Empfängers. Die Funktionstüchtigkeit der Empfangsvorrichtung zu garantieren, liegt außerhalb der Einflusssphäre des Absenders. Der Empfänger trägt also das Speicher – und Abrufrisiko. Der Begriff der Speicherung ist hierbei wie folgt zu verstehen: Was für den einfachen Brief der Briefkasten ist, das ist für die elektronisch übermittelte Erklärung der Empfangsspeicher des Empfängers. Das bedeutet z.B., dass eine Erklärung schon dann zugegangen ist, wenn die Erklärungssignale vollständig in die Empfangseinrichtung des Adressaten gelangt sind und die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht118. Arbeitet der Computer des Empfängers mangelhaft und gelingt deshalb die Speicherung oder der Abruf nicht und geht die Erklärung deshalb sogar verloren, so fällt das dem Empfänger zur Last. Entscheidend ist nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH letztlich, ob der Empfänger zum Ausdruck gebracht hat, Rechtgeschäfte in _________________________________________________ 113 DILCHER , AcP 154 [1955], 120, 128. 114 So H. DILCHER , AcP 154 [1955], 120, 128. 115 BGH, MMR 2023, 136, 137 f ., MünchKomm/ EINSELE , BGB § 130 BGB Rn. 18.; WERTENBRUCH , JUS 2020, 481, 485. 116 BeckOGK/ GOMILLE, BGB § 130 Rn. 36 ff. 117 BURGARD , AcP 195 [1995], 74, 118 BGH NJW 2022, 3791 ; BeckOK/ WENDTLAND , BGB § 130 Rn. 15 .

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen der elektronischen Form – sei es per E -Mail oder per WhatsApp - abzuschließen. Sofern dies gegeben ist, gehört die Vorrichtung zu seinem Machtbereich.

Beispiel: Der Vermieter V legt dem Mieter M um Mitternacht eine Kündigungserklärung in den Briefkasten. Geht man davon aus, dass die Kündigung um Mitternacht zugegangen ist, so ist sie sofort wirksam. Das hat zur Folge, dass der V die Kündigung nicht mehr durch eine am darauffolgenden Morgen in den Briefkasten des M eingeworfene Widerrufserklärung widerrufen und damit aus der Welt schaffen kann (§ 130 Abs. 1 S. 2).

Die Zugangswirkung kann nicht jederzeit eintreten .120 Abzustellen ist auf die Kenntnisnahmemöglichkeit unter normalen Verhältnissen. Das bedeutet: Die Zugangswirkung tritt in dem Zeitpunkt ein, in dem die Überprüfung der Empfangsvorkehrung – also z.B. das Leeren des Briefkastens – nach den Regeln des täglichen Lebens erwartet werden kann. Wer Wert darauf legt, dass die Zugangswirkung auch zu ungewöhnlichen Zeiten, wie z.B. in der Nacht eintritt, ist s chließlich nicht daran gehindert, den Empfänger aufzusuchen und ihm die Willenserklärung zu übergeben.121 Die tatsächliche Kenntnisnahme führt freilich in jedem Fall den Zugang herbei.122 Auf das vorhergehende Beispiel bezogen bedeutet dies: Die um Mitternacht in den Briefkasten des M eingeworfene Kündigungserklärung ist nicht sofort wirksam. Sie würde am darauffolgenden Morgen wirksam, wenn M um diese Zeit den Briefkasten normalerweise leert. Wenn V am frühen Morgen einen Widerruf der Kündigung in den Briefkasten steckt, so geht der Widerruf gleichzeitig mit der Kündigung i.S. des § 130 Abs. 1 S. 2 zu. Die Kündigung ist deshalb nicht wirksam.

Unter Kaufleuten besteht eine gesteigerte Pflicht, geeignete Empfangsvorkehrungen zu treffen, damit insbesondere fristg ebundene Erklärungen wie Kündigungen, Mängelrügen oder Fristsetzungen während der Geschäftszeiten zugehen können. Daher muss ein Gewerbebetrieb einer gewissen Größe dauernd damit rechnen, dass während der Geschäftszeiten rechtsgeschäftliche Erklärungen ein gehen, und deswegen dafür Sorge tragen, dass an seine Geschäftsadresse gerichtete Briefe oder sonstige Erklärungen zugestellt werden können. 123 Auch bei vorübergehender Ortsabwesenheit (Geschäftsreise, Urlaub) hat ein Kaufmann sicherzustellen, dass an ihn ge richtete Post zugehen kann oder einen Vertreter erreicht.124 Versäumt er dies, kann er sich auf den verspäteten Zugang seiner Geschäftspost nicht berufen.125

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen 3. Dritte im Übermittlungsweg Bei der Übermittlung der Willenserklärung können allerdings auch Personen eingesetzt werden, die vom Erklärenden oder vom Empfänger hinzugezogen we rden. Diese Personen können bevollmächtigte Personen (Empfangsvertreter) , Erklärungsboten oder Empfangsboten sein. a) Empfangsvertreter Besteht eine Vollmacht (Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht nach §§ 166 Abs. S. 1, 167 Abs. 1) zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts, so umfasst diese in der Regel auch die Vollmacht zur Entgegennahme der entsprechenden Erklärunge n des anderen Teils, es handelt sich also um einen Passivvertreter ( § 164 Abs. 3).126 Bei Passivvertretern ist hinsichtl ich des Zugangs der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Voraussetzungen des Zugehens in der Person des Vertreters, der an die Stelle des Vertretenen tritt, erfüllt sind .127 Bereits zu diesem Zeitpunkt geht die Willenserk lärung mit Wirkung für und gegen den Adressaten zu. b) Empfangsbote Um einen Empfangsboten handelt es sich, wenn die Mittelsperson zur Entgegennahme von Willenserklärungen geeignet und ermächtigt ist oder nach der Verkehrs-auffassung als geeignet und ermächtigt anzusehen ist, diese Mittelsperson ist dann eine "personifizierte Empfangseinrichtung des Empfängers". 128 Ist die Mittelsp erson Empfangsbote und hat sie Kenntnis von der Willenserklärung, dann ist diese zwar in den Machtbereich des Empfängers gelangt, jedoch noch nicht zugegangen. Der Zugang tritt erst zu dem Zeitpunkt ein, in welchem der Empfänger bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse die (theoretische) Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, bei tatsächlicher vorheriger Kenntnisnahme zum Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme. Denn als dessen Übermittlungswerkzeug soll der Empfangsbote die Willenserklärung entgegennehmen und an ihn weiterleiten, also noch eine Tätigkeit entfal-ten, um dem Adressaten die Möglichkeit der Kenntnisnahme zu verschaffen. 129 Da Erklär ender und Erklärungsempfänger nicht zeitgleich anwesend sind, handelt es sich um eine Willenserklärung unter Abwesenden.130 Übermittelt der Empfangsbote falsch, verspätet oder überhaupt nicht , so geht dies zu Lasten des Empfängers.131 c) Erklärungsbote Der Erklär ungsbote überbringt eine bereits fertige Willenserklärung de s Erklärenden an den Empfänger.132 Der Zugang der Willenserklärung tritt erst zu dem Zeitpunkt ein, in dem der Erklärungsbote die Willenserklärung tatsächlich an den Empfänger über_________________________________________________ 126 MünchKomm /EINSELE , BGB § 130 BGB Rn. 27; GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 130 BGB Rn. 8. 127 BGH NJW 2002, 1041 ; WM 2003, 1820; Staudinger/Singer/Benedict, § 130 BGB Rn. 54. 128 BGH NJW –RR 1989, 757, 758; a. A. STAUDINGER / SINGER/BENEDICT , § 130 BGB Rn. 58. 129 BGH NJW –RR 1989, 757, 758. 130 MünchKomm /SCHUBERT , BGB § 164 Rn. 90 ff . 131 BROX/WALKER , § 24 Rn. 6; GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 130 Rn. 9, vgl. MünchKomm/ ARMBRÜSTER ,BGB § 120 Rn. 2 ff. 132 Kurskript KE 6, § 16 I. 3.

  • kaufmännische Angestellte in einem Betrieb;134
  • Angehörige, sofern sie sich in der Wohnung des Adressaten befinden;135
  • Ehepartner, auch außerhalb der Wohnung.136

Dem M zugegangen und damit wirksam geworden ist die Willenserkl ärung erst in dem Moment, in dem B dem M das Schreiben übergab. B war keine für den Empfang einer an M gerichteten Willenserklärung geeignete und be-stimmte Person. Übergibt der Absender die Erklärung an eine nicht zum Empfang geeignete und bestimmte Person, so ist diese Person lediglich Überbringer (Bote) des Absenders.

4. Besonderheiten Bedarf eine empfangsbedürftige, einem Abwesenden gegenüber abzugebende Wil-lenserklärung der notariellen Beurkundung, wird die Willenserklärung erst wirksam, wenn dem Erkläru ngsempfänger eine Ausfertigung der Notarurkunde zugeht. Nach § 130 Abs. 2 ist es für das Wirksamwerden einer Erklärung ohne Bedeutung, wenn der Erklärende nach der Abgabe der Erklärung stirbt oder die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit verliert. 139 § 130 Abs. 2 geht von dem Regelfall aus, dass sich die Willenserklärung beim Tode des Erklärenden auf dem Wege zum Adressaten befindet und die Zustellung alsbald erfolgt. Diese Vorschrift beruht u.a. auf dem Gedanken, dass der Erklärungsempfänger meist nicht oder doch nicht zur geeigneten Zeit erfährt, dass der Urheber der Willenserklärung verstorben oder geschäftsunfähig geworden ist, und deshalb in eine für ihn unter Umständen mit erheblichen Nachteilen verbundene Lage geraten würde, wenn er im Vertrauen auf den Bestand der ihm zugegan-genen Willenserklärung Vorkehrungen trifft und sich später in diesem Vertrauen getäuscht sieht. _________________________________________________ 133 Im Einzelnen str., vgl. MünchKomm/ ARMBRÜSTER , BGB § 120 Rn. 2 ff. 134 MünchKomm /EINSELE , BGB § 130 Rn. 25. 135 RGZ 91, 62 ; nach BAG DB 1976, 1018 auch die Zimmervermieterin. 136 BECKOGK/G OMILLE , BGB § 130 Rn. 106. 137 Vgl. dazu MünchKomm /EINSELE , BGB § 130 Rn. 26; RGZ 60, 334, 336 . 138 BGHZ 130, 71 ff. 139 Bedeutung findet diese Vorschrift im (erb- und sachenrechtlichen) Bonifatiusfall, RGZ 83, 140 So mit Hinweis auf die Motive BGHZ 48, 374, 380 .

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen III. Einzelfälle 1. Unterhält der Empfänger ein Postschließfach, so geht ihm die schriftliche Willenserklärung in dem Moment zu, in dem üblicherweise das Postschließfach geleert wird .141 2. Für Telegramme galt (bis zur Einstellung dieses Dienstes durch die Deutsche Post zum 31.12.2022) das für den Brief Gesagte entsprechend. W urde der Inhalt dem Empfänger telefonisch mitgeteilt, so war die Erklärung mit der mündlichen Übermittlung zugegangen .142 3. Wird eine Willenserklärung per Telefax übermittelt, wenn üblicherweise mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann, d.h. bei Privatleuten ist sie im Regelfall mit Abschluss des Druckvorganges im Empfängergerät des Adressaten zugegangen 143; bei Geschäftsleuten jedoch nur, wenn dies während der üblichen Geschäftsstunden geschieht, sonst mit dem Beginn der nächsten Ge-schäftsstunden . 4. Die in einem Übergabe -Einschreiben niedergelegten Willenserklärungen gehen dem Empfänger erst mit der Übergabe des Briefes an ihn selbst oder an eine zur Annahme berechtigte Person zu. Der vom Postboten in den Briefkasten des Empfängers eingeworfene Benachrichtigungszettel (gelber oder roter Auslieferungsschein) kann mit der Einschreibsendung selbst nicht gleichgestellt werden, weil ein solcher Zettel keinen Hinweis auf den Absender und den Inhalt der Sendung enthält . Allerdings geht es zu Lasten des Empfängers, wenn er das Einschreiben trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung nicht abholt. I hn trifft eine Obliegenheit, den Brief bei der Poststelle abzuholen. Sofern er mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen rechnen musste, muss er sich nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als wäre die Erklärung zugegangen . 5. Umstritten ist, wann ein e per E- Mail g egenüber einem Unternehmer übermittelte Erklärung zugeht. Vertreten werden dabei zwei Zeitpunkte: beim Eingang auf dem Mailserver, oder wenn nach der Verkehrssitte üblicherweise mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Nach einer Ansicht geht eine E- Mail dem Empfänger dann zu, wenn sie abrufbereit im Postfach liegt und der Absender mit einer Kenntnisnahme nach dem üblichen Geschäftsablauf rechnen kann. Dabei wird der Mailserver als „elektronischer Briefkasten“ behandelt, bei dem mit einem Mailabruf z.B. stündlich, zwei Mal täglich oder in anderen Intervallen zu rechnen ist. Anzu-nehmen ist hiernach, dass ein Abruf der E -Mails im Geschäftsverkehr spätestens bis zum Ende der Geschäftszeit zu erwarten ist. Eine nach der Geschäftszeit eingegangenen Mail geht somit erst zu, wenn mit der tatsächlichen _________________________________________________ 141 BAG NJW 1984, 1651, 1652; vgl. MünchKomm /EINSELE , § 130 Rn. 19; a.A. FLUME, § 14, 3 c. 142 RGZ 105, 255, 256. 143 MünchKomm/E INSELE , § 130 BGB Rn. 20. 144 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 130 BGB Rn. 7; kritisch S TAUDINGER /SINGER, § 130 BGB Rn. 75. 145 BGH NJW 2017, 68, 69 f .; BGH NJW 1998, 976, 977; RÜTHERS /STADLER , BGB AT § 17 Rn. 44 . 146 BGHZ 67, 271, 279 .

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen Kenntnisnahme zu rechnen ist, nämlich am nächsten Morgen zu Beginn der Geschäftszeiten.147 Eine andere Ansicht nimmt an, dass eine E -Mail bereits in dem Zeitpunkt zugeht, in dem die Nachricht auf dem M ailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird. Private E- Mail- Adressen können zum Machtbereich dazugezählt werden, wenn sie der Empfänger dem Empfang rechtsge-schäftlicher Erklärungen gewidmet hat. Eine solche "Widmung" kann sich z.B. daraus ergeben, dass er auf diese Kommunikationsmöglichkeit (beispielsweise im Briefkopf oder auf Visitenkarten) hingewiesen oder sie sogar selbst benutzt hat. 148 Bereits beim Eingang habe der Empfänger die Möglichkeit, vom Inhalt Kenntnis zu nehmen. Irrelevant sei dabei, ob der Empfänger von seinem Mail- Programm über den Eingang informiert oder in welchen Ordner („Posteingang“, „Spam“) die Mail einsortiert werde.149 Der BGH hat sich dieser Auffassung für den unternehmerischen Verkehr in-nerhalb der „üblichen Geschäftszeiten“ angeschlossen. 150 Dies hat zur Folge, dass dem Empfänger keine Zeitspanne zugebil ligt wird, in der er üblicherweise tatsächliche Kenntnis von der Mail nehmen kann. Bei einer praxisnahen Aus-legung im unternehmerischen Verkehr w ürde dies bedeuten, dass der Un ternehmer „Alles stehen und liegen lässt“, um sofort se in Mail- Programm zu öffnen. Wei tere Folge ist, dass eine einmal per E- Mail übermittelte Willenserklärung nur noch widerru fen werden kann, wenn dem Absender ein besonderes Widerrufsrecht zusteht; ein Widerruf nach § 130 Abs. 1 S.2 BGB ist praktisch ausgeschlossen.

Fall: V fragt bei seinem Kollegen K an, ob dieser einen gebrauchten Opel Astra zum Preise von € 900,–– kaufen wolle , und erbittet die Antwort bis spätestens 30.9.2023 . K wirft am 30.9.20 23 um 20 Uhr ein Schreiben in den Briefkasten des V, in dem er sich zur Übernahme des Wagens bereit erklärt. Als V das Schreiben am 1.10.2023 vorfindet, teilt er K mit, er könne den Wagen nicht mehr abgeben, da er sich am Vorabend beim Abschluss des Kaufvertrages über einen Neuwagen bereits zur Inzahlunggabe des Opels verpflichtet habe. Kann K von V Übergabe und Übereignung des Wagens verlangen?

Aufgabe 1: Beantworten Sie diese Frage bitte schriftlich und vergleichen Sie Ihre Ausführungen anschließend mit der Lösung am Ende dieser Kurseinheit! _________________________________________________ 147 BREHM, AT, Rn. 168; S TAUDINGER /SINGER/BENEDICT , (2021) BGB § 130, Rn. 75 ; EFFER-UHE, JZ 2016, (777 f.); EINSELE , LMK 2023, 801038 . 148 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 130 Rn. 7a ; a.A. noch ULTSCH , NJW 1997, 3007. 149 WERTENBRUCH , JUS 2020, 481, 485; GRÜNEBERG /ELLENBERGER Rn. 7a. 150 BGH NJW 2022, 3791, 3792; BGH, MMR 2023, 136, 137 f . 151 BACHMANN , NJW 2022, 3791, 3793, Faust, RDi 2023, 85, 85 f.

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen IV. Von § 130 BGB abweichende Vereinbarungen über die Erklärungswirkung Nach herrschender Meinung152 ist § 130 BGB nicht zwingendes Recht, so dass durch Vereinbarung eine von § 130 BGB abweichende Bestimmung über das Wirksamwerden verkörperter – in der Regel schriftlicher – Willenserklärungen getroffen werden kann. Durch solche Vereinbarungen kann der Zugang vereinfacht, aber auch erschwert werden. Ersteres ist z.B. dann der Fall, wenn bestimmt wird, dass die Willens-erklärung bereits mit ihrer Abgabe wirksam werden soll. In der Praxis werden jedoch häufig besondere Zugangserfordernisse vereinbart, die das Wirksamwerden der Willenserklärung erschweren. Beispiel: G ist ein Großunternehmen, das in vielen deutschen Städten Filialen unterhält . Verträge mit den Kunden werden überwiegend durch Stellvertreter des Unternehmens in den Filialen geschlossen. G vereinbart mit dessen Kunden, dass Rücktritts – und Anfechtungserklärungen sowie Mängelanzeigen nur dann ihr gegenüber wirksam werden sollen, wenn die Erklärungen nicht in der jeweiligen Filiale, sondern der Zentrale in Frankfurt a.M. zugehen.

Eine solc he von § 130 BGB abweichende Regelung ist grundsätzlich möglich. Eine Einschränkung ergibt sich jedoch aus § 309 Nr. 13 BGB. Danach sind Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn Erklärungen, die dem Verwender der AGB gegenüber abzugeben sind, an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden. In der Praxis war es in der Vergangenheit häufig zu beobachten, dass die Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen dazu neigten, zu ihren Gunsten das Wirksamwerden eigener, an die Kunden gerichteter Willenserklärungen durch Zugangsfiktionen zu erleichtern, indem sie etwa das Wirksamwerden von Willenserklärungen an den Eintritt bestimmter Tatsachen knüpften. Fiktionen des Zugangs in AGB sind nach § 308 Nr. 6 BGB unwirksam, sofern die AGB eine Klausel enthalten, die vorsieht, "dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Teil als zugegangen gilt". Beispiel: Auszug einer Klausel in den AGB einer Bank: "Schriftliche Mitteilungen der Bank gelten nach dem gewöhnlichen Postlauf al s zugegangen, wenn sie an die letzte der Bank bekannt gewordene Anschrift des Kunden abgesandt worden sind." Es handelt sich dabei um eine Regelung, die von § 130 BGB abweicht. Schickt eine Bank, die in ihre AGB eine Klausel dieser Art aufgenommen hat, einem Darlehensschuldner eine so genannte Kreditkündigung, so wird diese Willenserklärung nicht durch die Zugangsfiktion mit Zeitablauf wirksam, weil die entsprechende Klausel gemäß § 308 Nr. 6 BGB unwirksam ist. Auf welche Art und Weise die Kündigung wirksam wird, richtet sich nach § 130 BGB.

Häufig werden auch erschwerte Übersendungsformen vereinbart, die Beweiszwecken dienen sollen, wie z.B. der eingeschriebene Brief. Der Zugang der Willenserklärung richtet sich allein nach § 130 BGB. Das bedeutet, die Erklärung kann auch gemäß _________________________________________________ 152 BGHZ 130, 71, 75; MünchKomm/ EINSELE , BGB § 130 BGB Rn. 12 ; STAUDINGER /SINGER, § 130 BGB Rn. 22; FLUME, § 14, 2.

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen § 130 BGB wirksam werden, wenn sie entgegen der getroffenen Vereinbarung befördert wurde .153 V. Der Widerruf von Willenserklärungen Das BGB verwendet den Begriff „ Widerruf“ im Hinblick auf Willenserklärungen. Zunächst wirksame Willenserkl ärungen können mit der Folge widerrufen werden, dass sie vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs, der selbst eine Willenserklärung ist, unwirksam werden. Eine Willenserklärung kann widerrufen werden, ohne dass es schon zu einem angestrebten Vertrags schluss gekommen ist (vgl. z.B. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Durch den Widerruf einer Willenserklärung kann aber auch, wenn ein Widerrufsrecht eingeräumt ist, ein bereits zustande gekommener Vertrag mit Wirkung von nun an (ex nunc) beendet werden. Das ist z.B. bei Verbraucherverträgen ( § 355 BGB) und beim Auftrag (§ 671 BGB) der Fall. Eine Willenserklärung, die erst mit dem Zugang beim Adressaten wirksam wird, kann widerrufen und damit nicht wirksam werden. Eine Willenserklärung wird nicht wirk-sam, wenn dem Empfänger vor deren Zugang oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Auch der Widerruf ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Beispiel: A bestellt schriftlich bei Weinhändler in W 100 Flaschen Moselwein. Noch am selben Tag bereut er seine Bestellung und schreibt an W, er möchte seine Bestellung rückgängig machen. W findet am nächsten Tag in ihrem Briefkasten die Bestellung und den Widerruf des A. Der Widerruf ist damit gleichzeitig mit der Willenserklärung zugegangen, auf die er sich bezog. Infolgedessen ist die Bestellung gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 BGB nicht wirksam geworden.

Zweifelhaft ist , ob ein Widerruf, der später zugeht als die Willenserklärung, auf die er sich bezieht, die Wirksamkeit der Willenserklärung beseitigt, wenn der Emp fänger den Widerruf vor der Erklärung oder gleichzeitig zur Kenntnis nimmt. Abwandlung: A bereut die Bestellung erst am nächsten Tag. Er schickt ein Brief an W, in dem er seine Bestellung widerruft. Während das Schreiben mit der Bestellung schon morgens im Briefkasten der W und mittags noch ungeöffnet auf ihrem Schreibtisch liegt, wird der Brief erst um 16 Uhr zugestellt. W liest es und bearbeitet erst danach die auf seinem Schreibtisch liegende Post. Dabei öffnet sie auch das Bestellschreiben des A und nimmt den Inhalt zur Kenntnis.

Das RG 154 hat deutlich darauf hingewiesen, § 130 Abs. 1 S. 2 BGB bestimme auch für den Widerruf der empfangsbedürftigen Willenserklärung, dass der Widerruf nur wirk-sam sei, wenn er dem Empfänger vor oder gleichzeitig mit der erst en Willenserklärung zugehe. Da eine Willenserklärung, wie oben dargelegt, auch ohne wirkliche Kenntnisnahme durch den Empfänger zugehen und damit wirksam werden kann, ist es _________________________________________________ 153 BGH NJW 2004, 1320 ; MünchKomm/ EINSELE , BGB § 130 BGB Rn. 12. 154 RGZ 91, 60, 63 .

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen zutreffend, allein auf den Zugang und nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der einen oder anderen Erklärung abzustellen.155 Auf das vorhergehende Beispiel angewandt bedeutet dies: Das Schreiben mit der Bestellung (die erste Willenserklärung) ist auch ohne Kenntnisnahme durch W i.S. d. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB zugegangen und damit wir ksam geworden. Der in dem Brief enthaltene Widerruf konnte das Wirksamwerden der ersten Willenserklärung nicht mehr verhindern, weil er nicht gleichzeitig, sondern später zugegangen ist ( § 130 Abs. 1 S. 2 BGB).

Eine andere Frage ist die, ob derjenige, der sich auf den verspäteten Zugang des Widerrufs beruft, gegen Treu und Glauben verstößt. Dabei könnte in Betracht gezogen werden, dass bei demjenigen, der zunächst den Widerruf zur Kenntnis nimmt und erst danach die Willenserklärung, auf die sich der Widerr uf bezieht, noch kein schützenswertes Vertrauen in die Wirksamkeit der widerrufenen Erklärung entstanden ist. 156 Eine solche Auffassung ist nach der zutreffenden Meinung des Reichsgerichts „mit der klaren und jeden Zweifel ausschließenden Bestimmung des § 130 Abs. 1 S. BGB nicht vereinbar. “ Nach dieser Vorschrift ist allein der Zeitpunkt des Zugehens, nicht aber der der wirklichen Kenntnisnahme maßgebend. Gemäß § 355 Abs. 1 und 2 BGB hat ein Verbraucher ( § 13 BGB), dem im Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Norm eingeräumt wird , nach Abschluss eines Vertrages mit einem Unternehmer ( § 14 BGB) 14 Tage Zeit (§ 355 Abs. 2 BGB) , seine Willenserklärung zu widerrufen, wenn er sich vom Vertrag lösen will. Hat der Verbrau-cher eine Widerrufserklärung abgegeben, is t er sowie der Unternehmer „ an seine auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden“ (§ 355 Abs. 1 S. 1 BGB). Das bedeutet, ein Vertrag ist zunächst einmal wirksam zustande gekommen; der Verbraucher kann sich von demselben allerdings durch Widerruf lösen. Von diesem Zeitpunkt an ist der Vertrag, der bis zu diesem Zeitpunkt bestanden hat, beendet.

Fall: K arbeitet als Kfz –Schlosser in der Kraftfahrzeugwerkstatt des I. Als er wegen angeblich schlampiger Arbeit vom Meister ge tadelt wird, ist er so wütend, dass er noch am selben Tag ein Schreiben aufsetzt, mit dem er seine Kündigung zum nächstmöglichen Termin erklärt. D ieses S chreiben wirft er anschließend in den Postkasten. Am nächsten Morgen bereut K jedoch, seinen gut dotier ten Arbeitsplatz so leichtfertig aufgegeben zu haben. Er begibt sich deshalb sofort in das Büro des I und fragt diesen, ob sein Schreiben schon angekommen sei; er wolle "das mit der Kündigung rückgängig machen". I entgegnet daraufhin, das Schreiben sei ber eits vor einer Stunde vom Postboten gebracht worden. Er habe es zwar noch nicht gelesen. Aber wenn es Kündigung des K enthalte, sei daran jetzt wohl nichts mehr zu ändern. Hat K das Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt?

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen Aufgabe 2: Beantworten Sie diese Fra ge bitte schriftlich und vergleichen Sie Ihre Ausführungen

VI. Zugangshindernisse Verschiedene Umstände können dazu führen, dass eine an den Empfänger gerichtete und abgesandte Willenserklärung nicht (unmittelbar) zugeht. § 149 BGB betrifft den Fall von Unregelmäßigkeiten bei der Beförderung (z.B. ein Streik bei der Post). Der Antragsempfänger soll darauf vertrauen dürfen, dass eine Annahmeerklärung, die den Antragenden bei norma lem Lauf der Dinge rechtzeitig erreicht hätte, zu m Vertrags schluss führen kann, selbst wenn sie den Antragenden im konkreten Fall verspätet erreicht hat. Danach wird die verspätete Annahmeerklärung als rechtzeitig zuge-gangen fingiert. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verspätung für den Antragsempfänger erkennbar ist und er die Verspätung nicht rechtzeitig angezeigt hat. Es bestehen hingegen keine gesetzlichen Regelungen, wie mit anderweitigen Zu-gangsverzögerungen und Zugangsverhinderungen umgegangen we rden sollen. Die Lösung kann nur unter Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen und Risi-kosphären gefunden werden. In der Rechtsprechung und Literatur haben sich ver-schiedene Fallgruppen gebildet, die sich einer Lösung annähern sollen.

1. Zugangsverzögerung Die Zugangsverzögerung wird in der Fallbearbeitung relevant, wenn die Rechtzeitigkeit der Willenserklärung von Bedeutung ist, insbesondere bei der Einhaltung von Fristen. Dabei stellt sich die Frage, in welche Risikosphäre eine fehlende Empfangseinr ichtung (fehlender Briefkasten, fehlendes Namensschild, ausgeschaltetes Faxgerät, überfüllte E -Mail- Box) fällt. Eine allgemeine Pflicht, Empfangsvorkehrungen für Willenserklärungen zu treffen, besteht zwar nicht. 159 Ihn kann aber eine entsprechende Obliegenheit treffen, wenn er auf Grund bestehender oder angebahnter vertraglicher oder gesetzlicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat. 160 Ein Arbeitnehmer oder Mieter muss mit rechtsgeschäftlichen Erklärungen (z.B. Kündigung) re chnen. Wer seine Faxnummer oder E -Mail-Adresse im Rechtsverkehr angibt, muss er sich um eine funktionierende Empfangsmög-lichkeit kümmern.

a) Liegt die Verzögerung in der Risikosphäre des Erklärenden, ist die Willenserklärung verspätet und die beabsichtigte Rechtsfolge kann nicht eintreten. Der Erklärende muss ggf. einen neuen Zustellungsver-such unternehmen.

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen b) Liegt die Verzögerung in der Sphäre des Empfängers , so ist die Erklärung tatsächlich verspätet zugegangen. Auf ein Verschulden des Adressaten kommt es dabei nicht an; es genügt, dass die Zugangsverhinderung oder -verzögerung in seiner Sphäre liegt.162 Heute wird dem Erklärenden eine Wahlmöglichkeit eingeräumt. Bemüht er sich nicht um einen nachträglichen Zugang, dann treten die Rechtsfolgen der Erklärung nicht ein. Will er seine Erklärung wirksam werden lassen, muss er, soweit es erforderlich und ihm zumutbar ist, unverzüglich (d.h. ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 S.1 BGB) einen erneuten Zustellungsversuch unternehmen. 163 Hierfür kann er auch gemäß § 132 Abs. 1 BGB einen Gerichtsvollzieher beauftragen. Dieser hat Zugriff auf die Datenbank des Einwohnermeldeamtes und kann z.B. bei Umzügen die neue Anschrift ermitteln. Sofern der Empfänger unbekannt verzogen ist, kommt eine öffentliche Bekanntgabe gemäß § 132 Abs. 2 BGB in Betracht .

Obwohl der Erklärende einen neuen Zustellungsversuch unternehmen muss, so lag die verspätet zugegangene Erklärung doch in der Risikosphäre des Erklärungsempfängers. Deshalb muss sich der Empfänger so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung schon zum Zeitpunkt des ersten Zustellungsversuches zugegangen. Die Annahmeverweigerung gewinnt also, wenn und soweit es auf den Zeitpunkt des Zugangs ankommt, nur dann Bedeutung, wenn es später doch noch zu einem Zugehen der Erklärung kommt. Beispiel: A macht dem B ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages und setzt ihm eine Frist von 14 Tagen für die Annahme des Angebotes. Innerhalb dieser Frist verlegt A sein Geschäftslokal, ohne dies dem B und der Post ordnungsgemäß anzuzeigen. Dadurch geht dem A die Annah-meerklärung des B nicht innerhalb von 14 Tagen, sondern wegen der Nichtanzeige des Umzuges bei der Post und der infolgedessen verzögerten Postzustellung erst nach 16 Tagen. A beruft sich nun darauf, die Annahmeerklärun g sei nicht rechtzeitig zugegangen. Da A hier die Gründe für den verspäteten Zugang selbst gesetzt hat, muss er nach der Auffassung des BGH nach Treu und Glauben den verspäteten Zugang als rechtzeitig zugegangen gegen sich gelten lassen.

2. Zugangsverhinderung/Zugangsvereitelung

a) Eine berechtigte Verweigerung durch den Empfänger geht zu Lasten des Erklärenden ( z.B. wegen fehlender bzw. ungenügender Frankierung oder unrichtiger bzw. zweifelhafter Adressierung).166 Die Erklärung ist nicht zugegangen.

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen b) Für den F all, dass ein Empfänger grundlos oder arglistig den Zugang einer Willenserklärung verhindert , gilt die Erklärung in dem Moment als zugegangen (Fiktion) , in dem sie ohne die Annahmeverweigerung zugegangen wäre, obwohl sie nicht in den Machtbereich des Empfä ngers gelangt ist. Bereits das RG hatte die Zugangsfiktion aus dem Rechtsgedanken der §§ 162 und 815 BGB hergeleitet.167 Nach diesen Bestimmungen gelten eine Bedingung und ein mit einer Leistung be-zweckter Erfolg als eingetreten, wenn der Eintritt wider Treu und Glauben i.S.d. § 242 BGB vereitelt worden ist. Niemand soll aus einer treuwidrig herbeigeführten Lage Vorteile ziehen. 168 In Abgrenzung zur einfachen Zugangsverhinderung und-verzögerung ist kein erneuter Zustellungsversuch erforderlich. Es handelt sich um eine echte Zu-gangsfiktion. 169 Arglist in diesem Sinne liegt vor, wenn der Empfänger den Inhalt der Erklärung kennt oder mit dem Zugehen einer Erklärung bestimmten Inhalts rechnet und deshalb die Annahme verweigert.170 Etwa durch gezieltes Entfernen des Namensschilds am Briefkasten , Ausschalten des Faxgerätes, oder das Telefon nicht abnimmt und kei-nen Anrufbeantworter eingestellt hat. Beispiel: An der deutlich sichtbaren Absenderangabe auf dem Brief, den der Postbote dem K übergeben will, erkennt dieser, dass das Schriftstück von seinem Gläubiger W stammt. K ahnt, dass es sich um die Mahnung einer nicht beglichenen Kaufpreisschuld handelt. Spontan verweigert er dem Postboten gegenüber die Annahme des Briefes. Da K den Empfang des Briefes ohne triftigen Grund ablehnt, ist davon auszugehen, dass die Mahnung in dem Zeitpunkt des Übergabeversuchs durch den Postboten zugegangen ist.

Fall: Am 06.11.2023 macht U dem M ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags über ein Cello in Höhe von 5.000 €. Das Angebot ist auf drei Wochen befristet. M sendet am 08.11.2023 ein Einschreiben an U, indem er mitteilt, dass er das Angebot des U annehme. Der Postbote P trifft den U weder am 10.11.2023 noch bei einem zweiten Zustellungsversuch am 11.11.2023 an. Er hinterlässt deshalb im Briefkasten des U einen Benachrichtigungszettel mit der Information, dass für ihn ein eingeschriebener Brief bei seinem Postamt niedergelegt worden sei. U bereut sein Angebot gegenüber M, da er am 07.11.2023 erfahren hat, dass M Fan vom Fußballverein „Blau-Weiß“ ist. U dagegen ist Fan vom Fußballverein „Schwarz -Gelb“ und möchte mit Personen, die dem Erzrivalen „Blau-Weiß“ angehören, nichts zu tun haben. Da er vermutet, dass das Schreiben von M stammt, holt er das Einschreiben in den darauffolgenden Tagen nicht ab. Am 15.11.2023 geht das Einschreiben mit dem Vermerk, dass der Empfänger zwar benachrichtigt, aber nicht angetroffen wurde, wieder an M zurück. Ist die Annahme zugegangen, und wenn ja zu welchem Zeitpunkt? _________________________________________________ 167 RGZ 58, 406, 408 f. 168 WERTENBRUCH , JuS 2020, 481, 488. 169 RGZ 95, 315, 317 ff ; BGH NJW 1983, 929, 930 f, BeckOK/ WENDTLAND , BGB § 130 Rn. 23 . 170 BGH NJW 1998, 976 ( 977); BGH NJW -RR 2007, 1567 Rn. 22 .

Das Wirksamwerden von Willenserkläru ngen Lösung: Indem M das Einschreiben zur Po st gebracht hat, hat er seine Erklärung so in Richtung de U auf den Weg gebracht, dass U ohne weiteres Zutun Kenntnis von ihrem Inhalt erlangen konnte. Die Annahmeerklärung ist somit abgegeben worden. Die Annahme des M müsste dem U auch zugegangen sein. Die Annahmeerklärung könnte hier durch den Einwurf der Benachrichtigungskarte durch P am 11.11.2023 zugegangen sein. Zweifel bestehen bezüglich des Zugangs eines Einschreibens, wenn die Postbotin dem nicht angetroffenen Empfänger eine schriftliche Mitteilung hinterlässt, es sei für ihn ein eingeschriebener Brief hinterlegt. Einschreibebriefe gehen grundsätzlich mit der Aushändigung an den Empfänger zu. Der Einwurf in einen Briefkasten bewirkt den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dem Empfänger geht allein das von der Postzustellerin gefertigte Benachrichtigungsschreiben zu. Dieser Zettel unterrichtet den Empfänger, dass für ihn eine Einschreibesendung bei der Post zur Abholung bereitliegt. Er enthält aber keinen Hinweis auf den Absender des Einschreibebriefs und lässt den Empfänger im Ungewissen darüber, welche Angelegenheit die Einschreibesendung zum Gegenstand hat. Bei der einfachen Benachrichtigung über die Hinterlegung eines Einschreibens bei einer Poststelle ist somit nicht zwangsläufig mit der Kenntnisnahme des Inhalts des Briefes zu rechnen. Kann ein Einschreibebrief wegen Abwesenheit des Empfängers nicht zugestellt werden, ist er auch dann nicht zugegangen, wenn der Postbote einen Benachrichtigungszettel hinterlässt. 171 Damit ist die Annahmeerklärung nicht durch den Einwurf der Benachrichtigung zugegangen. Möglicherweise gilt die Erklärung aber gem. § 242 BGB als zugegangen (Fiktion). Wer aufgrund bestehender oder angebahnter vertraglicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, muss Vorkehrungen treffen, dass ihn derartige Erklärungen auch erreichen. Wird der Zugang treuwidrig vereitelt, so wird er fingiert. Zu prüfen ist daher, ob U nach Treu und Glauben § 242 BGB bzw. nach den Rechtsgedanken der §§ 162 und 815 BGB so zu behandeln ist, als habe ihn die nicht zugegangene Willenserklärung doch erreicht. U vermutet, dass es sich bei dem eingeschriebenen Brief um die Annahmeerklärung des M auf sein abgesendetes Angebot handele. Darüber hinaus muss er damit rechnen, dass M das befristete Angebot zeitnah annimmt. Ihn trifft deshalb die Obliegenheit, alles Erforderliche und Zumutbare tun, damit die Erklärung ihm zugehen kann. Hierzu gehört bei einem Übergabe -Einschreiben unverzüglich den hinterlegten Brief bei der Poststelle abzuholen. U bereut sein Angebot, weil er nachträglich erfahren hat, dass M Fan vom Fußballverein „Blau-Weiß“ ist und er mit diesem nicht kontrahieren möchte. Dieser Umstand stellt auch in Bezug auf den Rechtsgedanken des § 145 BGB, dass der Antragende an sein Angebot gebunden ist, keinen ver-tretbaren Grund da, den Zugang zu verhindern. U m issachtet daher seine Obliegenheit, für einen ordnungsgemäßen Zugang der Annahme Vorkehrungen zu treffen. U ist deshalb nach Treu und Glauben § 242 BGB bzw. nach den Rechtsgedanken der §§ 162 und 815 BGB so zu behandeln, als ob der Zugang schon vorher erfolgt ist. Bei einer arglistigen Zugangsvereitelung ist grundsätzlich kein erneuter Zustellungsversuch des Erklärenden erforder lich. Mangels Erheblichkeit kann es hier deshalb offenbeleiben, ob der Zugang bereits zum 10.11.2023 oder erst am Tag des _________________________________________________ 171 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 130, Rn. 6f. 172 WERTENBRUCH , JuS 2020, 481, 485 , BGH, NJW 1977, 194, 195.

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen zweiten Zustellungsversuch es am 11.11.2023 fingiert wird. (anderes Ergebnis mit entsprechender Argumentation vertretbar) .

VII. Der Eintri tt von Rechtsfolgen aufgrund von geschäftsähnlichen Handlungen und Realakten Rechtsfolgen treten in der Regel aufgrund wirksam gewordener Willenserklärungen ein. Das ist jedoch nicht stets so. Es gibt auch etliche Handlungen, die keine Willenserklärungen s ind und dennoch Rechtsfolgen herbeiführen. Hierzu können u.a. auch Gefälligkeiten zählen (s. oben ,). Bedeutsam sind in diesem Zusammenhang vor allem geschäftsähnliche Handlungen und Realakte. Sie sind von Willenserklärungen abzu-grenzen. 1. Geschäftsähnliche H andlungen Es gibt eine Reihe von Handlungen, die eine Rechtsfolge hervorrufen, ohne dass der Handelnde mit einem Geschäftswillen gehandelt haben muss. Der Wille des Handelnden ist zwar darauf gerichtet, einen Erfolg herbeizuführen; er muss aber nicht notwendigerweise den Eintritt einer Rechtsfolge erfassen. Beispiel: Eine geschäftsähnliche Handlung ist die Mahnung, durch die der Gläubiger den Schuldner in Verzug (Schuldnerverzug) setzt.

Zur Erläuterung:

Der Schuldner gerät gemäß § 286 Abs. 1 in Verzug, wenn er eine fällige und einredefreie Leistung, zu deren Erbringung er sich verpflichtet hat, nicht er-bringt, der Schuldner diese Verzögerung zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4) und der Gläubiger ihn gemahnt hat.

  • die Anzeige einer Forderungsabtretung gemäß § 409;
  • die einzelne Fristsetzung beim Rücktritt gemäß § 323 Abs. 1;
  • die Aufforderung zur Genehmigung gemäß §§ 108 Abs. 2 und 177 Abs. 2.
  • die Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff.);
  • das Wirksamwerden von Willenserklärungen (§§ 130–132);
  • die Stellvertretung (§§ 164 ff.);
  • die Zustimmung (§§ 182– 184).

In Betracht kommen der 22.8. und der 10.9.2023. Wenn die Regeln über den Zugang von Willenserklärungen (§§ 130–132) auf geschäftsähnliche Handlungen wie die Mahnung entsprechende Anwendung finden, ist die Mahnung in dem Moment wirksam geworden, in dem sie dem S zugegangen ist. Von diesem Zeitpunkt an wäre S dann auch in Verzug gewesen. Da die Mahnung eine geschäftsähnliche Handlung ist, auf die die Vorschriften über die Willens-erklärungen au s den oben erwähnten Gründen entsprechende Anwendung finden, wird die Mahnung mit dem Zugang bei S wirksam. 177 Der Brief mit der Mahnung ist am 22.8.2023 in den Briefkasten des S geworfen worden. Die Mahnung ist damit so in den Herrschaftsbereich des S gelangt, dass dieser sie normalerweise zur Kenntnis nehmen konnte. Sie ist damit zugegangen. Für das Wirksamwerden der Mahnung ist bei entsprechender Anwendung der Re-geln über die Willenserklärung der Zeitpunkt des Zugangs maßgeblich; unerheblich ist, ob S als der Empfänger die Mahnung tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Infolgedessen ist die Mahnung am 22.8.2023 zugegangen und wirk-sam geworden. Gemäß § 286 Abs. 1 ist S deshalb am 22.8.2023 in Verzug geraten. Dieser Zeitpunkt ist auch für die Berechnung eines etwa e ntstandenen Verzugsschadens i.S. des § 280 Abs. 2 maßgebend. _________________________________________________ 174 BGHZ 47, 352, 357 ; JAUERNIG /STADLER , § 286 Rn. 15 ff. 175 ULRICI, NJW 2003, 2053, 2054 . 176 MünchKomm/ ARMBRÜSTER , BGB vor § 116 Rn. 30 . 177 BGHZ 47, 352, 357.

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen 2. Realakte Während geschäftsähnliche Handlungen zwar keinen Rechtsbindungswillen, aber doch eine Willensäußerung enthalten, sind Realakte rein tatsächliche Vorgänge, an die das Gesetz eine Rechtsfo lge knüpft. Beispiel: Der Fund gemäß §§ 965 ff. Derjenige, der eine verlorene Sache findet und an sich nimmt, ist Finder i.S. des § 965 und als solcher dem Empfangsberechtigten gegenüber verpflichtet. Den Finder treffen Anzeige -, Verwahrungs - und Herausgabepflichten (§§ 965 ff.). Diese Rechtsfolgen - das Entstehen von Verpflichtungen des Finders - ergeben sich aus dem Realakt des Ansichnehmens, einem tatsächlichen Vorgang.

Ähnliche tatsächliche Vorgänge, die man als Realakte bezeichnet, stellen die Verbin-dung einer beweglichen Sache mit einem Grundstück (§ 946) und die Verarbeitung von beweglichen Sachen (§ 950) dar. In beiden Fällen knüpft das Gesetz an die Vornahme tatsächlicher Handlungen (Realakte) die Rechtsfolge der Änderung der Eigen-tumsverhältnisse an den Sachen. Die Rechtsordnung lässt bei allen aufgezeigten Realakten die Rechtsfolgen ohne Rücksicht auf die Geschäftsfähigkeit und die Beachtung anderer Regeln über die Wil-lenserklärungen eintreten. Auch die übrigen Regeln über die Wirksamkeitsvorausse tzungen für Rechtsgeschäfte, wie z.B. die Vorschriften über Willensmängel, Zustim-mung und Stellvertretung, finden auf Realakte keine Anwendung, weil dabei nic hts erklärt wird .

_________________________________________________ 178 MünchKomm/ BUSCHE , BGB § 133 Rn. 55 .

Das Wirksamwerden von Willenserklärungen

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Lösung zu Aufgabe 1 : K könnte gegen V einen Anspruch aus Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB auf Übergabe und Übereignung von dessen gebrauchtem Opel Astra haben. Dies setzt voraus, dass zwischen beiden ein Kaufvertrag im Sinne des § 433 BGB über das Fahrzeug zustande gekommen ist. I. Ein K aufvertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande (vgl. §§ 145 ff. BGB). 1. V könnte durch seine an K gerichtete Anfrage, ob dieser Interesse am Wagen habe, ein Angebot abgegeben haben, welches bis zum 30.09.2023 angenommen werden konnte. Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der An-tragende einem anderen einen Vertragsschluss derart anträgt, dass das Zustandekommen des Vertrags nur von dessen uneingeschränktem Einverständnis in Form eines schlichten „Ja“ abhängt. Eine Willenserklärung hat einen objektiven und einen sub-jektiven Tatbestand. In objektiver Hinsicht ist das Setzen eines Erklärungszeichens erforderlich, das aus Sicht eines objektiven Empfängers auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist (Rechtsbindungswille). Bestandteile des subjektiven Tatbe-stands sind Handlungswille, Erklärungsbewusstsein sowie – indes nicht konstitutiv – Geschäftswille. V hat in seiner Erklärung, die er K gegenüber abgab, den Kaufgegenstand sowie dessen Preis genannt, so dass die Anfrage des V die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii), also Vertragspartner, Vertragsgegenstand und Kaufpreis, erken-nen lässt, und mit einem schlichten „Ja“ angenommen werden kann. Aus Sicht eines objektiven Dritten (vgl. §§ 133, 157 BGB) ist diese Äußerung auf Abschluss eines Kaufvertrags mit K gerichtet. Damit hat V objektiv seinen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck gebracht. Am Vorliegen der subjektive n Tatbestandselemente (Handlungswille, Erklärungsbewusstsein, Geschäftswille) bestehen hier keine Zweifel. Damit war die Äußerung des V ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags mit K über den Opel. Dieses Angebot muss dem K allerdings auch zugegangen sein, damit es wirksam geworden ist. Bei mündlich geäußerten Willenserklärungen unter Anwesenden fallen Abgabe und Zugang insofern zeitlich zusammen, als die Willenserklärung unter normalen Umständen vom Erklärungsempfänger auch akustisch vernommen wird. Nach Auffassung der Rechtsprechung und eines Teils der Lehre ist es für den Zugang solcher Willenserklärungen erforderlich, dass die Erklärung vom Empfänger akustisch richtig verstanden wird („strenge Vernehmungstheorie“). 179 Nach h.L. ist dagegen aus Verkehrsschutzgesichtspunkten ein Zugang bereits dann zu bejahen, wenn ein sorgfältig Erklärender davon ausgehen darf, seine Erklärung sei akustisch richtig verstanden worden („eingeschränkte Vernehmungstheorie“). 180 Dem Schreiben des K vom 30.09.2023 ist zu entneh men, dass er das Angebot des V in Gänze wahrgenommen und richtig verstanden hat. Daher ist Vs Angebot dem K sogar nach der „strengen“ Vernehmungstheorie zugegangen und damit wirksam geworden. _________________________________________________ 179 WERTENBRUCH , JUS 2020, 481, 486 f. 180 MünchKomm/ EINSELE , BGB § 130 Rn. 28 f. ; BeckOGK/ GOMILLE , BGB § 130 Rn. 100 f .

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben 2. Zum Abschluss eines Kaufvertrags ist es allerdings nur dann gekommen, wenn K das Angebot des V angenommen hat. Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Antragsempfänger dem Antragenden sein uneingeschränktes Einverständnis mit dem angetragenen Vertragsschluss zu verstehen gibt. Am Aben d des 30.09.2023 warf K bei V einen Brief in den Briefkasten, in dem er in den Kauf des Opels zu den von V genannten Konditionen einwilligt. Hierin ist eine uneingeschränkte Annahme des von V gemachten Verkaufsangebots zu sehen. Damit diese Annahmeerkläru ng auch wirksam geworden ist, muss sie dem V zudem fristgerecht zugegangen sein, §§ 130 Abs. 1 S. 1, 146, 148 BGB. V hatte dem K hier gem. § 148 BGB eine Annahmefrist bis zum 30.09.2023 gesetzt. Eine Willenserklärung geht in dem Zeitpunkt zu, in dem sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen Kenntnis von ihr nehmen kann. K hat den Brief am Abend des 30.09.2023 in den Briefkasten des V eingeworfen. Nor-malerweise ist indes nur zu den üblichen Zustellzeiten, als o vormittags bis mittags, mit einer Briefsendung zu rechnen. V musste daher am späten Abend des 30.09.2023 keine Post mehr erwarten. Mit dem Einwurf des Briefes des K musste V also nicht mehr rechnen. Die Annahme des K ist dem V also nicht rechtzeitig, sondern erst am 1.10.2023 zugegangen. Mithin liegt keine wirksame Annahmeerklärung des K hinsichtlich des von V gemachten Verkaufsangebots vor. II. Ein wirksamer Kaufvertrag zwischen V und K gemäß § 433 BGB ist daher nicht zustande gekommen. K kann also von V nicht aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB Übergabe und Übereignung des gebrauchten Opel Astra verlangen.

Lösung zu Aufgabe 2 : Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, d.h., sie wird erst in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Empfänger zugeht (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Sie wird nicht wirksam, wenn vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht (§ Abs. 1 S. 2 BGB). Indem K gegenüber I erklärte, er wolle die Kündigung rückgängig machen, brachte er zum Ausdruck, dass er seine Kündigung widerrufe. Die Kündigung ist somit nur dann wirksam, wenn sie zeitlich vor der Widerrufserklärung zugegangen ist. Die Widerrufserklärung wurde unter Anwesenden abgegeben. Damit wurde sie zu dem Zeitpunkt wirksam, in dem I sie tatsächlich vernahm, also sofort. Demgegenüber handelte es sich bei der schriftlich erklärten Kündigung um eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung. Eine solche wird wirksam, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen. Erforderlich ist also nicht die Kenntnisnahme des Erklärten. Es genügt die Möglichkeit der Kenntnisnahme. Bei Kaufleuten, wie der I es ist, ist die Möglichkeit der Kenntnis-nahme bereits dann gegeben, wenn ei ne schriftliche Erklärung etwa durch die Post zu den gewöhnlichen Geschäftszeiten zugestellt wird. Die Kündigungserklärung war dem I bereits durch die Post zugestellt worden, als K den Widerruf erklärte. Damit war die Kündigung bereits zugegangen und wirks am geworden. Der Widerruf erfolgte verspätet. Dass I den Widerruf zeitlich vor der Kündigung zur Kenntnis genommen hat, ist ohne Bedeutung. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB stellt allein auf den Zeitpunkt des Zugangs ab. K hat das Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt.

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Rechts­ wissenschaftliche FakultätStudium Rechtswissenschaft Prof. Dr. Sebastian Kubis Prof. Dr. Ulrich Eisenhardt Unter Mitarbeit von Abdussamed Nazik und Pia Höhne Kurs 55101 Das Rechtsgeschäft und die Instrumente des Privatrechts Kurseinheit

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Der Inhalt dieses Studienbriefs wird gedruckt auf Recyclingpapier (80 g/m2, weiß), hergestellt aus 100 % Altpapier.

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis .................................................................................................... § 4 Das Zustandekommen eines Vertrages ...................................................... I. Einführung ........................................................................................... II. Vertragliche und gesetzliche Schuldverhältnisse .................................... III. Das Entstehen eines Vertrages durch Angebot und Annahme ............... 1. Einführung ......................................................................................... 2. Die Abgrenzung zwischen Verträgen und rein gesellschaftlichen Beziehungen (bzw. Gefälligkeiten) ...................................................... 3. Das Angebot zum Abschluss eines Vertrages ...................................... a) Die Bindungswirkung des Angebots ............................................... b) Die Einschränkung der Bindungswi rkung ...................................... c) Die Abgrenzung zwischen bindendem Angebot und der bloßen Aufforderung, ein Angebot abzugeben ........................................ 4. Die Annahme eines Angebots ........................................................... a) Die rechtzeitige Annahme ............................................................ b) Die verspätete Annahme .............................................................. c) Die Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen ................................................................. d) Die vereinfachte Annahme eines Angebots gemäß § 151 BGB ..... 5. Besonderheiten im elektronischen Geschäftsverkehr ......................... IV. Der Vorvertrag .................................................................................... V. Das Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) ................ 1. Überbli ck .......................................................................................... 2. Pflichten aus einem Schuldverhältnis zwischen potentiellen Vertragspartnern nach § 311 Abs. 2 ................................................. a) Überblick ..................................................................................... b) Die einzelnen Pflichten aus dem Schuldverhältnis ......................... (a) Überblick .......................................................................... (b) Die Verletzung von Aufklärungs-, Auskunfts - und Beratungspflichten ........................................................... (c) Der Abbruch von Vertragsverhandlungen ......................... (d) Die Verletzung von Schutz -, Obhut- und Fürsorgepflichten ........................................................................................

3. Die Pflichten aus einem Schuldverhältnis mit einem Dritten, der nicht Vertragspartei werden soll (§ 311 Abs. 3 BGB) ................................. § 5 Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr ................................... I. Stillschweigen und Willenserklärung ................................................... II. Das Schweigen des Empfängers auf ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages ........................................................................................... III. Das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben .......... 1. Die Voraussetzungen ....................................................................... a) Überblick ..................................................................................... b) Abgrenzung zur Auftragsbestätigung .......................................... c) Abwe ichung des kaufmännischen Bestätigungsschreibens vom mündlich ausgehandelten Vertrag ............................................... 2. Die dogmatische Begründung .......................................................... 3. Einschränkungen ............................................................................. 4. Erweiterungen ................................................................................. IV. Unverlangt zugeschickte Warensendungen ........................................ V. Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten .................................. § 6 Der Dissens (Einigungsmangel) ............................................................... I. Der offene Dissens ............................................................................. II. Der versteckte Dissens ........................................................................ III. Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) bei Dissens .............................................................................................. Lösungen zu den Selbsttestaufgaben ................................................................

Das Zustandekommen eines Vertrages § 4 Das Zustandekommen eines Vertrages Schrifttum: ALEXANDER , Neuregelungen zum Schutz vor Kostenfallen im Internet, NJW 2012, 1985 ; BREHMER , Die Annahme nach § 151 BGB, JuS 1994, 386 ff.; B YDLINSKI , Probleme des Vertragsabschlusses ohne Annahmeerklärung, JuS 1988, 36 ff.; DIETRICH , Der Kauf im Selbstbedienungsladen, DB 1972, 957 ff.; FLUME, Das Rechtsgeschäft und das rechtlich relevante Verhalten, AcP 161 [1961], 52 ff.; FÖHLISCH /STARIRADEFF , Zahlungsmittel und Vertragsschluss im Internet, NJW 2016, 353; ; F ritzsche, Der Abschluss von Verträgen, §§ 145ff. BGB, JA 2006, 674; HANAU , Objektive Elemente im Tatbestand der Willenserklärung, AcP 165 [1965], 220 ff.; H ILGER, Die verspätete Annahme, AcP 185 [1985], 559 ff.; K IRSCH BAUM , Die gesetzliche Neuregelung der sog. »Internetfalle«, MMR 2012, 8; KORCH , Abweichende Annahme? Kein Fall für Treu und Glauben!, NJW 2014, 3553 ; KRAUSE , Auftragsbestätigung und Allgemeine Geschäftsbedingungen, BB 1952, 996 ff.; M AYER–MALY, Vertrag und Einigung, in: Festschrift für Nipperdey 1965, Bd. 1, S. 509 ff.; P FEIFFER , Von Preistreibern und Abbruchjägern –Rechtsgeschäftslehre bei Online -Auktionen, NJW 2017, 1437 ; ; SCHNEIDER, Der Vertragsschluss im Supermarkt – Ein Überblick für Einsteiger und Fortgeschrittene , JURA 06/2024, 565 ff; SCHWUNG , Die Zusendung unbestellter Waren, JuS 1985, 449 ff.; SUTSCHET , Anforderungen an die Rechtsgeschäftslehre im Internet, NJW 2014, 1041 ; VOLP/SCHIMMEL , § 149 BGB– Eine klare und ein-fache Regelung?, JuS 2007, 899; WESTERMANN , H.–P., Der Ab schluß von Verträgen, Jura 1979, 5 ff.

I. Einführung Bedarf eine Person zur Verfolgung ihrer Ziele der Mitwirkung einer anderen Person, dann muss sie sich in der Regel mit dieser über deren Mitwirkungsverpflichtung und die von ihr zu erbringende Leistung einigen. Eine solche Einigung zweier Personen ist ein Vertrag . Ein abgeschlossener Vertrag bindet die daran beteiligten Personen, die in dem Vertrag gegebenen Zusagen einzuhalten. Jeder Vertragspartner kann den anderen in der Re-gel mit Hilfe der Gerichte zwin gen, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Eine nachträgliche Änderung eines einmal abgeschlossenen Vertrages ist nur noch mit der Zustimmung aller Vertragspartner möglich. Der formale Vertragsbegriff des BGB, wie er sich u.a. in den §§ 145 ff. niedergeschlagen hat, erfasst alle Einigungstatbestände des BGB und darüber hinaus die des gesamten Privatrechts, 1 wie z.B. des Handelsrechts. Im HGB sind u.a. der Handelskauf, das Kommissionsgeschäft, das Speditionsgeschäft und das Frachtgeschäft geregelt. Der Schwerpunkt des Vertragsrechts liegt im Schuldrecht des BGB. Verträge i.S. des BGB sind aber auch die Einigungen des Sachenrechts , wie z.B. die zum Eigentumsübergang notwendige Einigung des Übertragenden und des Erwerbers (§ 929). 2 Es gibt auch Verträge, die im Familienrecht geregelt sind, wie z.B. Eheverträge, die Vereinbarungen über den Güterstand zum Gegenstand haben. _________________________________________________ 1 BeckOGK/ MÖSLEIN , BGB § 145 Rn. 2, 6. 2 Zum Abstraktionsprinzip s. KE 5 § 10.

Das Zustandekommen eines Vertrages II. Vertragliche und gesetzliche Schuldverhältnisse Schuldrechtliche Verträge sind in der Regel Verpflichtungsgeschäfte .3 Solche Verträge begründen ein "Schuldverhältnis" . Aufgrund eines Schuldverhältnisses kann eine Person von einer anderen Person eine "Leistung", also die Zuwendung eines wirklichen oder vermeintlichen Vorteils, der regelmäßig (aber nicht zwingend) einen Vermögenswert hat ,4 verlangen (vgl. § 194 Abs. 1, Legaldefinition eines Anspruches). Die Leistung kann in einem Tun oder Unterlassen bestehen. Der Leistungsbegriff in § BGB ist nicht identisch mit dem bereicherungsrechtlichen Begriff der Leistung in § I BGB .5 In der Regel sind an einem Schuldverhältnis nur zwei Personen beteiligt; es können jedoch auch M ehrere sein. Die aus dem Schuldverhältnis erwachsenden Rechte und Pflichten betreffen in der Regel nur die an dem Schuldverhältnis beteiligten Personen. In § 241 Abs. 1 definiert das Gesetz abstrakt den Inhalt eines Schuldverhältnisses. Kann eine Person von einer oder mehreren anderen Personen ein Tun oder Unterlas-sen verlangen, so hat sie einen Anspruch (§ 194 Abs. 1). 6 Ansprüche aus Schuldverhältnissen werden vielfac h auch als "Forderungen " bezeichnet (vgl. nur §§ 366, ff., 398 ff.). Beispiel: Schließen V (Verkäufer) und K (Käufer) einen Kaufvertrag über ein Buch ab, so hat V gegen K einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises (§ Abs. 2). K hat gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des gekauften Buches (§ 433 Abs. 1). Die Ansprüche aus dem Schuldverhältnis, dem Kaufvertrag, bestehen nur zwischen V und K, nicht aber Dritten, nicht am Vertrag beteiligten Personen gegenüber. Beispiel: Kauft P bei S einen PKW, der zum Zeitpunkt der Übergabe mit erheblichen Mängeln behaftet ist, kann P wegen der Mängel nur den Verkäufer S in Anspruch nehmen. Wendet der Käufer P sich wegen dieser Mängel an dritte Personen, so sind diese nicht verpflichtet, die von P geltend gemachten Ansprüche zu erfüllen, weil zwischen ihnen und P kein Schuldverhältnis besteht. Ein Schuldverhältnis kann – durch einen Vertrag (z.B. Kaufvertrag) entstehen oder – auf Gesetz (z.B. unerlaubter Handlung i.S. des § 823 Abs. 1 oder auf einem vorvertraglichen Verhalten der Beteiligten, § 311 Abs. 2, bzw. ausnahmsweise eines Dritten § 311 Abs. 3 ) beruhen. Durch den Abschluss eines vertraglichen Schuldverhältnisses verpflichten sich die daran Beteiligten zur Erbringung bestimmte r Leistungen. Ein Vertrag wird durch den _________________________________________________ 3 Zum Verpflichtungsgeschäft s. KE 5 § 10. 4 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , Einf. v. § 241 Rn. 3 f. 5 Vgl. MünchKomm /BACHMANN , BGB § 241 Rn. 21; Definition der „Leistung“ i.S.d. § 812: „die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens “. 6 Zum Anspruch siehe auch: KE 1 Vorbemerkungen I Nr. 4, II.

Das Zustandekommen eines Vertrages geäußerten übereinstimmenden Willen der Personen begründet, die den Vertrag schließen wollen. Im Gegensatz dazu entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis nicht aufgrund von Vereinbarungen zwischen Personen, sondern dadurc h, dass eine oder mehrere Personen Handlungen vornehmen, durch die ein im Gesetz umschriebener Tatbestand erfüllt wird, an den das Gesetz Rechtsfolgen knüpft.7 Beispiel: A zerschlägt mit einem Hammer die Scheinwerfer an dem im Eigentum des E stehenden PKW, um sich an E zu räc hen. Der Schaden beträgt € 1.250,––.

A hat das Eigentum des E verletzt. Dadurch ist dem E ein Schaden in Höhe von € 1.250,–– entstanden. A handelte widerrechtlich und vorsätzlich. Er verwirklichte mit seinem Handeln den in § 823 Abs. 1 umschriebenen Tatbe stand. Gemäß § Abs. 1 ist er dem E zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Die Schadensersatzverpflichtung beruht hier auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis, das entstanden ist, weil A die in § 823 Abs. 1 genannten Tatbestandsmerkmale erfü llt hat.

Auch mit der Eröffnung von Vertragsverhandlungen, sogar bereits mit dem Willensentschluss, Vertragsverhandlungen zu beginnen, entsteht ein vorvertragliches gesetz-liches Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 2 oder 3, das den Beteiligten die Pflicht auferlegt, in ihrem Herrschaftsbereich alles zu unterlassen, was dem potentiellen Vertragsgegner Schaden zufügen könnte. Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflichten (z.B. Schutz -, Obhut -, Unterrichtungs -, Aufklärungs - und Auskunftspflichten) hat der Verletzende gemäß § 280 in Verbindung mit § 311 dem Geschädigten den entstandenen Schaden zu ersetzen. Beispiel für die Anbahnung eines Vertrages: K betritt das Kaufhaus V in der Absicht, möglicherweise dort Sportbekleidung zu kaufen. Damit hat die Anbahnung eines Vertrages (§ 311 Abs. 2 Nr. 2) begonnen. Für beide potentiellen Vertragspartner erwachsen aus dem entstandenen vorvertraglichen gesetzlichen Schuldverhältnis Schutz - und Obhut spflichten, deren Verletzung eine zum Schadensersatz verpflichtende Pfl ichtverletzung darstellen kann (§ 280). III. Das Entstehen eines Vertrages durch Angebot und Annahme 1. Einführung Ein zweiseitiger Vertrag entsteht durch zwei übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen (Angebot und Annahme gemäß §§ 145 ff.) zweier Personen.

_________________________________________________ 7 Details zu den gesetzlichen Schuldverhältnissen lernen Sie insb. in den folgenden Zivilrechtlichen Modulen. Das Angebot (der Antrag) ist eine Willenserklärung, mit der sich jemand, der einen Vertrag abschließen möchte, an einen anderen wendet und di e zukünftigen Vertragsbedingungen in einer Weise vollständig zusammenfasst, dass der andere, ohne inhaltliche Änderungen vorzunehmen, durch ein bloßes "Ja" (die Annahmeerklärung) den Vertrag entstehen lassen kann.

Das Zustandekommen eines Vertrag es

Angebot und Annahme werden häufig nicht ausdrücklich, sondern konkludent erklärt. Beispiel (vgl. Beispiel oben § 2 II. 2): K betritt einen Bäckerladen, der gerade Brötchen für € 3,20 im Angebot hat, und sagt zu dem Bäcker B: "10 Brötchen bitte." Wortlos packt B 10 Brötchen in die Tüte und übergibt sie K. Indem K zu B sagt: "10 Brötchen bitte", macht er dem B ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages. Da K den Willen hatte, sich durch die Abgabe der Erklärung in der Weise zu binden, dass er Rechte und Pflichten aus dem angestrebten Vertrag übernehmen wollte, liegt ein bindendes Angebot des K vor. Dieses Angebot ist so konkret gefasst, dass B es durch ein bloßes "Ja" als Annahmeerklärung annehmen kann. Dieses Angebot ist eine Willenserklärung, die K ausdrücklich abgegeben hat. B hat auf dieses Angebot nicht mit Worten geantwortet. Indem er 10 Brötchen in eine Tüte packte und sie K übergab, hat er durch sein Handeln aber zum Ausdruck gebracht, dass er eine Rechtsfolge, nämlich das Zustandekommen des Kaufvertrages mit K, herbeiführen wollte. B hat durch sein konkludentes (schlüssiges) Verhalten ebenfalls eine Willenserklärung, näm-lich eine Annahmeerklärung auf das Angebot des K, abgegeben, durch die ein Kaufvertrag zustande gekomm en ist. 2. Die Abgrenzung zwischen Verträgen und rein gesellschaftlichen Beziehungen (bzw. Gefälligkeiten) Häufig ist es schwierig, zwischen Verträgen einerseits und so genannten rein gesellschaftlichen Beziehungen andererseits abzugrenzen. Rein gesellschaftliche Beziehun-gen sind rechtlich unverbindlich. Sie kommen aufgrund von Erklärungstatbeständen zustande, bei denen der objektiv zum Ausdruck gebracht e Rechtsbindungswille (und häufig auch das subjektive Erklärungsbewusstsein und der Geschäfts wille) fehlt. Wenn das Erklärungsbewusstsein vorhanden ist, aber der Geschäftswille fehlt, kommt hingegen ein Ve rtrag zustande . 8 Ist zweifelhaft, ob ein Vertrag geschlossen worden ist oder die Beteiligten – bzw. nur einer von ihnen – lediglich rechtlich unverbindliche gesellschaftliche Beziehungen anknüpfen wollten, ist zunächst zu prüfen, ob die Beteiligten entsprechende Willenserklärungen abgegeben haben.9 Hierzu (zur Wiederholung) der folgende Fall: S fragt den mit ihm befreundeten L, ob er bereit sei, ihn mit seinem Auto in die etwa 20 km entfernt liegende Stadt zu fahren; er (S) habe dort eine wichtige geschäftliche Verabredung wahrzunehmen. L antwortet, dass er das gern tun wolle. Daraufhin stellt S seinen eigenen PKW seinem Sohn zur Verfügung, der damit wegfährt. Kurze Zeit später fährt L in die Stadt, ohne den S mitzunehmen. S versäumt einen wichtigen Termin. Dadurch entsteht ihm ein Schaden. Kann er Ersatz des Schadens von L verlangen? _________________________________________________ 8 Vgl. KE 2, § 2 II. 9 Oben § 2 II 2. b. Die Annahme ist die Erklärung, mit der sich derjenige, an den das Angebot gerichtet ist, mit dem Inhalt des Angebotes vorbehaltlos einverstanden erklärt. Mit der Erklärung der Annahme des Angebots ist der Vertrag zustande gekommen .

Das Zustandekommen eines Vertrages Lösung: Einen Anspruch auf Schadensersatz, der auf einer Vertragsverletzung durch L beruhen könnte, hat S nur, wenn zwischen ihm und L ein Vertrag abgeschlossen worden ist. Als Vertrag k ommt hier ein so genannter Beförderungsvertrag in Betracht, durch den L sich verpflichtet haben könnte, den S in die Stadt zu fahren. Bestünde ein solcher Vertrag, so hätte S aus diesem Vertrag einen Anspruch darauf, dass L ihn befördert. L wäre aus diesem Vertrag verpflichtet, den S in die Stadt zu fahren. Eine schuldhafte Verletzung dieser Verpflichtung könnte eine Schadensersatzpflicht des L begründet haben. Es kommt also wesentlich darauf an, ob zwischen S und L ein Vertrag zustande gekommen ist. Da ein Vertrag durch übereinstimmende Willenserklärungen der Be-teiligten zustande kommt, ist zu fragen, ob S und L entsprechende Willenserklärungen abgegeben haben. Dass S eine rechtliche Bindung herbeiführen wollte und deshalb eine entsprechende Willenserklärung abgegeben hat, dürfte anzunehmen sein. Fraglich ist allerdings, ob L eine auf einen Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung abgegeben hat. Auf den (objektiv zu beurteilenden) Rechtsbindungswillen kann z.B. aus der wirtschaftlichen Bedeutung einer Angelegenheit geschlossen werden sowie aus dem Interesse des Begünstigten und der dem Leistenden erkennbaren Gefahr, in die der andere durch eine fehler hafte Leistung geraten kann. Gegen eine vertragliche Bindung könnte sprechen, dass L und S befreundet sind und L dem S mit der Mitnahme schlicht einen Gefallen tun wollte; insbesondere wurde zwischen L und S keine Bezahlung für die Fahrt vereinbart. Andererseits war für L erkennbar, dass die Mitfahrgelegenheit für S von großem wirtschaftlichem Interesse ist; denn S hatte ihm den Grund für seine Bitte um Mitnahme mitgeteilt. Dem L war wegen des Hinweises des S auf eine "wichtige geschäftliche Verabredung" auch klar, dass dem S eine Gefahr (ein Schaden) für den Fall drohte, dass er (L) fehlerhaft oder gar nicht leistete. Daraus kann geschlossen werden, dass der L bei der Abgabe einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck gebracht hatte. Im Zweifel hat L auch das B ewusstsein gehabt, dass sein Verhalten als auf die Verwirklichung einer Rechtsfolge irgendwelchen Inhalts zielend aufgefasst werden kann; er hat also mit (aktuellem) Erklärungsbewusstsein gehandelt. Infolgedessen ist zwischen S und L ein Vertrag (unentgeltlichen Beförderungsvertrag bzw. Auftrag § 662) zustande gekommen, dessen schuldhafte Verletzung einen Schadensersatzanspruch des S gegen L begründet. 3. Das Angebot zum Abschluss eines Vertrages a) Die Bindungswirkung des Angebots Derjenige, der ein Angebot (einen "Antrag", wie es in § 145 heißt) abgibt, ist, wenn diese Willenserklärung dem Adressaten zugegangen und wirksam geworden ist, an dieses Angebot gebunden (§ 145). Die Bindung besteht darin, dass der Antragende das Angebot nicht mehr einseitig nach § 130 Abs.1 S. 2 widerrufen oder seinen Inhalt abändern kann. Die Entscheidung darüber, ob ein Vertrag zustande kommt oder nicht, liegt nun allein beim Empfänger. Der Antragende hat in der Regel rechtlich keine Möglichkeit mehr, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern. Die Gebundenheit des Erklärenden an sein Angebot (Antrag) soll dem Empfänger eine si-chere Grundlage dafür schaffen, eine Entscheidung über Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen zu können. 10. _________________________________________________ 10 BROX/WALKER , § 8 Rn. 7 .

Das Zustandekommen eines Vertrages Bindend ist allerdings nur ein hinreichend bestimmtes Angebot. Vereinfachend ausgedrückt kann man sagen: Das Angebot muss so bestimmt sein, dass derjenige, an den es sich richtet, es mit einem einfachen "Ja" annehmen kann. Daraus ergibt sich, dass das Angebot bereits alle regelungsbedürftigen Punkte des erstrebten Vertrages enthalten muss. Zu den regelungsbedürftigen Punkten des angestrebten Vertra ges („essentialia negotii“) zählen: – die Partner des Vertrages, – Leistung und Gegenleistung, – der Geschäftstyp, wie z.B. Kaufvertrag, Mietvertrag etc. Aus der Benennung von Leistung und Gegenleistung kann in der Regel bereits auf den Geschäftstyp geschlossen werden. Beispiel: S teilt seinem Kunden K über WhatsApp mit, aufgrund der derzeit nicht sehr günstigen Wirtschaftslage könne er ihm Waren aus seinem S ortiment kurzfristig zu Vorzugspreisen anbieten. Ob in dieser Erklärung ein Angebot zu sehen ist, richtet sich danach, ob die Erklärung des S bereits alle Punkte des angestrebten Vertrages umfasst, K also durch ein bloßes, von ihm geäußertes "Ja" (Annahmeerklärung) den Vertrag zustande kommen lassen kann. Es wird zwar deutlich, dass S mit K einen Vertrag abschließen möchte, der ein Kaufvertrag sein soll. Es ist allerdings nicht klar, welche Waren zu welchem Preis veräußert werden sollen. Die Erklärung des S enthält also keine Angaben über Leistung und Gegenleistung. Damit fehlt es an wesentlichen Punkten, die im Hinblick auf den Vertrag, der abgeschlossen werden soll, geregelt werden müssen. S hat also kein bindendes Angebot gemacht, sondern lediglich eine Einladung an K ausgesprochen, mit ihm (S) in Vertragsverhandlungen einzutreten. Es ist allerdings nicht notwendig, dass stets alle Einzelheiten des Vertrages bereits aus dem Angebot erkennbar sein müssen. Das BGB sieht sogar ausdrücklich vor, dass die Bestimmung der Leistung oder Gegenleistung dem Vertragspartner oder einem Dritten überlassen sein kann. Das ergibt sich z.B. aus §§ 315 ff., insbesondere aus § 316. Hinreichend bestimmt und deshalb bindend und wirksam ist ein Angebot auch dann, wenn sich derjenige, der es abgibt, an eine unbestimmte Vielzahl von Personen richtet und damit darauf verzichtet, den Annehmenden als eine bestimmte Person zu benen-nen (sog. Offerte ad incertas personas) . Voraussetzung ist allerdings stets, dass das Angebot mit dem Will en abgegeben wird, den Vertrag mit demjenigen zu schließen, der die Annahme erklärt . 11 So ist z.B. in dem Aufstellen eines gefüllten Warenautomaten ein auf den Automateni nhalt beschränktes bindendes Angebot des Automatenaufstellers zum Abschluss eines Kaufvertrages zu sehen, das sich an eine unbe-stimmte Zahl potentieller Käufer richtet. Derjenige, der auf die dafür vorgesehene Weise Geld in den Automaten einwirft und dessen Mechanismus betätigt, nimmt das Angebot durch konkludentes Verhalten an und lässt dadurch einen Kaufvertrag mit dem Automatenaufsteller zustande kommen . _________________________________________________ 11 Vgl. STAUDINGER /BORK, § 145 Rn. 19. 12 STAUDINGER /BORK, § 145 Rn. 8 und 19.

Das Zustandekommen eines Vertrages b) Die Einschränkung der Bindungswirkung

Gemäß § 145 kann derjenige, der ein Angebot abgibt, die Gebundenheit (= Bindungswirkung) ausschließen. Ein Bedürfnis dafür besteht insbesondere dann, wenn der Erklärende sich die letzte Entscheidung zum Vertrags schluss noch vorbehalten möchte. Häufig enthalten Angebote Formulierungen wie z.B. "freibleibend", "unverbindlich" oder "ohne obligo". Bei der Entscheidung darüber, welche rechtlichen Konsequenzen solche Klauseln haben, ist zu differenzieren zwischen unbeschränkten und beschränkten Freiklauseln . Um eine unbeschränkte Freiklausel handelt es sich dann, wenn sich Formulierungen wie "freibleibend", "ohne obligo" und "unverbindlich" auf das gesamte Angebot beziehen. Manche Autoren 13 sehen in einer Erklärung mit unbeschränkter Freiklausel kein bindendes Angebot, sondern lediglich eine Aufforderung an den Empfänger, seinerseits dem Erklärenden ein bindendes Angebot zu unterbreiten (invitatio ad offere ndum; dazu sogleich unter c). Da § 145 ausdrücklich vorsieht, dass der Erklärende die Gebundenheit ausschließt, entspricht es der Systematik des Gesetzes mehr, wenn man davon ausgeht, bei un-beschränkten Freiklauseln ein Angebot mit dem Vorbehalt der Nicht gebundenheit anzunehmen. Das bedeutet: Der Erklärende kann sein Angebot nicht nur bis zum Zugang der Annahmeerklärung widerrufen; er hat sich vielmehr die Entscheidung auch noch für die Zeit nach dem Zugang der Annahmeerklärung vorbehalten, so dass er den Widerruf auch noch nach dem Zugang der Annahmeerklärung erklären kann, sofern er unverzüglich widerruft. Bringt derjenige, der das Angebot abgegeben hat, nach Zugang der Annahmeerklärung nicht unverzüglich zum Ausdruck, dass er den Vertrag nicht zustande kommen lassen will, so entspricht es den Grundsätzen nach Treu und Glauben, dass der Vertrag zustande kommt . Fall: V bietet K auf dessen Anfrage hin schriftlich mehrere Waggonladungen verschiedener Holzarten (Kiefer, Birke, Eiche, Tanne) zum Kauf an. Das Kaufangebot ist mit "freibleibend" überschrieben und enthält detaillierte Preisangaben. K bittet um unverzügliche Lieferung einer Waggonladung Kiefernholz zum Preis von € 25.000,––. V lässt hieraufhin 14 Tage lang nichts von sich hören. Kann K Lieferung und Übereignung von V verlangen? _________________________________________________ 13 BGH NJW 1984, 1885, 1885 f .; MünchKomm/ BUSCHE , BGB § 145 Rn. 9 ; ERMAN /ARMBRÜSTER , § Rn. 4, 17. 14 So zutreffend F LUME, § 35 I 3 c); BROX/WALKER , § 8 Rn. 7. Bindungswirkung §145 HS. Ausnahme §145 HS. unbeschränkte Freiklausel beschränkte Freiklausel Widerrufsvorbehalt

Das Zustandekommen eines Vertrages

Aufgabe 1: Beantworten Sie diese Frage bitte schriftlich und vergleichen Sie Ihre Ausführungen

Bei beschränkten Freiklauseln bezieht sich die Klausel lediglich auf begrenzbare Teile des Angebots. Ein Beispiel dafür ist die Klausel "Preis freibleibend". In Fällen dieser Art liegt ein wirksames Angebot zum Abschluss eines Vertrages vor. Der Vertrag kommt zustande, wenn der Adressat das Angebot annimmt. Dann gehört der Vor behalt allerdings zum Inhalt des Vertrages .15 c) Die Abgrenzung zwischen bindendem Angebot und der bloßen Aufforderung, ein Angebot abzugeben Es bereitet häufig Schwierigkeiten, zwischen einem bindenden Angebot und der bloßen Aufforderung, ein Angebot abzugebe n (invitatio ad offerendum ), abzugrenzen. Während das Angebot eine bindende Willenserklärung ist, handelt es sich bei der Aufforderung, ein Angebot abzugeben, nicht um eine Willenserklärung. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Person ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Vertrages gemacht hat, ist es entscheidend, ob derjenige, der die Erklärung abgibt, objektiv seinen Rechtsbindungswillen erklärt und subjektiv der Handlungswille und das (zumindest potentielle) Erklärungsbewusstsein vorliegen . Werb ung in Zeitungen, im Fernsehen oder im Internet , mit der bestimmte Waren angepriesen werden , ist - auch wenn sie den Ausdruck "Angebot" enthält - kein bindende s Angebot zum Abschluss eines Vertrages , sondern lediglich eine Aufforderung an mögliche Kunden, ihrerseits Angebote an den Werbenden abzugeben.17 Denn bei Auslegung dieses Verhaltens nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte18 kann nicht auf das Vorhandensein eines Rechtsbindungswillens geschlossen werden. Auch das Zusenden von Preislisten und Katalogen per Post oder E -Mail wird nicht als Angebot, sondern als Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes angese-hen. 19 In den genannten Fällen fehlt schon in objektiver Hinsicht der zum Ausdruck gebrachte Rechtsbindungswille; es fehlt also bereits am objektiven Tatbestand einer Willenserklärung. Außerdem fehlen subjektiv in der Regel auch das erforderlich "potentielle" Erklärungsbewusstsein sowie der Geschäftswille. Beispiel: Wenn der Online -Versandhändler „Zalando“ an einen großen Kundenkreis E-Mai l-Newsletter mit einer Online-Bestellmöglichkeit schickt, so stellt sich die Frage, ob das Zusenden des Newsletters ein bindendes Angebot von Zalando ist oder lediglich eine Aufforderung an die Kunden darstellt, ihrerseits Angebote an Zalando zu richten. Die Erklärung des Versandhändlers ist nur dann ein Angebot, wenn sie objektiv einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck gebracht hat, insbesondere also alle regelungsbedürftigen Punkte des erstrebten Vertrages (essentialia negotii) enthält _________________________________________________ 15 So Flume, § 35 I 3 c; vgl. auch BGHZ 1, 353, 354 und 24, 39, 42. 16 Vgl. Skript 2, § 2 II 3. 17 MünchKom m/B USCHE , BGB § 145 Rn. 11 . 18 Vgl. oben § 2 II. 19 MünchKom m/B USCHE , BGB § 145 Rn. 11 .

Das Zustandekommen eines Vertrages und der Erklärende subjektiv Handlungswille und (zumindest potentielles) Erklärungsbewusstsein hatte. Der angestrebte Vertrag ist ein Kaufvertrag; die Leistung von Zalando und die Gegenleistung (Lieferung von bestimmten Waren gegen Leistung des dafür verlangten Kaufpreises) sowie der Adressat der Erklärung (der Empfänger des Kataloges) sind bestimmt. Demnach enthält das Angebot bereits alle regelungsbe-dürftigen Punkte des angestrebten Vertrages. Zweifelhaft ist jedoch , ob das Versandhändler " Zalando " auch eine rechtliche Bindung durch das Zusenden der Newsletter erklärt hat . Aus der Art und Weise, wie Versand händler und deren Kunden miteinander zu verfahren pflegen, lässt sich auf das Vorhandensein bzw. Fehlen des Rechtsbindungswillens schließen . Durch das Zusenden von Newslet tern zeigen Versandhändler lediglich die Bereitschaft, Kaufverträge ab zuschließen, verbunden mit der Aufforderung an die Kunden, ihrerseits bindende Angebote zum Abschluss von Kaufverträgen an d en Versandhändler zu richten . Angebote geben erst die Kunden a b, indem sie die in aller Regel die Homepage des Versandhändlers abrufen und dort die Ware bestellen. Der Versandhändler entscheidet dann darüber, ob es das Angebot des Kunden annimmt und damit den Vertrag zustande kommen lässt. Das ergibt sich unter anderem daraus, dass der Versandhändler nur begrenzte Lagerbestände hat und diese vor Vertragsschluss prüfen möchte, um sich im Falle der Nichtverfügbarkeit von Produkten nicht Schadensersatzansprüchen der Kunden auszusetzen. Im Hinblick auf den zu erörternden Sachverhalt kommt man somit zu folgendem Ergebnis: Indem der Versandhändler "Zalando " Newsletter an mögliche Kunden verschickt, gibt es keine bindenden Angebote zum Abschluss von Verträgen ab. Es fordert die Adressaten lediglich dazu auf, ihrerseits bindende Angebote abzugeben. Von Seiten des Versandhändlers "Zalando " ist jedenfalls keine Erklärung mit Rechts bindungswillen abgegeben worden. Nicht mehr allzu schwierig ist damit die Frage zu beantworten, ob mit Preisauszeich-nungen versehene Schaufensterauslagen bindende Angebote zum Abschluss von Kaufverträgen sind. Es ist davon auszugehen, dass die Ausstellenden nicht den Willen haben, sich bereits mit der mit Preisen versehenen Schaufensterauslage in der Weise zu binden, dass beliebige kaufwillige Personen durch ihre Annahmeerklärung einen Kaufvertrag zustande kommen lassen können. D ie Ausstellenden bringen also keinen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck. Schon aus den Umständen ergibt sich, für Inte-ressenten erkennbar, dass die Veräußerer von Waren wegen der beschränkten Anzahl der vorhandenen Waren es nicht jeder der aus der Vielzahl der durch die werbenden Auslagen angesprochenen Personen überlassen möchten, durch ihre Annahmeerklä-rung einen Vertrag über die Ware herbeizuführen und damit eine Lieferungsverpflichtung zu begründen. 20 Schaufensterauslagen sind also, auch wenn sie mit einer Pr eisauszeichnung versehen sind, keine bindenden Angebote.21 Fall: K sieht in dem Ausstellungsfenster der Galerie G ein Bild des Malers M, das mit einem Preis von € 2.800,–– ausgezeichnet ist. K meint, der Preis sei besonders günstig. Er betritt die Galerie und sagt zu dem Inhaber G, er (K) nehme das Bild des Malers M, das im Fenster ausgestellt sei, zu dem angegebenen Preis. G entgegnet, das Bild gefalle ihm inzwischen so gut, dass er es selbst behalten und nicht veräußern wolle. K besteht darauf, dass G ihm das Bild gegen Zahlung von € 2.800,–– aushändigt. Zu Recht? _________________________________________________ 20 So FLUME, § 35 I 1. 21 MünchKomm /BUSCHE , BGB § 145 Rn. 11.; JAUERNIG /MANSEL , § 145 Rn. 3; SCHNEIDER , Der Vertragsschluss im Supermarkt, JURA 06/2024, 565 ff .

Das Zustandekommen eines Vertrages Lösung: K könnte gegen G einen Anspruch aus § 433 Abs. 1 darauf haben, dass G ihm das Bild übergibt und das Eigentum daran verschafft. Voraussetzung dafür, dass K einen solchen Anspruch hat, ist, dass zwischen K und G ein Kaufvertrag abgeschlossen worden ist. Ein Kaufvertrag ist zwischen K und G nur zustande gekommen, wenn der eine ein Angebot zum Abschluss eines Ka ufvertrages gemacht hat, das der andere angenommen hat. Fraglich ist, ob in dem Ausstellen des mit einem Preis ausgezeichneten Bildes ein bindendes Angebot des G an eine Vielzahl möglicher Kunden zu sehen ist. Ein Angebot liegt nur vor, wenn der Ausstellende objektiv sein en Rechtsbindungswillen zum Ausdruck gebracht und subjektiv mit Handlungswillen und (zumindest potentiellem) Erklärungsbewusstsein gehandelt hat. Fehlt es daran, handelt es sich bei der mit einem Preis ausgezeichneten Schaufensterauslage lediglich um eine Aufforderung an den Kunden, in Vertragsverhandlungen mit G einzutreten. Oft wird klar erkennbar sein, "dass der Erklärende wegen der Beschränktheit der angebotenen Waren oder Leistungen es nicht jedem aus dieser Vielzahl überlassen kann, du rch seine Erklärung einen Vertrag über die Ware oder Leistung herbeizuführen und damit die Lieferungs – oder Leistungsverpflichtung zu begründen"; 22 ist dies der Fall , so lässt sich daraus auf das Fehlen des Rechtsbindungswillens des Ausstellenden schließen. Der Ausstellende hat also kein bindendes Angebot abgegeben, sondern lediglich eine Aufforderung an eine Vielzahl von Personen gerichtet, ihrerseits bindende Angebote abzugeben. Im zu erörternden Fall ist demnach erkennbar, dass G mit dem Ausstellen des mi t einem Preisschild versehenen Bildes kein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages abgeben wollte. Es existiert also kein Angebot, das K hätte annehmen können. In der Erklärung des K, er wolle das ausgestellte Bild zum Preise von € 2.800,–– erwerben, ist allerdings ein an G gerichtetes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages zu sehen. Dieses Angebot des K hat G allerdings nicht angenommen. Ein Vertrag ist also nicht zustande gekommen. K kann deshalb von G nicht Übergabe und Übereignung des Bildes gemäß § 433 Abs. 1 verlangen. Umstritten ist, ob das Aufstellen von Waren in einem Selbstbedienungsladen ein bindendes Angebot ist . Bejaht man dies, so kommt der Kaufvertrag zwischen dem Kunden und dem Verkäufer zustande, wenn der Kunde die Ware an der Kasse vorlegt und damit – wenn nicht ausdrücklich, dann jedenfalls konkludent – die Annahme erklärt. 23 Sieht man in dem Aufstellen der Waren indes kein Angebot, sondern lediglich die Aufforderung an mögliche Kunden, ihrerseits Angebote abzugeben, so ist da s Vorlegen der Waren an der Kasse ein Angebot des Kunden zum Abschluss eines Kauf-vertrages . Maßgeblich ist auch hier, ob objektiv ein Rechtsbindungswille erklärt worden ist . Danach spricht vieles dafür, in Warenauslagen in Selbstbedienungsläden kein Ange bot, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum zu sehen. Denn der Inhaber des Selbstbedienungsladens dürfte kaum den Willen haben, mit dem Aufstellen der Waren ein bindendes Angebot abzugeben. Wäre dies so, dann würde allein der Kunde darüber entschei den, ob und wann ein Vertrag zustande kommt. Das hätte zur Folge, dass _________________________________________________ 22 So im Ergebnis MünchKomm /BUSCHE , BGB § 145 Rn. 12; DIETRICH , DB 1972, 957 ff.; BGHZ 66, 51, 55 f . 23 So GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 145 Rn. 8; M EDICUS , AT, R n. 363; STAUDINGER /BORK, § 145 Rn. 7 . 24 MünchKomm /BUSCHE , BGB § 145 Rn. 12; DIETRICH , DB 1972, 957 ff.; BGHZ 66, 51, 55 f .

Das Zustandekommen eines Vertrages der Inhaber des Geschäfts und seine Mitarbeiter keine Möglichkeit mehr hätten, das Zustandekommen eines Vertrages mit einer Person, die als Vertragspartner uner-wünscht ist ( etwa weil si e zahlungsunfähig ist ), zu verhindern. In der Regel wird dem Aufstellen von Waren durch den Inhaber des Ladens kein Rechtsbindungswille beizu-messen sein . Außerdem dürfte der Kunde kaum etwas rechtlich Erhebliches – nämlich eine Annahme, die zum Abschluss e ines Vertrages führt – erklären wollen , wenn er die Ware aus dem Regal nimmt und in den Korb oder Einkaufswagen legt . 25 Da dies für den Ladeninhaber objektiv erkennbar ist, ist auch auf Seiten des Kunden der Rechts bindungswille zu verneinen. Denn die Erfahrung zeigt, dass Kunden häufig Waren aus dem Regal nehmen und in den Korb legen, die sie später wieder zurückstellen; das geschieht in dem Bewusstsein, dies ohne Zustimmung des Inhabers oder seiner Mitarbeiter tun zu dürfen. Da also der Ladeninhaber bei dem Aufstellen von Waren in einem Selbstbedienungsladen keinen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringt , gibt er kein bindendes Angebot ab. Der Kunde macht vielmehr ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages, wenn er die Ware an der Kasse vorlegt. Die Annahme wird im Zweifel von dem Inhaber oder für ihn durch seine Mitarbeiter mit dem Feststellen des Rechnungsbetrages erklärt .26 Wird der Vertragsschluss vom Ladeninhaber an der Kasse noch abgelehnt, kommt also kein Vertrag zustande. 4. Die Annahme eines Angebots a) Die rechtzeitige Annahme Hat jemand demjenigen, mit dem er einen Vertrag abschließen will, ein entsprechendes Angebot unterbreitet, so entscheidet derjenige, an den sich das Angebot richtet, darüber, ob der Vertrag zustande kommt. Lehnt er das Angebot ab, entsteht kein Vertrag zwischen ihm und dem Anbietenden. Nimmt er das Angebot an, so entsteht zwischen ihm und dem Anbietenden der von beiden Personen gewollte Vertrag. Wie jede Willenserklärung setzt auch die Annahmeerklärung den objektiv erklärten Willen zu r rechtlichen Bindung (den Rechts bindungswillen) voraus. Annahmeerklärungen werden im täglichen Leben oft konkludent abgegeben. 27 Eine Annahmeerklärung, die konkludent abgegeben wird, setzt stets ein Verhalten voraus, das zweifelsfrei erkennen lässt, dass d er Adressat des Angebots den Vertrag als abgeschlossen ansieht. Die Annahme kann nur so lange wirksam erklärt werden, wie das Angebot bindend ist. Derjenige, der das Angebot abgegeben hat, ist gemäß § 145 an seinen Antrag gebunden und infolgedessen in seiner Dispositionsfreiheit im Hinblick auf den Gegenstand des angestrebten Vertrages beschränkt. Aus diesem Grunde setzt das Gesetz dem Adressaten des Angebots relativ kurze Fristen, innerhalb derer er das Angebot annehmen kann. Gemäß § 146 erlischt das Angebot , wenn der Empfänger das Angebot ablehnt oder die Annahme nach den §§ 147 bis 149 nicht rechtzeitig gegenüber dem Antragenden erklärt. Dies hat zur Folge, dass ein Vertrag nicht mehr zustande kommen kann. _________________________________________________ 25 Ebenso BGH NJW 2011, 2871 Rn. 15 . 26 Ebenso noch PALANDT /HEINRICHS , 61. Aufl. 2002, § 145 Rn. 8; vgl. auch BGH NJW 2011, 2871 zum Abschluss des Kaufvertrags an Selbstbedienungs -Tankstellen. 27 Vgl. oben das Beispiel unter § 4 III. 1.

Das Zustandekommen eines Vertrages Zur Frage, bis zu welchem Zeitpunkt ein Angebot angenommen werden kann, ist zu unterscheiden zwischen – einem Angebot, das unter Anwesenden abgegeben wird, und – einem Angebot, das unter Abwesenden gemacht wird. Gemäß § 147 Abs. 1 kann ein unter Anwesenden gemachtes Angebot nur sofort angenommen werden . Ein telefonisch abgegebenes Angebot gilt als Angebot unter Anwesenden (§ 147 Abs. 1 S. 2). Es kann also nur sofort angenommen werden. Ein an einen Abwesenden gerichtetes Angebot kann bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Antragende die Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (so § 147 Abs. 2). Das bedeutet auch: Wer für die Übermittlung seiner Willenserklärung einen schnellen Weg wählt, wie z.B. eine E-Mail, einen Instant-Messenger oder ein Online -Bestellformular , kann in einem sol chen Fall in der Regel erwarten, dass der Empfänger sich eines gleich schnellen Nachrichtenträgers bedient. Im Übrigen setzt sich die gesetzliche Annahmefrist i.S. des § 147 Abs. 2 als eine einheitliche Frist zusammen aus – der Zeit, die benötigt wird, um das Angebot zum Empfänger zu befördern, – dem Zeitraum, den der Empfänger zur Bearbeitung einschließlich Überlegung benötigt – und der Zeit, in der die Annahmeerklärung zum Antragenden transportiert wird.

_________________________________________________ 28 Vgl. STAUDINGER /BORK, § 147 Rn. 10. Bindungswirkung des Angebotes §145 HS. Erlöschen des Angebotes § Empfänger lehnt Angebot abAnnahme erfolgt nicht rechtzeitig §§ Annahmefrist § 148 Keine Annahmefrist §147 I 1 unter Anwesenden: nur sofort II unter Abwesenden: Antwort unter "regelmäßigen Umständen zu erwarten darf"

Das Zustandekommen eines Vertrages Bei der Berechnung dieser Frist ist von einem normalen Zugang des Angebots beim Empfänger i.S. des § 130 und insbesondere davon auszugehen, dass dieser die notwendigen Empfangsvorkehrungen29 getroffen hat. Dem Empfänger ist eine normale Bearbeitungsdauer des Angebots zuzubilligen. So müssen z.B. bei Ge schäftsleuten gegebenenfalls Geschäftszeiten und arbeitsfreie Tage berücksichtigt werden.30 Beispiel: A und B stehen seit Jahren in ständigen Geschäftsbeziehungen zueinander. Dem A ist bekannt, dass sich B – ein begeisterter Jäger – stets von Freitag bis So nntagabend auf seinem Jagdgelände aufhält. Wenn A dem B ein schriftliches Kaufvertragsangebot unterbreitet, das an einem Freitag in die Geschäftsräume des B zugestellt wird, so fragt es sich, ob die vorübergehende Abwesenheit des B bei der Berechnung der Annahmefrist zu berücksichtigen ist. Grundsätzlich kann der Antragende davon ausgehen, dass der Empfänger Anstalten getroffen hat, um die Geschäftspost auch an einem Freitag zu empfangen und zu bearbeiten. Deswegen muss der Freitag als Werktag regelmäßig in die Berechnung der Annahmefrist einbezogen werden. Der Umstand, dass am Freitag noch Geschäfts-post zugestellt und erledigt werden kann, trifft allerdings ausnahmsweise im zu erör-ternden Fall für B nicht zu. Er ist von Freitag bis Sonntagabend stets ortsabwesend. Diesen besonderen Umstand muss man, wenn er dem Antragenden bekannt ist, den regelmäßigen Umständen gleichsetzen. 31 Demnach ist zu berücksichtigen, dass bei B eine Zustellung zwar noch am Freitag möglich ist, aber mit einer Kenntnisnahme der eingehe nden Geschäftspost erst am darauffolgenden Montag gerechnet werden kann. In einem solchen Fall verlängert sich die Annahmefrist. Der Zeitraum, den B für die Überlegung und Beantwortung benötigt, beginnt erst am Montag, so dass sich die Annahmefrist insgesamt entsprechend verlängert. Nach § 148 kann der Antragende für die Annahme eine Frist setzen. Geht die Annahmeerklärung dem Antragenden nicht innerhalb der bestimmten Frist zu (und wird damit gemäß § 130 wirksam), ist sie verspätet. b) Die verspätete Annahme Die verspätete Annahme kann nicht zum Vertragsschluss führen, weil das Angebot erloschen, also kein annahmefähiges Angebot mehr vorhanden ist (§ 146). Da aber in der verspäteten Annahme der Wille des Empfängers zum Vertragsschluss seinen Niederschlag gefun den hat, deutet § 150 Abs. 1 die Annahmeerklärung des Empfängers fiktiv um in ein neues Angebot, das nun der Empfänger an den zuerst Antragen-den richtet .32 Ein Vertrag kommt allerdings nur dann zustande, wenn derjenige, dessen Angebot seine Wirkung verloren hat und der nun Empfänger des Angebots i.S. des § 150 Abs. 1 ist, seinerseits eine wirksame Annahmeerklärung abgibt.

_________________________________________________ 29 Vgl. oben § 3 II. 2. 30 Vgl. STAUDINGER /BORK, § 147 Rn. 12. 31 Vgl. STAUDINGER /BORK, § 147 Rn. 12. 32 Vgl. STAUDINGER /BORK, § 150 Rn. 4. § 146 Angebot erlischt § 150 Abs.1 neues Angebot des ursprünglich Annehmenden

Das Zustandekommen eines Vertrages Es wird auch die Meinung vertreten, die Regel des § 150 Abs. 1 sei als widerlegbare Vermutung aufzufassen, der zufolge der konkrete Geschäftswille des Akzeptanten fortbestehe und deshalb die verspätete Annahme in ein neues Angebot umgedeutet werden könne; um keine lebensfremden Anforderungen zu stellen, werde man schon das Schweigen auf die als Gegenofferte behandelte Annahme als Einv erständnis zum Vertragsschluss werten können, wenn keine Umstände vorlägen, die im "Klarheitsi nteresse des Akzeptanten den Zugang einer ausdrücklichen Annahmeerklärung erfor-derten". 33 Dass das Schweigen auf eine Willenserklärung nicht ohne weiteres als Willenserklärung gewertet werden darf, wird noch darzustellen sein .34 Deshalb ist in der Regel davon auszugehen, dass die verspätete Annahme als neues Angebot i.S. des § 150 Abs. 1 anzusehen ist, das nur dann zum Vertragsschluss führt, wenn es – und sei es gemä ß § 151 – durch Abgabe einer Willenserklärung angenommen wird. Fall: V, der mit Lastkraftwagen handelt, weiß, dass K dringend einen gebrauchten LKW erwerben möchte. Er richtet deshalb am 20.6.2023 eine E-Mail an K, in de r er ihm einen gebrauchten LKW, Mark e X, Baujahr 2015, zum Preis von € 10.000,–– anbietet. Drei Wochen nach Erhalt der E-Mail schickt K einen Brief an V, in dem er mitteilt, er nehme das Angebot an. Dieser Brief geht dem V am 15.7.2023 zu. V hat indes den LKW, nachdem er drei Wochen lang vergeblich auf eine Antwort des K gewartet hatte, am 12.7.2023 anderweitig veräußert. Ist zwischen V und K ein Kaufvertrag zustande gekommen?

Aufgabe 2: Untersuchen Sie diese Frage schriftlich. Vergleichen Sie Ihre Ausführung anschließend mit der Lösung am Ende dieser Kurseinheit!

§ 149 regelt den Sonderfall, dass eine Annahmeerklärung rechtzeitig abgesandt worden ist, dieselbe dem Empfänger aber wegen unregelmäßiger Beförderung nicht rechtzeitig (verspätet) zugegangen ist und der Antragende (der Empfänger der Annahmeerklärung) dies erkennen musste. In dieser Situation tritt ein Schwebezustand ein, der alternativ beendet werden kann: – Entweder zeigt der Antragende (der Empfänger der Annahmeerklärung) die Verspätung dem Annehmenden unverzüglich (das bedeutet nach § Abs. 1: ohne schuldhaftes Zögern) an; das hat zur Folge, dass die Annahmeerklärung verspätet und das ursprüngliche Angebot erloschen ist. Die verspä-tete Annahme gilt allerdings nun als neues Angebot i.S. des § 150 Abs. 1; – oder der Antragende äu ßert sich nicht, oder er verzögert die Absendung der Verspätungsanzeige. In diesem Fall wird die Verspätung der Annahmeerklä-rung fiktiv ("gilt") beseitigt; es kommt zum Vertragsschluss durch verspätete Annahmeerklärung (§ 149 S. 2), allerdings nicht zu ein em früheren, der rechtzeitigen Annahme entsprechenden Zeitpunkt. _________________________________________________ 33 So HILGER, AcP 185 [1985], 559, 584. 34 Vgl. unten § 5 II. 35 Vgl. STAUDINGER /BORK, § 149 Rn. 11.

Das Zustandekommen eines Vertrages Ob man in Anlehnung an Wortlaut und Systematik des Gesetzes davon ausgeht, dass im Fall des § 149 S. 2 in Durchbrechung des Grundsatzes aus § 150 Abs. 1 ein echter Konsens gebildet wird oder ob man in § 149 S. 2 eine Schadensersatznorm (einen Schadensersatzanspruch auf Naturalleistung) sieht, kann in der Regel dahingestellt bleiben.36 c) Die Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen Nimmt derjenige, an den sich das Angebot richtet, dasselbe nicht vorbehaltlos an, so ergeben sich die Folgen dieses Verhaltens aus § 150 Abs. 2. Danach ist eine Erklärung, die das Angebot nicht ohne jeden Vorbehalt akzeptiert, sondern Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstige Änderungen des Angebots enthält, nicht als Annahme zu werten. Eine solche Erklärung gilt vielmehr gemäß § 150 Abs. 2 als Ablehnung des gemachten Angebots und als ein neues Angebot, das nunmehr allerdings der Adressat des ersten Angebots an denjenigen richtet, der das erste Angebot unterbreitet hat. Fall: B will dem K einen PKW verkaufen. Er sagt zu K, er wolle ihm ein bindendes Angebot machen: K könne einen PKW der Marke X, Typ Florida, für € 1 8.000,–– kaufen. K antwortet, er sei einverstanden, allerdings müsse B ihm für diesen Preis noch einige Extras, nämlich beheizbare Heckscheibe, Fußmatten und Nebelschlussleuchten mitliefern. Ist zwischen B und K ein Vertrag zustande gekommen?

Lösung: B und K haben einen Vertrag abgeschlossen, wenn sie sich durch Angebot und Annahme geeinigt haben. B hat dem K ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages gemacht. Das Angebot war so konkret, dass K es durch ein bloßes "Ja" hätte annehmen können. Fraglich ist allerdings, ob K das Angebot angenommen hat. Er fordert, B solle ihm zu dem genannten Preis (€ 1 8.000,–-) noch eine Reihe von Extras mitliefern. Da dieses Verlangen über den Inhalt des von B gemachten Angebots hinausgeht, handelt es sich um eine Erweiterung i.S. des § 150 Abs. 2. Daraus folgt: Die Erklärung des K ist keine Annahmeerklärung, sondern eine Ablehnung des von B gemachten Angebots, verbunden mit einem Angebot, das nun K an B richtet und das wie folgt aussieht: K möchte den von B bezeichneten PKW zum Preis von € 1 8.000,– – erwerben; die g enannten Extras sind im Preis enthalten. Ob ein Kaufvertrag zustande kommt, hängt nun von B ab. Er kann das von K gemachte Angebot durch eine entsprechende Erklärung annehmen. Da B keine Annahmeerklärung abgegeben hat, ist ein Vertrag nicht zustande gekomm en.

_________________________________________________ 36 Siehe dazu ausführlich H ILGER, AcP 18 5 [1985], 559 ff.

Das Zustandekommen eines Vertrages d) Die vereinfachte Annahme eines Angebots gemäß § 151 BGB Die Annahmeerklärung, mit der jemand das von einem anderen an ihn gerichtete Angebot zum Abschluss eines Vertrages annimmt und damit den Vertrag entstehen lässt, ist eine empfangsbedürftige Will enserklärung. Das bedeutet: Die Annahmeerklärung wird erst wirksam, wenn sie dem Empfänger, also demjenigen, der das An-gebot gemacht hat, zugeht . Von dieser grundsätzlichen Regelung macht das Gesetz allerdings in § 151 eine wesentliche Ausnahme. Satz 1 des § 151 bedeutet: Ein Vertrag entsteht auch unter den dort genannten Voraussetzungen nur durch Angebot und Annahme, die Annahmeerklärung wird aber wirksam, ohne dass sie dem Anbietenden zugegangen ist, wenn – derjenige, der das Angebot gemacht hat, nach der Verkehrssitte nicht erwarten kann, dass ihm gegenüber die Annahme erklärt wird, oder – derjenige, der das Angebot gemacht hat, darauf verzichtet hat, dass die Annahme ihm gegenüber erklärt wird. Die Verzichtserklärung bedarf keiner Form. Sie kann auch du rch konkludentes Verhalten abgegeben werden. Unter Verkehrssitte ist das zu verstehen, was sich im Handelsverkehr oder im bürgerlichen Rechtsleben als eine allgemeine oder in bestimmten Kreisen bestehende tatsächliche Gepflogenheit herausgebildet hat. Sie ist eine Verhaltensregel, die aus tatsächlicher Übung bei ähnlichen Geschäften abgeleitet werden kann.38

Wichtig: Wenn man den Gesetzeswortlaut des § 151 BGB „…Annahme dem Antragenden gegenüber nicht erklärt werden braucht …“ nur überfliegt , könnte man auf die Idee kommen, dass sogar auf die Annahmeerklärung verzichtet wird. Dies ist ein häufig gemachter Fehler in Anfängerklausuren. Es handelt sich nur um Ausnahmefälle, bei denen eine Annahmeerklärung nicht erwartet wird. Die Annahme ist unter den oben genannten Voraussetzungen eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Verzichtet der Empfänger i.S. des § 151, so ist dies kein Verzicht auf die Erklärung oder die Erklärungsbedürftigkeit, sondern lediglich auf die Empfangsbedürftigkeit.39 Merken (und unterstreichen) Sie sich deshalb das Wort, „gegenüber“. _________________________________________________ 37 Vgl. STAUDINGER /BORK, § 151 Rn. 11. 38 BeckOK/W ENDTLAND , BGB § 133 Rn. 27; BeckOK/H.-W. ECKERT , BGB § 151 Rn. 7 . 39 Vgl. BREHMER , JuS 1994, 386 ff. Annahme Abgabe Zugang beim Empfänger grds. erforderlichAusnahme: §151 Zugang nach Verkehrssitte nicht zu erwarten, odervorheriger Verzicht auf Zugang vereinbart

Das Zustandekommen eines Vertrages Mit dem gemäß § 151 abgegebenen Angebot übernimmt derjenige, der es macht, das Risiko, dass er zunächst darüber im Ungewissen bleibt, ob der Vertrag durch eine Annahmeerklärung des Empfängers zustande gekommen ist. Will der Antragende diese Unsicherheit vermeiden, muss er auf einer empfangsbedürftigen Annahmeerklärung bestehen.40 Ob die Empfangsbedürftigkeit der Annahmeerklärung gemäß § 151 wegen Verzichts oder entsprechender Verkehrssitte entbehrlich ist, dürfte in vielen Einzelfällen schwer zu entscheiden sein. In manchen der Fälle, in denen eine Verzichtserklärung des Empfängers nicht festgestellt werden kann, dürfte die Empfangsbedürftigkeit der Annah-meerklärung wegen einer entsprechenden Verkehrssit te entfallen .41 Auch wenn die Annahme des Angebots dem Antragenden nicht zugehen muss, so muss sie doch erklärt werden, um wirksam zu werden, also nach außen erkennbar sein. Es handelt sich demnach nicht um einen Fall, in dem das bloße Stillschweigen als Wi llenserklärung gilt. Man kann deshalb auch sagen: Unter den in § 151 genannten Voraussetzungen wird eine Annahmeerklärung wirksam, wenn der Wille des Annehmenden nach außen deutlich in Erscheinung tritt; das kann auch durch eine eindeutige Betätigung des Annahmewillens geschehen. Die Annahme i.S. des § 151 ist häufig in Erfüllungs – bzw. Aneignungs– , Gebrauchs – oder Verbrauchshandlungen zu erblicken In welchen Handlungen eine ausreichende Betätigung des Annahmewillens zu sehen ist, kann nur in Würdigung des konkreten Einzelfalles entschieden werden. Dabei ist nach Auffassung des BGH 42 mangels Erklärungsbedürftigkeit der Willensbetätigung nicht auf den Empfängerhorizont abzustellen; es soll vielmehr darauf ankommen, ob das Verhalten des Angebotsadressaten aufgr und aller äußeren Indizien auf einen "wirklichen Annahmewillen", der nach § 133 zu ermitteln ist, schließen lässt. Der BGH hält einen solchen Schluss regelmäßig dann für gerechtfertigt, wenn der Anbie-tende dem Angebotsempfänger eine mit der Erfüllung des a ngestrebten Vertrages zusammenhängende, den Anbietenden beeinträchtigende Handlung nur für den Fall der Annahme des Angebotes, also des Vertragsschlusses, gestattet und der andere Teil diese Handlung vornimmt, ohne das Angebot durch eine nach außen erkennb are Willensäußerung abzulehnen. Beispiel (nach BGHZ 111, 97): Das Unternehmen U bietet dem Geschäftsführer A den Abschluss eines Abfindungsvertrages an und überreicht A zum Zwecke der Vertragserfüllung einen Scheck mit der Maßgabe, dieser dürfe nur bei Annahme des Vertragsangebotes eingelöst werden; gleichzeitig verzichtet U auf den Zugang einer ausdrücklichen Annahmeerklärung seitens des A. In der widerspruchslosen Einreichung des Schecks bei einer Bank zur Einziehung ist die Annahmeerklärung des A auf das Angebot des U auf Abschluss des Abfindungsvertrages zu sehen. _________________________________________________ 40 FLUME, § 35 II 3 . 41 Vgl. STAUDINGER /BORK, § 151 Rn. 6 ff. 42 BGHZ 111, 97, 101 .

Das Zustandekommen eines Vertrages

Fall: B liest in einer Zeitungsannonce, dass das Versandhaus "EasyGo " Winterreifen zum Stückpreis von € 80,–– liefert. B bestellt schriftlich vier Reifen und bittet um sofortige Zusendung. Da s Versandhaus " EasyGo " versendet die Reifen mit der Post an B. Unmittelbar nach der Absendung erfährt die Geschäftsleitung, dass sämtliche Konkurrenzunternehmen die gleichen Reifen nur noch für € 85,00 pro Stück verkaufen. Daraufhin weist sie die Post an, ab sofort keine Reifensendungen des Versandhauses an die Kunden mehr auszuliefern. Deshalb unterbleibt auch die Auslieferung an B. Ist zwischen B und dem Versandhaus "EasyGo " bereits ein Kaufvertrag zustande gekommen, aufgrund dessen B gemäß § 433 Abs. 1 auf Lieferung bestehen kann?

Lösung: Ein Vertrag zwischen B und dem Versandhaus " EasyGo ", aus dem B gemäß § Abs. 1 auf Leistung bestehen kann, ist nur zustande gekommen, wenn einer dem anderen ein entsprechendes Angebot gemacht und der andere dieses Angebot angenommen hat. Fraglich ist, ob die Zeitungsannonce ein Angebot darstellt. Die Zeitungsannonce richtet sich an eine Vielzahl von Personen. Dabei ist nach der Verkehrsan-schauung erkennbar, dass das Versandhaus es wegen der beschränkten Anzahl der Waren, die es liefern kann, nicht einer beliebig großen Zahl von Interessenten überlassen will, durch ihre Erklärungen (Annahmeerklärungen) Kaufverträge entstehen zu lassen und damit Leistungsverpflichtungen des Versandhauses zu begründen. Da das Versandhaus sich mit der Zeitungsannonce nicht binden will und dies auch erkennbar ist, liegt kein Angebot vor. Die Zeitungsannonce ist vielmehr lediglich eine Aufforderung an Interessierte, ihrerseits Angebote an das Versandhaus "EasyGo " zu richten. In der Bestellung, die B an das Versandhaus geschickt hat, ist ein Angebot zu sehen. Zu prüfen ist, ob das Versandhaus "EasyGo " dieses Angebot bereits angenommen hat und damit den Vertrag entstehen ließ. Dem B ist keine Annahmeerklärung zugegangen. Unter den in § 151 genannten Voraussetzungen kann eine Annahmeerklärung auch ohne Zugang wirksam werden. Das Versandhaus müsste allerdings eine Annahme durch eine unzweideutige Betätigung des Annahmewillens erklärt haben. Spätestens dadurch, dass das Versandhaus die Reifen verpackt, an B adressiert und der Post zur Zusendung übergeben hat, ist die Annahme erkennbar erklärt worden. Der Zugang der Annahme ist gem. § 151 dann nicht erforderlich, wenn – B darauf verzichtet hat, dass die Annahme ihm gegenüber erklärt wird, oder – B nach der Verkehrssitte eine solche Erklärung nicht erwarten durfte. Zunächst ist zu untersuchen, ob B darauf verzichtet hat, dass ihm gegenüber die An-nahme erklärt wird. Ein solcher Verzicht könnte in seiner Bestellung mit enthalten sein. Nach der Verkehrsanschauung (der natürlichen Betrachtungsweise eines verstän-digen, unvoreingenommenen Beurteilers) enthält eine Bestellung der Art, wie B sie vorgenommen hat, einen Verzicht des Bestellers auf eine gesonderte Mitteilung der Annahmeerklärung. Das bedeutet: Der Vertrag kann durch die Betätigung des Annahmewillens seitens des Versandhauses, in der die Annahmeerklärung erkennbar wird, zustande kommen. Der Zugang der Annahmeerklärung bei B ist nicht erforderlich. Eine Betätigung des Annahmewillens durch das Versandhaus "EasyGo " ist jedenfalls in dem Absenden der Reifen an B zu sehen. Es ist deshalb ein Kaufvertrag

Das Zustandekommen eines Vertrages zum Stückpreis von € 80,–– zwischen B und dem Versandhaus "Globus" zustande gekommen. Deshalb hat B einen Anspruch aus § 433 Abs. 1 auf Lieferung der Reifen zum Stück preis von € 8 0,––. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn die Bestellung online erfolgen würde. Hier wird in die Bestellung gerade nicht ein Verzicht reingelesen werden können, da der Besteller nicht zweifelsfrei feststellen kann, wann der Versandhändler seinen Annahmewillen betätigt. Jedenfalls wäre hier aber auch in der Absendung der Ware eine Betätigung des Annahmewillen zu sehen.

5. Besonderheiten im elektronischen Geschäftsverkehr Über die allgemeinen Pflichten beim Vertragsschluss hinaus treffen den U nternehmer weitere Pflichten, die er zu erfüllen hat, wenn er am elektronischen Geschäftsverkehr teilnimmt. Bedient sich der Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen digital er Dienste, so hat er die in § 312 i und § 312 j (bei Verträgen mit Verbrauchern) aufgelisteten Pflichten zu erfüllen. Näheres dazu finden Sie in Kurseinheit 5 § 8. IV. Der Vorvertrag Ein Vorvertrag ist ein Vertrag, der die einklagbare Verpflichtung zur beider seitigen Mitwirkung beim Abschluss des beabsichtigten Hauptvertrages zum Inhalt hat. Er ist ein schuldrechtlicher Vertrag, in dem die Verpflichtung zum späteren Abschluss eines in seinem äußeren Rahmen festgelegten Hauptvertrages übernommen wird. Er unter-liegt als solcher den üblichen Regeln des Vertragsrechts . 43. Der Vorvertrag ist im BGB nicht geregelt. Seine Zulässigkeit ergibt sich aber aus der Privatautonomie. Grundsätzlich ist der Vorvertrag formfrei. Ist der Hauptvertrag allerdings formbedürftig, so bedarf der Vorvertrag derselben Form wie der Hauptvertrag, weil sonst Sinn und Zweck der Formvorschriften, wie Beweis – und Warnfunktion, unterlaufen werden könnten. Beispiel: V und K kommen mündlich überein, innerhalb von 14 Tagen einen notariell beurkundet en Kaufvertrag abzuschließen, in dem sich V verpflichten soll, ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück zu einem Preis von € 1 30.000,–– an K zu veräußern. Nachdem 14 Tage vergangen sind, ohne dass ein notariell beurkundeter Vertrag geschlossen wurde, fo rdert K den V auf, den Vertrag nunmehr abzuschließen. V weigert sich. Einen Anspruch auf Abschluss des Vertrages mit dem besprochenen Inhalt hat K nur, wenn er mit V einen wirksamen Vorvertrag abgeschlossen hat. Da der Hauptvertrag als ein Kaufvertrag über ein Grundstück gemäß § 311 b Abs. der notariellen Beurkundung bedarf, muss auch der Vorvertrag notariell beurkundet werden, um wirksam zu sein. Da diese Form nicht gewahrt ist, ist der Vorvertrag gemäß § 125 nichtig. Infolgedessen hat K auch keinen Anspruch auf Abschluss des Hauptvertrages (Kaufvertrag über das Grundstück). _________________________________________________ 43 BGHZ 1988 1261, 1261 f .; BeckOGK/MÖSLEIN , BGB § 145 Rn. 78.

  • einem Schuldverhältnis mit einem potentiellen Vertragspartner (§
  • und einem Schuldverhältnis mit einem Dritten , der nicht Vertragspartner werden will (§ 311 Abs. 3).

Beispiel: Kaufleute und Ingenieure der Unternehmen A (potentieller Auftragnehmer) und B (potentieller Besteller) verhandeln in den Geschäftsräumen von B über die Errichtung einer Chemieanlage auf dem Gelände von B. Damit hat die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1) stattgefunden. Ein vorvert ragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 Nr. 1) ist entstanden. Gesetzliches Schuldverhältnis mit dem potentiellen Vertragspartner §311 II Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1) Anbahnung eines Vertrages (Nr. 2) ähnliche Kontakte (Nr. 3)

Das Zustandekommen eines Vertrages Beispiel für die Anbahnung eines Vertrages: K betritt das Kaufhaus V in der Absicht, möglicherweise dort Sportbekleidung zu kaufen. Damit hat die Anbahnung eines Vertrages (§ 311 Abs. 2 Nr. 2) begonnen.

Nach § 311 Abs. 3 kommt ein Schuldverhältnis mit einem Dritten, der nicht Vertragspartner werden soll und will, wie folgt zustande: Der Dritte nimmt dem einen Vertragspartner gegenüber in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch und beei nflusst damit die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich.

Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Stellvertreter des künftigen Vertragspartners oder ein den Vertrag Vermittelnder die eigentliche Vertrauensperson ist, auf deren beso ndere Sachkunde der Vertragschließende vertraut (sog. Sachwalterhaftung). Beispiel: G, der Geschäftsführer der X -GmbH, verhandelt mit K über den Abschluss eines Vertrages zur Errichtung eines Eigenheimes samt Finanzierung desselben. Während der eigentliche Bauvertrag mit der X -GmbH zustande kommen soll, soll der Darlehensvertrag mit der B -Bank geschlossen werden. Dabei tritt G, von der B-Bank entsprechend bevollmächtigt, als deren Vertreter auf. G geriert sich als besonders sachverständig in Finanzierungsfr agen und berät K eingehend. Indem G das besondere Vertrauen des K für sich in Anspruch nimmt, begründet er ein Schuldverhältnis mit den Pflichten nach § 241 Abs. 2 im Sinne des § 311 Abs. 3 mit K. Verletzt ein an einem solchen Schuldverhältnis Beteiligter eine Pflicht im Sinne des § 241 Abs. 2, macht er sich gemäß § 280 schadensersatzpflichtig. Der zu ersetzende Schaden ist nach §§ 249 ff. zu berechnen. Einzelheiten der Schadensberechnung nach §§ 249 ff. werden im Schuldrecht AT behandelt. 2. Pflichten aus einem Schuldverhältnis zwischen potentiellen Vertragspartnern nach § 311 Abs. a) Überblick Wie s oeben erwähnt, entstehen Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme nicht erst mit dem Abschluss des Vertrages. Sie können vielmehr schon mit der Aufnahme von Vert ragsverhandlungen entstehen. Dieses auf " Gefahrenabwehr " gerichtete vorvertragliche Schuldverhältnis entsteht unabhängig von dem eventuell später geschlossenen Vertrag. Es wird landläufig auch als " culpa in contrahendo (cic) " bezeichnet. Das vorvertraglich e gesetzliche Schuldverhältnis entsteht in der Regel durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder durch die Anbahnung eines Vertrages. Im letzteren Fall kann das auf Schutz des Verhandlungspartners gerichtete, gesetzliche Gesetzliches Schuldverhältnis mit dem Dritten §311 III besonderes Vertrauen in den Dritten Dritter beeinflusst dadurch die Vertragsverhandlungen/Vertragsschluss erheblich

  • Aufklärungs -, Informations -, Beratungs -, Auskunfts - und Hinweispflichten;
  • Schutz -, Obhut - und Fürsorgepflichten.

Das Zustandekommen eines Vertrages Beispiel: Der W besichtigt im Geschäft des V mehrere Waschmaschinen. Von den vorgeführten Maschinen kauft er, nachdem er den V befragt hat, welches Gerät für ihn wohl das geeignete sei und V ihn auf das Modell XGL aufmerksam gemacht hat, ein solches, das die Wäsche bügeltrocken säubert. Als es geliefert wird, stellt sich heraus, dass W die Maschine in seiner 2 -Zimmer -Wohnung nicht aufs tellen kann , wovon er ausgegangen war . Sie muss wegen der hohen Drehzahl der Trommel auf einem Zementsockel befestigt werden, damit sie standfest ist. Das ist auch vom Hersteller in der Bedienungsanleitung aufgeführt. W und V hatten über den Standort der M aschine nicht gesprochen. W will sich vom Vertrag lösen . Grundsätzlich muss sich der Käufer selbst davon überzeugen, ob er den zu erwerbenden Gegenstand zweckent-sprechend verwenden kann. Wenn jedoch die Kaufsache nicht wie üblich eingesetzt werden kann und besondere Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit sie zweckentsprechend gebraucht werden kann, dann darf der Käufer, dem dieses nach den Umständen nicht bekannt zu sein braucht, darauf vertrauen, dass er vom Ver-käufer unterrichtet wird. Indem V es unterließ, den W auf die besonderen Verwendbarkeitsvoraussetzungen der Waschmaschine aufmerksam zu machen, hat er daher eine ihm obliegende Aufklärungspflicht verletzt und damit eine Pflichtverletzung im Sinne der §§ 280, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 begangen.

  • Allein das zwischen den Verhandlungspartnern mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen entstandene Schuldverhältnis, das zu einer gegenseitigen
  • Allerdings entstehen stärkere Bindungen und Anforderungen für denjenigen, der durch sein Verhalten bei dem anderen Teil das Vertrauen geweckt und
  • Ist bei dem einen Teil erst einmal das Vertrauen darauf geweckt und genährt
  • Es bleibt die Frage nach dem Verschulden dessen, der die Vertragsverhandlungen abgebrochen hat und deshalb in Anspruch genommen w erden soll.
  • schuldhaft das Vertrauen des Verhandlungspartners geweckt und genährt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen,
  • falls das Vertrauen des Verhandlungspartners darauf, der Vertrag werde mit

Das Zustandekommen eines Vertrages Hat A gegen B einen Anspruch auf Zahlung von € 700.000,--? (d) Die Verletzung von Schutz -, Obhut - und Fürsorgepflichten Ein Schuldverhältnis mit den daraus erwachsenden Schutz - und Obhutpflichten entsteht auch mit der Anbahnung eines Vertrages (§ 311 Abs. 2 Nr. 2). Aus einem solchen Schuldverhältnis folgt u.a. die Pflicht de r Beteiligten , ihren jeweiligen räumlichen Herrschaftsbereich verkehrssicher zu gestalten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass beide Seiten mit Vertragsverhandlungen beginnen wollen. Dazu genügt ein genereller, rein faktischer Wille, in Vertragsverhandlungen einzutreten.45

Fall (Linoleumrollenfall nach RGZ 78, 239): K betritt ein Kaufhaus, dessen Inhaber L ist, um eine Bodenvase auszusuchen und zu kaufen. Als er die Treppe vom Erdgeschoss in den 1. Stock benutzt, kippt eine am Treppengeländer von dem Angestellten G unvorsichtig aufgestellte Linoleumrolle um und stürzt auf den K, der davon am Kopf getroffen wird. K fällt die Treppe hinunter. Die Folgen sind eine schwere Gehirnerschütterung und ein zerrissener Anzug. K wird in ein Krankenhaus eingeliefert. Einen Kaufvertrag mit L kann er nicht mehr abschließen. K verlangt Schadensersatz (Ersatz der Arzt - und Krankenhauskosten und des Verdienstausfalles sowie für den zerrissenen Anzug) in Höhe von € 3 .500,--. L legt die gut geführte Personalakte des G vor, aus der hervorgeht, dass G ein besonders guter und umsichtiger Angestellter ist. G ist za hlungsunfähig. Kann K von L Zahlung von € 3.500,-- verlangen?

Lösung: a) Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) i.V.m. § K könnte gegen L einen Anspruch auf Zahlung von € 3 .500,-- aus §§ 280 Abs.1, Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 erworben haben, wenn L seine Pflichten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis im Sinne der §§ 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 schuldhaft verletzt hat und dem K dadurch ein Schaden entstanden ist. Der U nfall des K ereignete sich im Kaufhaus des L. K hatte das Kaufhaus mit der Absicht betreten, eine Boden-vase zu kaufen; er hatte also den Willen, mit L in geschäftlichen Kontakt zu treten. Dies war kein bloß tatsächlicher Vorgang, wie ihn etwa eine reine Ge fälligkeitshandlung darstellen würde, sondern es entstand ein vorvertragliches Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 durch die Anbahnung eines Vertrages. Ein solches entsteht unabhängig davon, ob später tatsächlich ein Vertrag zustande kommt. Aus dem entstan-denen Schuldverhältnis ergab sich aus § 241 Abs. 2 sowohl für den Verkäufer als auch für den Kaufwilligen die Pflicht, bei der Besichtigung der Ware die gebotene Sorgfalt in Bezug auf die Gesundheit und das Eigentum des anderen Teils zu beachten . 46 Dieser _________________________________________________ 45 Siehe dazu auch: BGH NJW 1962, 31 (Bananenschale); BGH NJW 1976, 712 (Gemüseblatt) ; BGH JA 2023, 334 (Weintraube); K AISERAUER /STABEL, JURA 2023, 2128 . 46 vgl. RGZ 78, 239, 240 .

Das Zustandekommen eines Vertrages Pflicht ist L nicht nachgekommen. Die Linoleumrolle war unvorsichtig aufgestellt. Es liegt also eine Pflichtverletzung nach § 280 vor, die allerdings nicht L, sondern der Angestellte G verursacht und verschuldet hat , weil dieser die Rolle unvorsichtig aufgestellt hatte. B ei vorvertraglichen Schuldverhältnissen haftet der Schuldner (ebenso wie im Rahmen eines Vertrages) nicht nur für eigenes Verschulden, sondern im Rah-men von § 278 auch für fremdes Verschulden. G war als Angestellter des L dessen Erfüllu ngsgehilfe im Hinblick auf die Erfüllung der dem L auferlegten Pflicht im Sinne des § 241 Abs. 2, seinen räumlichen Herrschaftsbereich verkehrssicher zu gestalten. § 278 findet deshalb Anwendung. K hat somit aus §§ 280, 278, 249 Satz 2 gegen L einen Anspruch auf Zahlung von € 3.500,--. b) Anspruch gemäß § 831 i.V.m. § 823 Abs. Ein Anspruch des K gegen L auf Zahlung von € 3.500,-- könnte sich außerdem aus § 831 Abs. 1 Satz 1 ergeben. G hat eine Gesundheits - und Eigentumsverletzung des K im Sinne von § 823 Abs . 1 und dadurch einen Schaden verursacht . G müsste Verrichtungsgehilfe des L gewesen sein. Ein Verrichtungsgehilfe ist e ine Person, die für einen Geschäftsherrn in dessen Interesse tätig wird und diesem gegenüber weisungsabhängig ist. G war als Angestellter bei L tätig. Die Weisungsgebundenheit folgt aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 103 GewO. Mithin war er auch Verrichtungsgehilfe des L. Dieser kann aber mit der gut geführten Personalakte nachweisen, dass er bei der Auswahl und Beaufsichtigung des G sorgfältig vorgegangen ist und ihn deshalb weder ein Auswahl - noch ein Überwachungsverschulden trifft. Eine Haftung aus unerlaubter Handlung scheidet deshalb gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 aus ("Exkulpation" ). Zu beachten ist, dass bei der Haftung aus § 280 Abs. 1 (s. oben a) eine solche Exkulpations -, also " Entschuldigungsmöglichkeit“ im Hinblick auf Erfüllungsgehilfen nicht besteht ! 3. Die Pflichten aus einem Schuldverhältnis mit einem Dritten, der nicht Vertragspartei werden soll (§ 311 Abs. 3 BGB) Gemäß § 311 Abs. 3 BGB kommt ein Schuldverhältnis mit den Pflichten aus § Abs. 2 BGB auch mit einem Dritten zustande, d er selbst nicht Vertragspartei werden will, wenn dieser Dritte einem Vertragspartner gegenüber in besonderem Maße Vertrauen für sich in An spruch nimmt und damit die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Dritte in diesem Sinne können vor allem Vertre-ter oder sonstige Verhandlungsgehilfen sein. Dabei wird in erster Linie darauf abgestellt, in welchem Umfange der Vertreter oder Vermittler – als Sachwalter – durch sein Verhalten Vertrauen bei dem Vertragschließenden erweckt. Entscheidend für eine Inanspruchnahme des Verhandlungsgehilfen ist schließlich auch noch, ob und inwieweit er ein eigenes wirtschaftliches Int eresse an dem Abschluss des Vertrages hat.

Das Zustandekommen eines Vertrages Beispiel: Der Gebrauchtwagenhändler, der als Vermittler oder Abschlussvertreter für den Käufer tätig wird, der selbst nicht in Erscheinung treten möchte, ist im Zweifel Sachwalter des Verkäufers. Der Käufer bring t ihm besonderes Vertrauen entgegen, weil er dem Vertragsgegenstand besonders nahe steht und am Vertragsschluss ein eigenes wirtschaftliches Interesse hat. Infolgedessen entsteht zwischen Käufer und Händler, obwohl dieser nicht Vertragspartner werden soll, ein Schuldverhältnis gemäß § 311 Abs. 3 mit den Pflichten aus § 241 Abs. 2, kraft dessen der Händler als Sachwalter für die von ihm begangenen Pflichtverletzungen gemäß § 280 einzustehen hat.

Wichtige Entscheidungen: BGHZ 111, 97, 100 ff. BGHZ 71, 386, 395 ff . BGHZ 76, 343, 348 ff . _________________________________________________ 47 Vgl. BGHZ 87, 302, 304; weiterhin auch BGH MDR 1983, 732; NJW-RR 2011, 462 .

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr § 5 Die Be deutung des Schweigens im Rechtsverkehr

Schrifttum: CANARIS , Die Vertrauenshaftung im deutschen Pri vatrecht, 1971; FABRICIUS , Stillschweigen als Willenserklärung, JuS 1966, 1 ff. u. 50 ff.; F LUME, Das Rechtsgeschäft und das rechtlich relevante Verhalten, AcP 161 [1961], 52 ff.; Fritsche, Der Abschluss von Verträgen, § 145 ff., JA 2006, 674 ff .; HANAU , Objektive Elemente der Willenserklärung, AcP 165 [1965], 220 ff.; Kanzleiter, Vertragsabschluss durch das Schweigen des Verbrauchers auf die Annahme seines Kaufangebots durch den (Unternehmer )Verkäufer? DNotz, 2013, 323 ff .;KRAUSE , Auftragsbestätigung und Allgemeine Geschäftsbedingungen, BB 1952, 996 ff.; LÖHNIG , Zusendung unbestellter Waren und verwandte Probleme nach Inkrafttreten des § 241 a BGB, JA 2001, 33 ff.; L ORENZ , Im BGB viel Neues: D ie Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie, JuS 2000, 833 ff.; SCHWUNG , Die Zusendung unbestellter Waren, JuS 1985, 449 ff.; S TEDING , Das kaufmännische Bestätigungsschreiben – eine rechtsgeschäftliche Spezialität, JA 1998, 288 ff. ; MEDER, Annahme durch Schweigen bei Überweisungsvertrag und Gutschrift, JZ 2003, 443; PETERSEN , Schweigen im Rechtsverkehr, JURA 2003,

I. Stillschweigen und Willenserklärung Bei dem Zustandekommen von Verträgen taucht häufig die Frage auf, wie das Schweigen einer Person zu bewerten ist. Die Frage stellt sich z.B., wenn jemand einem anderen ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages macht und der andere dazu schweigt. Wie sch on dargelegt 48, können Willenserklärungen auch durch konkludentes Handeln abgegeben werden. Dabei will derjenige, der konkludent handelt, eine rechtsverbind-liche Erklärung abgeben. Auch wenn der Erklärende nichts sagt schweigt, lässt sein Verhalten dann in der Regel eindeutig erkennen, dass er dadurch eine bestimmte Willenserklärung z um Ausdruck bringen möchte. Es liegt also eine Handlung vor, die objektiv den Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringt und subjektiv vom Erklärungsbewusstsein und Geschäftswillen des Erklärenden getragen wird. Der Unterschied zur ausdrücklichen Willenserklärung liegt lediglich in der Art der Äußerung. Der Erklärende spricht und schreibt nicht, er bringt seine Erklärung durch ein anderes Verhalten zum Ausdruck. Es existiert aber ein Erklärungstatbestand. Es liegt eine Wil-lenserklärung vor, falls (objektiv) Rechtsbindungswille und (subjektiv) Handlungswille und das (zumindest potentielle) Erklärungsbewusstsein vorhanden sind. Anders ist es beim "bloßen" Stillschweigen einer Person. Das Schweigen ist in der Regel kein Erklärungstatbestand. Man kann das Schweige n auch als das Gegenteil einer Erklärung bezeichnen . 49 Es bedeutet im Reg elfall weder Zustimmung noch Ablehnung. Das schließt nicht aus, dass auch aus dem Schweigen ein bestimmter Schluss auf einen vorhandenen Willen gezogen werden kann. _________________________________________________ 48 Vgl. oben § 2 II. 2. 49 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , Einf. v. § 116 Rn. 7.

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr Beispiel: Der Stra ßenhändler S veräußert an einem fahrbaren Verkaufsstand Fleckenreinigungsmittel. Er sagt zu dem vorübergehenden A, er (S) biete ihm eine Flasche seines hervorragenden Reinigungsmittels für nur € 2,60 an. A geht, ohne ein Wort zu sagen und ohne eine auffällige Bewegung zu machen, am Stand des S vorüber. Nach der Verkehrsanschauung muss aus dem Verhalten des S auf dessen Willen, sich durch ein Angebot zu binden, geschlossen werden. S hat also dem A ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages gemacht. A schweigt zu diesem Angebot. Dieses Schweigen lässt nicht auf den Willen des A schließen, das ihm gemachte Angebot anzunehmen. Es lässt auch nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass A das Angebot des S gemäß § 146 1. Alt. BGB ablehnen will. Dem Schweigen kommt hier keine rechtsgeschäftliche Bedeutung zu. Es ist keine Willenserklärung 50, wonach die Ablehnung im Einzelfall auch stillschweigend erklärt werden kann; gemeint sein dürfte die Ablehnung durch schlüssiges Verhalten). Stillschweigende Willenserklärungen gibt es nicht.51 Das Privatrecht regelt allerdings eine Reihe von Lebenssachverhalten, in denen das Schweigen wie eine Willenserklärung gewertet wird. Das Gesetz ordnet für einige Tatbestände an, dass bei einem Stillschweigen einer Person so zu verfahren ist, als habe sie eine Willenserklärung abgegeben. Wichtige Fälle dieser Art enthalten u.a. §§ 108 Abs. 2 und 177 Abs. 2. Das Schweigen gilt hier als Verweigerung der Genehmigung. II. Das Schweigen des Empfängers auf ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages Von dem Grundsatz, dass das Schweigen einer Person auf ein ihr unterbreitetes Angebot zum Abschluss eines Vertrages keine Willenserklärung darstellt, enthält das Gesetz allerdings einige nicht unbedeutende Ausnahmen, so z.B. in § 516 Abs. 2 BGB. Zur Erläuterung: Auch die Schenkung ist ein Vertrag, der durch Angebot des Schenkers und eine Annahme des Beschenkten zustande kommt. Hier gilt das Schweigen ausnahmsweise als Annahme des Angebots zum Abschluss eines Schenkungsvertrages. Die wichtigste gesetzliche Ausnahmeregelung enthält § 362 HGB. Hier heißt es in § 362 Abs. 1 HGB ausdrücklich: "Sein Schweigen gilt als Annahme des Antrages" (= Angebots). Zur Erläuterung: Kaufmann ist derjenige, der ein Handelsgewerbe betreibt. Was ein Handelsgewerbe ist, wird in § 1 Abs. 2 HGB ausgeführt. Ob und gegebenenfalls in welchen Fällen das Stillschweigen des Empfängers auf ein Angebot so behandelt wird, als habe der Empfänger eine Annahmeerklärung a bgegeben, richtet sich danach, ob der Tatbestand eines rechtlich relevanten Verhaltens vorliegt und welche Konsequenzen daraus gegebenenfalls zu zie hen sind.52 Mit Recht _________________________________________________ 50 Zweifelhaft MünchKomm/ BUSCHE , BGB § 146 BGB Rn. 3 f . 51 Zutreffend H ANAU, AcP 165 [1965], 220, 256. 52 Vgl. oben § 2 II. 4. e und § 2 II. 5. A.

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr weist FLUME53 darauf hin, dass die Verwendung von Begriffen wie z.B. "stillschweigende Willenserklärung", "unechte Willenserklärung" etc. für das rechtlich relevante Verhalten falsch sei. Wichtig ist es, an dieser Stelle festzuhalten: Das Schweigen als das Unterlassen einer Erklärung ist keine Willenserklärung. Gleichwohl kann das Unterlassen einer Erklärung rechtlich relevant sein. In den Fällen des Schweigens als des bloßen Unterlassens einer Erklärung treten die Rechtsfolgen nicht aufgrund finaler rechtsgeschäftlicher Gestal-tung, sondern von Rechts wegen aufgrund rechtlicher Wertung des Unt erlassens als eines Verhaltens ein . 54 Es gibt zahlreiche gesetzliche Tatbestände, nach denen aufgrund eines Verhaltens solche Rechtsfolgen eintreten, wie sie auch an rechtsgeschäft-liche Akte geknüpft sind (vgl. u.a. §§ 108 Abs. 2 und 516 Abs. 2 BGB sowie § HGB). Das Verhalten, wenn es rechtlich relevant ist, erlangt in diesen Fällen in Anbetracht seiner Umstände ex lege rechtliche Bedeutung. Dabei ist auch zu beachten, dass im Gegensatz zu den oben genannten gesetzlich geregelten Fällen kein objektiver Erklärungstatbestand vorliegt, wenn eine Person schweigt. Zutreffend weist F LUME55 darauf hin, dass ein Verhalten nur rechtlich relevant sein kann aufgrund eines Rechtssatzes, der für das Verhalten die Rechtsfolge bestimmt. Als ein solcher Rechtssatz, der ge rade für das Schweigen als rechtlich relevantes Verhalten Bedeutung hat, kommt der Rechtssatz der Verwirkung in Betracht. Dieser besagt, dass jemand ein Recht oder eine Rechtsposition nicht mehr geltend machen darf, wenn er sich so verhalten hat, dass sich der andere aufgrund dieses Verhaltens darauf einrichten durfte, dass der Berechtigte die ihm zustehenden Rechte nicht mehr geltend machen werde, und dass es gerade deshalb mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist, dass der Berechtigte später doch noch mit der Geltendmachung des ihm zustehenden Rechts hervortritt. 56 In Fällen dieser Art wäre das spätere Geltendmachen von Rechten und Rechtspositionen in Anbetracht des vorangegangenen Verhaltens ein venire contra factum proprium. Gerade hierin liegt der wichtigste Ansatzpunkt für die aus dem Schweigen als rechtlich relevantes Verhalten zu ziehenden Rechtsfolgen.57 Der BGH hatte betont, dass insbesondere in dem Schweigen auf ein endgültiges Angebot, das aufgrund einverständlicher und alle wichtigen Punkte betreffender Vor-verhandlungen ergeht, in der Regel eine stillschweigende Annahme zu sehen sei, sofern nicht nach den Umständen des Einzelfalles eine solche ausgeschlossen sein sollte. Dass der BGH in diesen Fällen Stillschweigen als Zus timmung gewertet hat, d.h. denjenigen, der auf ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages geschwiegen hat, so behandelt hat, als hätte er eine Annahmeerklärung abgegeben, kann als eine Konsequenz aus dem rechtlich relevanten Verhalten desjenigen angesehen werden, der es _________________________________________________ 53 AcP 161 [1961], 52, 63. 54 So zutreffend FLUME, § 5, 2 d. 55 Siehe dazu Kurseinheit 5, da § 10, 3 b. 56 So BGHZ 25, 47, 52; vgl. auch RGZ 155, 148, 152 . 57 Vgl. dazu F LUME, § 10, 3 b und in Ansätzen S TAUDINGER /SINGER, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 77. 58 NJW 1995, 1281 .

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr unterlassen hat, eine Erklärung (Annahme oder Ablehnung des Angebots) abzugeben.59 Der Schluss, dass derjenige, der geschwiegen hat, sich insgesamt gesehen so verhalten hat, dass der andere sich aufgrund dieses Verhaltens darauf einrichten durfte, dass der Empfänger nun nicht mehr widersprechen werde, wozu er vorher nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen sein sollte, ist allerdings nicht zwingend. Immerhin hatte die Vorinstanz 60 das Schweigen auf das Vertragsangebot als Ablehnung angesehen.61 Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden, in dem das Unternehmen A das schriftliche Angebot zum Abschluss eines Vertrages des Unternehmens B schriftlich mit dem Zusatz bestätigt hatte, dass ein verlängerter Eigentumsvorbehalt62 vereinbart sein sollte. B hat dem nicht widersprochen und die von A gelieferten Waren entgegengenommen. Der BGH hat in dem Schreiben der A gemäß § 150 Abs. 2 die Ablehnung des Angebotes der B, verbunden mit einem neuen Angebot der A , gesehen, das seinerseits nun wiederum der Annahme bedurft hätte. Der BGH hat dann seine Auffassung bekräftigt, dass in der widerspruchslosen Hinnahme einer modifizierten Auftragsbestätigung grundsätzlich keine stillschweigende Annahmeerklärung zu sehen sei. Aber ausnahmsweise könne in der widerspruchslose n Entgegennahme der vertraglichen Leistung eine stillschweigende Annahme eines geänderten Angebotes insbesondere dann gesehen werden, wenn die Gegenseite vorher deutlich zum Ausdruck gebracht habe, dass sie nur unter ihren Bedingungen zur Leistung bereit s ei. Das habe A mit ihrem Hinweis auf den verlängerten Eigentumsvorbehalt getan. Hätte B diesen nicht gelten lassen wollen, hätte sie, was sie nicht getan hatte, jedenfalls bei der Entgegennahme der Waren widersprechen müssen. Auch unter Nichtkaufleuten is t das Schweigen auf ein Vertragsangebot unter gewissen Voraussetzungen von der Rechtsprechung hin und wieder als Annahmeerklärung gewertet worden. Das LG Münster hatte etwa folgenden Sachverhalt zu beurteilen: A, dessen Schwiegersohn E und der Möbelhändler V verhandeln im Laden des V über den Ankauf von Möbeln. A und E sind sich darüber klar, dass E Käufer sein soll. Dies kommt jedoch bei den Verhandlungen mit V nicht zum Ausdruck. Da fast ausschließlich A mit V spricht und auch seine Adresse angibt, denkt V, A wolle die Möbel kaufen und schickt die Auftragsbestätigung und die Rechnung an ihn. A schweigt darauf. Als V dem A nach zwei Monaten eine Zahlungsaufforderung schickt, verweigert A die Zahlung. Das LG Münster hat hier angenommen, dass zwischen V und A ein Vertrag wirksam zustande gekommen ist, und zwar spätestens durch das Schweigen des A auf die "Auf-tragsbestätigung" des V, und dazu ausgeführt: "Zwar bedeutet Schweigen auf ein Vertragsangebot grundsätzlich nicht die Annahme des Vertragsangebots, sonde rn im Zweifel _________________________________________________ 59 BGHZ 1, 353 ff . und BGH NJW 1995, 1281 . 60 Im Fall BGHZ 1, 353 ff . das OLG Düsseldorf . 61 Zur Kritik an dem Urteil des BGH sei auf die scharfsinnige Analyse F LUMES (§ 35 II, 4) verwiesen . 62 Verlängerter Eigentumsvorbehalt: Der einfache Eigentumsvorbehalt meint den Fall, dass der Käufer die Sache in Besitz nimmt, das Eigentum an dieser Sache aber erst mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises erlangt. Bis dahin behält sich der Verkäufer das Eigentum vor. Beim verlängerten Eigentumsvorbehalt hingegen kauft der Zwischenhändler die Sache vom Verkäufer ohne Zahlung des vollständigen Kaufpreises ab, verkauft es aber gleichzeitig oder schon mit einer vorhergehenden Vereinbarung weiter. Diese Konstellation beinhaltet die Erteilung einer Ermächtigung zu Weiterveräußerung nach § 185 I BGB vom ursprünglichen Verkäufer an den Zwischenhändler und die Abtretung des Kaufpreisanspruchs aus dem Kaufvertrag zwischen dem Zwischenhändler und dem Endverbraucher an den ursprünglichen Verkäufer nach § 398 BGB. 63 BGH NJW 1995, 1671 .

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr Ablehnung. Nach der Verkehrsauffassung ist aber Schweigen unter bestimmten Umständen auch unter Nichtkaufleuten als Ausdruck und Tatbestand einer bestimmten Willens-richtung zu werten, nämlich dann, wenn der Schweigende nach Treu und Glauben m it Rücksicht auf die Verkehrssitte hätte reden müssen, um einen von der berechtigten Er-wartung des Antragenden abweichenden Willen kundzutun." Auch wenn dies nicht ausdrücklich gesagt wird, liegt auch hier der Grundgedanke der Verwirkung zugrunde. Die Konsequenz aus dem rechtlich relevanten Verhalten des A (sein Verhalten im Laden und sein wochenlanges Schweigen auf das Schreiben des V) ist, dass er sich nicht mehr darauf berufen kann, er habe den Vertrag nicht abschließen wol-len. Würde er doch geltend mac hen, er habe keinen Vertrag schließen wollen, so könnte darin ein widersprüchliches und deswegen unbeachtliches Verhalten ( "venire contra factum proprium ") gesehen werden. A würde also mit einem solchen Einwand vor Gericht nicht gehört. III. Das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben 1. Die Voraussetzungen a) Überblick Auch im kaufmännischen rechtsgeschäftlichen Verkehr gilt Schweigen - abgesehen von der Ausnahmeregelung des § 362 HGB - grundsätzlich nicht als Zustimmung, also nicht als Willenserklärun g.65 Davon gibt es jedoch eine für die Praxis sehr bedeutsame Ausnahme: Nach einem in der Rechtsprechung und der rechtswissenschaftlichen Literatur immer wieder bestätigten Grundsatz bringt ein Kaufmann, der ein Bestätigungsschreiben über vorausgegangene Vertragsverhandlungen widerspruchslos ent-gegennimmt, dadurch grundsätzlich seine Zustimmung zu dem Inhalt des Schreibens zum Ausdruck; damit wird der Inhalt des Vertrages durch dieses Schreiben bestim mt, auch dann, wenn es gegenüber dem mündlich Vereinbarten abändernde oder ergänzende Bestimmungen enthält . 66 Das kaufmännische Bestätigungsschreiben dient damit der Schnelligkeit und Sicherheit des Handelsverkehrs, der darauf angewiesen ist, Verträge schnell und mündlich abschließen, sie aber auch zuverlässig durch eine Urkunde beweisen zu können.67 In einem Bestätigungsschreiben68, wie es im Rechtsverkehr der Kaufleute untereinander üblich ist, wird zur Klarstellung des Ergebnisses vorhergehender Vertragsverhandlungen dieses Ergebnis in der Form einer Bestätigung mitgeteilt.

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr

b) Abgrenzung zur Auftragsbestätigung Es ist sinnvoll und notwendig, zwischen echten kaufmännischen Bestätigungsschreiben einerseits und bloßen Auftragsbestätigungen andererseits zu unterscheiden. Ein echtes kaufmännisches Bestätigungsschreiben fixiert den Inhalt eines bereits abgeschlossenen Vertrages, um etwaige Missverständnisse, Unklarheiten oder Unstim-migkeiten auszuräumen . 69 Der Vertragsschluss kann mündlich, fernmündlich, telegrafisch oder fernschriftlich stattgefunden haben.70 Dagegen ist die Auftragsbestätigung eine Annahmeerklärung auf ein Angebot zum Vertragsschluss in der Form einer Bestätigung, ohne dass Vorverhandlungen mit dem Ziel, einen Ver-trag abzuschließen, stattgefunden haben . 71 Unterschiedliche Rechtsfolgen werden in folgendem deutlich: Das Schweigen auf ein echtes Bestätigungsschreiben gilt auch dann als Zustimmung zu seinem Inhalt, wenn es im Vergleich zu den mündlichen Vereinbarungen abändernde oder ergänzende Bestimmungen enthält. Hingegen ist in einer vom Angebot abweichenden Auftragsbestätigung gemäß § 150 Abs. 2 eine Ablehnung, verbunden mit einem neuen Angebot , zu sehen; das Schweigen des Adressaten darauf ist grundsätzlich keine Annahmeerklärung . _________________________________________________ 69 So OLG Köln BB 1980, 1237, 1238. 70 Vgl. BGHZ 54, 236, 238 f . 71 BGHZ 18, 212, 215; MünchKomm /FORNASIER , BGB § 305 Rn. 114. 72 BGHZ 18, 212, 215 f.; 61, 282, 285 f.; MünchKomm /FORNASIER , BGB § 305 Rn. 114. Kaufmännisches Bestätigungsschreiben Kaufmannseigenschaft/ Kaufmannsähnlichkeit von Absender und Empfänger vorausgegangene Vertragsverhandlungen Zugang des Schreibens beim Empfänger Schweigen des Empfängers Genehmigungsfähigkeit des Inhalts Redlichkeit des Absenders

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr (Echtes ) kaufmännisches Bestätigungsschreiben:

Auftragsbestätigung :

Beispiel: Der Transportunternehmer T teilt der Gebrauchtwagenhändler in G schriftlich mit, er benötige für sein Geschäft dringend einen gebrauchten Tieflader. Er habe gesehen, dass bei G ein solches Fahrzeug auf dem Geschäftsgrundstück stehe; er sei sofor t bereit, es zu kaufen; seine Preisvorstellungen bewegten sich bis maximal € 75.000,––. G richtet noch am selben Tage ein als "Auftragsbestätigung" bezeichnetes Schreiben an T, in dem die Lieferung eines gebrauchten Tiefladers des Typs Unitrans 300 zum Pre ise von € 82.500,–– für den übernächsten Tag angekündigt wird. Hier wird durch das Schreiben der G nicht der Inhalt eines zwischen ihm und T bereits geschlossenen Vertrages festgelegt. Es handelt sich vielmehr bei der "Auftragsbestä-tigung" um eine Annahmee rklärung auf das von T unterbreitete Kaufangebot. Da dieses Angebot hinsichtlich des Kaufpreises auf € 75.000,–– limitiert war, G dagegen in ihrem Bestätigungsschreiben durch die Preisforderung von € 82.500,–– vom Angebot des T abweicht, ist dieses Schreib en zum einen als Ablehnung des Angebots des T, zum anderen als neues Angebot der G anzusehen (§ 150 Abs. 2). Ein Schweigen des T auf die "Auftragsbestätigung" der G hat also nicht zur Folge, dass ein Vertrag zwischen beiden zustande kommt. T muss den Tiefl ader nicht abnehmen. c) Abweichung des kaufmännischen Bestätigungsschreibens vom mündlich ausgehandelten Vertrag An den Inhalt des Vertrages sind diejenigen, die ihn abgeschlossen haben, gebunden. Deshalb kann ein einmal geschlossener Vertrag ohne Zustimmung beider Vertragspartner nachträglich nicht mehr abgeändert werden. In der Praxis kommt es häufiger vor, dass kaufmännische Bestätigungsschreiben Bestimmungen enthalten, die das mündlich bereits Vereinbarte abändern oder ergänzen. Oft handelt es sich dabei n ur um Nebenpunkte, die zuvor überhaupt noch nicht besprochen oder nicht abschließend geklärt worden sind. Weicht der Inhalt eines echten kaufmännischen Bestätigungsschreibens von dem ab, was die Parteien eines Vertrages mündlich vereinbart haben, so ist di es als ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages anzusehen, der die Abänderung und Ergänzung des bereits abgeschlossenen Vertrages zum Inhalt hat. Der auf die Vertragsänderung und die Vertragsergänzung gerichtete Vertrag kommt erst zustande, wenn der ander e Vertragspartner dieses Angebot annimmt. Weicht der Inhalt eines kaufmännischen Angebot AnnahmeKaufmännisches Bestätigungsschreiben mit ÄnderungenSchweigen gilt als Zustimmung zu den Änderungen AngebotAuftragsbestätigung mit abweichenden AngabenAblehnung Angebot §150 II BGBneues Angebot §150 II BGBSchweigen gilt nicht als Annahme

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr Bestätigungsschreibens von dem ab, was die Vertragsparteien zuvor mündlich vereinbart haben, so gilt das Schweigen des Adressaten des Bestätigungsschreibens als An-nahme des Angebots zum Abschluss eines Veränderungs – und Ergänzungsvertrages , 73 es sei denn, der Empfänger erklärt unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern), er sei mit dem Inhalt nicht einverstanden. Beispiel: Die Kaufleute A und B vereinbaren mündlich folgendes: A verk auft dem B ein Kraftfahrzeug zum Preise von € 10.500,-- incl. Mehrwertsteuer. Einen Tag später übersendet A dem B ein Schreiben, in dem er den Inhalt der mündlich getroffenen Vereinbarung fixiert. Bezüglich des Kaufpreises schreibt A allerdings: "Der Kaufpreis beträgt € 10.500,-- + Mehrwertsteuer." A ist irrtümlich der Meinung, er und B hätten sich darauf geeinigt. B erkennt die Abweichung von der mündlichen Vereinbarung, unternimmt jedoch nichts. Es ist zu klären, welchen Inhalt der zwischen A und B geschl ossene Kaufvertrag hat. Zunächst ist zwischen A und B mündlich ein Kaufvertrag abgeschlossen worden. Danach hatte A dem B ein Kraftfahrzeug zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen. B war verpflichtet, an A einen Kaufpreis von € 10.500,-- incl. Mehrwertsteuer zu zahlen. Diese letzte Verpflichtung wird im Schreiben des A anders dargestellt, nämlich: "Der Kaufpreis beträgt € 10.500,-- + Mehrwertsteuer." Ohne Mitwirkung eines Vertragspartners kann ein abgeschlossener Vertrag nachträglich nicht mehr geändert werden. Das Schreiben des A enthält eine erheblich e Änderung des Vertragsinhaltes. Es ist als ein Angebot zum Abschluss eines Vertrages anzusehen, der den bereits abgeschlossenen Vertrag abändert und ergänzt. B hat dieses Angebot nicht ausdrücklich angenommen. Da das Schreiben des A jedoch ein Bestätigungsschreiben ist und A und B Kaufleute sind, gilt das Schweigen des B als Annahme des Angebots zum Abschluss des Abänderungs – und Ergänzungsvertrages. Der Kaufvertrag ist demnach insoweit abgeändert, als B nun € 10.500,-- + Mehrwertsteuer an A zu zahlen hat. 2. Die dogmatische Begründung Die dogmatische Begründung für die Wirkung des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben ist unterschiedlich. Der BGH führt zur Wirkung des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben verschiedene Begründungen an. Zum einen nimmt er an, dass man als Kaufmann gemäß der nach Treu und Glauben im Handelsverkehr geltenden Gewohnheit verpflichtet sei, von der Abweichung im Bestätigungsschreiben Kenntnis zu geben. Zum anderen führt er in einem anderen Urteil aus: "Der von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelte Grundsatz, dass Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben als Zustimmung zu der bestätigten Vertragsfassung gilt, beruht auf der Übung des r edlichen Geschäftsverkehrs". 75 Schließlich hat der BGH das Schweigen im kaufmännischen Geschäftsverkehr ausnahmsweise als Zustimmung (Annahme) zu einem Ange-bot gewertet. Er hat dies unter der Voraussetzung getan, dass nach den Grundsätzen des redlichen Ges chäftsverkehrs der Erklärungsempfänger eine konkrete Rechtspflicht zu widersprechen, jedenfalls aber zur Anmeldung von Vorbehalten hat, so dass der _________________________________________________ 73 BGHZ 7, 187, 190 . 74 BGHZ 11, 1, 2 . 75 BGHZ 40, 42, 45 .

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr Erklärende bei deren Ausbleiben darauf vertrauen darf, sein Geschäftspartner sei mit seinem Angebot einverst anden.76 Die rechtliche Behandlung des kaufmännischen Bestätigungsschreibens findet ihre gesetzliche Stütze im Handelsbrauch, auf den gemäß § 346 HGB Rücksicht zu nehmen ist. Unmittelbar vergleichbar ist die für das kaufmännische Bestätigungsschreiben entwi ckelte rechtliche Regelung mit der gesetzlichen Regelung in § 362 HGB. Deshalb ist es auch gerechtfertigt, die oben bezeichnete Wirkung des kaufmännischen Bestätigungsschreibens nur eintreten zu lassen, wenn der Empfänger nicht unverzüglich widerspricht.77 Letztlich dürfte die Bindungswirkung des Schweigen s auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben auf eine r "vertrauenstheoretischen " Grundlage beruhen.78 Der Schweigende wird an dem von ihm zurechenbar gesetzten Rechtsschein der Zustimmung so festgehalten, als ob er sich rechtsgeschäftlich wirksam verpflichtet hätte. 79 Hierauf deutet auch der Wortlaut von § 362 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. HGB hin, wonach das Schweigen als Vertragsannahme "gilt" (sie also fingiert). 3. Einschränkungen Im Hinblick auf die abändernde Wirkung von kaufmännischen Bestätigungsschreiben bezüglich vorausgegangener Vereinbarungen sind allerdings folgende Einschränkun-gen zu machen: a) Die oben dargestellte Wirkung des Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben tritt nicht ein, wenn de r Bestätigende bewusst eine unrichtige Darstellung des mündlich Vereinbarten abgibt, weil dadurch gegen Treu und Glauben verstoßen wird und deshalb von einem redlichen Geschäftsverkehr nicht mehr die Rede sein kann . b) Entfernt sich die Bestätigung so weit von dem vorher Abgesprochenen, dass der Bestätigende selbst vernünftigerweise nicht mehr mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen kann, ist er (der Bestätigende) nicht schutzbedürftig. In einem solchen Fall bleibt das Schweigen des Empfängers ohne Fol gen.81 Das Schweigen gilt nicht als Annahme des Angebots zum Abschluss eines Abänderungsvertrages. Der ursprünglich vereinbarte Vertrag wird nicht abgeändert und bleibt somit unverändert verbindlich. Der regelmäßige Vertrauensschutz zugunsten des Absenders eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens entfällt schon allein aufgrund der objektiven Abweichung des Bestätigungsschreibens vom Inhalt des zuvor Vereinbarten; auf eine Unredlichkeit des Absenders oder dessen Kenntnis von der Abweichung kommt es nicht an. c) Der Vertrag bleibt auch dann unverändert, wenn beide Parteien sich kreuzende und inhaltlich unvereinbare Bestätigungen abgeben (so BGH WM 1984, 639, 641). _________________________________________________ 76 BGH NJW 1981, 43, 44 . 77 Vgl. FLUME, § 36, 7 . 78 So STAUDINGER /SINGER, Vorbem. zu §§ 116 ff. Rn. 53. 79 CANARIS , S. 206 ff. 80 BGHZ 40, 42, 45; 101, 357, 365 . 81 BGHZ 7, 187, 190; 61, 282, 286; 101, 357, 365 . 82 so BGHZ 93, 338, 343 .

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr Beispiel im Anschluss an das vorhergehende Beispiel: Versucht A, dem B dadurch einen LKW zu verkaufen, dass er in das Bestätigungsschreiben LKW statt PKW und € 42.500,-- statt € 10.500,-- einsetzt, so gibt er bewusst eine unrichtige Darstellung dessen, was mündlich vereinbart worden ist. Außerdem entfernt sich das Schreiben so weit von dem vorher Abgesprochenen, dass A vernünftigerweise nicht mit dem Einverständnis des B rechnen kann. Schweigt B auch auf dieses Schreiben, so bleibt das ohne Folgen. Das Schweigen des B gilt nicht als Annahme des Angebots zum Abschluss eines Abänderungsvertrages. Der ursprüngliche Vertrag bleibt unverändert so bestehen, wie er mündlich vereinbart worden ist . 4. Erweiterungen Der BGH wendet die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben auch an, wenn zuvor eine mündliche Vertragsofferte schriftlich angenommen worden ist. In solchen Fällen genügt die einseitige schriftliche Willenserklärung des einen Ver-tragspartners nicht, um Klarheit über den Vertragsinhalt zu gewinnen und künftigen Streit darüber zu vermeiden. Denn es bleibt die Unsicherheit über Art und Inha lt der nicht fixierten Erklärung des anderen Teils. Daher soll diejenige Vertragspartei, die ihre Vertragserklärung bislang nur mündlich oder telefonisch abgegeben hatte, mit einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben Klarheit über den Vertragsinhalt herbe iführen können. 84 Begründen lässt sich diese Erweiterung mit Sinn und Zweck der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze. Diese wurzeln in der kaufmännischen Gepflogenheit, im Interesse klarer Verhältnisse und zur Vermeidung von Streitigkeiten über den Inhalt von Verträgen andere als schriftlich getroffene Abreden durch ein Bestätigungsschreiben schriftlich klarzustellen und inhaltlich festzulegen. Auch hier gilt also: Wi ll der Gegner den Inhalt eines solchen Bestätigungsschreibens, soweit er mit dies em Inhalt nach Treu und Glauben rechnen muss, nicht gelten lassen, dann muss er unverzüglich widersprechen. Unterl ässt er das, so gilt der Inhalt des Bestätigungsschreibens als Vertragsinhalt. IV. Unverlangt zugeschickte Warensendungen Unverlangt zugeschickte Warensendungen sind in Verbindung mit dem Begleitschrei-ben als bindendes Angebot des Versendenden zum Abschluss eines Vertrages anzusehen, wenn es erkennbar in der Macht des Kunden stehen soll, das Geschäft mit seiner Annahmeerklärung zustande kommen zu la ssen. Den Empfänger dieses Vertragsangebotes trifft allerdings keine Ablehnungspflicht . 85 Das Schweigen des Empfängers löst also im Falle unverlangt übersandter Waren keine rechtlichen Folgen aus. Liefert ein Unternehmer an einen Verbraucher Waren oder erb ringt er sonstige Leistungen, ohne dass sie der Verbraucher bestellt hat, so gilt § 241a. Diese Norm wurde im Zuge der Umsetzung der EU -Verbraucherrechterichtlinie RL 2011/83/EU (durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung v. 20.09.2013, BGBl. I, 3642) mit Wirkung zum 13.06.2014 neu gefasst (und enthält nunmehr auch eine Legaldefinition des Begriffs der "Waren"). Die bislang vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommei ne Ersatzlieferung oder -leistung ist in den Anwendungsbereich von § 241a _________________________________________________ 83 Vgl. weitere Beispielsfälle bei S TEDING , JA 1998, 288, 292. 84 BGHZ 54, 236, 240; GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 147 BGB Rn. 11; zu einer modifizierten Auftragsbestätigung vgl. BGH NJW 1955, 1794. 85 Vgl. BeckOGK/ ECKERT , BGB § 145 Rn. 44.

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr Abs. 1.aufgenommen worden. Abs. 3 n. F. ordnet an, dass von den Regelungen in § 241a nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen und dass die Vorschrift auch nicht durch "anderwei tige Gestaltungen" umgangen werden darf. Für unverlangt zugeschickte Warensendungen gilt: Wer Waren, die ihm unverlangt zugeschickt werden, einfach liegen lässt, erklärt damit nicht seinen Annahmewillen. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Vers endende in einem Begleitschreiben erklärt, dass, wenn die Waren nicht innerhalb einer bestimmten Frist zurückgesandt würden, dies als Annahmeerklärung des Empfängers gelte. Durch eine von ihm abgegebene Erklärung kann der Versendende den Empfänger nicht zu einem Verhalten zwingen, zu dem dieser nach dem Gesetz nicht verpflichtet ist. Der Empfänger unverlangt zugeschickter Waren ist deshalb also nicht verpflichtet, dieselben zurückzusenden. § 241a Abs. 1 BGB schließt alle Ansprüche gegen den Empfänger auf H erausgabe oder Schadensersatz aus .86 Fraglich ist , ob mit dem Verbrauch, der Benutzung oder der Weiterveräußerung der zugesandten Waren konkludent die Annahme durch die Betätigung des Annahmewillens erklärt wird, die gemäß § 151 BGB wirksam werden könnte. Doch wird heute davon ausgegangen, dass im Schweigen des Verbrauchers auf die Zusendung und in sonstigen Zueignungs - und Gebrauchshandlungen keine Annahme i.S. von § BGB liegt.87 In Betracht kommt aber ein Vertragsschluss aufgrund einer eindeutigen, dem Absender übermittelten Antwort, die auf einen Vertragsschluss gerichtet ist.88 Beispiel: Das Versandhaus "Globus" schickt dem X unverlangt elektrische Haushaltsgeräte mit einer Rechnung zu. Der Sendung ist ein Schreiben beigefügt, in dem es heißt, sende der Empfänger die erhaltenen Waren nicht innerhalb von 14 Tagen zu-rück, so habe er damit das Einverständnis zum Abschluss eines Kaufvertrages erklärt. X öffnet das Paket und verstaut die Geräte, die er nicht haben will, im Keller. Wenn das Versandhaus "Globus" von X Zahlung des Kaufpreises verlangt, so taucht die Frage auf, ob zwischen dem Versandhaus "Globus" und X ein Kaufvertrag zustande gekommen ist, aufgrund dessen das Versandhaus von X Zahlung des Kaufpreises verlangen kann. Indem das Versandhaus "Globus" dem X die Geräte samt Rechnung und das Begleitschreiben mit dem dargestellten Inhalt zuschickt, macht es dem X ein bindendes Angebot; denn X soll erkennbar die Möglichkeit haben, über das Zustandekommen des Vertrages zu entscheiden. Fraglich ist allerd ings, ob das Schweigen des X auf das Angebot des Versandhauses "Globus" als Annahmeerklärung gewertet werden kann. Das Schweigen kann nur in Ausnahmefällen unter bestimmten Voraussetzungen als rechtlich relevantes Verhalten Wirkungen hervorrufen, die denen einer Willenserklärung gleichzusetzen sind. Im zu erörternden Fall handelt es sich weder um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben noch gibt es eine ge-setzliche Regelung, die das Schweigen in dieser Situation als Willenserklärung wertet. Eine ausdrückli che Vereinbarung zwischen X und dem Versandhaus darüber, dass das Schweigen des X als Willenserklärung zu werten ist, existiert auch nicht. § 241 a Abs. 1 BGB stellt klar, dass durch die Lieferung einer unbestellten Sache kein Anspruch gegen den Empfänger der Lieferung entsteht. Daraus folgt: Das Schweigen des X auf die Sendung des Versandhauses "Globus" ist keine Annahmeerklärung, mit der X das _________________________________________________ 86 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 241a BGB Rn. 7 m.w.N achw . 87 JAUERNIG /MANSEL , § 241a BGB Rn. 5. 88 Vgl. LORENZ , JuS 2000, 833, 841; L ÖHNIG , JA 2001, 33, 34; zur früheren Rechtslage auch S CHWUNG , JuS 1985, 449, 450 .

Die Bedeutung des Schweigens im Rechtsverkehr Angebot des Versandhauses "Globus" zum Abschluss eines Kaufvertrages angenommen hat. Ein Kaufvertrag ist demnach nicht zustande gekommen. Der Empfänger unverlangt zugeschickter Waren ist nicht verpflichtet, dieselben zurückzusenden. Das gilt auch dann, wenn der Versender das Rückporto beigefügt hat. Der Verbraucher erwirbt an den Sachen zwar kein Eigentum; er kann aber die Sache preisgeben oder ohne Haftungsfolgen vernichten. Auch Herausgabeansprüche nach §§ 985, 812 BGB werden von § 241a Abs. 1 BGB erfasst. Wenn kein Kaufvertrag zwischen Versender und Empfänger entsteht, kommt auch kein unentgeltlicher Verwahrungsvertrag zustande. Dies würde zum einen voraussetzen, dass in der Zusendung der Waren subsidiär das Angebot zum Abschluss eines unentgeltlichen Verwahrungsvertrages läge, zum anderen müsste eine Annahmeerklärung des Empfängers vorliegen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.90 Zudem ergibt sich auch insoweit aus § 241a Abs. 1 BGB, dass die Übersendung unbestellter Waren keine vertraglichen Ansprüche begründen kann. V. Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten Bei der Inanspruchnahme von Massenversorgungsmitteln, wie z.B. Beförderungsmitteln (Straßenbahn, Omnibus, U –Bahn), und Energieversorgungsunternehmen, aber auch bei anderen Massengeschäften des täglichen Lebens wollte ein Teil der juristischen Literatur92 und auch der Rechtsprechung93 unter bestimmten Voraussetzungen an die Stelle des Vertragsschlusses durch (konkludente) Angebot und Annahme das Entstehen eines Vertrages durch " sozialtypisches Verhalten " setzen (vgl. bereits Kurseinheit 2, § 2 II 2). Die Lehre vom Zustandekommen von Verträgen durch soz ialtypisches Verhalten findet im BGB keine Stütze. Sie ist heute als überholt anzusehen. Nach dem BGB kommen Verträge nur durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande. Alles andere stellt einen eklatanten Systembruch dar94, der mit dem Gesetz nicht ve reinbar ist .95 und lässt sich wegen der fehlenden Anhaltspunkte im Gesetz auch nicht mit einer Rechtsfortbildung rechtfertigen . Weicht man von der im BGB getroffenen Regelung über das Zustandekommen von Verträgen ab, könnten u.a. die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit und die Anfechtung von Willenserklärungen unterlaufen werden .

Der Dissens (Einigungsmangel) § 6 Der Dissens (Einigungsmangel) Schrifttum: DIEDERICHSEN , Der Auslegungsdissens, in: Festschrift für H. Hübner, 1984, 421 ff.; U. EISENHARDT , Ansprüche aus culpa in contrahendo wegen Verletzung der Verpflichtung, über erkennbare Unwirksamkeitsgründe aufzuklären, in: Wege zum japanischen Recht, FS für Kitagawa, 1992, 297 ff.; J UNG, Die Einigung über die »essentialia negotii« als Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrages, JuS 1999, 28; L EENEN , Abschluß, Zustandekommen und Wirksamkeit des Vertrages – zugleich ein Beitrag zur Lehre vom Dissens, AcP 188 [1988], 381 ff.; RAISER, Schadenshaftung bei verstecktem Dissens, AcP 127 [1927], 1 ff. I. Der offene Dissens Ein zweiseitige r Vertrag kommt dadurch zustande, dass zwei Personen übereinstimmende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) abgeben. Das bedeutet, dass ein Vertrag nur dann entsteht, wenn sich die Parteien über den vollständigen Inhalt des angestrebten Vertrages geeini gt haben. Ist offensichtlich, dass die Parteien sich noch nicht über alle Punkte eines Vertrages geeinigt haben, über die nach dem Willen auch nur einer Partei eine Übereinkunft erzielt werden sollte, so liegt ein offener Dissens (Einigungsmangel) vor. Sol ange ein offener Dissens vorhanden ist, kommt gemäß § 154 Abs. 1 S. 1 BGB im Zweifel ein Vertrag nicht zustande. § 154 Abs. 1 S. 1 BGB ist als Auslegungsregel gestaltet. Dies gestattet es den vertragschließenden Parteien im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Privatautonomie, sich auch unter Offenlassung einzelner Punkte vertraglich (also: bindend) zu einigen. Davon ist allerdings nur auszugehen, wenn die vertragschließenden Parteien sich ohne Rücksicht auf den offenen Punkt erkennbar binden wollten. Die Pa rteien können dann versuchen, die in der vertraglichen Regelung verbleibenden Lücken durch entsprechende Einigung zu schließen.97 Ist nach den Umständen des konkreten Falles anzunehmen, dass die Parteien den Vertrag auch ohne die vorbehaltene Vereinba-rung über einen einzelnen Punkt als geschlossen haben ansehen wollen, so ist die dann verbleibende Lücke des Vertrages den gesetzlichen Bestimmungen gemäß auszufüllen. 98 Der Wille, sich ohne Rücksicht auf einen noch offenen Punkt zu binden, kann u.a. darin gesehen werden, dass die Parteien bereits mit der Ausführung des Vertrages begonnen haben. II. Der versteckte Dissens Um einen versteckten Dissens handelt es sich, wenn die Vertragschließenden den Vertrag als zustande gekommen ansehen, obwohl sie sich noch nicht über alle Punkte geeinigt haben, sich dieses Mangels aber nicht bewusst sind. _________________________________________________ 96 Vgl. BGH WM 1965, 950; vgl. auch BGH NJW 1967, 153; BGHZ 119, 283, 288; STAUDINGER /BORK, § Rn. 6. 97 Vgl. STAUDINGER /BORK, § 154 Rn. 9. 98 RGZ 60, 174, 178 . 99 BROX/WALKER , § 11 Rn. 7 .

Der Dissens (Einigungsmangel) Ein versteckter Dissens kann dadurch entstehen, dass die Vertragschließenden es unbewusst unterlassen haben, über einen oder mehrere Punkte eine Einigung herbeizu-führen, über die sie eine Vereinbarung treffen wollten. Der Grund dafür kann in der Unaufmerksamkeit der Vertragschließenden, aber auch in der Unvollständigkeit oder Missverständlichkeit ihrer Erklärungen liegen (vgl. S TAUDINGER /BORK, § 155 Rn. 4 ). Ein Dissens begründendes Missverständnis liegt auch vor, wenn sich herausstellt, dass die abgegebenen Erklärungen, nachdem sie ausgelegt worden sind, inhaltlich aneinander vorbeigehen (vgl. S TAUDINGER /BORK, § 155 Rn. 8 ). In solchen Fällen erklärt das Gesetz, dass trotz des Dissens es zwischen den Beteiligten hinsichtlich des vereinbarten Inhalts eine vertragliche Bindung eingetreten ist, wenn anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne eine Einigung über den Punkt, über den keine Vereinbarung zustande gekommen ist, von ihnen geschlossen worden wäre (§ 155). Das Gesetz bedient sich hier einer Methode, die im Vertragsrecht häufiger anzutreffen ist: Wenn der wirkliche Wille der Beteiligten nicht festzustellen ist, weil diese von bestimmten Umständen nichts wussten, stellt das Gesetz auf den hypothetischen Willen der Beteiligten ab. Das bedeutet: Es muss danach gefragt werden, was die Beteiligten gewollt und vereinbart hätten, wenn sie die Umstände des Vertragsschlusses gekannt hätten. Ein versteckter Dissens kann auch dadurch entstehen, dass nicht hinreichend definierte Fachbegriffe verwendet werden . Fall A möchte ein Einfamilienhaus kaufen und vereinbart mit B, dem Verkäufer, einen Kaufpreis von 400.000 Euro. Beide einigen sich mündlich auf den Preis, ohne schriftlich über zusätzliche Kosten zu sprechen. Der Notartermin wird vorbereitet. Nach der notariellen Beurkundung stellt A fest, dass zusätzlich zur Kaufsumme Grunderwerbssteuer in Höhe von 6,5 % des Kaufpreises anfällt, also 26.000 Euro. A ist schockiert, da er davon ausgegangen war, dass die Grunderwerbssteuer im Kaufpreis enthalten ist. B hingegen ist der Auffassung, dass der Kaufpreis von 400.000 Euro ausschließlich den Betrag darstellt, den er als Verkäufer erhält, und dass die Grunderwerbssteuer vom Käufer zusätzlich zu tragen ist. B verweist darauf, dass es üblich ist, dass der Käufer diese Steuer trägt. A ist der Ansicht, dass er nur 400.000 Euro insgesamt für das Haus zahlen muss, inklusive aller Steuern und Kosten, und verlangt, dass B die Grunderwerbssteuer übernimmt. Lösung: Der B kann den Kaufpreis von A verlangen, wenn zwischen beide Parteien ein Vertrag zustande gekommen ist. Dafür müssten sich die Parteien über den wesentlichen Vertragsinhalt geeinigt haben. Bedenken bestehen insofern, als bei der mündlichen Vereinbarung nicht kein Austausch darüber stattgefunden hat, ob die Grunderwerbs steuer im Kaufpreis mit enthalten ist oder nicht. Hierin könnte ein versteckter Einigungsmangel i.S. des § 155 zu sehen sein. Wegen versteckten Einigungsmangels (§ 155) scheitert ein Ver trag, wenn die Parteien glauben, sie hätten sich bereits über alle für sie bedeutsamen Punkte geeinigt, wäh-rend sie in Wahrheit einen Punkt übersehen, sich also gerade nicht über ihn geeinigt haben. Etwas anderes gilt, wenn anzunehmen ist, dass sie den Vertrag auch ohne _________________________________________________ 100 Vgl. zur Problematik S TAUDINGER /BORK, § 155 Rn. 9.

Der Dissens (Einigungsmangel) eine Bestimmung über diesen Punkt getroffen haben würden. Beim Grunderwerb gehört eine Bestimmung darüber, ob der die fälligen Steuern zuzüglich zu zahlen sind oder bereits im vereinbarten Kaufpreis enthalten sind, in aller Regel zu den Punkten, über die die Parteien eine Einigung herbeiführen wollen. Im vorliegenden Falle hätten die Parteien sich also darüber einigen müssen, ob A zusätzlich zum Kaufpreis die Steuern zahlen sollte. kaufen solle. Hierüber haben sie sich nicht geeinigt. Es lieg t deshalb ein versteckter Einigungsmangel vor, so dass kein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist. Fall: W und K verhandeln über den Abschluss eines Mietvertrages über ein Grundstück. Sie sprechen über die Höhe der Miete. In diesem Zusammenhang fordert W, K möge ihm doch zusätzlich zur Miete jährlich eine Summe in Höhe der halben Grundbesitzabgaben, die er (W) als Eigentümer des Grundstücks leisten müsse, zahlen. Darüber kann keine Einigkeit erzielt werden. Der Punkt wird in der Verhandlung einvernehmlich zurückgestellt. Schließlich meinen W und K, nachdem sie auch die Höhe de r monatlichen Miet e festgelegt haben, über alle Punkte Einigkeit erzielt zu haben. W glaubt, hinsichtlich des Grundbesitzabgabenausgleichs sei eine für ihn positive Regelung getroffen worden. K ist der Ansicht, dieser Punkt habe keine Rolle mehr gespielt und sei für ihn positiv geregelt. Ist ein Vertrag zustande gekommen?

Aufgabe 4: Beantworten Sie diese Frage bitte schriftlich und vergleichen Sie Ihre Ausführungen anschließend mit d er Lösung am Ende dieser Kurseinheit! III. Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) bei Dissens Für den Fall, dass wegen versteckten Einigungsmangels ein Vertrag gemäß § nicht zustande kommt, hat das RG angenommen, diejenige Person, die daran ein Verschulden treffe, sei der anderen nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss) zum Schadensersatz (= Ersatz des Vertrauensschadens) verpflichtet. Dies hat das RG wie folgt begründet: Es entspreche der Bi lligkeit und den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, denjenigen, der sich fahrlässigerweise derart ausdrücke, dass er bei der Gegenpartei ein Missverständnis hervorrufe, mit der Haftung für die daraus entstehenden Schadensfolgen zu belasten. Pflichten i.S. des § 241 Abs. 2, deren Verletzung eine Pflichtverletzung nach § darstellt, können auch schon vor und auch ohne Vertragsschluss entstehen (vgl. § Abs. 2 und 3). Schon das RG ist 1922 davon ausgegangen, dass "in dem Eintritt in die gemeinsamen Verhandlungen ein stillschweigendes Übereinkommen zu erblicken sei, wonach jeder Beteiligte die Interessen der übrigen Beteiligten tunlichst zu wahren habe"; wer dagegen schuldhaft verstoße, könne u.U. aus Verschulden bei Vertragsschluss haften. _________________________________________________ 101 S.o. RGZ 104, 265, 268 .

Der Dissens (Einigungsmangel) Die sogenannten "Weinsteinsäure –Entscheidung" des RG ist für die Problematik immer noch aktuell, obwohl sie bereits über 100 Jahre zurückliegt. Ihr liegt (verkürzt ) folgender Sachverhalt zugrunde: Zwischen der Klägerin und der Beklagten wurde dreimal telegraphiert; es ging um den Kauf von hundert Kilo Weinsteinsäure. Das letzte Telegramm lautete "Hundert Kilo Weinsteinsäure Gries bleifrei geordnet, briefliche Bestätigung unterwegs". Bei dieser Bestätigung stellte sich nun heraus, dass jede Partei die jeweils andere als Käuferin angesehen hatte. Die Klägerin bot der Beklagten die angeblich verkaufte Ware an und ließ dieselbe, weil die Beklagte Abnahme und Bezahlung verweigerte, öffentlich versteigern; die Differenz zwischen dem Preis, der in dem Vertrage vereinbart werden sollte, und dem Erlös aus der Versteigerung verlangte die Klägerin nun als Schadensersatz. Das RG hat der Klägerin einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens aus culpa in contrahendo zugestanden, und zwar mit dem schlichten Hinweis darauf, es sei "allgemein anerkannt", dass, "wenn ein Vertrag nicht zustande gekommen ist, Schaden für culpa in contrahendo gefordert werden kann"; für den Fall, dass ein Vertrag nicht zustande gekommen sei, lasse das Gesetz die Forderung des negativen Vertragsinteresses (des sog. Vertrauensschadens) für manche Sachlagen zu: so in §§ 122, und 307 BGB a.F. und außerdem in § 309 BGB a.F. (Abschluss eines gesetzwidrigen Vertrages). Das RG gesteht zwar zu, dass streitig sei, ob diese Grundsätze auf ähnliche Fälle aus gedehnt werden könnten, meint aber, dieselben Gründe, nämlich Billigkeit und Rücksicht auf die Verkehrssicherheit, rechtfertigten es, diese Grundsätze auch auf die Fälle des versteckten Dissenses anzuwenden; denn es entspreche in der Tat der "Billigkeit und den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, demjenigen, der sich fahr-lässigerweise derart ausdrückt, dass er bei der Gegenpartei ein Missverständnis hervorruft, mit der Haftung für die daraus entstehenden Schadensfolgen zu belasten". Das RG geht sogar so weit zu bemerken, der vorliegende Fall biete keinen Anlass zu einer Erörterung darüber, ob dasselbe auch zu gelten habe, "wenn Fahrlässigkeit nicht gegeben sei". 102 Das RG bedient sich hier methodisch der Analogie als einer häufig genutzten Möglichkeit der Lückenfüllung und damit der Rechtsfortbildung. Mit dieser Entscheidung, die wesentlich zur Ausbildung und Fortbildung des nunmehr normierten Rechtsinstituts der culpa in contrahendo beigetragen hat, ist das RG aller-dings, was das Entstehen eines vorvertrag lichen Schuldve rhältnisses angeht, hinter die – ebenfalls als "Leitentscheidung" bezeichnete – Entscheidung (Linoleum 103) zurückgefallen.104 Das RG war hier davon ausgegangen, dass die Parteien einen Kaufvertrag abschließen wollten und hatte dazu ausgeführt, dies sei kein bloß tatsächlicher Vorgang, wie ihn etwa eine reine Gefälligkeitshandlung darstellen würde; nach Ansicht des RG entstand hier ein den Kauf "vorbereitendes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, das einen vertragsähnlichen Charakter trägt und insofern rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit erzeugt hat, als dem Verkäufer wie dem Kauflustigen die Pflicht erwuchs, bei der Vorlegung und Besichtigung der Ware die gebotene Sorgfalt für die Gesundheit und das Eigentum des anderen Teiles zu beobachten". _________________________________________________ 102 RGZ 104, 265, 268 . 103 RGZ 78, 239 . 104 Vgl. SOERGEL /WIEDEMANN , Vor § 275 Rn. 102. 105 Vgl. dazu auch RGZ 95, 58, 60 f .; in diesem Fall bejahte das RG auch ohne Analogieschluss vor vertragliche Sorgfaltspflichten.

Der Dissens (Einigungsmangel) Der BGH hat sich erstmals 1960 mit dieser Problematik auseinandersetzen müssen und sich dabei nicht mit einem Hinweis auf die Leitentscheidung begnügt.106 Inzwischen war das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo allerdings nicht unerheblich weiterentwickelt worden. Der BGH führte deshalb aus, eine schuldhafte Verletzung von Pflichten aus Vertragsverhan dlungen könne auch darin liegen, dass das Vertrauen einer Verhandlungspartei auf das demnächstige Zustandekommen eines längeren Vertragsverhältnisses erweckt und die Partei zu Aufwendungen veranlasst wird, die sie nicht gemacht hätte, wenn sie nicht mit dem Vertragsschluss gerechnet hätte. Mit Hinweis auf die Weinsteinsäure –Entscheidung des RG und die Entscheidung RAG 20, 65 betont der BGH, die Rechtsprechung habe einen solchen Fall insbesondere ange-nommen, wenn ein Vertrag wegen versteckten Einigungsmangels nicht zustande ge-kommen sei und eine Partei fahrlässig bei der Gegenpartei das Missverständnis hervorgerufen habe. Später hat der BGH die Fälle der schuldh aften Herbeiführung eines Dissenses unter Hinweis auf die Weinsteinsäure –Entsche idung des RG 107 wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten und der damit verbundenen Pflicht zur Rüc ksichtnahme auf den Vertragspartner als culpa in contrahendo angesehen und eine Schadensersatzpflicht bejaht.108 Diese (wohl) h.M., die heute auf §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 gestützt wird, weckt Bedenken. Zunächst ist die Rechtsfolge des versteckten Dissenses schlicht das Nichtzustandekommen des Vertrages. Das spricht gegen ein schut zwürdiges Vertrauen des Erklärungsempfängers als Anknüpfungspunkt für eine Haftung wegen ei-nes Verschuldens bei Vertragsschluss. Wenn nur eine Partei fahrlässig einem Missver-ständnis üb er das Zustandekommen des Vertrages unterliegt, wird sie sich h äufig de n Erklärungsinhalt nach den Grundsätzen der normativen Auslegung zurechnen lassen müssen. Erfolgt die Zurechnung des Erkl ärungsinhaltes nicht, trifft in der Regel auch den anderen Teil ein Verschulden. Eine Bewertung, ob das Verschulden des einen Teils dasjenige des anderen üb erwiegt, dürfte dann in der Praxis kaum m öglich sein; auch die Beweislastregel des § 280 Abs. 1 Satz 2 hilft dann nicht weiter.

Wichtige Entscheidungen: RGZ 104, 265 ff . BGHZ 99, 101, 106 ff . _________________________________________________ 106 BGH LM § 276 BGB [Fa] Nr. 9. 107 RGZ 104, 265 ff . 108 BGHZ 99, 101, 106 f .

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Lösung zu Aufgabe 1: A. K könnte gegen V aus Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 S 1 BGB einen Anspruch auf Übergabe (Lieferung) und Übereignung der Waggonladung Kiefernholz zum Preis von € 25.000, –– haben. Dies setzt voraus, dass zwischen V und K ein entsprechender Kaufvertrag wirksam zustande gekommen ist. I. Ein Kaufvertrag kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande (vgl. §§ 145 ff. BGB). 1. Ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages könnte zunächst in der Anfrage des K bei V zu erblicken sein . Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen ein Vertragsschluss derart angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrags nur noch von dessen vorbehalt losem Einverständnis in Form eines schlichten „Ja“ abhängt. In objektiver Hinsicht ist das Setzen eines Erklärungszeichens erforderlich, das aus Sicht eines objektiven Empfängers auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist (Rechtsbindungswille). Dies setzt in der Regel voraus, dass sich der Äußerung die wesentlichen Bestandteile des zu schließenden Vertrages (die „essentialia negotii “), bei einem Kau fvertrag Kaufpreis, Kaufgegenstand und Vertragspartner, entnehmen lassen. K gab mit seiner Anfrage gegenüber V indes nur sein generelles, auf einen künftigen Holzkauf gerichtetes Interesse zu verstehen. Eine Konkretisierung des Kaufgegenstandes oder ein Kaufpreis sind nicht enthalten. Einen Rechtsbindungswillen hat K daher objektiv noch nicht zum Ausdruck gebracht. Die Anfrage des K ist vielmehr als Aufforderung an V zu verstehen , seinerseits ein bindendes Angebot zu unterbreiten (invitatio ad offerendum ). Die Anfrage des K an V stellt somit noch kein rechtlich bindendes, auf einen Vertragsschluss mit V gerichtetes Angebot dar. 2. Ein Angebot könnte jedoch in dem Schreiben des V hinsichtlich der verschiedenen zum Kauf angebotenen Waggonladung en Holz liegen. Hierin bringt V auch einen Verkaufswillen gegenüber K zum Ausdruck. Problematisch ist hingegen, dass er dem K in seinem Schreiben nicht nur eine bestimmte Holzart, sondern mehrere verschiedene anbie tet. Insofern könnte man das Angebot des V als noch nicht ausreichend bestimmt hinsichtlich des konkreten Verkaufsgegenstandes erachten . Dann könnte auch das Schreiben des V lediglich eine invitatio ad offerendum sein. Doch handelt es sich bei dem Schreiben des V um mehrere, lediglich in einem einheitlichen Schr iftstück zusammen gefasste Verkaufsangebote, die jeweils eine bestimmte Holzart betreffen und unabhängig voneinander angenommen werden können. Da mit konkretisiert jedes einzelne Angebot in ausreichender Form alle wesentlichen Vertragsbestandteile; K hat die Möglichkeit, ein einzelnes, für ihn interessantes Angebot anzunehmen und die anderen mangels Annahme verfallen zu lassen. Freilich könnte die Bezeichnung als "freibleibendes" Angebot dem Rechtsbindungswillen entgegenstehen. Durch den Vorbehalt der Nichtg ebundenheit, der in der Formulierung "freibleibend" zum Ausdruck kommt, wird ein wirksames Angebot allerdings nicht ausgeschlossen. Vielmehr liegt ein Angebot vor, das de r Offerent auch nach dem Zugang der Annahmeerklärung einseitig mit der Folge widerruf en kann , dass keine vertragliche Verpflichtung besteht . Das Schreiben des V an K mit den verschiedenen Verkaufsangeboten beinhaltet also mehrere rechtlich bindende, wirksame Angebote des V.

Lösungen zu den Selbsttestaufgabe n 3. Fraglich ist, ob K e ines dieser unter dem Vorbehalt der Nichtgebundenheit erklärte n Angebot e des V angenommen hat. Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die der Antragsempfänger dem Antragenden sein uneingeschränktes Einverständnis mit dem angetragenen Vertragsschluss zu verstehen gibt. Hier hat K um unverzügliche Lieferung einer Waggonladung Kiefernholz zum Preis von € 25.000,–– gebeten und Vs entsprechendes Angebot angenommen . Damit ist insoweit zunächst ein Kaufvertrag gemäß § 433 BGB zustande gekommen. 4. V hat sich jedoch vorbehalten, seine Erklärung auch nach Zugang der Annahmeerklärung einseitig zu widerrufen und damit eine vertragliche Bindung zu vermeiden . Dieses Widerrufsrecht ist aber zeitlich nicht unbeschränkt. Vielmehr muss V den Widerruf unverzüglich (d.h. ohne schuldhaftes Zögern; § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) erklären, um den K rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen, ob er mit der Lieferung rechnen kann oder nicht . V hat nach Zugang der Annahmeerklärung nichts von sich hören lassen . Er hat also nicht unverzüglich zum Ausdruck gebracht, da ss er nicht vertraglich gebunden sein w olle. II. Deswegen ist ein Kaufvertrag zwischen V und K über das Kiefernholz zu einem Preis von € 25.000,–– wirksam zustande gekommen. B. K hat gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB einen Anspruch gegen V aus Kaufvertrag auf Lieferung und Ver schaffung des Eigentums an der Waggonladung Kiefernholz .

Lösung zu Aufgabe 2: A. Zwischen V und K könnte ein Kaufvertrag über den gebrauchten LKW, Marke X, Baujahr 2015, zustande gekommen sein. Ein Kaufvertrag gemäß § 433 BGB, kommt durch zwei inhaltlich übereinstimmende, mit Bezug aufeinander a bgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustand e (vgl. §§ 145 ff. BGB). I. V könnte dem K mit seine r E-Mail vom 20.06.202 3 ein Angebot über den LKW gemacht haben. Ein Angebot ist eine e mpfangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen ein Vertragsschluss derart angetragen wird, dass nur von dessen vorbehaltlosem Einverständnis in Form eines schlichten " Ja" das Zustandekommen des Vertrags abhängt. Zwar ist der Vertragsgegenstand nur typenmäßig bestimmt und nicht absolut individualisiert; eine den Kaufpreis rechtfertigende Detaillierung liegt jedoch vor. Da V in seiner Position als professioneller Autohändler in seinem Schreiben an K auch Bezug auf konkrete Kaufwünsche des K nimmt , ist ein auf Vertragsschluss mit K gerichteter Rechtsbindungswille des V in diesem Schreiben anzunehmen. Aus dem Schreiben des V gehen also Vertragspartner, Vertragsgegenstand und Kaufpreis in hinreichend bestimmter Weise hervor. 1. Dieses Schreiben ist d em K auch zugegangen und damit gemäß § 130 Abs. 1 S. BGB wirksam geworden. 2. Fraglich ist, ob K dieses Angebot des V angenommen hat . Eine Annahme ist eine Willenserklärung , durch die der Antragsempfänger dem Antragenden sein vorbehaltloses Einverständni s mit dem angetragenen Vertragsschluss zu verstehen gibt. Drei Wochen nach Erhalt der E -Mail setzte K ein Schreiben an V auf, in dem er sein Einverständnis mit dem von V gemachten Angebot ausdrückte, das Angebot des V also annahm. Diese Annahmeerklärung m üsste auch fristgerecht erfolgt sein. Sofern keine konkrete Frist nach dem Kalender gesetzt ist, gilt bei einem Angebot unter Abwesenden gemäß

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben § 147 Abs. 2 BGB eine Annahmefrist bis zu dem Zeitpunkt, " in welchem der Antragende den Eingang der Annahmeerklär ung unter regelmäßigen Umständen erwarten darf". Fraglich ist, was hierunter vorliegend zu verstehen ist. Einerseits ist dem K eine Bedenkzeit zu gewähren, die bei einem Kaufpreis i n Höhe von 10.000 Euro nicht zu kurz zu bemessen ist. Hinzu kommt die Zeits panne zwischen Abgabe der Annahmeerklärung und deren Eingang i .S. von § 147 Abs. 2 BGB. Andererseits liegt es in Interesse des Verkäufers, mit einem anderen zum Kauf entschlossenen Kunden möglichst bald kontrahieren zu können und deswegen nicht zu lange an seine Erklärung gebunden zu sein. Zudem wählte V vorliegend eine E-Mail als Kommunikationsmittel. Hierdurch bringt er zum Ausdruck, bei Interesse auf vergleichbar schnellem Wege (E -Mail, Anruf etc.) eine Antwort zu erwarten. " Unter regelmäßigen Umständen " kann dies kaum eine dreiwöchige Bedenkzeit plus Versandzeit meinen. Die Annahmeerklärung des K war mithin nicht mehr fristgerecht i .S. von § 147 Abs. 2 BGB, sondern verspätet i.S. von § 150 Abs. 1 BGB. Die Annahmeerklärung des K ist mit Bezug auf das Verkaufsangebot des V daher nicht mehr wirksam. Vielmehr ist sie gemäß § 150 Abs. BGB ein neues Angebot, welches aber von V nicht angenommen wurde. II. K hat das Angebot des V nicht angenommen. B. Ein wirksamer Kaufvertrag gemäß § 433 BGB ist zwischen V und K über den gebrauchten LKW mithin nicht zustande gekommen. Lösung zu Aufgabe 3: A. A könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von € 700.000,-- aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB haben. I. Schuldverhältnis zwischen A und B Dann müsste zwischen A und B ein Schuldverhältnis im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB bestehen. A und B haben noch keinen Vertrag abgeschlossen. Es kommt daher nur die Entstehung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses gemäß § 311 Abs. 2 BGB in Betracht. Ein solches Schuldverhältnis könnte gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen entstanden sein. Die Vertragsverhandlungen zwischen A und B über die Errichtung einer schlüsselfertigen Anlage waren bereits weit fortgeschritten. Es fehlte noch an der Einigung über den Preis. Somit liegt die Aufnahme von Vertragsverhandlungen gem äß § 311 Abs. Nr. 1 BGB vor. II. Pflichtverletzung Ferner müsste B eine Pflicht aus diesem Schuldverhältnis verletzt haben. Aus dem vor-vertraglichen Verhältnis gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB ergab sich für B die Pflicht gegenüber A, diesem in angemessener Frist Klarheit darüber zu verschaffen, ob er einen Vertrag mit dem in Aussicht genommenen Inhalt abschließen will. Die Pflichtverletzung des B liegt hier darin, dass er bei A das Vertrauen auf einen Vertragsschluss hervorgerufen hat und diesen Vertrag da nn nicht mit A abgeschlossen hat, sondern mit einem anderen Unternehmer, ohne den A davon vorher rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. A durfte nach dem bisheri gen Verhalten des B, insbesondere wegen der Aufforderung, schon Bestellungen nach außen auszulösen, mit Sicherheit davon ausgehen, der Vertrag werde zustande kommen.

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben III. Vertretenmüssen des B Des Weiteren müsste B seine Pflichtverletzung auch zu vertreten haben, also gemäß § 276 Abs. 1, Abs. 2 BGB schuldhaft gehandelt haben. Das Ver schulden des B könnte hier darin liegen, dass er bei A das Ver trauen geweckt und genährt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen. A und B haben Vertragsverhandlungen auf-genommen, die bereits weit fortgeschritten waren. Im Zuge dieser Verhandlungen hat B den A gedrängt, bereits Verträge mit den Zulieferern abzuschließen und mit den Arbeiten zu beginnen. A durfte aufgrund dieser Aussage des B berechtigter weise davon ausgehen, dass der Vertrag über den Anlagenbau zustande kommen soll. B hat die Vertragsverhan dlungen ohne triftigen Grund abgebrochen. Mit diesem Verhalten gegenüber A hat B auch gegen die im Verkehr übliche Sorgfalt verstoßen und somit gemäß § 276 Abs. 1, Abs. 2 BGB fahrlässig gehandelt. Damit hat B seine Pflichtverletzung auch zu vertreten. IV. Schaden des A Dem A müsste ferner ein Schaden entstanden sein. Der Ersatz des Schadens richtet sich nach der Regelung der §§ 249 ff. Der Gläubiger ist bei einer Pflichtverletzung aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis so zu stellen, wie er stünde, wenn er nicht auf das wirksame Zustandekommen des Vertrages vertraut hätte. Hätte A nicht darauf vertraut, dass B mit ihm den Vertrag abschließt, hätte er nicht die Verträge mit den Zulieferern abgeschlossen. Die aus diesen Verträgen für A entstanden e Zahlungspflicht stellt somit den zu ersetzenden Ver trauensschaden des A dar. B. Ergebnis A hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von € 700.000,-- aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB.

Lösung zu Aufgabe 4: Ein Vertrag (Mietvertrag) ist nur zustande gekommen, wenn W und K sich zumindest über alle wesentlichen Punkte des Vertrag es (essentialia negotii) geeinigt ha ben. Das ist in B ezug auf den Grundbesitzabgabenausgleich nicht geschehen. Allerdings waren sowohl W als auch K der Meinung, sie hätten sich geeinigt und einen Vertrag abge-schlossen ; daher liegt gemäß § 155 BGB ein verst eckter Dissens (Einigungsmangel) vor. Fraglich ist dann, ob der Mietvertrag ohne eine Regelung betreffend den Grundbesitzabgabenausgleich zustande gekommen ist. Gemäß § 155 BGB ist das nur der Fall, wenn anzunehmen ist, dass der Vertrag auch ohne eine Best immung über diesen Punkt geschlossen worden wäre. Es ist also zu fragen, was W und K gewollt und vereinbart hätten, wenn sie gewu sst hätten, dass über den Grundbesitzabgabenausgleich keine Einigung erzielt worden war. Die Grundbesitzabgaben stellten einen nicht unerheblichen Betrag dar. Es ist deshalb davon auszugehen, dass beide die Frage, ob K die Hälfte der Grundbesitzabgaben pro Jahr an W und damit eine – versteckt – höhere Miete zahlen sollte, für so wesentlich angesehen haben würden, dass sie ohne Ein igung über diesen Punkt einen Vertrag nicht abgeschlossen hätten. Gemäß § 155 BGB ist deshalb zwischen W und K kein Mietvertrag zustande gekommen.

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Der Inhalt dieses Studienbriefs wird gedruckt auf Recyclingpapier (80 g/m2, weiß), hergestellt aus 100 % Altpapier.

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis .................................................................................................... § 7 Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen ..... I. Einleitung .............................................................................................. II. Die Gegenstände Allgemeiner Geschäftsbedingungen ........................... III. Missstände bei der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen .... IV. Die Vorschriften des BGB zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen .......................................................................... 1. Das rechtspolitische Ziel ..................................................................... 2. Die wichtigsten Regelungen des BGB über die Einbeziehung und Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff.) ............ a) Der Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ....................... b) Der Vorrang von Individualabreden ................................................ c) Schwerpunkte der gesetzlichen Regelung ..................................... (a) Die Einbeziehung in den Vertrag ....................................... (b) Die Inhaltskontrolle ........................................................... V. Sonderregelungen für dem Schutz von Verbrauchern gegen missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ............................... VI. Überraschende Klauseln ...................................................................... VII. Einschränkungen bei der Anwendung des AGB-Rechts ........................ VIII. Die Bezugnahme beider Vertragsparteien auf die eigenen Allgemeinen Geschäftsbedin gungen im B2B-Bereich ............................................... IX. Prüfungsschema für die gutachterliche AGB-Kontrolle ......................... § 8 Grundzüge des Vertragsschlusses im Internet ................................... 1. Überblick ......................................................................................... 2. Der Vertragsschluss .......................................................................... 3. Die Pflichten des Unternehmers im elektronischen Geschäftsverkehr (§§ 312i, 312j) ................................................................................. 4. Der Fernabsatzvertrag ...................................................................... 5. Die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Internetgeschäft ............................................................................... 6. Die Ersteigerung von Waren bei Internet -Auktionen .........................

§ 9 Die Auslegung ................................................................................ I. Überblick ............................................................................................ II. Die Auslegung von Willenserklärungen ............................................... 1. Die §§ 133 und 157 und die Methoden der Auslegung ................... 2. Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen ................. III. Die Auslegung von Verträgen ............................................................. 1. Überblick ........................................................................................ 2. Die erläuternde Vertragsauslegung .................................................. 3. Die ergänzende Vertragsauslegung ................................................. a) Die Voraussetzungen ................................................................... b) Der Wille der Parteien und die Grenzen der Vertragsauslegung .... IV. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ..................... Lösungen zu den Selbsttestaufgaben ................................................................

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen § 7 Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen Schrifttum: BECKER , Die Reichweite der AGB -Inhaltskontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr aus teleologischer Sicht, JZ 2010, 1098; B ERGER /KLEINE, AGB -Gestaltung und Transparenzgebot, NJW 2007, 3526 ; GRAF V . WESTFALEN , AGB -Recht im zweiten Halbjahr NJW 2022, 288.; H. HEINRICHS , Umsetzung der EG –Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen durch Auslegung, NJW 1995, 153 ff. ; KÖSTER , Stillschweigende Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts - OLG Düsseldorf, NJW -RR 1997, 946ff., JuS 2000, 22; KÖTZ, Der Schutzzweck der AGB -Kontrolle – Eine rechtsökonomische Skizze, JuS 2003, 209; LÖHNIG /GIETL, Grundfälle zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, JuS 2012, 494; LORENZ/GÄRTNER , Grundwissen – Zivilrecht: Allgemeine Geschäftsbedingungen, JuS 2013, 199; N EIDECK , Die Einbeziehung von AGB in der Fallbearbeitung, JA 2011, 492; PFEIFFER , Entwicklungen und aktuelle Fragestellungen des AGB-Rechts, NJW 2017, 913; SCHÄFER , Vertragsschluss unter Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Fremdmuttersprachlern, JZ 2003, 879; S CHMIDT , Einbeziehung von AGB im unternehmerischen Geschäftsverkehr , NJW 2011, 3329; T EMMING , Verstehen Sie Deutsch? Sprachenunkenntni s beim Vertragsschluss und bei der AGB-Kontrolle, GPR 2016, 38; WEISE, Aushandeln von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, NJWSpezial 2019, 684; WENDLAND , Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Fallbearbeitung, Teil 2: Einbeziehungskontrolle und Auslegungsgrundsätze, JURA 2019, 41;

I. Einleitung Häufig werden mit dem Vertragsschluss Allgemeine Geschäftsbedingungen auf Wunsch einer oder beider Vertragsparteien Vertragsinhalt. Das bedeutet: Wenn die Parteien z.B. einen Kauf -, Miet - oder Werkvertrag abschließen, werden nicht allein die Rechte und Pflichten Gegenstand des Vertrages, die das Gesetz (hier das BGB) für diesen Vertragstyp vorsieht; manche Regelungen des Gesetzes werden - soweit rechtlich zulässig - durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abgeändert, ergänzt oder ersetzt. Es wurde schon darauf hingewiesen,1 dass die Regelungen des BGB von den Vertragspartnern im Wesentlichen nur noch bei den sog. Massengeschäften des täglichen Lebens, wie z.B. dem Kauf von Lebensmitteln und geringwertigen Gütern, als interessengerecht anerkannt und angewandt werden. Bei dem Erwerb wertvollerer Güter, wie z.B. Autos und Möbel, werden in der Regel Allgemeine Geschäftsbedingungen verwandt. Der Grundsatz der Privatautonomie ermöglicht es an vielen Stellen im BGB, das dispositive (nachgiebige) Recht durch eigene Regelungen zu modifizieren oder verdrängen. Dies betrifft häufig die im besonderen Teil des Schuldrechts vorgesehenen Vertragstypen (z.B. das Leasing), Regelungen des BGB AT (z.B. Formerfordernisse, Verjährung) und auch viele Regelungen des allgemeinen Teils des Schuldrechts (z.B. die Vorschriften über die Leistungsstörungen). Dabei erscheint es unpraktisch, dieselben Regelungen mit jedem Vertragspartner individuell auszuhandeln. Aufgrund einer Vielzahl von Anwendungsfällen werden hi erfür Allgemeine Geschäftsbedingungen _________________________________________________ 1 Siehe dazu KE 1, § 1 V, 3. b) (3).

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen verwendet . Besteht zwischen den Vertragspartnern ein unterschiedliches Machtverhältnis (zum Anwendungsbereich § 310 BGB), besteht die Gefahr, dass die einseitig vorgegebenen Bedingungen der anderen Vertragspartei nicht zumutbar sind. Das AGB-Recht hat mit der großen Schuldrechtsreform zum 1.1.2002 auf diese Missstände reagiert. II. Die Gegenstände Allgemeiner Geschäftsbedingungen In der Vergangenheit sind insbesondere folgende Gegenstände häufig in Allgemeine Geschäftsbedin gungen aufgenommen worden: – Schönheitsr eparaturen durch den Mieter – bewegliche Liefer - und Zahlungsfristen zugunsten des Verwenders; – Einschränkungen der Gewährleistungsansprüche zuungunsten des Ge-schäftspartners; – eine Verkürzung der Gewährleistungsfristen de s Verwenders; – der Ausschluss der Abtretung von Forderungen, die gegen den Verwender bestehen oder entstehen; – der Ausschluss der Aufrechnung gegen Forderungen des Verwenders; – Beweislastregelungen, die es dem Kunden des Verwenders häufig erschwer-ten oder gar unmöglich machten, seine Rechte vor Gericht durchsetzen zu können. – erschwerte Schriftformerfordernisse für den Geschäftspartner – der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen – Preisänderungsklauseln bei erhöhten Produktionskosten Manche Allgemeine Geschäftsbedingungen sind umfangreiche Klauselwerke , deren Tragweite auch für geschäftlich erfahrene Kunden nur schwer zu erfassen ist. Zu denken ist hier z.B. an die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken, Versicherungen, Spediteure und Beförderungsunternehmen. Andere Allgemeine Geschäftsbedingungen regeln nur einzelne Punkte und ergänzen oder verändern die gesetzliche Regelung nur ( mehr oder weniger ) geringfügig. Zu solchen einzelnen Punkten gehören häufig: die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes, Zahlungsf risten, der Ausschluss oder erhebliche Modifizierungen von Gewährleistungsansprüchen. Das bedeutet: Die Rechtsnormen, die das BGB für einen bestimmten Vertragstyp aufstellt, werden nur teilweise, allerdings zum Nachteil des Vertragspartners abgeändert, aus geschlossen oder ergänzt. Der vom Gesetzgeber umrissene Vertragstyp bleibt in diesen Fällen noch erkennbar. Allgemeine Geschäftsbedingungen und die damit zusammenhängenden Probleme spielen nicht nur im Einzelhandel eine Rolle. Auch im Geschäftsverkehr der Unternehmen untereinander werden bei Vertragsschlüssen in der Regel Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde gelegt.

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen III. Missstände bei der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen Häufig hat der Verwender auch die Macht, die Zustimmung zu seinen Allgemeine n Geschäftsbedingungen zu erzwingen. Seit Inkrafttreten des BGB hat sich gezeigt, dass die Vorstellung unrichtig ist, dass jede Person frei wählen könne , mit wem sie sich vertraglich binden will. Vielfach sind gerade Verbraucherinnen und Verbraucher darauf angewiesen, eine bestimmte Leistung zu erwerben oder etwa eine Wohnung zu mieten. Eine Illusion ist vielfach auch die Vorstellung, dass beide Vertragspartner gleichermaßen frei sei en, den Vertrag inhaltlich zu gestalten. Vielmehr besteht häufig ein "Ungleichgewicht" zwischen den Verhandlungspartnern. Vertragsinhalt werden oft Allgemeine Geschäftsbedingungen, die die Händler und Produzenten zur Grundlage des Geschäfts machen wollen. Da diese in der Regel nur bereit sind , Verträge auf der Grundlage ihrer eigenen AGB zu schließen, haben die Kunden im Regelfall keine andere Wahl, als die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu akzeptieren, wenn sie bestimmte Sachen kaufen oder andere Leistungen in Anspruch nehmen wollen. Die vom BGB zugrunde gelegte Ausgangslage, Verträge würden unter gleich Mächtigen ausgehandelt, so dass jede Partei auf ihren Vorteil selbst achten und dass deshalb im Vertrage ein Interessenausgleich ausgehandelt werden könne, wurde also schon bei der Schaffung des BGB falsch eingeschätzt .2 Die Vertragsfreiheit ist nur so lange ein Mittel zur selbstverantwortlichen Gestaltung der Rechtsbeziehungen, wie zwischen den Vertragsparteien annähernd tatsächliche Gleichheit besteht und damit die einzelnen Vertragsbedingungen wirklich ausgehandelt werden können. In der Praxis wird d ie Privatautonomie allzu häufig zum Nachteil der Kunden ausgenutzt. Produzenten und Händler setzen Allgemeine Geschäftsbedingungen durch, die nur zu oft einseitig den Interessen der Verkäufer dienen. Bis zu einer ausdrücklichen Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingun-gen drohte also, dass die gesetzlichen Regelungen des BGB, die einen ausgewogenen Interessenausgleich der Vertragspartner vorsehen, durch die breite Verwendung von "Kleingedrucktem " für viele wichtige Berei che des Wirtschaftslebens zur Bedeutungslosigkeit herab sinken . Die häufig äußerst gefährliche Änderung seiner Rechtsstellung gegenüber der Rege-lung des BGB bleibt dem Kunden des AGB-Verwenders beim Abschluss des Vertrages oft verborgen, weil dieser die Tragweite der sorgfältig zusammengestellten Klausel-werke erst nach gründlicher juristischer und wirtschaftlicher Analyse erkennen könnte. Hierzu sind freilich insbesondere die Verbraucher kaum imstande und auch wegen der damit verbundenen Mühe und (Beratungs -) Kosten auch nicht willens. Die Aufwendungen für eine Analyse der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind für kaum sinnvoll, weil sie in keinem Verhältnis zum Wert des Vertragsgegenstands stehen und die Verbraucher wegen der weiten Verbreitung der Allgemein en Geschäftsbedingungen deren Annahme ohnehin nicht entgehen können. Praktisch ist es bis heute so, dass die – – selten bewusst zur Kenntnis genommenen und noch seltener wirklich verstandenen – Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptiert werden, weil man darauf vertraut, dass sie einen halbwegs gerechten Interessenausgleich enthalten werden . Die wahre Bedeutung der unterzeichneten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird oft erst im Streitfall erkannt. Vor Gericht musste sich der Unterzeichner aber lange Zeit an den Allgemeinen Geschäftsbedingungen festhalten lassen, weil seine _________________________________________________ 2 BVerfGE 89, 214, 236; MünchKom m/SCHUBERT , BGB § 242 Rn. 635.

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen Einverständniserklärung als wirksame, auf dem freien Willen beruhende Willenserklärung angesehen wurde. IV. Die Vorschriften des BGB zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen 1. Das rechtspolitische Ziel Hauptziel der gesetzlichen Regelung ist es, die oben skizzierte, unbefriedigende Situation zu verbessern: Personen ohne wirklichen Überblick über die vereinbarten Regelungen des Leistungsaustausches sollen keine Verträge abschl ießen, denen Vertragsbedingungen zugrunde liegen, die vom Vertragspartner „diktiert“ werden und die die andere Seite unangemessen benachteiligen . Mit den Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen soll keineswegs das Prinzip der Privatautonomie beseitigt werden. Man kann sie vielmehr als einen Versuch werten, dem Prinzip der Privatautonomie eine neue Chance zu geben. Anders gesagt: durch die zwingenden Regeln zur „Regulierung“ von AGB soll die gleiche „Augenhöhe“ zwischen den Vertragspartnern herg estellt werden , die eine Ausübung der Privatautonomie erst möglich macht. Nicht bestreiten lässt sich aber, dass das Ergebnis der gesetzgeberischen Bemühungen, insbesondere die sehr umfangreichen "Katalognormen" der §§ 308, 309 recht detailliert geraten is t.

2. Die wichtigsten Regelungen des BGB über die Einbeziehung und Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff.) a) Der Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Das BGB enthält in § 305 Abs. 1 zunächst einmal eine Begriffsbestimmung. Nach dieser Definition liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen vor, wenn

der Verwender für den potentiellen Vertragspartner einen fertigen Vertragsentwurf bereithält, der für eine "Vielzahl von Verträgen" bestimmt ist. und der Verwender diese vorformulierten Vertragsbedingungen dem Vertragspartner einseitig auferlegt.

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen „Vielzahl“ setzt die Absicht einer mindestens dreimaligen Verwendung voraus .3 Ausreichend ist deshalb bereits die erstmalige Verwendung, sofern weitere Verwendungen bei Vertragsschluss hinreic hend geplant sind. Eine Bedingung ist auch dann „vorformuliert“, wenn nicht der Verwender selbst, sondern sein Interessenverband oder ein Dritter sie aufgesetzt hat. 4 Das Vielzahlkriterium ist bei Verbraucherverträgen nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 unbeachtlich. Die Vertragsbedingungen müssen „vom Verwender gestellt“, also einseitig auferlegt werden . Daran fehlt es, wenn die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt werden (§ 305 I 3). Bei Verbraucherverträgen gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer gestellt, § 310 Abs. 3 Nr. 1.

So fallen unter die Definition des § 305 Abs. 1 z.B.: – gedruckte Einheitsmietverträge (aus dem Internet) , aufgrund derer die Vermieter mit den Mietern Mietverträge abschließen; – Grundschuldbestellungsurkunden, die eine Bank als Formular verwendet; – vorgedruckte Formularverträge, die beim Autokauf verwandt werden; – vorformulierte Bürgschaftsverträge, wie sie die Banken verwenden. Auch im PC gespeicherte Verträge, die für eine Vielzahl von Fällen vorgesehen sind, fallen unter diese Definition. Unter die Definition des § 305 Abs. 1 können auch notarielle Verträge fallen, wenn diese Verträge vom Notar nicht lediglich für einen Einzelfall konzipiert wurden, son-dern inhaltlich das wiedergeben, was eine Partei für eine Reihe gleichwertiger Verträge einseitig festgelegt hat. 5 Dies ist häufig bei „standartmäßigen“ Grundstückskaufverträgen oder GmbH -Gesellschaftsverträgen zu bemerken. b) Der Vorrang von Individualabreden Gemäß § 305 Abs. 1 S. 3 liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht vor, wenn Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt worden sind (sog. Individualabreden). Auf Individualabreden finden deshalb die Vorschriften der §§ 305 ff. grundsätzlich keine Anwendung. Individualabreden genießen gemäß § 305 b Vorrang vor A llgemeinen Geschäftsbedingungen. Soweit ein inhaltlicher Widerspruch zwischen Individualabreden und Allgemeinen Geschäftsbedingungen besteht, bleiben letztere ohne Geltung. Demnach bleiben Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die im Widerspruch zu Individualabreden stehen, ohne Wirkung. Beispiel: Kauffrau K kauft bei V einen LKW für ihr Unternehmen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des V, die wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind , wird die gesetzliche Verjährungsfrist für die Mängelhaftung von zwei Jahren auf ein _________________________________________________ 3 BGH NJW 2019, 2997 Rn. 31; 2004, 1454; 2002, 138 . 4 BROX/WALKER § 10 Rn. 5. 5 So BGHZ 83, 56, 58 .

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen Jahr verkürzt. Unter Zeugen erklärt V der K jedoch, er gebe ihr , sogar eine "Garantiefrist" von drei Jahren. Als K 18 Monate nach Übergabe des LKW wegen eines Mangels kaufrechtliche Gewährleistungsrechte §§ 434 ff. geltend macht, beruft sich V auf seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es handelt sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf , K ist als Kauffrau keine Verbraucherin i.S.d § 13. Deshalb kann die Verjährungsfrist durch Individualvereinbarung im Rahmen des § 202 verkür zt werden. 6 Eine Verkürzung durch die Vereinbarung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist bei neu hergestellten Sachen wegen § 309 Nr. 8 b) ff) grundsätzlich möglich; allerdings darf die Frist 1 Jahr nicht unterschreiten. Die mündliche Zusicherung des V, er räume der K sogar eine "Garantiefrist"- womit hier die Verjährungsfrist für Mängelansprüche gemeint sein dürfte – von drei Jahren ein, ist eine Individualabrede im Sinne des § 305 b. Sie geht der entsprechenden Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, die demnach ohne Wirkung bleibt. Der Mängelanspruch der K ist somit noch nicht verjährt. Individualvereinbarungen können sein: – Einzelfallvereinbarungen und – Aushandlungsvereinbarungen. Einzelfallvereinbarungen liegen vor, wenn Vertragsbedingungen nicht für eine Vielzahl von Fällen, sondern nur für einen Einzelfall formuliert sind. Auf das Aushandeln ist dabei nicht abzustellen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Vereinbarung zum Zweck der einmaligen Verwendung formuliert ist .7 Aushandlungsvereinbarungen setzen ein Aushandeln i.S. des § 305 Abs. 1 S. 3 voraus. Hiervon kann nach Auffassung des BGH8 nur gesprochen werden, wenn der Vertragsinhalt das Ergebnis einer selbstverantwortlichen Prüfung, Abwägung und möglichen Einflussnahme beider Vertragsseiten ist. Zu beachten ist stets, dass in der Praxis häufig Verträge abgeschlossen werden, die aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Individualvereinbarungen bestehen. Es handelt sich dabei um einen einheitlichen Vertrag. c) Schwerpunkte der gesetzlichen Regelung Die Vorschriften des BGB über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bilden im W esentlichen zwei Schwerpunkte: Sie betreffen die Einbeziehung von Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen in den Vertrag und die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäfts-bedingungen. (a) Die Einbeziehung in den Vertrag § 305 Abs. 1 und 2 sollen sicherstellen, dass für die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Einzelvertrag der rechtsgeschäftliche Vertragswillen der _________________________________________________ 6 Bei einem Verbrauchsgüterkauf ist dies nur unter den Voraussetzungen des § 476 II möglich. 7 So WOLF/HORN/LINDACHER , AGB -Gesetz, § 1 Rn. 32 Für die alte Rechtslage; zur aktuellen Rechtslage vgl. MünchKomm /BASEDOW , BGB § 305b, Rn. 1 f., 5 . 8 BGH NJW 2019, 2080 .

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen Parteien maßgeblich ist. Ein Vertrag kommt zustande, wenn die Partei, die den Vertragsabschluss anbietet, ihre gesamten zukünftigen Vertragsbedingungen so vollstän-dig zusammenfasst, dass die andere Partei durch ein bloßes "Ja" den Vertrag entstehen lassen kann (= Angebot), und dieses Angebot ohne inhaltliche Änderung vom Vertragspartner angenommen wird (= Annahme). Dieser Grundsatz wird in § Abs. 2 noch einmal unterstrichen. Eine solche Klarstellung von Seiten des Gesetzge-bers war erforderlich geworden; denn die Rechtsprechung hatte – entgegen den Grundsätzen d es allgemeinen Vertragsrechts (§§ 145 ff.) – Allgemeine Geschäftsbedingungen schon dann zum Vertragsinhalt werden lassen, wenn der Kunde Kenntnis vom Vorhandensein Allgemeiner Geschäftsbedingungen hätte haben können. Um sicherzustellen, dass die häufig für den Vertragspartner des Verwenders nachteiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirklich vom Willen der Vertragschließenden getragen werden, macht § 305 Abs. 2 das Zustandekommen eines Vertrages mit dem Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von einem ausdrücklichen Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen abhängig oder ausnahmsweise von einem deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses ( wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsabschlusses nur unter unverhältnism äßigen Schwierigkeiten möglich ist ) und der Möglichkeit, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen. Außerdem muss die andere Vertragspartei eine Einverständniserklärung abgeben ("...und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist"). Damit wird klargestellt, dass die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf vertraglicher Grundlage und nicht durch einseitige Maßnahmen des Verwenders erfolgt. Diese Einverständniserklärung ist eine Willenserklärung , die freilich auch durch schlüssiges Verhalten geäußert werden kann. 9 Die Voraussetzungen der §§ 305 Abs. 1 und 2 sind insbesondere bei Arbeitsverträgen nicht erforderlich ( § 310 IV 2). Allerdings muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach Ver-tragsschluss eine Urkunde mit den wesentlichen Arbeitsbedingungen aushändigen (vgl. § 2 NachwG).

(b) Die Inhaltskontrolle Den §§ 307 ff. lassen sich die Maßstabsnormen für den rechtlich zulässigen Inhalt von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entnehmen, die in einer Generalklausel (§ 307) und einem großen Katalog einzeln aufgeführter unzulässiger Klauseln (§§ 308 und 309) enthalten sind. Beispiel: Bei Abschluss eines Kaufvertrages, der nicht ein Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 ist, werden Allgemeine Geschäftsbedingungen ver wendet , in denen die Verjährungsfrist betreffend Mängelansprüche auf 6 Monate verkürzt werden. Dies stellt einen Verstoß gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 8 b) ff) dar. Die Klausel ist unwirks am. Zu beachten ist, dass gemäß § 307 Abs. 3 eine Inhaltskontrolle nur stattfindet, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Deshalb unterliegen z.B. in der Regel Leistungsbestimmungs - und Entgeltregelungen der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. nicht. Anders gesagt: der Inhalt _________________________________________________ 9 BeckOGK/ LEHMANN -RICHTER , BGB § 305 Rn. 244 .

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen der versprochene n Leistung (etwa im Rahmen eines Werkvertrags) , z.B. eine Baubeschreibung oder eine Katalogangabe, ist nicht Gegenstand der AGB-Kontrolle . Dasselbe gilt für die Höhe des zu zahlenden Preises; hier kann ggf. § 138, insbesondere der „Wuchertatbestand“ des § 138 Abs. 2, helfen .10 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die entsprechenden Klauseln " intransparent", d.h. nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 sind ("Transparenzgebot "). Handelt es sich um einen Vertrag, der sich einerseits aus Individualvereinbarungen und andererseits aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen zusammensetzt, so unterliegen nur diejenigen Passagen des Vertrages, die Allgemeine Geschäftsbedingungen sind, der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. Der andere Teil des Vertrages, die Individualvereinbarungen, kann nur anhand der §§ 134, 138 und 242 sowie den Schutzvorschriften des Verbrauchsgüterkaufs (insbesondere § 476) und des Verbraucherdarlehensvertrages (z.B. §§ 492a, 500 Abs. 1 S.2) einer Inhaltskontrolle unterzogen werden. Führt die Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. zu dem Ergebnis, dass eine oder mehrere Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, so bleibt der Vertrag im Ü brigen wirksam (§ 306 Abs. 1). An die Stelle der unwirksamen Vertragsbestandteile treten die gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2) . Beachte : diese Regelung ist eine wichtige Ausnahme von dem allgemeinen Grundsat z, dass die teilweise Nichtigkeit eines Vertrags die gesamte Vereinbarung "infiziert" und unwirk-sam macht (§ 11). Letzteres wäre in der Regel nicht im Sinne des Verbrauchers, dem durch die AGB-Kontrolle nicht der Vertrag insgesamt "weggenommen" werden soll. Der Verbraucher soll nicht um den von ihm geschlossenen Vertrag gebracht werden; der Vertrag soll nur einen angemessenen, fairen Inhalt haben. Bei einer einzelnen AGB Klausel, die einer Inhaltskontrolle nicht standhält, stellt sich die Frage, ob eine geltungserhaltende Reduktion möglich ist. Hiernach wäre die Klausel daraufhin zu untersuchen, ob sie – reduziert auf den nach dem Gesetzeswortlaut gerade noch zulässigen Inhalt – wirksam wäre. Diese Frage könnte sich gerade bei unzulässige zu kurzen Friste n stellen . Eine solche Form der Auslegung verbietet sich bei AGB -Klauseln. Falls man eine solche Auslegung erlaubte, würde der Verwender einer solchen Klausel überhaupt kein Risiko eingehen. Denn am Ende bliebe immer ein "gerade noch zulässiger" Inhalt übrig, der für den Verwender so günstig ausfiele wie rechtlich möglich. Beispiel: Privatfrau K kauft bei Unternehmer V einen neuen Drucker für ihr häusliches Büro. In den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ des V findet sich eine Klausel, nach der die Gewährle istungsfrist 6 Monate betragen soll. Diese Klausel hält einer Inhaltskontrolle wegen § 309 Nr. 8 b) ff) nicht stand (mindestens 12 Monate) und ist folglich unwirksam. Die Klausel kann auch nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion dahingehend ausgele gt werden, dass sie eine gerade noch zulässige Verjährungsfrist von 12 Monaten (vgl. § 309 Nr. 8 b) ff) letzter HS. bestimmen soll. An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt vielmehr die gesetzliche Regelung des § Abs. 1 Nr. 3, wonach die Verjährungs frist für Gewährleistungsansprüche zwei Jahre beträgt. Insofern wird die dispositive Regelung - die gesetzlich vorgesehene Frist von zwei Jahren zu verkürzen - rückgängig gemacht. _________________________________________________ 10 Skript 5, § 13 III. 11 Skript 6, § 15.

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen In dem oben genannten Beispiel ist also nur die entsprechende Klausel unwirksam. Der Vertrag bleibt im Übrigen bestehen (§ 306 Abs. 1). An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt die gesetzliche Regelung (§ 306 Abs. 2), hier also § 438 mit der zweijährigen Verjährungsfrist.

Fall ( nach OLG Frankfurt WM 1981, 598 ff.): Die Firma V stellt Zäune her und vertreibt diese. Sie verwendet Allgemeine Geschäftsbedingungen, in denen es u.a. heißt: "Von unseren Bedingungen abweichende mündliche Vereinbarungen sind nur gültig, wenn sie von uns schriftlich bestätigt werden." K kauft bei V 100 m Drahtzaun und vereinbart mit einem Angestellten A der V mündlich Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, die von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen abweichen. Als K die Lieferung zu den mündlich vereinbarten Bedingungen verlangt, verweist V auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Zu Recht? Lösung: K hat gegen V gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 einen Anspruch auf Lieferung und Eigentumsverschaffung des Zaunes zu den mündlich vereinbarten Bedingungen, wenn die Schriftformklausel unwirksam ist. Der BGH vertritt die Ansicht, dass die Schriftformklausel anhand der Generalklausel des § 307 auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden müsse.12 Danach ist die Schriftformklausel unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Eine unangemessene Benachteiligung ist hier darin zu sehen, dass die Schriftformklausel Geltung bean-sprucht, ohne auf die von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle einzugehen. Dem Vertragspartner des Verwenders wird verschleiert, dass mündliche Zusagen, die unter Abweichung von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen wor-den sind, gleichwohl wirksam sein können. Stattdessen wird dem häufig rechtsunkundigen Vertragspartner – der Wahrheit zuwider – ein geschlossenes Syste m dargestellt, wonach es ihm verwehrt sein soll, sich auf die mündliche Nebenabrede zu berufen. Hierin liegt eine den Geboten von Treu und Glauben entgegenstehende unangemessene Benachteiligung. Die vorliegende Schriftformklausel ist daher nach § 307 unwirksam, so dass K gegen V gemäß § 433 Abs. 1 einen Anspruch auf Lieferung zu den mündlich vereinbarten Bedingungen hat. V. Sonderregelungen für dem Schutz von Verbrauchern gegen missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen Nach § 310 Abs. 3 genießen Verbraucher (§ 13) auch innerhalb des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff.) noch einen besonderen Schutz. Die Vorschrift dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mi ssbräuchliche Klauseln in Verbraucherver trägen. Auf Verbraucherverträge , d.h. auf Verträge zwischen Verbrauchern (§ 13) und Unternehmern (§ 14), findet also § 310 Abs. 3 Anwendung (mit Legaldefinition des Begriffs "Verbrauchervertrag "). _________________________________________________ 12 BGH NZM 2018, 279 .

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen Danach sind u.a. etliche Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie z.B. diejenigen über die Inhaltskontrolle (§§ 307 ff.) auch dann anzuwenden, wenn die Voraussetzungen von § 305 Abs. "eigentlich" nicht erfüllt sind. Die AGBKontrolle greift daher auch, wenn vorformulierte Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf der en Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. VI. Überraschende Klauseln Durch die §§ 305 ff. sollen die Vertragspartner der Verwender in ihrem Vertrauen darauf geschüt zt werden, dass die vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen sich im Rahmen dessen halten, was nach den Umständen beim Abschluss des Vertra-ges erwartet werden kann. Grundlage der Erwartungen sind das Angebot und die Werbung des Verwenders sowie Aufmachung, Anordnungen und Schriftbild der Vertragsurkunde. Durch § 305 c Abs. 1 sollen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zusätzliche Einzelpflichten für unwirksam erklärt und damit nicht in den Vertrag einbezogen werden, mit denen angesichts des gesamten Ers cheinungsbildes des Vertrages nicht gerechnet werden muss. Mit § 305 c Abs. 2 gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders . Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner mit ihnen nicht zu rechnen braucht, liegen dann vor, "wenn ihnen ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnt und zwisch en ihrem Inhalt und den Erwartungen des Kunden eine deutliche Diskrepanz besteht".14 Die Klausel muss, um als überraschend i.S. des § 305 c angesehen zu werden, eine Regelung enthalten, mit der der Vertragspartner den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt der Klausel, ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle, kann die Klausel zu einer ungewöhn-lichen und damit überraschenden machen. 15 Beispiele finden sich vielfach im Arbeitsrecht16, bei Sicherungsgeschäften17 und weiteren Vertragskonstellationen .18 _________________________________________________ 13 Für Näheres, siehe § 9, IV. 14 OLG Düsseldorf, NJOZ 2016, 975, 978; MünchKomm /BASEDOW , BGB § 305c Rn. 10 .; LÖHNIG /GIETL, Grundfälle zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, JuS 2012, 494, 15 OLG Düsseldorf, NJOZ 2016, 975, 978; so BGH NJW 2010, 3152 . 16 BeckOK/H. SCHM IDT, BGB § 305c Rn. 22 . 17 Ebd. Rn. 27-34 . 18 Ebd. Rn. 40-41b .

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen Beispiel: B kauft bei P zu einem günstigen Preis unter wirksamer Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des P eine Kaffeemaschine. Als B von P plötzlich eine Lieferung Kaffee erhält, stellt er fest, dass in § 22 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des P, die er zuvor nicht gelesen hatte, eine monatliche Kaffeeabnahmepflicht des B enthalten ist. B ist zur Abnahme des Kaffees nicht verpflichtet, da es sich bei der die Kaffeeabnahmepflicht betreffenden Klausel um eine nach dem Erscheinungsbild des Vertrages so ungewöhnliche Bedingung handelt, dass er damit nicht zu rechnen brauchte. Dieser Klausel wohnt ein Überrumpelungs - und Übertölpelungseffekt inne. Zwischen ihrem Inhalt und den Erwartungen des Kunden besteht eine deutliche Diskrepanz. Die Klausel enthält eine Regelung, mit der B vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte . 19 § 22 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist deshalb gemäß § 305 c Abs. 1 nicht Vertragsbestandteil geworden.

VII. Einschränkungen bei der Anwendung des AGB -Rechts § 310 Abs. 4 nimmt ganze Rechtsgebiete von den Vorschriften des AGB- Gesetzes aus. Zu diesen Rechtsgebieten gehören: das Erbrecht, das Familienrecht und das Ge-sellschaftsrecht. Die Bereichsausnahme, die § 23 AGB-Gesetz früher für das gesamte Arbeitsrecht kannte, ist nach § 310 Abs. 4 S. 1 auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen beschränkt. Beispiel: Da die Vorschriften der §§ 305 ff. über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Anwendung auf Gesellschaftsverträge finden, unterliegt ein Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts , einer offenen Handel sgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft keiner Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff.. Das bedeutet allerdings nicht, dass eine Inhaltskontrolle von Gesellschaftsv erträgen ausgeschlossen ist. Sie findet anhand der Maßstäbe der §§ 134,138, 242 statt. Daran werden z.B. die sog. Abfindungsklauseln und Wettbewerbsverbote gemessen , denen die Gesellschafter für den Fall ihres Ausscheidens unterworfen werden sollen. Außerd em sind gemäß § 310 Abs. 1 einige Vorschriften, die verstärkt dem Schutz des Verbrauchers zu dienen bestimmt sind, unter den folgenden Voraussetzungen nicht anwendbar: Wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen unter Unternehmen oder gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts verwandt werden, finden die Vorschriften der §§ 305 Abs. 2 und 3 (Einbeziehung), 308 und 309 (Klauselverbote) keine Anwendung. Wohl aber kann § 307 Abs. 1 und 2 (Generalklausel für die Inhaltskontrolle) angewandt werden; dabei können die in §§ 308 und 309 enthaltenen Wertungen durchaus einfließen. Allerdings ist auf die Gewohnheiten und Gebräuche des Handelsverkehrs Rücksicht zu nehmen (§ 310 Abs. 1 S. 2).

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen VIII. Die Bezugnahme beider Vertragsparteien auf die eigenen Allgemeinen Ges chäftsbedingungen im B2B- Bereich In der Praxis können Schwierigkeiten entstehen , wenn beide Vertragschließenden Unternehmer (B2B) sind und wechselseitig jeweils auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug nehmen. Zunächst ist festzuhalten, dass für Un ternehmer die § 305 Abs. 2 und 3 keine Anwendung finden, vgl. § 310 Abs. 1 S. 1. Die AGB beider Vertragsparteien werden damit nur nach den allgemeinen Regelungen (§§ 145 ff.) Vertragsbestandteil. AGB eines Unternehmers können auch dann Vertragsbestandteil werden, wenn dieser nicht ausdrücklich oder erst nach Vertragsschluss hierauf hinweist. Sollte der Hinweis unterbleiben, genügt es, sofern der Kunde wusste oder wissen musste, dass der Verwender seinen Geschäften AGB zugrunde zu legen pflegt, und er gleichwohl ihre Anwendung nicht ausgeschlossen hat . Bei gegenseitigen AGB bestehen keine Zweifel an der Einbeziehung, sofern beide Vertragsparteien den jeweils anderen AGB zustimmen. Problematisch ist die Einbeziehung mitunter, wenn beide Vertragsparteien auf i hre eigenen AGB verweisen, beide Bedingungen sich aber insgesamt oder in einzelnen Punkten widersprechen. Unterschieden wird dabei zwischen weichen und harten Kollisionen. Bei weichen Kollisionen handelt es sich um eine teilweise Unvereinbarkeit von AGB, die verbleibenden Regelungen finden jedoch weiterhin problemlos Anwendung. Dies können z.B. Regelungen zu Zahlungsbedingungen, Lieferfristen, Haftung oder Gerichtsstand sein. Bei harten Kollisionen sind die AGB so gegensätzlich, dass sie sich vollständig oder in mehreren Punkten ausschließen. Dies kann im Einzelfall zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrags führen. Häufig werden im Geschäftsverkehr deshalb sog. Geltungs - und Ausschließlichkeitsklauseln verwendet, z.B.: „Unsere Leistungen und Lieferungen erfolgen ausschließlich auf der Grundlage der nachfolgenden Geschäftsbedingungen.“ Zudem wird weiterhin eine sog. Abwehrklausel verwendet, z.B: „Geschäftsbedingungen des Kunden finden keine Anwendung, auch wenn wir ihrer Geltung nicht gesondert widersprechen. Abweichende oder widersprechende Bedingungen gelten also nur, wenn sie von uns schriftlich anerkannt worden sind.“23 Oder z.B.: "Die Einkaufsbedingungen des Käufers (= des anderen Vertragschließenden) haben keine Gültigkeit. Durch die Bestellung von Ware w ird ausdrücklich anerkannt, dass die Lieferungs - und Zahlungsbedingungen des Verkäufers (= Verwenders) Geltung haben und die Einkaufsbedingungen des Käufers gegenstandslos geworden sind".

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen Beispiel: Fabrikant in F bestellt unter Hinweis auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die auf der Rückseite des Bestellschreibens deutlich abgedruckt sind, bei der W-AG Feinbleche. Diese erklärt sich schriftlich bereit, die bestellten Feinbleche zu liefern, verweist aber in ihrem Antwortschreiben auf ihre als Anlage enthaltenen eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Geltungs -. Ausschließlichkeits - und Abwehrklausel enthalten .

In früheren Rechtsprechungen vertrat der BGH die sog. „Theorie des letzten Wortes“.25 Danach hätte die W -AG gem. § 150 Abs. 2 das Angebot inkl. AGB der F abgelehnt und ein neues Angebot mit den eigenen AGB unterbreitet. Der Vertrag wäre dann mit den zuletzt genannten Vertragsbedingungen zustande gekommen, sofern entweder die W -AG diesen zugestimmt hätte, oder aber die vertraglich gesc huldete Leistung widerspruchslos- und vorbehaltslos entgegengenommen bzw. erbracht hätte (konkludentes Verhalten). Hätte die F ebenfalls eine Abwehrklausel bei ihrem Angebot verwendet, könnte sogar die Annahme durch konkludentes Verhalten ausgeschlossen we rden Die Folge ist ein unliebsames Ping-Pong-Spiel um die Geltung der jeweiligen eigenen AGB. Seit den 1970er Jahren sieht der BGH nunmehr bei kollidierenden AGB eine Teildis-sens. In diesem Fall scheitert aber nur die Einbeziehung der kollidierenden Klause ln der AGB, während der Vertrag im Übrigen, also auch mit den übereinstimmenden Klauseln , Bestand hat (§ 306 Abs. 1) . Die kollidierenden Bedingungen, die „wegfallen“, werden sodann durch das Gesetzesrecht ersetzt (§ 306 Abs. 2). 26 Die Anwendung des § 150 Abs. 2 bei kollidierenden Klauseln wird auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen es entweder an einer A bwehrklausel auf Seiten des Bestellers fehlt oder der Lieferant in der Auftragsbestätigung eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass er nur zu seinen Bedingungen zum Vertragsschluss bereit ist .27 Die Literatur28 hat für diese Problematik das sogenannte Kongruenzmodell entwickelt: Hiernach wird die Auslegungsregel des § 154 I umgekehrt. N ach diesem M odell sollen die beiderseitigen AGB -Vertragsbestandteil werden, soweit sie nicht einander inhaltlich widersprechen. Teilweise wird dabei noch zwischen der Auftragsbestätigung und dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben unterschieden.29 Dieser Lösungsweg führt zum selben Ergebnis wie der des BGH.

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen Beispiel: Die V -AG mit Sitz in Hagen verkauft an die K -GmbH in Münster mehrere Hochleistungsrechner zum Gesamtp reis vo n € 4 35.000,--. Nach den einander widersprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen beider Vertragspartner soll als Gerichtsstand für die V -AG Hagen und für die K-GmbH Münster als vereinbart gelten. Die V -AG klagt den Kaufpreis beim LG Hagen ein. Die K -Gmb H vertritt die Ansicht, dass das LG Münster zuständig sei. Wie ist zu entscheiden, wenn es in beiden Allge-meinen Geschäftsbedingungen heißt: "Widersprechen sich die Lieferungs - und Zahlungsbedingungen der Vertragspartner, so gelten nur die vorliegenden Bedingungen." Da sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinsichtlich der zulässigen Gerichtsstandsvereinbarungen widersprechen, sind die kollidierenden Teile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die dispositiven gesetzlichen Bestimmungen zu ersetzen. An die Stelle der einander widersprechenden Gerichtsstandsvereinbarungen tritt die in der ZPO getroffene Zuständigkeitsregelung. Der Kaufpreis ist daher entweder vor dem Gericht einzuklagen, in dessen Zuständigkeitsbereich der Sitz der K-GmbH liegt, § 17 ZPO, oder am Gericht des Ortes, an dem die streitige Kaufpreisschuld zu erfüllen ist, § 29 ZPO i.V.m. §§ 269, 270 BGB. Dies ist in beiden Fällen Münster, so dass die Klage auf Zahlung des Kaufpreises vor dem LG Münster erhoben werden muss.

Wichtige Entsc heidungen: BGH VII ZR 388/00 - NJW 2002,

BGH VII ZR 58/14 - NZBau 2016, BGH VIII ZR 84/87- NJW 1988, BGH X ZR 42/99 – NJW-RR 2001,

Allgemeine Geschäftsbedingungen als Bestandteile von Verträgen IX. Prüfungsschema für die gutachterliche AGB- Kontrolle •§310 IV 1 Nicht bei: Verträgen des Erb -, Familien- und Gesellschaftsrechts, Tarifverträgen, Betriebs -und Dienstvereinbarungen. •§310 I: Keine Anwendung der §§ 305 Abs. 2 und 3, 308, 309 bei Verträgen die ggü . einem Unternehmer ( §14), einer juristischen Person des öffentlichen Rechts […]Anwendbarkeit der §§305 ff. •Definition des §305 Abs. 1: AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die der Verwender der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. •Vorformuliert sind Vertragsbedingungen, wenn sie schon vor Vertragsschluss vorgelegen haben. •Vielzahl von Verträgen: Verwendungsabsicht mindestens 3x •Vom Verwender gestellt : Einseitiges Einbringen in den Vertrag durch den Verwender. Vertragspartner hat keine Einfluss -Möglichkeit. Besonderheit bei Verbraucherverträgen: §310 III Nr. 1 -> AGB gelten als vom Unternehmer gestellt. •Nichtvorliegen einer Individualvereinbarung (§305 I 3): Einzeln ausgehandelte Klauseln stellen keine AGB dar.Vorliegen von AGB §305 I •Einbeziehung (nicht zu prüfen in Fällen des §310 I, IV 2) •§305 II Nr. 1: Ausdrücklicher Hinweis bei Vertragsschluss erforderlich. •§305 II Nr. 2: Zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme (z.B. Auslage, Aushändigung, Speicherbarkeit etc.) •§305 II: Einverständnis des Vertragspartners •Keine überraschende Klausel §305c I •Bei Geschäften zw. Unternehmern beachte §310 I: Die Einbeziehung findet hier nach §§145 ff. durch Angebot und Annahme statt.Ordnungsgemäße Einbeziehung •zunächst: Ermittlung des Inhalts der Klausel im Wege der Auslegung •Vorprüfung: •§307 III Abweichung von Rechtsvorschriften •bei Arbeitsverträgen gem. § 310 IV 2 nur eingeschränkt •§310 I, II Einschränkung des Prüfungsprogramms •danach „von hinten nach vorne“ •§309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit •§308 K lauselverbote mitWertungsmöglichkeit •§307 I i.V. II Generalklausel •Verstoß gegen das Transparenzgebot ( §307 I 2) •Unvereinbarkeit mit dem Grundgedanken des Gesetzes ( §307 II Nr. 1) •Gefährdung des Vertragszwecks ( §307 II Nr. 2)Inhaltskontrolle •Grundsatz: •§306 I: Grundsatz -Der übrige Vertrag bleibt wirksam! •§306 II: ggf. Lückenausfüllung durch dispositives Recht . •Sofern eine Klausel teilbar ist, bleibt der abtrennbare Teil wirksam, sofern er nicht selbst gegen die §§ 305 ff. verstößt. •Ausnahme §306 III : ausnahmsweise Gesamtnichtigkeit, wenn das Festhalten am Vertrag für eine Partei eine unzumutbare Härte darstellen würde. •Beachte: Keine geltungserhaltende ReduktionRechtsfolgen

Grundzüge des Vertragsschlusses im Internet § 8 Grundzüge des Vertragsschlusses im Internet Schrifttum : DUDEN, Verbraucherschutz und Vertragsschluss im Internet der Dinge, ZRP 2020, ff.; FÖHLISCH /STARIRADEFF , Zahlungsmittel und Vertragsschluss im Internet, NJW 2016, 353 ff .; ; Mantz, Die Entwicklung des Internetrechts, NJW 2022, 2449 ff .; OECHSLER , Der vorzeitige Abbruch einer Internetauktion und die Ersteigerung unterhalb des Marktwerts der Sache, NJW 2015, 665 ff .; RÜFNER , Verbindlicher Vertragsschluss bei Versteigeru ngen im Internet, JZ 2000, 715 ff.; T AUPITZ /KRITTER , Electronic Commerce – Probleme bei Rechtsgeschäften im Internet, JuS 1999, 839 ff.; ULRICI, Die enttäuschende Internetauktion – LG Münster, MMR 2000, 280, JuS 2000, 947 ff . 1. Überblick Die allgemeinen Grundregeln für den wirksamen Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages g elten für alle zivilrechtlichen Verträge, also auch für solche Verträge, die unter Nutzung des technischen Mediums Internet abgeschlossen werden.30 Das bedeutet, Verträge kommen auch dann, wenn sie unter Nutzung des Internets abgeschlossen werden, durch die Abgabe zweier übereinstimmender Willenserklärungen zustande. Die den Vertrag schließenden Parteien geben ihre Willenserklärungen dadurch ab, dass sie diese in der dafür vorgesehenen Art und Weise eingeben und an den jeweils anderen absenden. Der von manch en verwandte Ausdruck "elektronische Willenserklärung" ist überflüssig. Für die Abgabe von Willenserklärungen im Internet ergeben sich gegenüber den per E-Mail übertragenen Erklärungen keine Besonderheiten. Die Kommunikation findet nicht unmittelbar zwisch en den Vertragsparteien statt, so dass die Willenserklärungen in Online -Shops in der Regel als solche unter Abwesenden anzusehen sind. Das hat zur Folge, dass § 130 Anwendung findet. Die Erklärungen werden also erst dann wirksam, wenn sie zugegangen sind, der Empfänger also die Möglichkeit der Kennt-nisnahme hat. Ob man bei einem auf diese Art und Weise zustande gekommenen Vertrag von einem elektronischen Vertrag sprechen sollte, wie das in der Literatur häufig geschieht, ist Geschmackssache. Jedenfalls stel len elektronisch geschlossene Verträge keinen eigenständigen Typ dar, der einer Sonderregelung unterliegt . Das BGB kennt allerdings nun den Begriff des Vertrages im elektronischen Geschäftsverkehr. Das sind nach § 312i Abs. 1 S. 1 solche Verträge, die ei n Unternehmer mit Kunden über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen abschließt und sich dabei der „Telemedien " (in der Regel des Internets ) bedient. Die Vorschriften der §§ 312 ff. wurden im Zuge der Umsetzung der EU -Verbraucherr echterichtlinie RL 2011/83/EU (durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung v. 20.09.2013, BGBl. I, 3642) mit Wirkung zum 13.06.2014 umfassend novelliert, um ein einheitliches hohes Verbraucherschutzniveau auf dem europäischen Binnenmarkt zu schaffen. Aus der Besonderheit dieses Mediums ergeben sich beim Vertragsschluss einige Probleme. So ist z.B. die Frage zu stellen, ob die Vertragspartner den notwendigen Schutz _________________________________________________ 30 OLG Hamm, ZIP 2001, 291 ; LG Münster, JZ 2000, 730. 31 Vgl. NOWAK , MDR 2001, 841, 843.

  • Die Vorschriften über den Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr
  • Die Vorschriften über den Fernabsatzvertrag (§§ 312c ff.) sind allerdings
  • Er muss angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung stellen, mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und berichtigen kann. (§ 312i Abs. 1 S. 1 Nr. 1)
  • Er muss den Zugang der Bestellung des Kunden unverzüglich, d.h. ohne
  • Außerdem muss der Unternehmer dem Kunden die Möglichkeit verschaffen,
  • Der Unternehmer hat dem Verbraucher bei einem entgeltlichen Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr zudem die Bestellsituation so zu

Grundzüge des Vertragsschlusses im Internet Computerspiele Marke XYZ abgegeben hat. Wenige Tage später erfolgt die Lieferung der Computerspiele XYZ, welche K sofo rt zurückschickt und seine Bestellung wiederholt. In der Zwischenzeit waren nachweislich 20 Kunden bei K gewesen, welche das Computerspiel Marke WWW zum üblichen Preis von € 70,-- kaufen wollten. K verlangt nun von V Schadensersatz in Höhe von € 700,--. Hier hat V seine Pflicht aus § 312 i Abs. 1 S. 1 Nr. 1 verletzt, dem Kunden angemessene, wirksame und zugängliche technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe der Kunde Eingabefehler erkennen und berichtigen kann. Somit hat K einen Anspruch gegen V auf Schadensersatz in Höhe von € 700,-- aus §§ 312 i Abs. 1 S. Nr. 1, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2.

Das pflichtwidrige Verhalten de s Unternehmers kann auch dazu führen, dass der Kunde seine Willenserklärung, die zum Vertragsschluss geführt hat, gemäß §§ 119 ff. anfechten kann. 4. Der Fernabsatzvertrag Schließen ein Unternehmer (§ 14) oder in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und ein Verbraucher (§ 13) einen Vertrag über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln ab, so handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag (§ 312 c Abs. 1). Für diesen stellen die §§ 312 c ff. einige besondere Regeln auf. Fernkommunikationsmittel sind nach der Definition des § 312c Abs. 2 nicht nur das Internet, sondern alle Kommunikationsmittel, die "zur Anbahnung oder zum Ab-schluss eines Vertrages eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E -Mails, über den Mobilfunkdienst versende Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien ". Darunter fällt also der gesamte Versand handel. Beispiel: Rentner R bestellt auf eine Anzeige in einer Tageszeitung mit einem Brief bei U einige Münzen für seine Sammlung. Da R in seinem Schreiben seine E -Mail Adresse angegeben hatte, bestätigt U dem R mit einer E-Mail dessen Bestellung. Der Kaufpreis beträgt € 1.200. Es handelt sich also um einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c . Das BGB lässt dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen einen besonderen Schutz angedeihen. Das geschieht zum einen durch verschärfte Informationspflichten des Unter nehmers dem Verbraucher gegenüber (§ 312d ). Die Verletzung solcher Pflichten kann eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 darstellen, die bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen Schadensersatzpflichten auslösen kann. Zudem wird dem Verbrauche r ein Widerrufs - und Rückgaberecht , das in den §§ 312g, 355 ff. näher ausgestaltet ist , eingeräumt . Dieses Widerrufsrecht darf freilich nicht mit dem Widerruf gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 verwechselt werden (vgl. oben KE 2, § 3 V.). Einschränkungen des Widerruf srecht s ergeben sich insbesondere aus § 312g Abs. 2.

Grundzüge des Vertragsschlusses im Internet Beispiel: Angenommen, in dem oben dargestellten Beispiel hätte U dem R die bestellten Münzen zugesandt. Nach 14 Tagen entschließt sich R zu einer Italienreise, die er allerdings nur für finanzierbar hält, wenn er die Münzen nicht erwirbt und die dadurch ersparten € 1.200,-- als Reisekosten einsetzt. R hat den Kaufpreis noch nicht gezahlt. Es handelt sich um einen Fernabsatzvertrag. Nach § 312g hat R ein Widerrufs- und Rückgaberecht. Widerruft R nun seine Willenserklärung, so hat das zur Folge, dass er an diese Erklärung nicht mehr gebunden ist (§ 355 Abs. 1). Der Vertrag ist damit beendet. R muss den Kaufpreis nicht zahlen. Allerdings hat R dem Z die Münzen gemäß § 357 Abs. 1 innerhalb von 14 Tagen ab der Widerrufserklärung zurück zu gewähren.

5. Die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Internetgeschäft Bei der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen beim Internetgeschäft stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen diese gemäß § 305 Abs. 2 wirksamer Vertragsbestandteil werden .36 Das setzt zunächst gemäß § 305 Abs. 2 voraus, dass ausdrücklich auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen wird. Dafür reicht ein deutlicher Hinweis auf ei-nen Link zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Bestellseite aus. Für die Möglichkeit der Kenntnisnahme gemäß § 305 Abs. 2 genügt es, dass dem Kunden durch einen L ink der direkte Zugriff auf die Allgemei nen Geschäftsbedingungen ermöglicht wird und er diese abspeichern und ausdrucken kann . 37 Für den Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr gemäß § 312i bestimmt dessen Abs. 1 S. 1 Nr. 4, dass der Kunde die Möglichkeit haben muss, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Vertragsschluss abzurufen und in wie dergabefähiger Form zu speichern. Das gemäß § 305 Abs. 2 erforderliche Einverständnis gibt der Kunde per Mausklick ab. Entweder klickt er gesondert ein e “Checkbox “ zur Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen an oder er gibt direkt ein Vertragsangebot ab, das eine Ein-beziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beinhaltet. Die Web-Seiten einiger Anbieter sind technisch so eingerichtet, dass der Kunde erst den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zustimmen muss, bevor der Kunde die Bestellung abschicken kann . Damit stellt der Verk äufer sicher, dass der Kunde sein ausdrückliches Einverständnis erklärt und es nicht im Nachhinein zu Beweisschwierigkeiten kommt. 6. Die Ersteigerung von Waren bei Internet -Auktionen Einige Auktionshäuser im Internet bieten Privatpersonen und Gewerbetreibenden ei-nen Marktplatz zur Versteigerung von Waren aller Art. Fraglich ist, auf welche Art und Weise ein Kaufvertrag über die zu ersteigernde Ware zwischen Versteigerer und Höchstbieter zustande kommt. Einigkeit besteht darüber, dass Versteigerungen im Internet nicht nach § 156 zu beurteilen sind. Dies würde nämlich bedeuten, dass typischerweise der "Ersteigerer" (also der Käufer) ein Ange-bot macht, das vom "Auktionator" (der Verkaufsplattform) angenommen wird. Dies entspricht nicht der Interessenlage bei Online -Auktionen. _________________________________________________ 36 Vgl. TAUPITZ / KRITTER , JuS 1999, 839, 844. 37 BGH NJW 2006, 2976, 2977 ff .; TAUPITZ /KRITTER , JuS 1999, 839, 844.

Grundzüge des Vertragsschlusses im Internet Letztlich kommt es darauf an, wie die Freischaltung der Auktionsseite durch den Veräußerer rechtlich zu beurteilen ist. Dies ist in einem Rechtsstreit vom Bundesgerichtshof entschieden worden.38 Für die Annahme einer bloßen invitatio ad offerendum hatte sich das Gericht der 1. Instanz mit der Begründung entschieden, dass der Versteigerer seine Ware zunächst nur einem breiten Interessentenkreis präsentieren will und dementsprechend noch keinen Rechtsbindungswillen besitzt .39 Dagegen ist der B undesgerichtshof der Auffassung, dass die Freischaltung der Angebotsseite alle Voraussetzungen eines bindenden Angebots erfüllt .40 Neben der bestimmten Angabe des Kaufgegenstandes sind sowohl der Vertragspartner, nämlich der Höchstbietende, und der Kaufpreis, nämlich das Höchstgebot, hinreichend bestimmbar . 41 Was den Rechtsbindungswillen angeht, so sprechen die von den Auktionshäusern generell verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen (Rechtsfolgewillen), so da ss ein wirksames Angebot des Versteigerers bei entsprechender Formulierung der Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen des Marktplatzbetrei bers bejaht werden kann. Beispiel (§ 7 Nr. 2 der deutschen ebay AGB ): “Stellt ein Verkäufer mittels der eBay Dienste einen Artikel im Auktions- oder Festpreisformat ein, so gibt er ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über diesen Artikel ab.“ Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden jedoch bei Erstellung eines Nutzerkontos nur zwischen dem Marktplatzbet reiber und dem jeweiligen Mitglied vereinbar t. Die Klauseln können also auf einen etwaigen Vertragsschluss unter zwei Mitgliedern wegen des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse keine direkte Anwendung finden. Zu der Frage, ob und wie die AGB Wirkung für den Vertragsschluss entfalten, bestehen heute im Wesentlichen zwei Ansichten, da die Auffassung, der Vertrag des Mit-glieds mit dem Marktplatzbetreiber stelle einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328) dar, so gut wie nicht mehr vertreten wird. Dies liegt daran, dass die AGB in der Regel auch für das einzelne Mitglied nachteilige Klauseln beinhalten. Ein Vertrag zu Lasten D ritter ist jedoc h mit der Privatautonomie unvereinbar und stets unzulässig. Dieses Problem stellt sich bei der sogenannten „Rahmenvertragslösung“ nicht. Hiernach schließen alle Mitglieder bei der Anmeldung zum Marktplatz einen Rahmenvertrag über die Modalitäten, nach denen sich künftige Vertragsschlüsse mit den anderen Mitgliedern richten sollen. Der Marktplatzbetreiber wird als Empfangsvertreter für beide Seiten tätig. Auch diese Lösung führt allerdings zu konstruktiven Schwierigkeiten. Soweit sich die Verpflichtung zum Abschluss des Rahmenvertrages aus den AGB selbst ergibt, könnte es sich um eine überraschende Klausel nach § 305c handeln. Für einen konkludenten Vertragsschluss des Rahmenvertrages müsste der Erklärende das Bewusstsein haben, dass eine solche Erklärung möglicherweise erforderlich ist . 42 Das dürfte regelmäßig nicht der Fall sein. _________________________________________________ 38 BGH NJW 2002, 363 . 39 Vgl. LG Münster, JZ 2000, 730, 731. 40 BGH NJW 2002, 363, 364 ; in der Vorinstanz OLG Hamm, ZIP 2001, 291, 293. 41 BGH NJW 2002, 363, 364; OLG Hamm, ZIP 2001, 291, 293. 42 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 133, Rn. 11.

Grundzüge des Vertragsschlusses im Internet Durchgesetzt hat sich daher die sogena nnte Auslegungslösung. Die Willenserklärungen der Mitglieder untereinander sind gemäß §§ 133, 157 nach dem objektiven Empfängerhorizont dahingehend auszulegen, dass ein Vertragsschluss nach den Regeln , wie sie in den Betreiber -AGB niedergelegt sind, gewoll t ist. Da die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (auch "Nutzungsbedingungen" genannt) des Marktplatzbetreibers zwingend von Versteigerer und Bieter anerkannt werden müssen, muss und darf jeder Teilnehmer dieser Online-Auktionen aus der maßgeblichen Sicht des objektiven Empfängerhorizonts davon ausgehen, dass den abgegebenen Erklärungen der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen beigemessene Erklärungswert zukommt .43 Das Einstellen eines Artikels in einer Online -Auktion ist somit regelmäßig ein Angebot i.S. de s § 145 BGB. Ein Gebot ist eine Annahme unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1), bei Zeitablauf Höchstbietender zu sein. Somit kann das Höchstgebot rechtlich als Annahme des Angebots beurteilt werden, so dass zwischen den Parteien ein wirksamer K aufvertrag über den versteigerten Gegenstand zum Höchstgebot zustande kommt .44 Beurteilte man abweichend davon die Freischaltung der Auktionsseite als invitatio ad offerendum beurteilen, so würde sich die Frage stellen , ob der Veräußerer die Annahme bereits antizipiert, also vor Abgabe der Gebote, erklärt hat. Dies ist dann zu bejahen, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Online -Auktionshauses den Anbieter unwiderruflich verpflichten, an den Meistbietenden zu leisten .45

_________________________________________________ 43 BGH NJW 2002, 363, 364; OLG Hamm, ZIP 2001, 291, 293. 44 OLG Hamm, ZIP 2001, 291, 293; BGH NJW 2002, 363, 364 lässt diese Frage ausdrücklich offen. 45 so ULRICI, JuS 2000, 947, 949 ; RÜFNER, JZ 2000, 715, 717; a.A. LG Münster, JZ 200, 730, 731.

Die Auslegung § 9 Die Auslegung Schrift tum: BIEHL, Grundsätze der Vertragsauslegung, JuS 2010, 195; B UNTE, Ergänzende Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit von AGB– Klauseln, NJW 1984, 1145 ff .; Greiner, Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen zwischen » Normativität « und subjektivem Empfängerhorizont, AcP 2017, 492 ; GROBE/SCHELLENBERG , Auslegung, Umdeutung und Anfechtung von Willenserklärungen, JURA 2020, 799; HONSELL , Sachmängelprobleme beim Neuwagenkauf mit Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens, Jura 1983, 523 ff.; KÖTZ, Dispositives Recht und ergänzende Vertragsauslegung, Jus 2013, 289.; M ASSARI , „Falsa demonstratio“ bei formbedürftigen Verträgen , NJW 2023, 2916; MUTHORST , Auslegung – eine Einführung, JA 2013, 721.; STÖHR, Der objektive Empfängerhorizont . JuS 2010, 292; S ONNENBERGER , Verkehrssitten im Schuldvertrag, 1970; T HOMA , Recht verste hen – Eine Gebrauchsanleitung (Teil 2), JURA 2022, 431; UFFMANN , Richtungswechsel des BGH bei der ergänzenden Vertragsauslegung, NJW 2011, 1313 ; WIELING , Die Bedeutung der Regel "falsa demonstratio non nocet" im Vertragsrecht, AcP 172 [1972], 297 ff. , Jura 1979, 524 ff.

I. Überblick Auslegung bedeutet, den Sinn zu ermitteln, der einer Erklärung zukommt. Nicht nur Willenserklärungen und Verträge bedürfen der Auslegung, wenn ihr Verständnis nicht eindeutig ist. Auch gesetzliche Vorschriften müssen häufig ausgelegt werden, wenn ihr Sinn für die Rechtsanwendung ermittelt werden muss. Für die Auslegung von Gesetzen haben Rechtswissenschaft und Rechtsprechung (insbesondere BVerfG und BGH) Methoden entwickelt, die sie anwenden. Dabei geht es in erster Linie um Fragen der juristischen Method enlehre . 46 Hier geht es im Folgenden ausschließlich um die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen. Nicht ohne Grund wird in der Praxis über die Auslegung von Erklärungen und Verträgen häufig gestritten. Das BGB enthält in den §§ 133 und 157 nur zwei Vorschriften über die Auslegung. Auslegungsregeln, die man als "subsidiäre" bezeichnen kann,47 finden sich allerdings auch an anderen Stellen des BGB, wie z.B. in § 154 Abs. 1, § 328 Abs. 2, § 364 Abs. 2 und in §§ 2066 ff. für die Auslegung von Testamenten. Diese greifen „im Zweifel“, damit immer nur dann, wenn die Erklärung der Beteiligten der Auslegung nicht entgegensteht bzw. keine Erklärung abgegeben wurde. II. Die Auslegung von Willenserklärungen 1. Die §§ 133 und 157 und die Methoden der Auslegung Während § 133 in erster Linie auf den "empirischen " (wirklichen) Parteiwillen abstellt, verweist § 157 auf ein vernünftiges und s achgerechtes Ziel.48 meint, § 133 lege einen subjektiven Maßstab zugrunde, § 157 hingegen einen objektiven. _________________________________________________ 46 Details hierzu im Kurs 55100 Propädeutikum. 47 So STADLER , § 18 Rn. 5. 48 STAUDINGER /SINGER § 133, Rn. 3 ff.

Die Auslegung § 133 Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. § 157 Verträge sind so auszulegen , wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Nach heute herrschender Meinung unterscheiden sich § 133 und § 157 nicht dadurch, dass § 133 nur auf einseitige Rechtsgeschäfte und § 157 nur auf Ve rträge anzuwenden sei.49 Wenn auch der Inhalt einer Willenserklärung in erster Linie nach § 133 zu ermitteln ist, so gilt der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 157) für das gesamte Privatrecht, ist also auch bei der Auslegung von Willenserklärungen zu berücksichtigen. Daher wendet der BGH bei der Auslegung von Willenserklärungen beide Vorschriften an.50 Das BGB hat in den §§ 133, 157 keine klare Entscheidung über Auslegungsmethoden getroffen, die in der Rechtswissenschaft schon vor Inkrafttreten des BGB entwi ckelt und diskutiert worden sind.51 FLUME52 schätzt die Bedeutung der §§ 133, 157 als Rechtssätze deshalb als gering ein und meint, dass, wären diese Vorschriften nicht im BGB enthalten, die Auslegung in gleicher Weise vorzunehmen wäre, wie dies nunmehr unter Berufung auf §§ 133, 157 geschehe. Das methodische Grundproblem der rechtsgeschäftlichen Auslegung besteht darin, dass im Streitfall die Interessen des Erklärenden den Interessen desjenigen widersprechen, an den sich die Erklärung richtet. Während der Er klärende sich in erster Linie an seinen Rechtsfolgewillen gebunden fühlt, den er gebildet hatte – und der unter Umständen im Erklärungstatbestand nicht oder nicht hinreichend seinen Niederschlag gefunden hat –, hat der Erklärungsempfänger im Zweifel ein Interesse daran, sich nur nach Maßgabe dessen rechtsgeschäftlich binden zu lassen, was er im Vertrauen auf den ihm zugänglichen Erklärungstatbestand als Erklärungsinhalt zur Kenntnis genom-men hat. Stellte man den Schutz des Erklärenden in den Vordergrund, so würde als verbindlicher Inhalt der Erklärung allein das angesehen, was derjenige, der eine Erklärung abgegeben hat, damit bezwecken wollte (sog. reine Willenstheorie). Möchte man hingegen vorrangig den Erklärungsempfänger schützen, so würde die abgegebene Erklärung so, wie der Empfänger sie verstanden hat, rechtsverbindlich (sog. reine Empfängertheorie). Bei der Anwendung jeder dieser beiden Theorien hätte jeweils eine Seite – entweder der Erklärende oder der Empfänger – das Risiko von Irrtümern, Miss– und Unverständnissen allein zu tragen ; das wäre unbillig. Schon deswegen ist keine dieser Theorien geeignet, akzeptable Lösungen zu finden. Einen eher vermittelnden Weg, der die Interessen des Erklärenden und die des Erklärungsempfängers zu berücksichtigen sucht, mag die Erklärungstheorie beschreiten. Danach soll verbindlicher Inhalt der Erklärung das sein, was ein unbefangener Dritter _________________________________________________ 49 Vgl. STAUDINGER /ROTH, § 157 Rn. 1. mit Nachweisen ; STADLER , § 18 Rn. 5. 50 So BGHZ 47, 75, 78 und BGH NJW 1984, 721. 51 Vgl. für die Zeit vor Inkrafttreten des BGB W INDSCHEID Bd. 1, §§ 20 ff. mit Nachweisen, und für die neuere Zeit Flume, § 16 mit Nachweisen . 52 Flume, § 16, 3 a .

Die Auslegung bei objektiver Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles dem Erklärungstatbestand entnehmen darf. Diese sog. Erklärungstheorie betont zu stark die objektive Wertung und stellt zu wenig auf den Willen des Erklärenden ab. Wie schon erwähnt, findet keine dieser Methoden (Theorien) im BGB eine Stütze. Den §§ 133, 157 ist lediglich zu entnehmen, – dass der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen ist, – dass der Grundsatz von Treu und Glauben und – die Verkehrssitte53 zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus lässt sich den §§ 116 und 119 entnehmen, dass derjenige, der eine Willenserklärung abgibt, eine Art "Erklärungsrisiko" zu tragen hat. Wer gemäß § eine Willenserklärung ohne Rechtsfolgewillen abgibt, ist an das Erklärte gebunden, weil das Vertrauen, das der Empfänger in die Wirksamkeit einer bewusst abgegebe-nen Erklärung setzt, Schutz verdient. 54 Nach § 119 ist derjenige, der irrtümlich eine Erklärung abgibt, die für den Empfänger eindeutig ist, an diese Erklärung gebunden; er kann die Willenserklärung allerdings unter den in § 119 genannten Voraussetzungen anfechten, muss dann jedoch gemäß § 122 de n Vertrauensschaden ersetzen, der dem Empfänger entstanden ist. Unter Beachtung alles dessen ist bei einer Abwägung der Interessen des Erklärenden einerseits und des Empfängers andererseits zu berücksichtigen, dass das Abweichen von Wille und Erklärung dur ch den Erklärenden, als o in seiner Sphäre, verursacht worden ist .55 Daraus folgt für die Auslegung : wenn der Empfänger nach den Umständen bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt auf den Erklärungstatbestand vertrauen darf , ist es gerechtfertigt ist, dem Schutz des Empfängers den Vorrang vor dem " Erfolgsinteresse" des Erklärenden einzuräumen. 2. Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen Die herrschende Meinung geht bei der Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen davon aus, dass es bei der Auslegung nicht auf den inneren, unerklärt gebliebenen Willen des Erklärenden ankommt.56 Maßgeblich ist vielmehr nur der erklärte Wille, also nur das, was als Wille für denjenigen erkennbar geworden ist, für den die Erklärung bestimmt war. Diese Erklärung gilt so, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsanschauung – der natürlichen Betrachtungsweise eines verständigen, unvoreingenommenen Beurteilers – gemäß §§ 133, 157 verstehen musste. Der BGH 57 hat die Formulierung gebraucht, i m Auslegungsvorgang gemäß §§ 133, 157 komme es darauf an, "wie der Empfänger der empfangsbedürftigen Willenserklärung dies bei objektiver Würdigung aller Umstände und mit Rücksicht auf Treu und Glauben zu verstehen hatte". Damit wird nach herrschen-der Mein ung auf die Maßgeblichkeit des Empfängerhorizontes abgestellt.58 _________________________________________________ 53 Vgl. oben § 4 III. 4. d. 54 Vgl. oben § 2 II. 4 e. 55 BROX/WALKER , § 6 Rn. 14 ff. 56 BGHZ 36, 30, 33; 47, 75, 78 . 57 So BGHZ 4 7, 75, 78; BGH NJW 1984, 721 . 58 Vgl. STAUDINGER /SINGER, § 133, Rn. 18, §; B ROX/WALKER , § 6 Rn. 14 ff.

Die Auslegung Diese Auslegu ng, die auch als normative bezeichnet wird59, stellt vor allem auf die Umstände der Erklärung ab. FLUME60 fordert darüber hinaus noch, der Sinn der Erklärung müsse so, wie er sich aus dem Text der Erklärung unter Berücksichtigung der Umstände ergebe, "dem Erklärenden als Sinn seiner Erklärung auch zurechenbar sein" .61 Die Zurechenbarkeit spielt zumindest dann eine Rolle, wenn darüber zu befinden ist, ob eine Erklärung, die der Erklärende ohne Erklärungsbewusstsein und ohne Rechtsfolgewillen abgegeben hat, mit Rücksicht auf den Empfänger wie eine Willenserklärung zu behandeln ist .62 Für eine Auslegung dieser Art ist allerdings nur Raum, wenn der Wille des Erklärenden und das Verständnis des Erklärungsempfängers auseinanderklaffen. Stimmt der Wille des Erklärenden bei der Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung mit dem Verständnis desjenigen überein, an den diese Erklärung gerichtet ist, so bestimmt allein der Wille des Erklären den den Inhalt des Rechtsgeschäfts, auch wenn der Erklärung bei objektiver Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der Umstände noch eine andere Bedeutung beigemessen werden könnte – die Willenserklärung also mehrdeutig ist –, weil die Erklärung den Willen des Erklärenden nicht oder nicht genau wiedergibt. Anders ausgedrückt: Der wirkliche Wille des Erklärenden geht, wenn alle Beteiligten die Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden haben, nicht nur dem Wortlaut, sondern jeder anderweitigen Interpretation vor . 63 Das ergibt sich schon daraus, dass "eine Willenserklärung, also das Mittel privater Setzung einer rechtlichen Regelung kraft Parteiwillens, ihre Geltung von eben diesem Parteiwillen ableitet" .

Die Auslegung von Erklärungen darf also erst beginnen, wenn feststeht, dass der Wille des Erklärenden und das Verständnis des Empfängers nicht übereinstimmen.

Da es gemäß § 133 auf den "wirklichen Willen" ankommt, ist es gleichgültig, ob der objektive Erklärungsinhalt mit dem – beim Vertr agsschluss von beiden Beteiligten – subjektiv Gewollten übereinstimmt oder nicht. Man kann auch sagen: Die Rechtsordnung schreibt den einzelnen Personen nicht vor, welcher Ausdrucksweise sie sich zu bedienen haben. Stimmt das tatsächliche Verständnis der Vertragsparteien überein, so ist dieses, auch wenn es falsch ausgedrückt ist, für den Vertragsinhalt ausschlag-gebend (falsa demonstratio non nocet). _________________________________________________ 59 FLUME, § 16, 3c. 60 FLUME, § 16, 3c. 61 FLUME, § 16, 3c. 62 Vgl. zu dieser Problematik B ROX/WALKER , § 6 Rn. 16. 63 BGHZ 71, 75, 77 f.; 86, 41, 46; BGH NJW 1 984, 721. 64 So BGH NJW 1984, 721 . Wille des Erklärenden Verständnis des Empfängers Auslegung

Die Auslegung Beispiel65: F verkauft an B Walfischfleisch, das beide Vertragsparteien in dem schriftlich fixierten Kaufvertrag mit dem norwegischen Wort "Haakjöringsköd" bezeichnen. Haakjöringsköd heißt aber nicht, wie beide Parteien annehmen, Walfischfleisch, sondern Haifischfleisch. Da F und B Walfischfleisch gemeint und dafür lediglich eine falsche Vokabel benutzt haben, is t Walfischfleisch Gegenstand des Vertrages. Der Kaufvertrag ist trotz der falschen Bezeichnung über Walfischfleisch geschlossen (falsa demonstratio non nocet). Würde F dem B statt Walfischfleisch Haifischfleisch liefern, wäre der Vertrag nicht erfüllt

Fall: Tankstellenbesitzer T bestellt bei dem Reifengroßhändler R schriftlich 100 R eifen der Marke X zum Stückpreis von € 8 7,50,––. R beantwortet den Brief zwei Tage nach Kenntnisnahme. Er meint, T habe Reifen der Marke Y bestellt, die er liefern kann; Reifen der Marke X hat er nicht zur Verfügung. Er schreibt an T: "Ich bestätige den Eingang Ihres Schreibens vom. .. und werde die von Ihnen bestellten Reifen umgehend an Sie absenden." Ist ein Vertrag zustande gekommen?

Aufgabe 1: Beantworten Sie diese Frage bitte schriftlich und vergleichen Sie Ihre Ausführungen anschließend mit der Lösung am Ende dieser Kurseinhei t! III. Die Auslegung von Verträgen 1. Überblick Haben die Parteien einen Vertrag abgeschlossen, können über dessen Inhalt Zweifel und Meinungsunterschiede entstehen. Solche können darin begründet sein, dass ein Begriff oder eine Formulierung im Vertrag unklar ist und deshalb über deren Bedeutung gestritten wird. In einem solchen Fall muss der Vertrag erläuternd ausgelegt werden. Häufig kommt es auch vor, dass die Parteien bei Vertragsschluss ein Vertragsverhältnis abschließend regeln wollen, dennoch aber aus Versehen eine oder mehrere regelungsbedürftige Fragen offenlassen. So entstehen Lücken , die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden können, wenn der Wortlaut der abgegebenen Erklärungen dafür Anhaltspunkte gibt. 2. Die erläuternde Vertragsauslegung Bei einer bestehenden Divergenz über Bedeutung und Umfang des vertraglich Ver-einbarten ist das Ziel der Auslegung stets die Ermittlung des Vertragsinhalts .66 Diese Auslegung darf dem übereinstimmend zum Ausdruck gebrachten Erklärungswillen der Vertrag sparteien nicht widersprechen. 67 Bei der Auslegung von Verträgen sind insbesondere der mit der Absprache verfolgte Zweck und die Interessenlage der Beteiligten zu berücksichtigen.68 _________________________________________________ 65 nach RGZ 99, 147 ff. 66 Münchkomm/Busche, BGB § 157 Rn. 3 ; BROX/WALKER § 6 Rn. 2 . 67 so BGHZ 71, 75, 77 f. ; BGB–RGRK /PIPER, § 157 Rn. 7 mit Nachw. 68 vgl. u.a. BGHZ 109, 19, 22 .

Die Auslegung Ein wichtiger Auslegungsmaßstab ist die Verkehrssitte i.S. des § 157. Darunter ist das zu verstehen, was sich im Handelsverkehr oder im bürgerlichen Rechtsleben als eine allgemeine oder in bestimmten Kreisen bestehende tatsächliche Gepflogenheit herausgebildet hat. Die Verkehrssitte ist eine Verhaltensregel, die aus tatsächlicher Übung bei ähnlichen Geschäften abgeleitet werden kann.69 Beispiel: Die Brandenburgerin A besucht an Karneval den Düsseldorfer Rosenmontagumzug. In einer Bäckerei bestellt sie: „Einen Pfannkuchen bitte“. Problematisch ist, dass das runde Süßgebäck (meist in Öl oder Fett frittiert) in Deutschland je nach Standort mal Krapfen, Berliner, Pfannkuchen oder anders bezeichnet wird. Woll te A einen Eierpfannkuchen kaufen, oder einen „Berliner“?

Verkehrssitte unter Kaufleuten ist der Handelsbrauch i.S. des § 346 HGB (= kaufmännische Verkehrssitte). Die Verkehrssitte hat bei der Auslegung nur Bedeutung, wenn sie für beide Vertragsteile gilt. Denn im Zweifel wird man davon ausgehen können, dass Erklärender und Erklärungsempfänger, wenn sie demselben Verkehrskreis angehören, ihre Erklärungen so verstehen, wie es der dortigen Verkehrssitte entspricht . 70 Gehören die Vertragspartner nicht demselben Verkehrskreis an, so ist auf die Verkehrssitte am Ort des Erklärenden abzustellen .71 Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn der Erklärungsempfänger vernünftigerweise mit der Verkehrssitte rechnen konnte .72 Für die Geltung der Verkehrssitte ist allerdings nicht erforderlich, dass sich ihr die Vertragschließenden unterwerfen. Denn im geschäftlichen Verkehr ist nicht der innere, unerklä rt gebliebene Wille maßgebend, sondern die Bedeutung, die einem bestimmten Verhalten nach übereinstimmender Auffassung der beteiligten Kreise zukommt . 73 Im Beispiel müsste die Erklärung der A dahingehend ausgelegt haben, dass sie das runde Süßgebäck „Berlin er“ bestellt hat, wie es in Düsseldorf genannt wird und gerade zu Karneval in großen Mengen verkauft wird. Fall nach RGZ 95, 242 ff.: Die amerikanische Holzhändlerfirma V steht in Vertragsverhandlungen mit dem Kaufmann K, der an der Lieferung einer Waggon ladung Zedernholz interessiert ist. Nachdem sich die Parteien über alle wesentlichen Vertragspunkte geeinigt haben, bittet K um Übersendung der Vertragsurkunde. Als V den Vertragstext zur Unterschriftsleistung an K schickt, beanstandet dieser verschiedene darin enthaltene Bestimmungen. In der Folgezeit streiten die Vertragspartner darüber, ob bereits mit der mündlichen Einigung ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist. Wie ist der Streit zu entscheiden, wenn es im Handel mit amerikanischen Hölzern der Verkehrssitte entspricht, dass Kaufverträge schriftlich abgeschlossen werden? _________________________________________________ 69 vgl. SONNENBERGER , S. 107. 70 Vgl. MünchKomm /BUSCHE , § 157 BGB Rn. 26 ff . 71 Str. vgl. BGHZ 6, 127, 134; MünchKomm /BUSCHE , § 157 BGB Rn. 26 ff . 72 So WOLF/NEUNER , § 35, Rn. 15. 73 So BGB– RGRK/ PIPER, § 157 Rn. 9; vgl. auch BGHZ 47, 75, 78 .

Die Auslegung Lösung: Grundsätzlich kommt bereits dann ein Vertrag zustande, wenn sich die Parteien mündlich über alle wesentlichen Vertragspunkte geeinigt haben. Eine Ausnahme muss aber im Falle einer hiervon abweichenden Verkehrssitte gelten. Im vorliegenden Fall besteht eine dahingehende Verkehrssitte, dass mündlich getroffene Vereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit noch der Schriftform bedürfen. Diese Verkehrssitte gilt generell für den Hand el mit amerikanischen Hölzern und ist daher auch für K maßgeblich, selbst wenn sie ihm – was nicht der Fall ist – unbekannt gewesen wäre .74 Nach Ansicht der hier maßgeblichen Kreise gilt also der Vertrag erst mit der schriftlichen Abfassung und Unterzeichnung als geschlossen. Da bisher lediglich eine mündliche Vereinbarung getroffen worden ist, die nach der Verkehrssitte im Handel mit amerikanischen Hölzern zu ihrer Wirksamkeit noch der Schriftform bedarf, liegt noch kein wirksamer Vertragsabschluss vor. Die erläuternde Vertragsauslegung hat in der Praxis große Bedeutung für die Auslegung typischer und in Verträgen häufig wiederkehrender Klauseln. Beispiel: In einem Kaufvertrag, den Verkäufer und Käufer über einen gebrauchten LKW abgeschlossen haben, ist folg ende Klausel enthalten: "Der Käufer erwirbt vom Verkäufer den gebrauchten LKW nach einer Probefahrt in dem vom Käufer besichtigten Zustand." In der Klausel "wie besichtigt" ist die Vereinbarung darüber zu sehen, dass der Verkäufer nicht für solche Mängel Gewähr leistet, die bei der Besichtigung wahrnehmbar sind . Zu beachten ist aber, dass außerhalb des Kaufs (auch gebrauchter Sachen) unter Pri-vaten oder Unternehmern durch die Einführung des Verbrauchsgüterkaufs gem. §§ 474 ff. entsprechende Klauseln nunmehr deutlichen Einschränkungen unterliegen. Bei Kaufverträgen, die zwischen einem Unternehmer (§ 14) und einem Verbraucher (§ 13) als Käufer über eine bewegliche Sache geschlossen werden, können bspw. die in den §§ 433ff. aufgestellten Regeln mit Ausnahme der Bestimmungen über Schadensersatzansprüche nicht wirksam zum Nachteil des Verbrauchers abbedungen werden (vgl. § 476 Abs. 1). Zudem findet auf Verbraucherverträge § 310 Abs. 3 Anwendung. Fall: Die Firma V betreibt den Handel mit Kraftfahrzeugen. D ie Kundin K bestellt mit schriftlichem "Kaufantrag" einen PKW des Fabrikats P zum Preis von € 39.000,––. In den Zahlungsbedingungen heißt es: "Der gebrauchte PKW der K, Marke M, Bj. 2019, km 56.000, unfallfrei, wird mit € 9.000,–– in Zahlung genommen." Nach Abschlu ss dieser Vereinbarung bietet ein Freund F der K für den gebrauchten PKW € 10.500,––. Daraufhin verkauft K das Fahrzeug an F. Nachdem V den neuen PKW an K geliefert hat, verlangt er Zahlung von € 3 0.000,– – sowie Herausgabe des gebrauchten PKW. Zu Recht? _________________________________________________ 74 vgl. RGZ 95, 243 . 75 Vgl. auch BGH NJW 1978 , 261.

Die Auslegung Lösung: Ein solcher Anspruch könnte sich aus § 433 Abs. 2 ergeben. Dann müsste zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen sein. Bedenken ergeben sich insofern, als die vertragliche Vereinbarung auch als Tauschvertrag (§ 480) angesehen werden kö nnte, der auf den Austausch zweier Kraftfahrzeuge unter Hinzuzahlung des Wertunterschiedes (€ 3 0.000,–– ) gerichtet ist. Ob zwischen den Parteien ein Kaufvertrag oder ein Tauschvertrag geschlossen worden ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Der Wortlaut der Vereinbarung, in der von "Kaufantrag" und "Zahlungsbedingungen" die Rede ist, spricht dagegen, den Vertrag als Tauschvertrag zu qualifizieren. Insbesondere aus der Formulierung " Kaufantrag" ergibt sich, dass der Gegenstand des Vertrages ein Kauf und kein Tausch sein soll. Der Wortlaut spricht daher für einen einheitlichen Kaufvertrag über einen neuen PKW zum Preis von € 3 9.000,––, wobei K berechtigt sein soll, € 3 0.000,–– in bar zu entrichten, den Rest durch die Hingabe ihres gebrauchten Wagens an Erfüllungs Statt, §§ 433, 364. Für einen Kaufvertrag spricht weiterhin das Interesse des Kraftfahrzeughändlers, das in erster Linie auf Veräußerung gegen Geld gerichtet ist und nicht auf den Erwerb eines gebrauchten Wagens. Der Händler lässt sich auf die Hereinnahme des Altwagens in aller Regel nur deswegen ein, um das von ihm erstrebte Neuwagenge schäft abschließen zu können. Dieses Entgegenkommen des Veräußerers, das seinem Partner den Erwerb des Neuwagens erleichtert, unter Umständen sogar erst möglich macht, hat aber nicht zur Folge, dass die Beteiligten sich auf eine Gegenleistung des Erwerbers einigen, die zum Teil in Geld, zum Teil in der Hingabe eines gebrauchten Fahrzeugs bestehen soll. Vielmehr bleibt die von der Erwerber in (K) des Neuwagens geschuldete Gegenleistung in voller Höhe eine Geldschuld. Es liegt daher ein einheitlicher Kaufvertrag vor, wobei K kraft der getroffenen Vereinbarung die Möglichkeit hat, an Stelle der ausbedungenen Geldschuld zum Zwecke der Erfüllung ihren gebrauchten Wagen in Zahlung zu geben. K ist aber lediglich berechtigt (und nicht verpflichtet), die Kaufpreisschuld teilweise durch Hingabe des gebrauchten Wagens zu tilgen. Diese Berechtigung wird als sog. Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) des Schuldners bezeichnet . 76 Die Ersetzungsbefugnis der Käuferin lässt den Bestand der Hauptschuld (Kaufpreis in Höhe von € 3 9.000,––) als Geldschuld unberührt. Der Verkäufer V kann also das Begehren der K, den Kaufpreis in Geld tilgen zu wollen, nicht zurückweisen und stattdessen die Hingabe des gebrauchten Wagens verlangen. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass V nach § 433 Abs. 2 einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von € 3 9.000,–– gegen K hat. V hat aber keinen Anspruch auf Herausgabe und Übereignung des gebrauchten PKW der Marke M .77 3. Die ergänzende Vertragsauslegung a) Die Voraussetzungen Haben die Parteien bei Abschluss des Vertrages ein Vertragsverhältnis abschließend regeln wollen, aber dennoch unbewusst eine oder gar mehrere regelungsbedürftige Fragen offen gelassen, so entstehen Lücken, die durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden können, wenn der Wortlaut der abgegebenen Erklärungen _________________________________________________ 76 Vgl. BGHZ 46, 338, 340; MünchKomm /KRÜGER , BGB § 262 Rn. 9. 77 Vgl. zur Vertiefung: H ONSELL , Jura 1983, 523 ff.

Die Auslegung dafür Anhaltspunkte bietet. Die ergänzende Vertragsauslegung muss an den Wortlaut der Erklärungen anknüpfen, weil die Vertragsauslegung den Parteiwillen klarstellen soll, um damit gegebenenfalls eine Ergänzung des Vertragsinhalts, nicht aber eine Abänderung, Einschränkung oder Ergänzung des erklärten Parteiwillens herbeizuführen.78 Für eine ergänzende Vertragsauslegung ist demnach nur Raum, wenn

Zur ergänzenden Vertragsauslegung, die in der Praxis eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, existiert eine umfangreiche Rechtsprechung. Der BGH hat stets daran festgehalten, dass eine ergänzende Vertragsauslegung nur vorgenommen werden darf, wenn der Vertrag eine Lücke aufweist. Wenn in einem Vertrag eine Regelung fehlt, liegt nicht immer eine Lücke vor, die durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden kann. 79 Von einer Vertragslücke kann nur dann gesprochen werden, "wenn ein Vertrag innerhalb des tatsächlich gegebenen Rahmens oder innerhalb der wirklich ge wollten Vereinbarungen der Parteien eine ersichtliche Lücke aufweist" .80 Eine Lücke liegt nur vor, wenn die Unvollständigkeit einer vertraglichen Regelung auf einer Planwidrigkeit beruht. Haben die Parteien die Unvollständigkeit planmäßig herbeigeführt, so ist diese gewollte Lücke nicht auslegungsfähig. Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Vertragschließenden die Regelungsbedürftigkeit einer Frage erkannt, von ihrer Beantwortung aber bewusst Abstand genommen haben. In einem solchen Fall liegt eine nach dem Prinzip der Privatautonomie zu respektierende Entscheidung der Parteien vor, nicht aber eine für die Vertragsergänzung zugängliche Lücke .81 Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Parteien im Zweifel dann, wenn sie bei Vertragsschluss keine vom Gesetz abweichende Regelung treffen, die Ausgestaltung des Vertrages durch die gesetzlichen Vorschriften wollen.82 In Einzelfällen kann sich auch eine Anspruchsgrundlage im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass der Vertrag diesbezüglich eine Lücke aufweist und auch keine gesetzliche Anspruchsgrundlage existiert, aber ein hypothetischer Parteiwille erkennbar ist. Hätten die Parteien also die Lücke gekannt, hätten sie sie mit einer entsprechenden vertraglichen Anspruchsgrundlage geschlossen. b) Der Wille der Parteien und die Grenzen der Vertragsauslegung Die ergänzende Vertragsauslegung darf nur an den im Vertrag erkennbar zum Ausdruck gekommenen Willen der Vertragschließenden anknüpfen. Denn die Vertragsauslegung hat nur den Vertragsinhalt, nicht aber den Vertragswillen zu ergänzen.83 _________________________________________________ 78 Vgl. BGHZ 23, 282, 285 . 79 Vgl. BGHZ 40, 91, 103 . 80 BGHZ 40, 91, 103; 16, 71, 76 . 81 So BGB–RGRK /PIPER, § 157 Rn. 100; vgl. auch BGHZ 23, 282, 285 . 82 So BGHZ 40, 91, 103 . 83 BGHZ 9, 273, 278 . ausfüllungsbedürftige LückeLückenausfüllung nach hypothetischem Parteiwillen

Die Auslegung Deshalb ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gegebenenfalls auch dasjenige zu ermitteln und zu berücksichtigen, "was die Parteien zwar nicht erklärt haben, was sie aber in Anbetracht des gesamten Vertragszwecks erklärt haben würden, wenn sie den offengebliebenen Punkt in ihren Vereinbarungen ebenfalls geregelt hätten und hierbei zugleich die Gebote von Treu und Glauben und der Verkehrssitte beachtet hätten" . 84 Der Inhalt des Vertrages darf nicht im Widerspruch zu dem im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen erweitert oder eingeschränkt werden .85 Nach Ansicht des BGH scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung jedenfalls dann aus, wenn verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung ei ner vertraglichen Regelungslücke in Betracht kommen, aber kein Anhaltspunkt dafür besteht, welche Regelung die Parteien getroffen hätten. Fall (in Anlehnung an RGZ 119, 353 ff.): V vermietet dem M in einem in seinem Eigentum stehenden Haus ein Ladenlokal, in dem M einen Buch– und Zeitungsladen einrichten will. Da sich in dem Haus noch andere Ladenlokale befinden, wird in den schriftlichen Vertrag eine Bestimmung aufgenommen, die die Überschrift "Wettbewerb" trägt. Darin verpflichtet sich V, kein weiteres Ladenlokal in dem Haus an jemanden zu vermieten, der einen Buch– und Zeitungshandel betreibt, und auch selbst dort nicht mit Büchern und Zeitungen zu handeln. Nach einiger Zeit errichtet V auf dem zu seinem Grundstück gehörenden Platz vor dem Haus einen Kiosk und vermietet diesen an den D, der darin Zeitungen, Zeitschriften und Taschenbücher veräußert. Hat V damit gegen den Vertrag verstoßen?

Lösung: V hat gegen den Vertrag verstoßen, wenn es ihm aufgrund des im Vertrag mit M enthaltenen Wettbewerbsverbots untersagt war, den Kiosk an D zu vermieten. Der Vertrag enthält unter der Überschrift "Wettbewerb" eine Vereinbarung, in der sich V verpflichtet, kein weiteres Ladenlokal "in" dem Haus an jemanden zu vermieten, der einen Buch– und Zeitungshandel betreibt, und auch selbst dort nicht mit Büchern und Zeitungen zu handeln. Eine Wettbewerbsregelung, die sich ausdrücklich auf den Vor-platz des Hauses bezieht, fehlt. Eine Lösung muss im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gefunden werden. Dies kann nur geschehen, wenn a) der Vertrag eine Lücke enthält, die durch ergänzende Vertragsauslegung ausgefüllt werden kann und b) für die Vertragsauslegung ein Anhaltspunkt im Wortlaut der Erklärung zu finden ist. Es ist davon auszugehen, dass V und M das Problem des Wettbewerbsve rbots untereinander abschließend regeln wollten. Aus Versehen haben sie den Vorplatz des Ge-bäudes nicht ausdrücklich in die Vereinbarungen mit aufgenommen. Es liegt also eine Lücke im Vertrag vor, die einer ergänzenden Auslegung Raum gibt. Da die Frage des Wettbewerbs im Vertrage ausführlich geregelt ist, kann die Auslegung an den Wortlaut des Vertrages anknüpfen. Eine Auslegung der Wettbewerbsklausel ergibt, dass V dem M in räumlicher Nähe, also auf dem Grundstück, keine Konkurrenz machen darf. _________________________________________________ 84 BGHZ 16, 71, 76 . 85 So BGHZ 23, 282, 285 ; vgl. auch BGB–RGRK /PIPER, § 157 Rn. 103. 86 BGHZ 93, 358, 370 f .

Die Auslegung Da er dies dennoch getan hat, hat er gegen die im Vertrage enthaltene Wettbewerbsklausel verstoßen. (Die Konsequenzen daraus können sein – dies sei nur der Vollständigkeit halber angemerkt –: a) M kann von V Unterlassung verlangen. b) M kann u.U. von V Schadensersatz fordern.)

IV. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ebenso wie Individualvereinbarungen sind auch Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß §§ 133, 157 auszulegen. Es kommt deshalb sowohl die einfache Auslegung, als auch die ergänzende Auslegung in Betracht. Allerdings ist bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen, dass sie nicht für einen be-stimmten Einzelfall aufgestellt werden, sondern für eine unbestimmte Vielzahl von Einzelfällen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft die Vertragsgrundlage bilden. Für ihre Auslegung sind deshalb nicht der Wille und die Absicht der Parteien des Einzelgeschäfts zu erforschen . 87 Nach ständiger Rechtsprechung sind Allgemeine Geschäftsbedingungen vielmehr unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalles sowie den Belangen der jeweiligen konkreten Vertragspartner nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen. Es ist darauf abzustellen, wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der I nteressen der normalerweise an solchen Geschäften beteiligten Kreise verstanden werden („Durchschnittskunden“). Dabei ist stets zu beachten, dass gemäß § 305 c Abs. 2 Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen (Unklarheitenregel) . Dies ist damit zu begründen, dass der Kunde - anders als beim Individualvertrag - keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der AGB hat. Es gilt deshalb das für ihn günstigste Auslegungsergebnis. Wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen eine Lücke aufweisen , ist Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung. Die ergänzende Vertragsauslegung geht der Anwendung der Grundsätze über die "Störung der Geschäftsgrundlage "89 vor, weil die mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung ermöglichte Durchführung dessen, was die Vertragspartner gewollt haben, Vorrang haben muss vor einer bei Wegfall der Geschäftsgrun dlage unter Umständen notwendigen Korrektur der vertraglichen Abreden , die unter anderem anhand einer Interessensabwägung vorgenommen wird.90 Da nach § 306 Abs. 1 die Unwirksamkeit einzelner Klauseln grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führt, sondern dieser bestehen bleibt, entste-hen Lücken, die gemäß § 306 Abs. 2 BGB mit Hilfe der „gesetzlichen Vorschriften“ zu schließen sind . _________________________________________________ 87 BGHZ 17, 1, 3 . 88 BGHZ 77, 116, 118 f.; 62, 251, 254 . 89 § 313; vgl. hierzu das Modul 55103. 90 So mit Recht BGHZ 90, 69, 74 ; vgl. auch BGHZ 81, 135, 143 ; GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 313 Rn. 10. 91 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 306 Rn. 12.

Die Auslegung

Der BGH hat die Bestimmungen der §§ 157, 133, in denen die ergänzende Vertragsauslegung ihre Grundlage hat, als "gesetzliche Vorschriften" i.S. des § 6 Abs. 2 AGBG a.F. (§ 306 Abs. 2 BGB n.F.) angesehen und es deswegen zugelassen, dass eine Lücke in einem Vertrag, der durch die Unwir ksamkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsteht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden kann; Voraussetzung dafür soll allerdings sein, dass konkrete ge-setzliche Regelungen zur Ausfüllung der Lücke nicht zur Verfüg ung stehen und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Klausel –Verwenders und des Kunden Rechnung tragenden Lösung führt . Im Gegensatz zu in Teilen der Literatur93 vertretenen Auffassungen hat der BGH zu § 6 Abs. 2 AGBG die Meinung vertreten, der Wortlaut der Vorschrift biete keinen Anhaltspunkt dafür, den Begriff der "gesetzlichen Vorschrift" auf Normen mit sachli-chem Regelungsgehalt zu beschränken und "methodische Vorschriften" auszugrenzen. Für die ergänzende Vertragsauslegung treffe es nicht zu, dass die Vorschriften der §§ 157, 133 nur ein "Hilfsinstrument" zur Ermittlung des Parteiwillens seien, der im Rahmen des § 6 Abs. 2 AGBG nicht zu ermitteln sei; denn die ergänzende Vertragsauslegung helfe nicht, den wirklichen Willen der Vertragsparteien zu erforschen, sie diene vielmehr dazu, "eine lückenhafte vertragliche Regelung am Maßstab des – objektiv zu ermittelnden – hypothetischen Parteiwillens zu schließen". Um eben diese Schließung einer durch Wegfall einer unwirksamen Vertragsklausel entstandenen Lücke gehe es nach Ansicht des BGH auch in § 6 Abs. 2 AGBG. Für die Einbeziehung der §§ 157, 133 in den Bereich der "gesetzlichen Vorschriften" i.S. des § Abs. 2 AGBG a.F. beruft der BGH sich auch auf die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift . Dieser Streit hat sich mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der das Gericht die vom BGH entwickelten Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zur Schließung von Lücken in Vert rägen nicht beanstandet, nunmehr erübrigt. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist bei der ergänzenden Auslegung von lückenhaften Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter Anwendung des in § vorgegebenen Auslegungsmaßstabes – Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte – danach zu fragen, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die nicht bedachte Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel bewusst gewe-sen wäre. Der tatsächliche Wille der Parteien kann dabei, soweit er feststell bar ist, nicht außer Betracht bleiben. Denn das, was dem tatsächlichen Willen der Vertrags_________________________________________________ 92 BGHZ 90, 69, 75 f.; zu dieser Entscheidung siehe B UNTE, NJW 1984, 1145, 1145 ff . 93 Vgl. LÖWE, 2. Anm. zu OLG Düsseldorf, BB 1983, 2012, 2014 f .; TRINKNER , Anm. zu BAG, BB 1983, 1873, 1875 f . 94 BGH NJW 1984, 1177, 1178 mit Nachw. 95 BVerfG NJW 2011, 1339 .

  • „Jegliche Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrags sind nur wirksam,
  • "Jegliche Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages sind nur wirksam,

Fall: K bestellt im November 2022 bei der Automobilherstellerin V einen PKW. Als Preis für die Grundausstattung ist in dem Bestellformular "Listenpreis... zur Zeit € 32.650,–– " angegeben. Die Auslieferung des PKW ist für November 20 23 vorgesehen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der V, die auf der Rückseite des Bestellformula rs abgedruckt sind, heißt es unter Nr. 2: "Preisänderungen sind nur zulässig, wenn zwischen Vertragsabschluss und vereinbartem Liefertermin mehr als 4 Monate liegen. Dann gilt der am Tag der Lieferung gültige Listenpreis der Verkäuferin." Nach der Bestätig ung der Bestellung noch im November 2022 liefert V den PKW – wie vorgesehen – im November 20 23 aus und stellt den gültigen Listenpreis von € 34.150,–– in Rechnung. Ist K verpflichtet, den höheren Listenpreis zu zahlen?

Aufgabe 2: Beantworten Sie diese Frage bitte schriftlich und vergleichen Sie Ihre Ausführungen anschließend mit der Lösung am Ende dieser Kurseinheit!

Die Auslegung

Lösungen zu de n Selbsttestaufgaben Lösungen zu den Selbsttestaufgaben

Lösung zu Aufgabe 1: A. Ein Kaufvertrag gem. § 433 BGB über 100 Stahlgürtelreifen ist zustande gekommen, wenn T ein Kaufvertragsangebot unterbreitet hat, das von R angenommen worden ist. I. Die sc hriftliche Bestellung der T enthält die regelungsbedürftigen Punkte (Kaufgegenstand, Kaufpreis) des abzuschließenden Kaufvertrages. Sie ist inhaltlich so bestimmt gefasst, dass R den Kaufvertrag durch ein einfaches "Ja" zustande kommen lassen könnte. Durch die konkrete Bestellung bei Reifenhändler R äußert T zudem einen auf Vertragsschluss gerichteten Rechtsbindungswillen. Die Bestellung der T bei R ist daher als wirksames Angebot zu qualifizieren. II. Fraglich ist, ob R dieses Angebot angenommen hat. Eine Annahme ist eine einseitige Willenserklärung, durch die der Antragsempfänger dem Antragenden sein vor-behaltloses Einverständnis mit dem angebotenen Vertragsschluss zu verstehen gibt. Das vorliegende Schreiben des R an T bestätigt einerseits den Zugang des Angebots des T und lässt andererseits das sofortige Versenden der von T bestellten Reifen verlauten. Fraglich ist nun, ob dieses Schreiben tatsächlich das Erfordernis der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem Angebot erfüllt. 1. Nach der reinen Willenstheorie (vgl. oben S. 28 f. ) wird allein das zum verbindlichen Inhalt der Erklärung, was der Erklärende damit bezwecken wollte. Hier wollte der R ein Kaufvertragsangebot über 100 Stahlgürtelreifen der Marke Y annehmen, obwohl das Angebot der T auf Reifen der M arke X Bezug nahm. Angebot und Annahme fallen inhaltlich auseinander, so dass die Vertreter der reinen Willenstheorie zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Kaufvertrag über Reifen der Marke X nicht zustande gekommen ist. 2. Stellt man jedoch mit der reinen Em pfängertheorie (vgl. oben S. 28 f.) darauf ab, wie T die Erklärung des R verstanden hat, ist zu berücksichtigen, dass T den Irrtum (Autoreifen der Marke X oder Y) des Reifengroßhändlers nicht erkannt hat. Aus seiner Sicht nehmen Angebot und Annahme Bezug aufeinander und stimmen inhaltlich überein. Hiernach wäre ein Kaufvertrag über Stahlgürtelreifen der Marke X zustande gekommen. 3. Bei der Auslegung der Erklärung des R ist aber weder ausschließlich der Schutz des Erklärenden noch der des Erklärungsempfängers in den Vordergrund zu stellen. Maß-geblich ist vielmehr, "wie der Empfänger der empfangsbedürftigen Willenserklärung diese bei objektiver Würdigung aller Umstände und mit Rücksicht auf Treu und Glauben zu verstehen hatte" . 99 Im vorliegenden Fall hatte T Reifen der Marke X bestellt. Er durfte deswegen davon ausgehen, dass sich die Erklärung des R "...und werde die von Ihnen bestellten Reifen umgehend an Sie absenden" auf Reifen der Marke X bezog. Gegenteiliges hätte R zum Ausdruck bringen müssen. Hinweise d afür sind jedoch bei objektiver Würdigung aller Umstände und mit Rücksicht auf Treu und Glauben nicht ersichtlich. _________________________________________________ 99 Vgl. BGH NJW 1984, 721 .

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Die Erklärung des R ist daher bei objektiver Würdigung aller Umstände und mit Rücksicht auf Treu und Glauben aus der Sicht de r T als Annahmeerklärung zu verstehen. B. Es ist somit ein wirksamer Kaufvertrag über 100 Stahlgürtelreifen der Marke X zu-stande gekommen.

Lösung zu Aufgabe 2: A. Ein Anspruch der V gegen K auf Zahlung des derzeit gültigen Kaufpreises in Höhe von € 34.150,–– könnte sich aus § 433 Abs. 2 BGB ergeben. Dann müsste zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sein. Durch die Bestätigung des Auftrages hat V die Bestellung (Angebot) des K angenommen. I. Fraglich ist aber, ob eine wirksame Kaufpreisabrede getroffen worden ist. Die vereinbarte Kaufpreisabrede, eine sog. Tagespreisklausel , könnte gegen § BGB verstoßen. Formularmäßige Preisänderungsvorbehalte als Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. §§ 305 ff. BGB sind dann nicht mehr angemessen und mit § BGB unvereinbar, wenn sie es dem Verwender ermöglichen, über die Abwälzung der Kostensteigerungen hinaus den vereinbarten Kaufpreis ohne jede Begrenzung einseitig anzuheben. Zwar hat der Kraftfahrzeughandel angesichts der langen Lieferfristen ein berec htigtes Interesse daran, zwischenzeitliche Kostensteigerungen auf den Käufer abzuwälzen. Andererseits ermöglicht der allgemein gehaltene Wortlaut der Klau-sel jede beliebige Preiserhöhung, auch soweit sie durch einen zwischenzeitlichen Kos-tenanstieg nicht g edeckt ist. So wäre es der Verkäuferin unbenommen, neben der Kostensteigerung einen höheren Gewinn in den Preis einzubeziehen. Die Berechti-gung der Verkäuferin, aufgrund der uneingeschränkten Fassung der Tagespreisklau-sel den vereinbarten Kaufpreis ohne jede Begrenzung und Nachvollziehbarkeit für den Käufer einseitig anheben zu können, ist mit dem Äquivalenzprinzip – als der Vorstellung beider Parteien von der Gleichwertigkeit der von ihnen zu erbringenden Leis-tungen – nicht vereinbar. Die Klausel stellt so mit eine den Geboten von Treu und Glauben widersprechende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders dar und ist deswegen nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. II. Gemäß § 306 Abs. 1 BGB führt die Unwirksamkeit dieser Klausel aber n icht zur Unwirksamkeit des gesamten Kaufvertrages. Vielmehr richtet sich der Inhalt der Preisvereinbarung gemäß § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften. Dispositive gesetzliche Bestimmungen, die die Tagespreisklausel ersetzen könnten, kom-men nicht in Betracht. Die entstandene Regelungslücke könnte jedoch im Wege ergänzender Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 geschlossen werden , sofern die §§ 133, 157 BGB als "gesetzliche Vorschriften " gem. § 306 Abs. 2 BGB eingestuft werden können . Als Grundlag e ergänzender Vertragsauslegung sind die Bestimmungen der §§ 133, 157 "gesetzliche Vorschriften" im Sinne des § 306 Abs. 2 (str., vgl.§ 9 IV ), so dass eine Regelung der Preisgestaltung im Wege ergänzender Vertragsauslegung erfolgen kann.

_________________________________________________ 100 Vgl. BGHZ 82, 21, 24 ff . zu § 9 AGBG a .F.

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Es fragt sich daher, welche Preisabrede die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Tagespreisklausel bewusst gewesen wäre. Dass als Preisvereinbarung nicht der Listenpreis im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses angesehen werden kann, ergibt sich bereits aus dem übereinstimmenden Parteiwillen: Beide Parteien waren sich bewusst, dass der Preis bei Auslieferung des Fahrzeugs von demjenigen bei der Bestellung wahrscheinlich abweichen würde , und hatten in ihren Willen aufgenommen, dass der Käufer und nicht die Verkäuferin Preissteigerungen zu tragen haben werde, die etwa auf Erhöhungen der Lohn– und Materialkosten oder auf techn ische Verbesserungen des ausgelieferten Modells zurückgehen. Deswegen erscheint es angemessen, wenn der Käufer grundsätzlich den bei Auslieferung des Fahrzeugs gültigen Listenpreis zu zahlen hat. Andererseits muss dem Käufer ein Recht zum Rücktritt eingeräumt werden, wenn die Preiserhöhung für das Fahrzeug den An-stieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten in der Zeit zwischen Bestellung und Aus-lieferung nicht unerheblich übersteigt . 101 Eine solche Regelung berücksichtigt gleichermaßen die Interessen beider Ver tragspartner. Sie stellt in Ausrichtung auf den hypothetischen Parteiwillen und den Maßstab von Treu und Glauben eine lückenausfüllende angemessene Ersatzregelung dar. B. Da diese – im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB gewonnene – Regelung gemäß § 306 Abs. 2 BGB an die Stelle der unwirksamen Tagespreisklausel tritt, hat V nach § 433 Abs. 2 BGB gegen K einen Anspruch auf Zahlung des gültigen Listenpreises von € 3 4.150,––. Die Voraussetzungen der Ausübung des Rücktrittsrechts sind vorliegend nicht erfüllt.

Wichtige Entscheidungen: BGH VI ZR 114/65

BGHZ 93, 358, 370 f. BGH VIII ZR 289/19

_________________________________________________ 101 Vgl. BGH NJW 1984, 1177, 1179 .

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Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis .................................................................................................... § 10 Verpflichtungs– und Ve rfügungsgeschäfte; Trennungs – und Abstraktionsprinzip .................................................................................... I. Begriffe und Unterscheidung ................................................................. 1. Überblick ............................................................................................ 2. Das Verpflichtungsgeschäft ................................................................ 3. Das Verfügungsgeschäft ..................................................................... 4. Der Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen vom Berechtigten (Eigentümer) als Beispiel für ein Verfügungsgeschäft .......................... II. Das Trennungs– und das Abstraktionsprinzip ......................................... 1. Das Trennungsprinzip ......................................................................... 2. Das Abstraktionsprinzip .................................................................... § 11 Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen ............................................................................................................... I. Die Geschäftsfähigkeit ......................................................................... 1. Der Begriff der Geschäftsfähigkeit .................................................... 2. Die Abgrenzung zur Rechtsfähigkeit und Deliktsfähigkeit ................. a) Die Rechtsfähigkeit ...................................................................... b) Die Deliktsfähigkeit ...................................................................... II. Der Schutz der Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen . 1. Überblick .......................................................................................... 2. Die Geschäftsunfähigen .................................................................... 3. Die beschränkt Geschäftsfähigen ...................................................... 4. Die gesetzlichen Vertreter der Geschäftsunfähigen und der in ihrer Geschäftsfähigkeit Beschränkten ...................................................... 5. Die Regelung de s § 107 BGB ............................................................ a) Die Einwilligung ........................................................................... b) Der lediglich rechtliche Vorteil ...................................................... c) Die Rechtsfolgen .......................................................................... 6. Die Auflösung des Schwebezustandes gemäß §§ 108, 109 ............... 7. Der Sondertatbestand des § 110 ...................................................... 8. Die Surrogationsgeschäfte ................................................................

9. Die partielle Geschäftsfähigkeit ........................................................ a) Der selbständige Betrieb eines Erwerbsgeschäftes ........................ b) Dienst – oder Arbeitsverhältnisse von Minderjährigen ................... 10. Das Wirksamwerden einer dem Minderjährigen zugehenden Willenserklärung (§ 131 Abs. 2) ....................................................... 11. Die Regelung des § 1825 BGB ......................................................... § 12 Die Form ................................................................................................ I. Das Prinzip der Formfreiheit ................................................................ II. Die vom Gesetz vorgeschriebene Form ............................................... 1. Die einfache Schriftform .................................................................. 2. Elektronische Form und Textform ..................................................... a) Überblick ..................................................................................... b) Die elektronische Form (§ 126a) .................................................. c) Die Textform (§ 126 b) ................................................................ 3. Die öffentliche Beglaubigung ........................................................... 4. Die notarielle Beurkundung ............................................................. 5. Die Eigenhändigkeit einer Urkunde .................................................. III. Die gewillkürte Schriftform ................................................................. IV. Die Folgen des Formmangels .............................................................. 1. Die gesetzlich vorgeschriebene Form ................................................ 2. Die rechtsgeschäftlich vereinbarte (gewillkürte) Form ....................... V. Die Überwindung des Formmangels gemäß § 242 .............................. § 13 Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften ...................................................... I. Einführung ......................................................................................... II. Der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134) ............................. 1. Die gesetzliche Regelung ................................................................. 2. Verbotsgesetze im Sinne des § 134 .................................................. 3. Die Folgen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot ................ 4. Umgehungsgeschäfte ...................................................................... III. Sittenwidrige Geschäfte (§ 138) .......................................................... 1. Die Generalklausel des § 138 Abs. 1 ................................................ a) Generalklauseln und die Wandlung von Inhaltsbestimmungen ..... b) Anwendungsbereich und Rechtsfolge ..........................................

(a) Der Anwendungsbereich ................................................... (b) Die Rechtsfolge ................................................................. 2. Die Bestimmung der Sittenwidrigkeit eines Geschäfts ....................... a) Die Definition der Sittenwidrigkeit ................................................ b) Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit ............................................ c) Die Drittwirkung der Grundrechte und § 138 Abs. 1 .................... 3. Die Anwendung des § 138 Abs. 1 in der Praxis ................................. a) Rechtsgeschäfte, die die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit einschränken ............................................................................... b) Sogenannte „Geliebtentestamente“ ............................................. 4. Der Wucher ...................................................................................... 5. Sittenwidrige Bürgschaftsverträge ..................................................... 6. Haftung aus culpa in contrahendo bei schuldhafter Herbeiführung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes? .......................................... IV. Die Nichtigkeit von Vertragsteilen nach den §§ 307 ff. ........................ Lösungen zu den Selbsttestaufgaben .................................................................

Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäfte; Trennungs – und Abstraktionsprinzip § 10 Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäfte ; Trennungs – und Abstraktionsprinzip Schrifttum: BAYERLE , Trennungs- und Abstraktionsprinzip in der Fallbearbeitung, JuS 2009, 1079; J AUERNIG , Trennungsprinzip und Abstraktionsprinzip, JuS 1994, 721 ff.; LIEDER/BERNEITH , Echte und unechte Ausnahmen vom Abstraktionsprinzip, JuS 2016, 673; EISENHARDT , Die Verpflichtung des Abstraktionsprinzips im 20. Jahrhundert, in: FS KROESCHELL , 1997, S. 215 ff; K REUTZ , Der Begriff der Verfügung im BGB und das Trennungs- und Abstraktionsprinzip , ZJS 2/2009 S. 136 ff. ; SCHREIBER , Die Grundprinzipien des Sachenrechts, JURA 2010 S. 272 ff .; STADLER , Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion – eine rechtsvergleichende Studie zur abstrakten und kausalen Gestaltung rechtsgeschäftlicher Zuwendungen anhand des deutschen, schweizerischen, österreichischen, französischen und US -amerikanis chen Rechts, 1996; STRACK , Hintergründe des Abstraktionsprinzips, JURA 2011 S. 5 ff.

I. Begriffe und Unterscheidung 1. Überblick Dem Wortlaut des § 433 Abs. 1 S. 1 ist zu entnehmen, dass allein mit dem Abschluss des Kaufvertrages das Eigentum an der gekauften Sache nicht auf den Käufer übergeht. Der wirksam zustande gekommene Kaufvertrag verpflichtet den Verkäufer lediglich, die gekaufte Sache an den Käufer zu übereignen. Es bedarf eines weiteren Geschäftes – nämlich der Übereignung – , um den Käufer Eigentümer werden zu lassen. Die Übereignung (Eigentumsübertragung) an beweglichen Sachen wird gemäß §§ 929 ff. vollzogen. Der wohl häufigste Fall ist die Übereignung durch Einigung und Übergabe (§ 929 S. 1) . Das BGB unterscheidet nicht nur hier , sondern grundsätzlich zwischen "Verpflichtungsgeschäften" einerseits und "Verfügungsgeschäften" andererseits. Dies ist nicht ganz leicht zu verstehen, weil damit ein äußerlich einheitlicher Vorga ng in unterschiedliche Rechtsgeschäfte "zerlegt" wird.

2. Das Verpflichtungsgeschäft Das Verpflichtungsgeschäft ist ein Rechtsgeschäft, mit dem sich eine Person einer anderen gegenüber verpflichtet, eine Leistung zu erbringen. Verpflichtungsgeschäfte schaffen einen oder mehrere Ansprüche . Die meisten Verpflichtungsgeschäfte werden durch Vertragsabschlüsse begründet, nur ausnahmsweise durch einseitige Rechtsgeschäfte (z.B. bei der "Auslobung", § 657 BGB). Die typischen Verpflichtungsgeschäfte sind also die im Besonderen Teil des Schuldrechts im BGB, wie z.B. Kauf (§ 433), Miete (§ 535), Werkvertrag (§ 631) und Darlehen (§ 488), oder auch die im HGB geregelten Verträge . Verpflichtungsgeschäft z.B. KV § 433 Abs. „ich verpflichte mich, das Eigentum zu übertragen“ (Anspruch § 194 Abs. 1) Verfügungsgeschäft z.B. § 929 S. „hiermit wirst du neuer Eigentümer meiner Sache“ (Übertragung)

Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäfte; Trennungs – und Abstraktionsprinzip Verpflichtet sich der Schuldner in einem Vertrag dem Gläubiger gegenüber, eine bestimmte Leistung zu erbringen, so entsteht ein Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner i.S. des § 194 Abs. 1. Durch den Abschluss des Verpflichtungsgeschäftes erwirbt der Gläubiger also ein Forderungsrecht. Verpflichtungsgeschäfte (vertragliche Schuldverhältni sse) erfüllen im Warenverkehr eine doppelte Aufgabe: – Sie bereiten eine Güterbewegung, wie z.B. die Übertragung des Eigentums an Sachen, vor. Der Vertrag verpflichtet dann zu der Güterbewegung, die als Leistung vereinbart wird. Vollzogen wird die Güterbewegung durch das Verfügungsgeschäft. Aus dem Verpflichtungsgeschäft hat der Gläubiger einen Anspruch auf Vornahme des Verfügungsgeschäftes. Kommt der Schuldner seiner Verpflichtung nicht oder nur schlecht nach, so kann der Gläubiger grundsätzlich auf Erfüllung klagen, die vom Schuldner eingegangene Verpflichtung also gerichtlich durchsetzen. Es können aber auch " Leistungsstörungen" vorliegen, so dass der Gläubiger von dem Verpflichtungsgeschäft zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung (beim Kaufve rtrag z.B. §§ 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1, 3, 281, 283, 311a) verlangen kann. – Sie sichern die " Güterbewegung" , indem sie den rechtlichen Grund (die causa) für diese Vermögensverschiebung bilden.

3. Das Verfügungsgeschäft

Typische Beispiele für Verfügungsge schäfte sind: die Übereignung beweglicher und unbeweglicher Sachen gemäß § 929 ff. bzw. §§ 873, 925 ff. und die Abtretung von Forderungen und die Übertragung von sonstigen Rechten (z.B. von Marken oder Patenten) gemäß §§ 398 ff. Beispiel: K schließt mit dem Kfz –Händler V einen Kaufvertrag über einen PKW Marke X, Farbe Grün etc. Nach dem Vertrag soll das Kfz vier Wochen nach Abschluss des Kaufvertrages an K ausgeliefert werden. Hier wird das Auseinanderfallen von Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäft deutl ich: a) Zunächst schließen V und K einen Kaufvertrag ab, der sofort wirksam wird. Der Kaufvertrag ist ein Verpflichtungsgeschäft , d.h. ein Rechtsgeschäft, durch das eine oder mehrere Personen sich verpflichten , bestimmte Leistungen zu erbringen. Die Rechts folgen des Kaufvertrages sind: aa) K erwirbt gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Eigentumsverschaffung an einem PKW. V wird verpflichtet, dem K den PKW zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen. Im Hinblick auf diesen Anspruch ist K der Gläubiger und V der Schuldner. _________________________________________________ 1 Näheres hierzu im Modul Sachenrecht 55108. Def.: Ein Verfügungsgeschäft ist ein Rechtsgeschäft, durch das ein Recht unmittelbar aufgehoben, übertragen, belastet oder inhaltlich geändert wird (Eselsbrücke: A -U-B-I).

Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäfte; Trennungs – und Abstraktionsprinzip bb) V erwirbt einen Anspruch gegen K auf Zahlung des Kaufpreises. K wird verpflichtet, den Kaufpreis an V zu zahlen. Im Hinblick auf den Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 ist V der Gläubiger und K der Schuldner. b) Das Eigentum an dem gekauften PKW geht erst später auf K über, nämlich dann, wenn der PKW an K übergeben wird und V und K darüber einig sind, dass das Eigentum auf den Käufer übergehen soll (§ 929 S. 1). Die Übereignung (die Eigentumsübertragung) ist ein weiteres Geschäft und zwar ein Verfügungsgeschäft .

4. Der Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen vom Berech-tigten (Eigentümer) als Beispiel für ein Verfügungsgeschäft Die Wirksamkeit eines Verfügungsgeschäftes setzt grundsätzlich voraus, dass de r Verfügende dazu berechtigt ist (= Verfügungsmacht hat). Beispiel: Das Eigentum an einer Sache kann in der Regel nur der zur Verfügung berechtigte Eigentümer wirksam übertragen. Lediglich ausnahmsweise sind die Verfügungen, die ein Nichtberechtigter vorni mmt, wirksam (z. B. wenn dieser vom Eigentümer berechtigt wurde ( § 185) oder unter den in § 932 genannten Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs ). Es kann sein, dass ein Verfügungsgeschäft allein durch die Abgabe von Willenserklärungen wirksam vorgenomme n werden kann , ohne da ss ein zusätzlicher Akt erforderlich ist . Beispiel: Die Abtretung einer Forderung gemäß § 398. Ein Abtretungsvertrag kommt – wie jeder andere Vertrag auch – durch die Abgabe entsprechender Willenserklärungen zustande. Mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages tritt der neue Gläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers (§ 398 S. 2). Der Abtretungsvertrag ist ein Verfügungsgeschäft; denn durch ihn wird ein Recht - die Forderung - unmittelbar übertragen. Einem solchen Verfügungsgesc häft liegt in der Regel ein Verpflichtungsgeschäft (hier z.B. ein "Forderungskauf") zugrunde. Häufig setzt das Wirksamwerden eines Verfügungsgeschäftes neben der Abgabe ei-ner oder mehrerer Willenserklärungen noch andere Tatbestandsmerkmale, wie z.B. die Üb ergabe einer Sache oder die Eintragung in ein Register voraus. Das Eigentum an einer beweglichen Sache wird in der Regel durch die Einigung darüber, dass das Eigentum übergehen soll, und durch die Übergabe der Sache übertragen (§ 929 S. 1). Die Einigung i.S. des § 929 S. 1 ist ein dinglicher Vertrag, der auf die Eigentumsübertragung gerichtet ist. 3 Er kommt - wie jeder Vertrag - durch die übereinstimmenden Willenserklärungen der Beteiligten zustande. Derjenige, der das Eigentum von sich auf den anderen über tragen möchte (Veräußerer), und der, der das Eigentum erwerben möchte (Erwerber), geben ihr Einverständnis mit dem Eigentumsübergang durch zwei Einigungserklärungen ab. _________________________________________________ 2 Im Folgenden die allgemeinen G rundlagen. Näheres lernen Sie im Modul 55108 Sachenrecht und Recht der Kreditsicherung . 3 Vgl. BGHZ 28, 16, 19.

Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäfte; Trennungs – und Abstraktionsprinzip Die Einigung muss nicht ausdrücklich, sondern sie kann auch "konkludent " erklärt werden . Das ist z.B. der Fall, wenn der Verkäufer dem Käufer die gekaufte Sache über den Ladentisch reicht und der Käufer sie wortlos entgegennimmt , z.B. beim Bäcker . Die Übergabe der Sache ist kein rechtsgeschäftlicher, sondern ein faktischer Akt ("Realakt") . Die Sache gelangt mit dem Willen des bisherigen Eigentümers in den Herrschaftsbereich dessen, der das Eigentum erwerben soll. Die Übergabe i.S. des § 929 S. 1 ist die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an der Sache durch den Eigentümer auf den Erwerber.

Eigentum und Besitz sind zwei selbständig geschützte Rechtspositionen und deshalb auseinander zu halten. Der Eigentümer einer Sache ist zwar häufig zugleich der Besitzer; Eigentum und Besitz können jedoch auch auseinander fallen. Beispiel: Ezechiel ist Eigentümer eines PKW. E verleiht den PKW seinem Freund Felix. F holt den Wagen bei E ab und erhält die Schlüssel von ihm ausgehändigt . E bleibt trotz de r Leihe Eigentümer des PKW und de s Autoschlüssel s. F ist aber der unmittelbare Besitzer, weil er die tat sächliche Herrschaft über die Sache ausübt. Bei der Entscheidung der Frage, ob über eine Sache ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis besteht, ist die Verkehrsanschauung heranzuziehen. Im Allgemeinen ist es erforderlich, dass die Sache dem Besitzer zugänglich ist. Allerdings ist ein räumlicher Zusammenhang nicht in jedem Fall erforderlich. So hat z.B. auch derjenige, der verreist ist, weiterhin Besitz an den Sachen, die sich in seiner Wohnung befinden. Beispiel: Der Bauer, der seinen Pflug auf dem Felde st ehen lässt, behält den Besitz, auch wenn er sich im 2 km entfernten Wohnhaus aufhält.

II. Das Trennungs – und das Abstraktionsprinzip 1. Das Trennungsprinzip Die Unterscheidung zwischen Verpflichtungsgeschäft einerseits und Verfügungsgeschäft andererseits bedeutet: Für die Erfüllung (§ 362) eines Verpflichtungsgeschäftes ist häufig noch ein weiteres Rechtsges chäft, eine Verfügung notwendig. Im Anschluss an das Beispiel oben: Durch den Anspruch aus dem Kaufvertrag, des Verpflichtungsgeschäftes, erwirbt K den Anspruch gegen V auf Übereignung des PKW. Die Erfüllung tritt erst aufgrund eines weiteren Geschäftes, des Verfügungsgeschäftes ein, welches hier die Übereignung des PKW gemäß § 929 S. ist. Der Besitz ist die tatsächliche Herrschaft einer Person über eine Sache (§ 854 Abs. 1). Das Eigentum ist demgegenüber die (umfassende) rechtliche Herrschaft einer Person über eine Sache (§ 903).

Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäfte; Trennungs – und Abstraktionsprinzip Die Unterscheidung zwischen Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäft wi rd auch als "Trennungsprinzip" bezeichnet , das im BGB seinen Niederschlag gefunden hat. Das Trennungsprinzip ist keine Selbstverständlichkeit; ihm steht das "Einheitsprinzip" , z.B. im französischen Recht, gegenüber. Letzteres bedeutet: es gibt beim Einheit sprinzip kein vom Verpflichtungsgeschäft gesondertes Verfügungsgeschäft. Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäft sind eine durch den Willen verbundene Einheit. Beispiel: Für den Verkauf und die Übereignung von Sachen genügt bei Geltung des Einheitsprinzips eine Einigung von Verkäufer und Käufer. Hier kann allerdings noch die Frage auftreten, ob zum Eigentumsübergang allein die Einigung genügt (Konsensprinzip) oder ob noch ein Kundgebungsakt, wie z.B. die Übergabe oder eine Registereintragung, hinzukommen mus s (sog. Traditionsprinzip). 2. Das Abstraktionsprinzip Das Abstraktionsprinzip, das die Trennung von Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäft voraussetzt (ohne Trennung ist keine Abstraktion möglich), geht noch über das Trennungsprinzip hinaus.4 Das Abstraktion sprinzip beinhaltet zwei Abstraktionen5: – die inhaltliche Abstraktion: Das Verfügungsgeschäft muss keine kausale Zweckbestimmung enthalten. Das bedeutet, es muss nicht angegeben werden, warum das Verfügungsgeschäft vorgenommen wird, z.B. zwecks Erfüllung de s zugrundeliegenden Kaufvertrages, – die äußerliche Abstraktion: Die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäftes hängt weder von dem Vorhandensein noch von der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäftes ab. Im Anschluss an das Beispiel oben: Auch wenn der zwischen V und K abgeschlossene Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) aus irgendwelchen Gründen, z.B. wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1, nichtig ist, ist die vorgenommene Übereignung (Verfügungsgeschäft) wirksam. Das dingliche Geschäft ist grundsätzlich "sittlich neutral ", auch wenn das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft sittenwidrig ist. K wurde deshalb Eigentümer des PKW, auch wenn der Kaufvertrag nichtig ist. Dem V steht jedoch in der Regel ein Anspruch auf Rückübereignung des PKW aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 I Var. 1 zu. Zur Erläuterung: Das Gegenprinzip zum Abstraktionsprinzip ist das " Kausalprinzip" , welches z.B. im österreichischen Recht gilt . Nach dem "Kausalprinzip" muss d as Verfügungsgeschäft, um wirksam zu sein, auch den Grund (die causa) der Vornahme enthalten; das Fehlen oder die Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäftes zieht die Unwirksamkeit des Verfügungsgeschäftes nach sich. Mit der Aufteilung der Rechtsgeschäfte in Verpflichtungsgeschäfte einerseits und Verfügungsgesc häfte andererseits verfolgt der Gesetzgeber den Zweck , die Inhaberschaft an einem Recht , wie z.B. dem Eigentum, möglichst klar und zweifelsfrei feststellbar zu machen . Durch das Abstraktionsprinzip soll erreicht werden, dass _________________________________________________ 4 Vgl. dazu M EDICUS , AT, Rn. 224 ff. und J AUERNIG , JuS 1994, 721, 722 ff. 5 JAUERNIG , JuS 1994, 722. 6 Zu alledem J AUERNIG , JuS 1994, 722.

Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäfte; Trennungs – und Abstraktionsprinzip das Verfügungsgeschäft von den Mängeln des Verpflichtungsgeschäfts (Kausalgeschäfts) grundsätzlich unabhängig ist. Es ist also durchaus beabsichtigt, dass das Ver-fügungsgeschäft wirksam sein kann, obwohl das diesem zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft aus irgendeinem Grunde – etwa w egen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134) 7 oder Formmangels (§ 125)8 – nichtig ist. Falls das Verpflichtungsgeschäft, das die durch das Verfügungsgeschäft vollzogene Güterbewegung vorbereitet und ihre causa bildet, nichtig ist, entsteht allerdings in der Regel ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812), der darauf gerichtet ist, die ohne rechtlichen Grund erfolgte Vermögensverschiebung rückgängig zu machen. Aus alledem ergibt sich, dass zwischen Trennungs – und Abstraktionsprinzip de utlich unterschieden werden muss.9 Für die Beteiligten ist die Trennung zwischen Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäft häufig nicht erkennbar. Bei Barkäufen des täglichen Lebens fassen Verkäufer und Käufer den Abschluss des Kaufvertrages und die Übereignung der gekauften Sache in der Regel als einheitlichen Vorgang auf. Beispiel: K tritt an den Verkaufskiosk des V, ergreift eine der dort ausliegenden Zeitungen und übergibt dem V ein 2-Euro –Stück als Kaufpreis für die Zeitung. Weder V noch K sprechen ein Wort. Obwohl V und K drei Geschäfte (Abschluss des Kaufvertrages, Übereignung der Zeitung und Übereignung des Geldstücks) getätigt haben, gehen sie im Zweifel von der Einheit des Geschäftes aus. Häufig tritt jedoch die Trennung zwischen Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft auch nach außen deutlich in Erscheinung. Das ist z.B. stets dann der Fall, wenn der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts und die Vornahme des Verfügungsgeschäfts – anders als im Beispiel vom Zeitungskauf – zeitlich deutlich wahrne hmbar auseinanderfallen (vgl. Beispiel zum Kfz -Kauf).

_________________________________________________ 7 Siehe hierzu § 13, II. 8 Siehe hierzu § 12, II. 9 Vgl. zur Problematik J AUERNIG , JuS 1994, 721 ff. Trennungsprinzip => Unterscheidung zwischen Verpflichtungs - und Verfügungsgeschäft (= zwei Rechtsgeschäfte) Abstraktionsprinzip => Verfügungsgeschäft ist unabhängig vom Bestehen bzw. der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäftes

Rechts geschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen § 11 Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen Schrifttum: BEHNKE , Das neue Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz, NJW 1998, 3078 ff.; B ISGES, Schlumpfbeeren für 3000 Euro – Rechtliche Aspekte von InApp-Verkäufen an Kinder, NJW 2014, 183 ; BOEHMKE /SCHÖNFELDER , Wirksamwerden von Willenserklärungen gegenüber nicht voll Geschäftsfähigen (§ 131 BGB), JuS 2013, 7; H ARDER , Forum: Die Erfüllungsannahme durch den Minderjährigen – lediglich ein rechtlicher Vorteil, JuS 1977, 149 ff.; L ATZEL /ZÖLLNER , Anfänglich kostenlose Verträge mit Minderjährigen NJW 2019, 1031 ; ROLFS, Neues zur Deliktshaftung Minderjähriger, JZ 1999, 233 ff.; S CHOLL /CLAEßENS , Schenkung und Übereignung eines Tieres an einen beschränkt Geschäftsfähigen – Erwiderung auf Timme, JA 2010, 174, JA 2010, 765; K. SCHREIBER , Neutrale Geschäfte Minderjähriger, Jura 1987, 221 ff.; TIMME, Die Schenkung eines Tieres an einen beschränkt Geschäftsfähigen, JA 2010, 174, 848; WILHELM , Das Merkmal »lediglich rechtlich vorteilhaft« bei Verfügungen über Grundstücksrechte, NJW 2006, 2353 ; LORENZ , Grundwissen – Zivilrecht: Rechts und Geschäftsfähigkeit, JuS 2010, 11; WILHELM , Das Merkmal „lediglich rechtlich vorteilhaft“ bei Verfügungen über Grundstücksrechte“ NJW 2006, 2353 .; PIRAS/STIEGLMEIER , §110 BGB im Zeichen der Zeit, JA 2014, 893.; RÖTHEL /KRACKHARDT , lediglich rechtlicher Vorteil und Grunderwerb, JURA 2006, 161.; HASLACH , rechtlich nachteilhafte Grundstücksübertragung an einen Minderjährigen ohne die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers? JA 2017,

I. Die Geschäftsfähigkeit 1. Der Begriff der Geschä ftsfähigkeit Die Rechtsordnung rechnet Erklärungshandlungen einer Person nur zu, wenn diese ein Mindestmaß an Urteilsvermögen hat und in der Lage ist, ihr Erklärungsverhalten zu beherrschen. Sie knüpft die Fähigkeit einer Person, durch Erklärungshandlungen Rechtsfolgen herbeizuführen (Willenserklärungen abzugeben), deshalb an die Geschäftsfähigkeit.

Wirksame Willenserklärungen können also nur diejenigen Personen abgeben, die ge-schäftsfähig sind. Anders ausgedrückt: Ein Rechtsgeschäft kann nur vornehmen, w er geschäftsfähig ist.

2. Die Abgrenzung zur Rechtsfähigkeit und Deliktsfähigkeit Der Begriff der Geschäftsfähigkeit ist u.a. abzugrenzen von der Rechtsfähigkeit und der Deliktsfähigkeit.

a) Die Rechtsfähigkeit Die Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, durch die Abgabe oder den Empfang von Wi llenserklärungen Rechtsfolgen für sich oder andere herbeizuführen. Die Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können.

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen Die Rechtsordnung regelt das menschliche Zusammenleben, indem sie den Personen Rechte und Pflichten zuweist. Als Träger von Rechten und Pflichten kennt das Privat-recht nur natürliche Personen und juristische Personen. Sie sind für das Privatrecht die wichtigsten Bezugspunkte. Alle Menschen sind natürl iche Personen . Als solche können sie Träger von Rechten und Pflichten sein. Gemäß § 1 ist jeder Mensch von Geburt an rechtsfähig und damit auch eine natürliche Person. Im sozialen Leben spielen allerdings nicht nur einzelne Menschen und damit natürliche Personen eine Rolle. Es wird vielmehr entscheidend durch Organisationen mitge-prägt und beeinflusst, wie z.B. den Staat, die Kirchen, Universitäten, Aktiengesellschaften und Sportvereine. Um Organisationen dieser Art die Gelegenheit zur selbständigen Teilnahme am Rechtsverkehr zu geben, sieht die Rechtsordnung die Möglichkeit vor, Personenvereinigungen oder rechtlich verselbständigten Zusammenfassungen von Vermögenswerten eine eigene Rechtsfähigkeit zu geben. Die juristi-sche Terminologie nennt sie juristische Personen. Die juristische Person ist nach heute h.M. die Zusammenfassung von Personen (Beispiel: Verein) oder Sachen (insbesondere: Stiftung) zu einer rechtlich geregelten Organisation, der die Rechtsordnung die Rechtsfähigkeit verliehen und sie dadurch al s Trägerin von Rechten und Pflichten verselbstständigt hat. 10 Aus der Rechtsfähigkeit der juristischen Person folgt, dass i hre Rechte und Pflichten ihre eigenen und nicht diejenigen der ihr angehörenden natürlichen Personen sind. Beispiel: Eigentümer des Grundstücks, auf dem die "Europäische Erdöl –Aktiengesellschaft" eine Raffinerie betreibt, ist die Aktiengesellschaft als juristische Person, wenn sie das Eigentum an dem Grundstück erworben hat, und nicht die Aktionäre oder der Vorstand der Aktiengesellschaf t. Die Schaffung der Rechtsfigur "Juristische Person" war notwendig, um einen selbständigen Zuordnungspunkt für diejenigen Rechte und Pflichten zu haben, die nicht einer natürlichen Person zugeordnet werden sollten. Mit der juristischen Person werden Organ isationsformen ermöglicht, die für den Rechtsverkehr in einer modernen Industriegesellschaft unerlässlich sind. Zu den juristischen Personen des Privatrechts gehören u.a.: eingetragene Vereine, Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und eingetragene Ge-nossenschaften. Die Rechtsfähigkeit erwerben die juristischen Personen in der Regel erst durch die Eintragung in ein Register (Vereinsregister, Handelsregister, Genossen-schaftsregister). Die Rechtsfähigkeit versetzt natürliche und jurist ische Personen in die Lage, Rechtssubjekt zu sein und als solches am Rechtsverkehr und damit am sozialen Leben teilnehmen zu können. Geschäftsfähig sind allerdings nur natürliche Personen. Mit anderen Worten: Willenserklärungen können nur natürliche Personen abgeben. Deshalb versetzt allein der Erwerb der Rechtsfähigkeit die juristische Person noch nicht in den Stand, im Rechtsverkehr handeln zu können, wie z.B. einen Kaufvertrag abschließen und das Eigentum _________________________________________________ 10 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , Einf. v. § 21 Rn. 1; MünchKomm /LEUSCHNER , BGB Vor § 21 Rn. 1 ; vgl. BGHZ 25, 134, 144.

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen an Sachen an andere übertragen zu können. Eine juristische Person kann im Rechtsverkehr nur mit Hilfe von natürlichen Personen handeln, die die Organe der juristischen Person bilden. Organe, die diesen Zweck erfüllen, sind z.B. der Vorstand eines eingetragenen Sportvereins , der Vorstand einer Aktiengesel lschaft oder der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) .

b) Die Deliktsfähigkeit

Die Deliktsfähigkeit ist von wesentlicher Bedeutung im Hinblick auf die Schadenser-satzansprüche, die aus unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff.) entst ehen können. Die Forderung nach Schadensersatz ist der häufigste Gegenstand ziviler Rechtsstreitigkeiten. Schadensersatzansprüche aus Delikt (unerlaubter Handlung) beruhen auf außervertraglichen Haftungstatbeständen, die im Gesetz umschrieben sind. Die mei sten dieser außervertraglichen Haftungstatbestände sind im Recht der unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff.) geregelt. Das Recht der unerlaubten Handlungen beruht auf dem Verschulden als Zurechnungsgrund. Das bedeutet: Ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubte r Handlung entsteht nur, wenn der Schädiger rechtswidrig und schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig handelt (Verschuldensprinzip). Es kann allerdings nur derjenige in Anspruch genommen werden, der verschuldensfähig (deliktsfähig) ist. Nicht deliktsfä hig sind: – Kinder, die das 7. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 828 Abs. 1), und – Personen, die sich im Augenblick der Schadenszufügung in einem Zustand befunden haben, wie er in § 827 geschildert wird. Personen, die das 7., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, sind nur

bedingt deliktsfähig. Das bedeutet: Es muss im Einzelfall stets festgestellt werden, ob der Jugendliche nach seiner geistigen Entwicklung in der Lage war, das Unrecht seiner Tat und die allgemeine Verpflichtung zur Ersatzleistung zu erkennen, § Abs. 3.11 _________________________________________________ 11 Siehe BVerfG NJW 1998, 3557 zur Frage der Haftungsbeschränkung aus verfassungsrechtlichen Gründen sowie R OLFS, JZ 1999, 233; vgl. auch § 828 Abs. 2 zur Freistellung der 7- 9jährigen Kinder von der Fahrlässigkeitshaftung im Straßen- und Schienenverkehr. Die Deliktsfähigkeit (Verschuldensfähigkeit) ist die Fähigkeit einer Person, für eigenes schuldhaft es Handeln verantwortlich zu sein.

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen

II. Der Schutz der Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen 1. Überblick Wie bereits dargestellt, ist die Gestaltung der Rechtsbeziehungen im privatrechtlichen Bereich aufgrund der Privatautonomie in weitem Umfange den einzelnen Personen überlassen. Weil dadurch der Wille des einzelnen für die ihn aus den Rechtsgeschäften treffenden Rechte und Pflichten entscheidend ist, muss die Rechtsordnung festlegen, wer fähig sein soll, seine Rechtsbeziehungen durch Rechtsgesc häfte regeln zu können. Nach dem BGB ist jede Person, die das 18. Lebensjahr vollendet hat, geistig gesund und nicht betreuungsbedürftig ist (vgl. §§ 1814, 1825), "volljährig" (§ 2) und voll geschäftsfähig. Das BGB behandelt alle volljährigen Bürger, sowei t sie geistig gesund sind und nicht unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt stehen, im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit völlig gleich. Es wird also z.B. nicht nach Intelligenzgraden differenziert. Bestimmten Personen spricht das Gesetz die Fähigkeit ab, einen relevanten Willen bilden zu können. Es entzieht ihnen deshalb die volle Geschäftsfähigkeit. Je nach der Stärke, in der die Fähigkeit, einen vernünftigen Willen zu bilden, nicht vorhanden oder gestört ist, unterscheidet das Gesetz zwischen Geschäf tsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen. Die gesetzliche Regelung schafft einen Schutz für die Geschäftsunfähigen und die in ihrer Geschäftsfähigkeit Beschränkten. Da Rechtsgeschäfte in der Regel für die davon Betroffenen nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mit sich bringen, sollen diejenigen, die die Folgen einer abgegebenen Willenserklärung nicht oder nicht ganz zu überblicken vermögen, geschützt werden. Insbesondere soll den Geschützten kein in einer Vermögensminderung bestehender Schaden entstehen. Beispiel: Ein vierjähriges Kind ist nicht in der Lage zu beurteilen, ob ihm durch einen Vertrag, der den Kauf eines Fahrrades zum Gegenstand hat, ein Vorteil oder ein Nachteil entsteht, weil es u.a. den Wert von Leistung und Gegenleistung nicht in vol lem Umfange zu erkennen vermag. Die Rechtsordnung schützt das Kind dadurch, dass sie es durch § 104 Nr. 1 i.V.m. § 105 Abs. 1 außer Stande setzt, eine wirksame Willenserklärung zum Kauf eines Fahrrades abgeben zu können. Schon aus diesem Grund kann hier al so kein Kaufvertrag zustande kommen. Rechtsfähigkeit Träger von Rechten und Pflichten Prüfungsstandort: Anspruchsinhaber/ gegnerGeschäftsfähigkeit Rechtsfolgen für sich oder andere herbeiführen Prüfungsstandort: Wirksamkeit einer WEDeliktsfähigkeit für ein eigenes Verschulden verantwortlich Prüfungsstandort: Verschulden im DeliktsR §§827/

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen 2. Die Geschäftsunfähigen Nach dem BGB sind geschäftsunfähig: – Personen, die nicht das 7. Lebensjahr vollendet haben (§ 104 Nr. 1); – Personen, die sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist (§ 104 Nr. 2). Eine dauerhafte krankhafte Störung kann nicht immer ohne weiteres angenommen werden, sondern ist stark einzelfallabhängig. Es hängt nicht von der Intensität der Krankheit ab, sondern vielmehr von der Beeinträchtigung der freien Willensentschließung des Kranken. Dies kann bspw. bei einer manischen Depression oder bei fortgeschrittener Demenz vorliegen. In diesem Fall ist die in diesem Zei tpunkt abgegebene Willenserklärung des Betroffenen wirksam, selbst wenn ansonsten eine geistige Störung nach Maßgabe von § 104 Nr. 2 vorliegt. Die Feststellung der geistigen Störung erfolgt durch Sachverständigengutachten. Nach der herrschenden Meinung 12 besteht die Möglichkeit, dass der Ausschluss der Geschäftsfähigkeit wegen einer geistigen Störung im Sinne des § 104 Nr. 2 auf einen gegenständlich abgegrenzten Kreis von Angelegenheiten beschränkt sein kann (sog. „partielle Geschäftsunfähigkeit“). In der Rechtsprechung behandelte Fälle sind insb. Querulantenwahn für die Prozess-führung, 13 krankhafter Eifersucht für Fragen der Ehe14 oder sexueller Abhängigkeit von Telefonsex -Gesprächen.15 Infolgedessen ist eine Person, die lediglich im Hinblick auf einen eingegrenzten Kreis von Geschäften an Zwangsvorstellungen leidet, nur partiell geschäftsunfähig im Sinne des § 104 Nr. 2. Im Übrigen kann sie am Rechtsverkehr teilnehmen. Die Geschäftsfähigkeit kann nur durch den staatlichen Akt der Bestellung eines Betreuers beschränkt werden (siehe dazu unten ff.). Die Betreuung kann nur aus den in § 1814 Abs. 1 genannten Gründen durch das zuständige Betreuungsgericht in ei nem im FamFG geregelten Verfahren angeordnet werden (§§ 271 ff. FamFG). Willenserklärungen, die Geschäftsu nfähige abgeben, sind stets (von Gesetzeswegen) nichtig (§ 105 Abs. 1). Die Nichtigkeit einer Willenserklärung bedeutet: Die angestrebten Rechtsfolgen treten nicht ein. Die Willenserklärung ist deshalb dauernd unwirksam. Beispiel: Ein sechsjähriges Kind mö chte an einem Kiosk Süßigkeiten kaufen und macht dem Verkäufer ein entsprechendes Angebot. Die Willenserklärung des geschäftsunfähigen Kindes, die auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichtet ist, ist gemäß § 105 Abs. 1 nichtig. Das bedeutet: a uch wenn de r Verkäufer den Kaufvertrag zustande kommen lassen möchte und selbst eine dementsprechende Willenserklärung abgibt, kommt ein Kaufvertrag nicht zustande, weil ein Kaufvertrag nur durch wirksame Willenserklärungen beider Personen, die miteinander einen Vert rag abschließen möchten, zustande kommen kann, die Willenserklä_________________________________________________ 12 MünchKomm /SPICKHOFF , BGB § 104 Rn. 51 ff ; BROX/WALKER , § 12 Rn. 7; STADLER , BGB AT, Rn. 4 ; BeckOGK/ SCHNEIDER , BGB § 104 Rn. 31 ff. 13 BSG BeckRS 2019, 10922 . 14 BVerfG NJW 1955, 1714 . 15 BGH NJW -RR 2002, 1424 (keine freie Willensbetätigung mehr f. Anwählen von 0190 -Rufnummer).

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen rung des geschäftsunfähigen Kindes aber nichtig ist. Denn anders als bei beschränkt Geschäftsfähigen16 können die Eltern eines Kindes dem Vertrag nicht zustimmen, weil er endgültig unwirksam ist . Nichtig sind gem. § 105 Abs. 2 auch Willenserklärungen, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben werden. Der in § 105 Abs. 2 genannte Zustand setzt voraus, dass die freie Willensbestimmung ausgeschl ossen ist; die geistige Störung muss einen völligen Ausschluss der Willensbestimmung zur Folge haben. Das kann unter anderem auch bei Volltrunkenheit der Fall sein. Hier bedarf es laut Rechtsprechung einer Bewertung des Einzelfalls. sodass es keinen allgem eingültigen Grad der Blutalkoholkonzentration für die Annahme eines die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustandes gibt.17 Mit der Vorschrift des § 105a soll geistig behinderten Menschen eine ihren verbliebenen oder erworbenen Fähigkeiten entsprechende Teilnahme am Rechtsverkehr eröffnet werden. Sie sollen selbständig die nach der Verkehrsanschauung alltäglichen Geschäfte führen können, die mit geringen Mitteln bewirkt werden können (z . B geringe Mengen Nahrun gs- und Genussmitteln, Tageszeitungen, Friseur, Fahrten mit dem öffentlichen Personennahverkehr, Aufgeben von Briefen). Der Vertrag ist erst wirksam (ex nunc), wenn die Gegenleistung bewirkt wurde, also z.B. der Kaufpreis gezahlt wurde. Damit wurde eine dem „Taschengeld“-Paragraphen im Wesentlich en ähnliche Regelung geschaffen.

3. Die beschränkt Geschäftsfähigen Beschränkt geschäftsfähig sind gem. §§ 2, 106 Personen, die das 7., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben (Minderjährige, §§ 2, 106). Beispiel: K wird am 05.01.2010 geboren. Gemäß § 187 II 1, 2 wird der Tag der Geburt bei der Fristberechnung mitgerechnet. Die Minderjährigkeit endet mit Ende der Voll-jährigkeit, also zu Beginn des 18. Geburtstags am 05.01.2018 um 0 Uhr.

Für volljährige Personen, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung ihre Ange-legenheiten nicht allein besorgen können, bestellt das Vormundschaftsgericht gem. §§ 1814 ff. einen Betreuer. Die Anordnung der Betreuung bleibt auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten gem. § 104 ohne Einfluss. Allerdings stellt das Gesetz solche Personen, für die über die "einfache" Betreuung gem. § 1814 hinaus ein sog. Einwilligungsvorbehalt gem. § 1825 angeordnet worden ist, im Ergebnis einem beschränkt Geschäftsfähigen gleich (§ 1 825 Abs. 1 S. 3). Rechtsgeschäfte, die auf zumindest einer Willenserklärung eines beschränkt Geschäftsfähige n basieren , sind – anders als bei Geschäftsunfähigen – nicht "automatisch" und stets nichtig. Sie sind vielmehr gemäß §§ 106 ff. entweder – wirksam, – schwebend unwirksam oder – endgültig unwirksam . _________________________________________________ 16 Siehe hierzu § 11, II, 3. 17 BeckOGK/Schneider, BGB § 105 Rn. 17 ; BGH Urt. v. 6.2.1967 – II ZR 135/64, BeckRS 1967, 30387372 .

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen Die nachfolgenden Ausführungen gelten nur für nicht lediglich vorteilhafte Geschäfte. Rechtsgeschäfte, die lediglich rechtlich vorteilhaft sind, sind von Anfang an wirksam.

Für die Wirksamkeit (eines nicht lediglich rechtlich vorteilhaften) Geschäfts muss der gesetzl iche Vertreter eines beschränkt Geschäftsfähigen gem. § 107 in das Rechtsgeschäft einwilligen. 18 Die Einwilligung ( vgl. § 183 S. 1) ist eine im Voraus abgegebene Willenserklärung und kann gegenüber dem Geschäftspartner oder dem beschränkt Geschäftsfähigen selbst abgegeben werden. Sie stellt die Zustimmung zu der Willenserklärung des beschränkt Geschäftsfähigen dar.

  • der Vertreter den Vertrag genehmigt (=nachträgliche Zustimmung) vgl. §
  • Der Vertreter die Genehmigung verweigert. Der Vertrag wird endgültig unwirksam.
  • Der Geschäftspartner den Vertreter zur Genehmigung auffordert, dieser aber nicht antwortet. Die Genehmigung gilt als verweigert und der Vertrag ist end-gültig unwirksam vgl. § 108 Abs. 2 S.2.
  • Der Geschäftspartner seine Willenserklärung bis zur Genehmigung widerruft

_________________________________________________ 18 Näheres zum § 107 unter Nr. Einwilligung des VertretersWE des beschränkt GeschäftsfähigenWirksam WEKeine Einwilligung/ nicht led. rechtl. vorteilh.schwebend unwirksam §108 IGenehmigung wirksam Verweigerungendgültig unwirksam Aufforderung ohne Antwortendgültig unwirksam

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen Beachte: Eine Zustimmung kann entweder im Voraus erteilt werden (sie heißt dann Einwilligung , vgl. § 183 S. 1 ) oder im Nachhine in (sie heißt dann Genehmigung, vgl. § 184 Abs. 1) . Zustimmung ist also der Oberbegriff für Einwilligung (vorherige Zustimmung) und Genehmigung (nachträgliche Zustimmung). Beispiel: Der 12jährige A macht de r volljährigen B ohne Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages über sein Kinderfahrrad. B nimmt das Angebot an. Ein Kaufvertrag ist nicht wirksam zustande gekommen, weil das Rechtsgeschäft aufgrund des Angebot s, das der mind erjährige A gemacht hat, nach § 108 nicht wirksam geworden ist. Genehmigen die gesetzlichen Vertreter das Geschäft, so wird das Rechtsgeschäft von Anfang an wirksam (§ 184 Abs. 1). Der Kaufvertrag kommt zustande. Verweigern die gesetzlichen Vertreter die G enehmigung, so ist das Rechtsgeschäft (der Kaufvertrag) endgültig unwirksam. Ein Kaufvertrag ist dann also nicht zustande gekommen. Gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes sind in der Regel die Eltern. Die Vertretung der Kinder ist ein Teil des e lterlichen Sorgerechts aus § 1626. Sie steht beiden Elternteilen gemeinsam zu (Gesamtvertretung, § 1629 Abs. 1). Beispiel: Die Eltern erlauben ihrer 11jährigen Tochter P, sich von € 150,––, die ihr die Großmutter zu Weihnachten geschenkt hat, eine Smartwatch zu kaufen. Wenn P mit dem Händler R einen Kaufvertrag abschließt, so ist ihre auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung (Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages) wirksam, weil die Eltern als die gesetzlichen Vertreter zuvor ihre ausdrückliche Einwilligung erklärt haben (§§ 107, 183 S. 1 ). Der Rückgriff § 110, den sogenannten "Taschengeldparagraphen " (Bewi rken der Leistung mit eigenen Mitteln) ist hier ni cht erforderlich . Nach h.M. wird § 110 als Fall einer konkludenten Einwilligung durch die Überlassung von Mitteln an den Minderjährigen angesehen. 19 Auf eine solche schlüssige Einwilligung kommt es hier wegen der ausdrückliche n Erlaubnis der Eltern nicht me hr an. Auch Willenserklärungen, die ein gemäß §§ 1814 , 1825 Betreuter mit Einwilligung des Betreuers abgibt, sind wirksam (§ 1814 Abs. 1).

4. Die gesetzlichen Vertreter der Geschäftsunfähigen und der in ih-rer Geschäftsfähigkeit Beschränkten Weil die Geschäf tsunfähigen und die beschränkt Geschäftsfähigen nach der gesetzlichen Regelung selbst keine wirksamen Verträge schließen können, müssen ihre Rechtsgeschäfte durch andere Personen vorgenommen werden. Die Rechte und Interessen der Geschäftsunfähigen und der in ihrer Geschäftsfähigkeit Beschränkten nehmen in der Regel deren gesetzliche Vertreter wahr. Die Rechte und Pflichten aus den Rechtsgeschäften, die ein gesetzlicher Vertreter für einen Geschäftsunfähigen oder einen beschränkt Geschäftsfähigen vornimmt, treffen in ihren Wirkungen nur die ver-tretene Person, nicht aber den gesetzlichen Vertreter. Gesetzliche Vertreter von Geschäftsunfähigen und in der Geschäftsfähigkeit Be-schränkten können sein: Eltern, Betreuer, Vormünder, Pfleger. _________________________________________________ 19 Siehe zum § 110 auch § 11 II Nr. 7 .

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen Die gesetzlichen Vertrete r geschäftsunfähiger oder beschränkt geschäftsfähiger Kinder sind in der Regel die Eltern. Die Vertretung steht grundsätzlich beiden Elternteilen zu (Gesamtvertretung, § 1629 Abs. 1). Sie ist Teil der elterlichen Sorge i.S. von § 1626. Der Grundsatz der Ge samtvertretung kann jedoch durchbrochen werden. So kann etwa ein Elternteil den anderen bevollmächtigen, soweit er selbst Vertretungs-macht hat . 20 Auch Duldungs – und Anscheinsvollmacht sind denkbar.21 Wenn gegenüber einem Kind eine Willens erklärung abzugeben ist, genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil (§ 1629 Abs. 1 S. 1 2. HS). Die Vertretungsmacht der Eltern ist allerdings nicht unbegrenzt. Sie wird durch das Gesetz eingeschränkt. Zu einer Reihe wesentlicher Geschäfte bedürfen die Eltern der Genehmigun g des Vormundschaftsgerichts. Beispiel: Zur Verfügung über ein Grundstück, das im Eigentum ihres Kindes steht, bedürfen die Eltern der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1643 Abs. 1 i.V.m. § 1850 Abs. 1 Nr. 1). Minderjährige, die nicht unter elterli cher Sorge stehen, erhalten einen Vormund (§ 1773), und Volljährige (§ 1814), die unter Betreuung stehen, erhalten einen Betreuer. Die Vormundschaft umfasst grundsätzlich die allgemeine Fürsorge in persönlichen und Vermögensangelegenheiten des unter Vormundschaft Stehenden (Mündel). Dazu zählt z.B. die Sorge für die sittliche, geistige und körperliche Entwicklung (Erziehung) des Minderjährigen. Die Betreuung beinhaltet die tatsächliche und rechtliche Fürsorge. Die Rechtsposition des Betreuten wird nur sowei t eingeschränkt, als dies notwendig ist (§ 1814 Abs. 3). Ähnlich wie die Eltern sind auch der Vormund und der Betreuer in ihren Maßnahmen beschränkt (vgl. z.B. § 1850 für den Vormund und § 1833 für den Betreuer). Ebenso wie die Vormundschaft und Betreuung hat die Pflegschaft (§ 1809) Fürsorgetätigkeit zum Inhalt. Im Gegensatz zur Vormundschaft umfasst die Pflegschaft aber nicht alle, sondern nur besondere Angelegenheiten. Im Hinblick auf geschäftsunfähige und beschränkt geschäftsfähige Personen handelt es s ich im Wesentlichen um eine Ergänzung des elterlichen oder vormundschaftlichen Schutzes. Beispiel: Wenn die Kinder mit den Eltern eine Kommanditgesellschaft gründen wollen, muss für jedes Kind ein Pfleger bestellt werden.22

5. Die Regelung des § 107 BGB a) Die Einwilligung Die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter muss grundsätzlich zu jedem einzelnen Rechtsgeschäft des Minderjährigen erteilt werden. Ein unbeschränkter Generalkonsens dergestalt, dass die gesetzlichen Vertreter von vornherein für alle zukünftige n Rechtsgeschäfte die Einwilligung erklären, ist unzulässig, weil damit die vom Gesetzgeber gewollte Aufsicht der gesetzlichen Vertreter über den Minderjährigen vereitelt _________________________________________________ 20 Vgl. GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 1629 Rn . 7 ff. 21 KE 6 § 16 III Nr. 9. 22 Vgl. BayObLG FamRZ 1959, 125.

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen wurde, die gesetzlichen Vertreter sich damit ihrer erzieherischen Pflichten entziehen würden und dies dem Zweck der §§ 107 ff. zuwiderlaufen würde .23 Das schließt allerdings nicht aus, dass eine generelle Einwilligung für eine Gruppe von Geschäften erteilt werden kann, die als wirtschaftliche Einheit erfassbar und verkehrsüblich mit einem b estimmten Vorhaben verbunden sind. Beispiel: Unterstützen die Eltern E ihre 17jährige Tochter S, die in einer anderen Stadt ausgebildet wird, so willigen sie in der Regel generell darin ein, dass die S diejenigen Rechtsgeschäfte tätigt, die mit ihrer Ausbildung in einem, wenn auch entfernten, Zusammenhang stehen. Zum Kreis dieser Geschäfte dürften deshalb u.a. zu zählen sein: Der Abschluss eines Mietvertrages über ein Zimmer bzw. eine Kleinwohnung, der Abschluss von Kaufverträgen betreffend notwendige Lebe nsmittel, etc. Eine begrenzte Generaleinwilligung dieser Art begegnet keinen Bedenken, zumal im Geschäfts – und Wirtschaftsverkehr ein Bedürfnis dafür besteht, einem Minderjährigen die Einwilligung zu einer Reihe von zunächst noch nicht individualisierten G eschäften zu erteilen. Grenzen sieht der BGH25 allerdings mit Recht dort, wo eine generelle Einwilligung dieser Art über die Ausnahmetatbestände der §§ 112, 113 hinaus zu einer partiell erweiterten Geschäftsfähigkeit führen würde. Die Einwilligung der geset zlichen Vertreter ist eine Willenserklärung. Ihr Inhalt und Umfang sind deshalb durch Auslegung festzustellen. Da die Einwilligung eine Willenserklärung ist, kann sie auch konkludent abgegeben werden. Beispiel (in Anlehnung an BGHZ 47, 352 ff.): Der minder jährige M kaufte einen gebrauchten PKW. In den Geschäftsräumen des Verkäufers wurde der Kaufvertrag auch von der Mutter des M als alleiniger gesetzlicher Vertreterin unterschrieben. Zugleich beantragte M in den Geschäftsräumen des Verkäufers bei einem Versicherungsagenten den Abschluss einer Kfz –Haftpflichtversicherung. Der Antrag enthielt eine von dem Agenten unterschriebene vorläufige Deckungszusage. Einige Tage später wurden dem M unmittelbar von der Versicherung der Versi-cherungsschein und eine Zahlungsaufforderung für die Zahlung der ersten Prämie übersandt. Da die Prämie dann verspätet gezahlt worden war - inzwischen hatte M einen Unfall verursacht -, ging es u.a. um die Frage, ob die Zahlungsaufforderung wirksam geworden war mit der Folge, dass die Versicherung wegen verspäteter Zahlung von der Leistung befreit worden wäre. Nach § 131 Abs. S. 2 wäre für einen wirksamen Zugang die Einwilligung der Mutter erforderlich gewesen (s. unten). Der BGH hat die Frage offengelassen, ob die Mutter mit der Zustim mung zum Abschluss des Kaufvertrages konkludent auch die Einwilligung zum Abschluss der notwendigen Haftpflichtversicherung gegeben hatte. Selbst wenn man aber eine solche konkludent abgegebene Einwilligung annehmen würde, könnte diese Willenserklärung nicht dahin ausgelegt werden, dass dem Minderjährigen auch die Abwicklung des Vertrages uneingeschränkt überlassen werden sollte. Die Einwilligung der Mutter hätte den M allein in den Stand versetzen sollen, Versicherungsschutz zu erhalten, nicht aber, den Ve rsicherungsschutz durch mangelnde Einsichtsfähigkeit zu verlieren. Da die Nichtbeachtung _________________________________________________ 23 Vgl. STAUDINGER /KLUMPP , § 107 Rn. 4; MünchKomm /SPICKHOFF , BGB § 107 Rn. 23. 24 Vgl. STAUDINGER /KLUMPP , § 107 Rn. 4 ff. 25 BGHZ 47, 352, 359 .

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen der Zahlungsaufforderung dann, wenn diese Zahlungsaufforderung wirksam geworden wäre, zu einem Verlust des Versicherungsschutzes hätte führen können, lag nach Ansicht des BGH keine Einwilligung der Mutter zur Entgegennahme dieser Zahlungsaufforderung vor; die Aufforderung war daher unwirksam. Der Minderjährige hat keinen Anspruch gegen die gesetzlichen Vertreter auf Erteilung der Zustimmung. Stellt die Verweigerung der Zustimmung allerdings eine schuldhafte Pflichtverletzung dar, die beim Minderjährigen einen Schaden herbeiführt, dann ist zu überlegen, ob die gesetzlichen Vertreter unter gewissen Voraussetzungen zum Schadensersatz verpflichtet sein können. 26 Stimmen die gesetzlichen Vertreter einem Vereinsbeitritt zu, so beinhaltet dies in der Regel auch die Zustimmung zur Wahrnehmung sämtlicher Mitgliedschaftsrechte durch den Minderjährigen.27

b) Der lediglich rechtliche Vorteil 1) Grundsätzliches Die Willenserklärung eines Min derjährigen kann gemäß § 107 auch ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter von vornherein wirksam sein, wenn der Minderjährige durch das mit der Willenserklärung angestrebte Rechtsgeschäft "lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt" oder seine Vermögensverhältnisse dadurch überhaupt nicht berührt werden (sog. "rechtlich neutrale" bzw. "indifferente" Geschäfte – dazu später mehr ). Abzustellen ist auf den rechtlichen Vorteil und nicht auf die wirtschaftlichen Folgen des konkreten Geschäftes. Auch ein wi rtschaftlich noch so günstiges Geschäft kann der Minderjährige ohne Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter nicht wirksam vornehmen, wenn er dadurch irgendwelche rechtlichen Nachteile erleiden würde.

Darunter fallen vor allem solche Rechtsgeschäfte, die ausschließlich darauf gerichtet sind, dem Minderjährigen etwas zuzuwenden. Zudem fallen hierunter Verfügungsgeschäfte, bei denen der Minderjährige etwas erwirbt.

Der Minderjährige kann deshalb ohne Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter keine gegenseitig verpflichtenden Verträge abschließen. Unerheblich ist hingegen, dass gegen den Minderjährigen durch den Abschluss des Rechtsgeschäfts Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff.) oder Delikt (§§ 823 ff.) entstehen.29 _________________________________________________ 26 Vgl. MünchKomm /SPICKHOFF , BGB § 107 Rn. 34. 27 Vgl. MünchKomm /SPICKHOFF , BGB § 107 Rn. 34 . 28 Vgl. MünchKomm /SPICKHOFF , BGB § 107 Rn. 38. 29 Vgl. MünchKomm/ SPICKHOFF , BGB § 107 R n. 42. Def.: Einen lediglich rechtlichen Vorteil i.S. des § 107 erlangt der Minderjährige durch solche Rechtsgeschäfte, die die Rechtsstellung des Minderjährigen lediglich verbessern.

Def.: Einen rechtlichen Nachteil erleidet der Minderjährige hingegen, wenn ihn durch den Abschluss eines Rechtsgeschäfts irgendwelche Verpflichtungen – seien es Haupt – oder Nebenpflichten – treffen.

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen Beispiel: Da ei n Minderjähriger durch den Abschluss eines Kaufvertrages, der wirtschaftlich noch so günstig und vernünftig wäre, nicht nur gemäß § Abs. 1 einen Anspruch gegen den Verkäufer auf Übereignung der gekauften Sache erwirbt, sondern gleichzeitig auch aus § 4 33 Abs. 2 zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet würde, erlangt er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil. Die Willenserklärung des Minderjährigen, die zum Abschluss eines Kaufvertrages führen soll, bedarf deshalb, um wirksam zu sein, der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter. Kauft ein Minderjähriger eine Sache ohne Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter, so ist der Kaufvertrag, der geschlossen werden soll (das Verpflichtungsgeschäft), zunächst schwebend unwirksam und dann nichtig, wenn die gesetzlichen Vertreter die Genehmigung verweigern. Denn durch den Kaufvertrag verpflichtet sich der Minder-jährige zur Zahlung des Kaufpreises (§ 433 Abs. 2), das Rechtsgeschäft ist also nicht nur rechtlich vorteilhaft (§ 107). Hingegen ist die Übereignung der Sache durch Einigung und Übergabe gemäß § 929 S. 1 (das Verfügungsgeschäft) wirksam. Die Einigungserklärung des Minderjährigen ist eine Willenserklärung, durch die er einen lediglich rechtlichen Vorteil i.S. des § 107 erlangt, nämlich das Eigentum, ohne zu einer Gegenleistung verpflichtet zu werden. Unerheblich ist, ob mit der wirksamen Über-eignung an den Minderjährigen eine Erfüllungswirkung eintritt. Zu berücksichtigen ist, dass aufgrund des Abstraktionsprinzips eine Verfügung trotz der Nichtigkeit d es zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft s wirksam sein kann. 30 Dass der Minderjährige die erworbene Sache gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 an den Veräußerer wieder herausgeben muss hindert nicht, dass mit dem Erwerb des Eigentums unter Berücksichtigung des Abstraktionsprinzips ein lediglich rechtlicher Vorteil i.S. des § 107 erlangt wird. Fälle, in denen ein Minderjährige r auch ohne Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter ein wirksames Rechtsgeschäft abschließen können, sind vor allem Schenkungen (als Schenkungsnehmer) und der Erwerb von Forderungen durch Abtretung (§ 398) sowie der Erwerb des Eigentums an beweglichen und unbeweglichen Sachen, also hauptsächlich Verfügungsgeschäfte zugunsten des Minderjährigen.

2) Schenkungen des gesetzlichen Vertreters an den Minderjähr igen Problematisch ist die Beurteilung von Schenkungen des gesetzlichen Vertreters an den Minderjährigen in den Fällen, in welchen nicht unmittelbar das Verpflichtungsgeschäft, sondern erst das Erfüllungsgeschäft dem Minderjährigen rechtliche Nachteile bringt. 31 Hier wirken sich Trennungsprinzip und Abstrakti onsprinzip (vgl. dazu oben § 10) und die damit verbundene Unterscheidung zwischen Verpflichtungs - und Verfügungsge schäft aus. Das Verpflichtungsgeschäft – welches vom Erfüllungsgeschäft abstrakt ist – ist als solches lediglich rechtlich vorteilhaft (Schenkung); daher könnte der Minderjährige es selbst oder sein gesetzlicher Vertreter ohne die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers vornehmen. Nach dem Wortlaut des § 181 letzter Halbsatz greift die Sperre der Regelung nicht ein, wenn „„in […] Erfüllung einer Verbindlichkeit“ gehandelt wird. Im Falle der Schenkung wäre dies die Erfüllung der sich aus dem Schenkungsvertrag ergebende Verpflichtung, das Eigentum zu übertragen. Dann würde aber damit der durch §§ 107, 181 bezweckte Schutz des Minderjährigen vor _________________________________________________ 30 Vgl. MünchKomm /SPICKHOFF , BGB § 107 BGB, Rn. 63. 31 Vgl. BGHZ 15, 168: Schenkung eines Grundstücks; 78, 28 : Schenkung einer Eigentumswohnung.

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen rechtlich nachteiligen Geschäften leerlaufen, wenn für die rechtlich nachteilige Erfüllung des Schenkungsvertrags der gesetzliche Vertreter nicht der Beteiligung eines Ergänzungspflegers bedürfte.32 Übereinstim mend nehmen Rechtsprechung und Literatur für diesen Fall daher eine Einschränkung der oben genannten Regelungen vor und machen die Schenkung von der Zustimmung eines Ergänzungspflegers abhängig. Unterschiedlich ist aber die Begründung. Die frühere Rechtsprechung des BGH 33löste das Problem durch eine Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und dinglichen Vertrages; da die zustimmungsfreie Erfüllung des Schenkungsvertrags letztlich zu rechtlichen Nachteilen für den Minderjährigen führe, sei auch das Verpflichtungsgeschäft als rechtlich nachteilig zu betrachten. Eine solche Gesamtbetrachtung w ird seitens der Literatur mit dem Trennungsprinzip für unvereinbar gehalten und daher abgelehnt . 34 Die Literatur sprich t sich in diesem Fall für eine teleologische Reduktion des § 181 letzter Halbsatz BGB aus.35 In seiner neueren Rechtsprechung schließt der BGH allein aus der isolierten Betrachtung des rechtlich nachteiligen Erfüllungsgeschäfts, dass der Erwerb des zu-gewandten Gegenstands ohne Zustimmung eines E rgänzungspflegers unwirksam sei. 36 Damit dürfte sich der BGH der erwähnten Literaturansicht angeschlossen haben, dass „negative Verbindlichkeiten“ nicht von § 181 letzter Halbsatz BGB erfasst seien.

3) Übertragung von Wohnungseigentum an den Minderjährigen Rechtlich nachteilig ist nach aktueller Rechtsprechung des BGH insbesondere die Übertragung von Wohnungseigentum an den Minderjährigen. Früher folgte der BGH der herrschenden Lehre, die von einem grundsätzlich vorteilhaften Rechtsgeschäft ausgeht, solange der Minderjährige nicht in eine Wohnungseigentumsgemeinschaft mit einer Gemeinschaftsordnung eintritt, die wesentlich strengere Pflichten als das Gesetz begründet. Schon vor längerer Zeit ist der BGH von dieser Ansicht abgerückt.38. Der Erwerb einer Eigentumswohnung ist stets rechtlich nachteilig, so dass zumindest für die Übereignung der Wohnung von den Eltern an ihr minderjähriges Kind die Einschaltung eines Ergänzungspflegers erforderlich ist. Zur Begründung führt der BGH an, der Minder-jährige erwerbe nicht nur den Vermögensgegenstand, sondern werde auch Mitglied der Wohnungseigentümerschaft. 39 Damit ist der Minderjährige gemäß § 16 Abs. WEG verpflichtet, nach dem Verhältnis seines Anteils die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen. Vor allem aber haftet der Minderjährige gemäß § 9 a Abs. 4 WEG gegenüber Gläubigern der Wohnungseigentumsgemeinschaft für Verbindlichkeiten, die während der Zeit seiner Zugeh örigkeit _________________________________________________ 32 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 107 Rn. 6; BGHZ 78, 28, 34 ; näher zum In -sich-Geschäft [§ 181 BGB] KE 7, § 16 IV. 33 BGHZ 78, 28, 31 . 34 MünchKomm /SPICKHOFF , BGB § 107 Rn. 53 . 35 MünchKomm /SCHUBERT , BGB § 181 Rn. 32. 36 BGHZ 161, 170 bzw. BGHZ 187, 119, 121. 37 STAUDINGER /KNOTHE , § 107, Rn. 13 ; GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 107, Rn. 4. 38 BGHZ 187, 119 . 39 BGH a. a. O. Tz. 13 ff.; ebenso nun G RÜNEBERG /ELLENBERGER , § 107, Rn. 4.

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen entstehen bzw. fällig werden. Zwar stellt man auch hier auf den jeweiligen Anteil ab, allerdings haftet der Minderjährige neben der (geschenkten) Eigentumswohnung zu-sätzlich mit seinem übrigen Vermögen. 40 An dieser Beurteilung ändert auch ein Nießbrauchrecht (§ 1030) des Zuwendenden nichts. Dieses Verhältnis betrifft lediglich das Innenverhältnis zwischen dem Minderjährigen und dem Zuwendenden. Es entlastet ihn im Außenverhältnis nicht. Die schenkungsweise Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem weder vermieteten noch verpachteten Grundstück sei hingegen lediglich rechtlich vorteilhaft. Es bestünden keine unmittelbaren Verpflichtungen oder Belastungen für das Vermögen des Minderjährigen. Die Stellung als Miteigentümer sei gerade nicht mit dem Eintritt in eine Wohnungseigentümergemeinschaft vergleichbar.41 Auch bei Schenkung eines Tieres an einen beschränkt Geschäftsfähigen ist zu unterscheiden: Wirbeltiere dürfen ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten gemäß § 11 c TierSchG an Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr nicht abgegeben werden. Eine Übereignung ist somit aufgrund des gesetzlichen Verbots des § 134 BGB nichtig. Die Schenkung von wirbellosen Tieren unterliegt zwar nicht einem gesetzlichen Verbot, sie ist aber nic ht lediglich rechtlich vorteilhaft, denn der Tierhalter ist gemäß § 2 TierSchG artgerechten Ernährung, Pflege und verhaltensgerechten Unterbringung des Tieres verpflichtet.42 Abschließendes Beispiel: Die 17jährige M einigt sich ohne Einwilligung ihrer geset zlichen Vertreter mit dem 19jährigen V über den Erwerb eines Fernsehgerätes zum Preise von € 200,––. M zahlt € 2 00,–– an V und nimmt das Gerät mit. Die Eltern verweigern ihre Genehmigung zu dem Geschäft, nachdem sie davon erfahren haben. Der Kaufvertrag, den M und V abschließen wollten, war zunächst schwebend unwirksam. Da M durch den Abschluss des sie zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtenden Kaufvertrages nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangte, bedurfte ihre zum Vertragsschluss führende Will enserklärung der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter. Nachdem diese die Genehmigung verweigert haben, ist die Willenserklärung, mit der M den Kaufvertrag abschlie-ßen wollte und die mangels Einwilligung zunächst schwebend unwirksam war, nun nichtig geword en. Hingegen ist die Übereignung des Fernsehgerätes gemäß § 929 S. 1 wirksam, weil die zum Eigentumsübergang notwendige Einigungserklärung der M von vornherein ohne Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter wirk-sam war; denn der Erwerb des Eigentums an dem Fernsehgerät stellt einen lediglich rechtlichen Vorteil i.S. des § 107 dar. Hier ist also das Verpflichtungsgeschäft (Kaufvertrag) nichtig, das Verfügungsgeschäft hingegen wirksam. Allerdings hat V gegen M gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 einen Anspruch auf Rückübereignung des Fernsehgerätes und M gegen V einen Anspruch auf Rückzahlung von € 2 00,– – aus § 812 Abs. 1 S.1 Var. 1, weil die beiden Vermögensverschiebungen, die erfolgt sind - Übereignung des Fernsehgerätes von V an M und die Zahlung von € 200,–– von M an V -, wegen des nichtigen Kaufvertrages ohne rechtlichen Grund erfolgt sind. Neutrale oder so genannte indifferente Geschäfte des Minderjährigen sind ebenfalls ohne Zustimmung der gesetzlichen Vertreter wirksam. _________________________________________________ 40 OLG München, Beschl. v. 6.3.2008 – 34 Wx 14/08, ZEV 2008, 246, 247. 41 BGH, NJW 2024, 1957 . 42 BROX/WALKER , § 12 Rn. 21 .

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen

Ein typisches Beispiel dafür ist das rechtsgeschäftliche Handeln des Minderjährigen als Vertreter für den Vertretenen ( § 165). Die Willenserklärungen, die der Minderjährige innerhalb der ihm erteilten Vertretungsmacht abgibt, berechtigen und verpflichten lediglich den Vertretenen, nicht aber den Minderjährigen. c) Die Rechtsfolgen Hat der beschränkt Geschäftsfähige einen Anspruch erlangt, so sol l nach Ansicht mancher Autoren43 durch eine Leistung an ihn die Erfüllung i.S. des § 362 Abs. 1 nicht eintreten, da die Erfüllung zum Erlöschen des Anspruchs führen würde; dies bedeute für den Minderjährigen einen rechtlichen Nachteil. Folgt man dieser Ansicht, so kann der Minderjährige, der durch den Abschluss eines mit Einwilligung der gesetzlichen Vertreter abgeschlossenen Kaufvertrages einen Anspruch a uf Eigentumsverschaffung aus § 433 Abs. 1 erworben hat, das Eigentum an der gekauften Sache auch ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter erwerben. Da die Erfüllungswirkung - weil rechtlich nachteilig - nicht eintritt, behält der minderjährige Käufer g leichwohl seinen Erfüllungsanspruch. Nach anderer Auffassung 44 tritt die Erfüllungswirkung (Erlöschen der Forderung des Minderjährigen) auch ohne Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter mit dem Erwerb des Eigentums an der gekauften Sache ein. Als Begründung für diese Lösung wird angeführt, ein rechtlicher Vorteil liege schon darin, dass der Minderjährige anstelle der Forderung den ihm geschuldeten Gegenstand erwerbe; schon den römischen Klassikern sei die Regel geläufig gewesen, dass es günstiger sei, die Sach e selbst zu haben als das auf ihren Erwerb gerichtete Klagerecht. Nach der inzwischen herrschenden Theorie der realen Leistungsbewirkung45 ist kein Vertrag notwendig, der neben dem Leistungsverhalten und neben dem Eintreten des Leistungserfolges erst die Er füllungswirkung, nämlich das Erlöschen der Forderung herbeiführt. Erfüllt ist bei objektiver Übereinstimmung zwischen erbrachter und geschuldeter Leistung.46 Folgt man dem, so könnte der Schuldner grundsätzlich auch durch die Leistung (z.B. Übereignung) an den Minderjährigen frei werden;47 denn der Forderungsverlust ist nur eine mittelbare Folge des " Tilgungsaktes " und lässt diesen deshalb nicht als nachteilig i.S. von § 107 erscheinen. Dieses Ergebnis vermeidet die h.M., indem sie – auf der Grundlage der Th eorie der realen Leistungsbewirkung – die Befreiung des Schuldners davon abhängig macht , dass der Gläubiger auch „empfangszuständig“, d.h. zur Entgegennahme der Leistung befugt ist.48 Diese Befugnis kann fehlen, wenn der Gläubiger nicht (voll) geschäftsfähig ist. Dann tritt nach h.M. die Erfüllungswirkung bei Entgegennahme der Leistung durch den Minderjährigen nur ein, wenn die gesetzlichen Vertreter hierin eingewilligt haben (vgl. § 107 BGB). Ist dies nicht der Fall, dann ist zwar die Übereignung an den _________________________________________________ 43 u.a. BROX/WALKER , § 12 Rn. 14 ff .; HÜBNER , Rn. 709; WACKE, JuS 1978, 80 mit N achw. 44 HARDER , JuS 1977, 149, 151 f. 45 LARENZ , Schuldrecht, Bd. 1, § 18 I 5; MünchKomm /FETZER, § 362 Rn. 10 ; a.A. SOERGEL /ZEISS, Vor § Rn. 7. 46 So SOERGEL /ZEISS, Vor § 362 Rn. 7. 47 HARDER , JuS 1977, 149. 48 GRÜNEBERG /GRÜNEBERG , § 362 Rn. 4. Def.: Neutral ist ein Geschäft dann, wenn es dem Minderjährigen weder einen rechtlichen Vorteil noch einen rechtlichen Nachteil bringt, weil es lediglich für einen Dritten wirkt.

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen Minderjährigen als lediglich rechtlich vorteilhaft wirksam.49 Sie führt aber nicht zur Erfüllungswirkung i.S.v. § 362 BGB.50

6. Die Auflösung des Schwebezustandes gemäß §§ 108, Wie schon erwähnt (vgl. oben S. 23), ist eine Willen serklärung, die ein Minderjähriger ohne Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter abgibt, schwebend unwirksam (§ Abs. 1). Dieser Schwebezustand kann durch die Genehmigung oder die Verweigerung derselben durch die gesetzlichen Vertreter beendet werden, was im erstgenannten Fall das rückwirkende Wirksamwerden des Geschäftes (§ 184 Abs. 1), im letztgenannten die endgültige Unwirksamkeit desselben zur Folge hat. Gemäß § 182 Abs. 1 können die gesetzlichen Vertreter die Genehmigung dem Minderjährigen oder de m Geschäftsgegner gegenüber erklären. Die Genehmigung ist formlos (§ 182 Abs. 2) und an keine Frist gebunden. Das gleiche gilt für die Verweigerung. Häufig verhalten sich die gesetzlichen Vertreter überhaupt nicht zu einem vom Minderjährigen geschlossenen Geschäft: sie erteilen zwar keine Genehmigung, sie verweigern sie aber auch nicht . In vielen Fällen unterbleibt ein Handeln der gesetzlichen Vertreter schon deswegen, weil sie von dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts durch den Minderjährigen gar nichts wiss en. Der deshalb andauernde Schwebezustand beschränkt den Geschäftspartner des Minderjährigen in seiner Dispositionsfreiheit. § 108 Abs. 2 gibt ihm allerdings die Möglichkeit, den für ihn lästigen Schwebezustand zu beenden. Der Geschäftspartner kann eine baldige Entscheidung der gesetzlichen Vertreter dadurch herbeiführen, dass er sie zur Erklärung über die Genehmigung auffordert . Diese Aufforderung, die nach herrschender Meinung eine empfangsbedürftige und formfreie Willenserklärung ist, 51 hat zur F olge, das s die Entscheidung über die Genehmigung - über ihre Erteilung ebenso wie über ihre Verweigerung - nur noch gegenüber dem Geschäftspartner erfolgen kann. § 108 Abs. S. 1, 2. HS knüpft an die den gesetzlichen Vertretern gegenüber abgegebene Aufforderung sogar noch eine weitere Rechtsfolge : eine dem Minderjährigen gegenüber vor der Aufforderung erklärte Genehmigung wird ebenso unwirksam wie eine gegenüber dem Minderjährigen erklärte Verweigerung derselben. Im letztgenannten Fall wird also der – eigentlich be reits beendete – Zustand der schwebenden Unwirksamkeit erneut hergestellt. § 108 Abs. 2 S. 2 setzt eine Ausschlussfrist: Die Genehmigung der gesetzlichen Vertreter kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung dem Geschäftspartner gegenüber erklärt werden; erfolgt keine Erklärung, so wird das Nichterklären als Verweigerung der Genehmigung gewertet (= Fiktion einer WE). Wird ein Minderjähriger während des Schwebezustandes volljährig, geht das Recht, die schwebend unwirksame Willenserklärung durch eine Genehmigung wirksam wer-den zu lassen, gemäß § 108 Abs. 3 auf die nun volljährig und damit vollgeschäftsfähig gewordene Person über. Zu beachten ist, dass eine schwebend unwirksame Wil-lenserklärung nicht automatisch mit dem Eintritt der unbeschränkten _________________________________________________ 49 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 107 Rn. 4. 50 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 107 Rn. 2; RÜTHERS /STADLER , § 23 Rn. 31. 51 vgl. STAUDINGER /KNOTHE , § 108 Rn. 12.

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen Geschäftsfähigkeit wirksam wird. Es bedarf vielmehr einer Genehmigung durch den bis zu diesem Zeitpunkt Minderjährigen, die auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden kann. Eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten setzt allerdings voraus, dass der Erklärende sich der schwebenden Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts be-wusst ist oder mindestens mit ihr gerechnet hat. 52 Eine konkludente Genehmigung kann z.B. dadurch erfolgen, dass der nunmehr Volljährige Käufer den Kaufpreis überweist oder der Kaufgegenstand übereignet wird. Der Geschäftspartner soll während des Schwebezustandes nicht einseitig an den Vertrag gebunden sein. Er kann den Vertrag deshalb gem. § 109 widerrufen. Dieser Widerruf ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Adre ssat derselben sind die gesetzlich en Vertreter oder der Minderjährige selbst (§ 109 Abs. 1 S. 2.) Fall: Am 2. September 2023 schließt der 17jährige M ohne Einwilligung seiner Eltern mit dem Händler H schriftlich einen Vertrag über den Kauf eine s Smartphone s zum Preise von € 1.300,–– ab. Nach diesem Vertrage soll das Smartphone am 17. September 2 023 unter Eigentumsvorbehalt geliefert werden, falls M bis zum 16. September 20 23 € 500,–– angezahlt hat; der Restkaufpreis soll in monatlichen Raten von je € 100,–– gezahlt werden. Am 12. September 20 23 wird M 18 Jahre alt. Er beschließt, den Führerschein zu machen und sich ein Auto zu kaufen. Da es ihm an Geld mangelt, schreibt er am 13. September 2023 an H, er (der M) nehme nunmehr von dem Vertrag vom 2. September 2023 Abstand, weil er das Geld dringend für andere Zwecke benötigte. Als die Eltern des M von dem Geschehenen hören, schreiben sie unter dem Datum des 20. September 2023 an H und teilen ihm mit, sie bäten ihn wegen des Verhaltens ihres Sohnes M um Entschul digung; selbstverständlich genehmigten sie den Vertrag vom 2. September 2023 . Beide Schreiben sind dem H zugegangen. H ist der Auffassung, er habe gegen M einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises wie vereinbart. Zu Recht?

Aufgabe 1: Bitte lösen Sie diesen Fall in einem schriftlichen Gutachten und vergleichen Sie Ihre Ausführungen anschließend mit der Lösung am Ende dieser Kurseinheit!

7. Der Sondertatbestand des § Gemäß § 110 sind ausnahmsweise auch ohne Zustimmung der gesetzlichen Vertreter geschlosse ne Verträge des Minderjährigen von Anfang an durch Erfüllung wirksam, wenn er sie mit Mitteln bewirkt , die ihm von den gesetzlichen Vertretern oder mit deren Zustimmung von einem Dritten zu diesem Zwecke oder zur freien Verfügung überlassen worden sind. Die gesetzliche Regelung des § 110 enthält allerdings nach h.M. keine Ausnahme von dem Grundsatz des § 107, wonach der Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seiner gesetzlich en Vertreter bedarf. § 110 trägt vielmehr den praktischen Bedürfnissen des Wirtschaftslebens Rechnung und gestattet lediglich, dass die "Einwilligung durch _________________________________________________ 52 Vgl. BGHZ 53, 174, 178 .

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen Überlassung gewisser Mittel an den Minderjährigen vom Vertreter im allgemeinen erklärt " wird; das v om Minderjährigen geschlossene Geschäft wird also " auch ohne besondere Zustimmung sowohl nach der dinglichen wie nach der schuldrechtlichen Seite von Anfang an wirksam ", wenn es vom Minderjährigen erfüllt wird.53 Auch in den Fällen des § 110 wird also auf die – hier: schlüssig erklärte – Einwilligung des gesetzlichen Vertreters abgestellt. Das bedeutet umgekehrt: Rechtsgeschäfte gegen den erklärten Willen der gesetzlichen Vertrete r können nicht nach § 110 als wirksam gelten. Beispiel: Der 15jährige J kauft von seinem Taschengeld eine "Softair"-Waffe für 20 Euro, obwohl seine Eltern erklärte Waffengegner sind und das Spielen mit diesen Waffennachbildungen strikt ablehnen. Auch wenn J die Zahlung des Kaufpreises aus den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln be wirkt, gilt der Vertrag nicht nach § 110 BGB als wirksam. Die durch die Überlassung des Taschengeldes konkludent von den Eltern erklärte Einwilligung hat nicht den Erwerb von Softair Waffen erfasst.

Deshalb sind insbesondere Teilzahlungsgeschäfte mit Minderjährigen, denen die Abrede zugrunde liegt, dass der vereinbarte Kaufpreis nicht auf einmal, sondern in mehreren aufeinander folgenden Raten gezahlt werden soll, für den Verkäufer risikobehaftet. Bei einem Teilzahlungsgeschäft sind Leistung und Gegenlei stung nicht teilbar; deshalb ist eine Teilerfüllung durch den Minderjährigen nicht möglich. Ein zwi-schen einem Verkäufer und einem Minderjährigen ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter abgeschlossenes Teilzahlungsgeschäft, das mit Mitteln bewirkt wer den soll, die dem Minderjährigen zur freien Verfügung überlassen sind, ist also schwebend unwirksam, bis die letzte Rate und damit der vollständige Kaufpreis gezahlt ist. Beispiel: Der 16jährige M kauft ohne Einwilligung seiner Eltern bei R ein Notebook zum Preis von € 300,––. Es wird vereinbart, dass M € 75,–– anzahlt (was auch geschieht ) und dass der Restkaufpreis in monatlichen Raten zu je € 25,–– gezahlt werden soll. M zahlt nur noch eine Rate. Anzahlung und Rate stammen aus Mitteln, die die Eltern dem M zur freien Verfügung überlassen haben. Der Kaufvertrag zwischen M und R ist noch nicht wirksam, sondern schwebend unwirksam, weil M noch nicht bewirkt, d.h. erfüllt hat. M ist deshalb auch nicht verpflichtet, die noch ausstehenden Raten zu zahlen. Tut er es dennoch, so wird der Vertrag rückwirkend zum Zeitpunkt des Abschlusses wirksam. _________________________________________________ 53 So RGZ 74, 234, 235 . Def.: Bewirkt i.S. des § 110 bedeutet: Der Minderjährige muss den Vertrag mit den ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung überlassenen Mitteln i.S. des § 362 erfüllt haben.

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen

8. Die Surrogationsgeschäfte Ob der Minderjährige über das, was er mit den ihm zu freien Verfügung überlassenen Mitteln erworben hat (sog. Surrogat), ebenfalls frei verfügen kann, hängt davon ab, "ob unter Berücksichtigung des Erziehungsgesichtspunktes angenommen werden kann, dass sich die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters auch auf die Verfügung über das Erworbene erstrec kt".54 Das bedeutet, das s letztlich durch Auslegu ng zu ermitteln ist, ob die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter auch die Verfügung über die Surrogate erfasst, letzteres wird der Regelfall sein. Davon ausgenommen dürften im Zweifel solche Surrogate sein, die den Wert der überlassenen Mittel erheblich übersteigen. Beispiel: Das Reichsgericht (RGZ 74, 234 ff.) hatte folgenden Fall zu entscheiden: Ein siebzehnjähriger Schüler erwarb von seinem wöchentlich 3 Mark betragenden Taschengeld ein Lotterielos und gewann damit 4.000 Mark. Von diesem Gewinn kaufte er für 3.200 Mark einen PKW und bezahlte den Kaufpreis bar. Das Reichsgericht hat angenommen, dass in diesem Fall die in der Überlassung des Taschengeldes zur freien Verfügung liegende Einwilligung den Kauf des PKW aus einem Lotteriegewinn nicht mit umfas ste.

9. Die partielle Geschäftsfähigkeit a) Der selbständige Betrieb eines Erwerbsgeschäftes Mit § 112 sollten die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass ein Minderjähriger als Selbständiger im Erwerbsleben tätig sein kann . Erwerbsgeschäft kann nach allgemeinen Regeln jede berufsmäßig ausgeübte und auf Gewinnerzielung gerichtete selbstständige Tätigkeit sein. Beispielsweise können darunter insbesondere auch App- Entwickler, Kinder -Influencer oder YouTuber fallen. Nach § 112 kann ein Minderjähr iger allerdings nur für einen bestimmten, abgegrenzten Kreis von Rechtsgeschäften mit der vollen Geschäftsfähigkeit ausgestattet wer-den. Für alle übrigen Rechtsgeschäfte fehlt ihm die volle Geschäftsfähigkeit. Die Genehmigung der Eltern ist eine an den Minderjährigen gerichtete Willenserklärung. Mit der Genehmigung in § 112 ist jedoch die familiengerichtliche „Genehmigung“ ( §§ 1643, 1850– 1854) gemeint .

b) Dienst – oder Arbeitsverhältnisse von Minderjährigen Ähnlich wie § 112 schafft § 113 die Möglichkeit, einem Minderjährigen die volle Geschäftsfähigkeit für einen bestimmten Kreis von Rechtsgeschäften zu verleihen. Dieser Kreis ist durch die Eingehung und Aufhebung eines Dienst – oder Arbeitsverhältnisses und durch die Erfüllung der sich daraus ergebenden Verpf lichtungen begrenzt . Weiter geht die Vorschrift nicht; sie führt nicht zu einer "allgemeinen Geschäftsfähig_________________________________________________ 54 So SOERGEL /HEFERMEHL , § 110 R n. 5; WILLEMS , MMR 2018, 707 710 f. 55 WILLEMS , MMR 2018, 707 710 f. 56 HEIDEL/HÜßTEGE /MANSEL /NOACK, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, BGB § 112 Rn. 12 .

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen keit" im Dienst - oder im Arbeitsverhältnis; i m Übrigen fehlt dem Minderjährigen vielmehr die volle Geschäftsfähigkeit. Aus § 113 lässt sich nicht abl eiten, dass der an den Minderjährigen gezahlte Arbeitslohn diesem zur freien Verfügung steht .57 Beispiel: Die Eltern haben ihrem 17jährigen Sohn M gestattet, ein Arbeitsverhältnis seiner Wahl einzugehen. M arbeitet, nachdem er einen entsprechenden Arbeitsv ertrag abgeschlossen hat, in einem Betrieb der metallverarbeitenden Industrie und tritt in die Industriegewerkschaft Metall ein. Die Eltern verbieten dem M den Eintritt in die Gewerkschaft. Die Frage, ob M überhaupt Mitglied der IG – Metall geworden ist, ist unter Anwendung des § 113 zu beantworten. Dabei ist darauf abzustellen, ob der Eintritt in eine Gewerkschaft zur "Erfüllung der sich aus einem solchen Verhältnis (gemeint ist das Arbeitsverhältnis) ergebenden Verpflichtungen" i.S. des § 113 gehört. Wegen des engen Zusammenhanges zwischen Arbeitsverhältnis und Gewerkschaftszugehörigkeit ist dies zu bejahen, weil die Gewerkschaft für die Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen aushandelt und sie in ihrer Stellung als Arbeitnehmer berät . Beachte: Berufsausbildungsverträge sollen von § 113 nicht erfasst sein. Das gilt für Lehrverträge ebenso wie für Volontär - und Praktikantenverhältnisse, weil insoweit der Ausbildungszweck im Vordergrund steht .59

10. Das Wirksamwerden einer dem Minderjährigen zugehenden Willenserklärung (§ 131 Abs. 2) Da an den Zugang von Willenserklärungen Rechtsfolgen geknüpft sind, hat das BGB den Schutz der beschränkt Geschäftsfähigen dadurch konsequent durchgeführt, dass eine einer beschränkt geschäftsfähigen Person gegenüber abgegebene Willenserk lärung grundsätzlich nicht wirksam wird, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Nur wenn die Erklärung der in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Person lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt oder der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung erteilt, wird dieselbe mit Zugang an den beschränkt Geschäftsfähigen wirksam (§ Abs. 2). Die Einwilligung, also die vorherige Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gemäß § 131 Abs. 2 S. 2, bezieht sich auf den Wirksamkeitseintritt der empfangenen Willenserklärung. Die Einwilligung muss also zu diesem Zeitpunkt bestehen. Eine solche Einwilligung kann in der Regel auch darin gesehen werden, dass der gesetzliche Ver-treter mit dem Abschluss eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts sein Einverständnis erklärt hat. Beispiel: Wenn die Mutter auch den Antrag auf Abschluss einer Haftpflichtversicherung unterschrieben hat, liegt darin zugleich die Einwilligung, dass die dem Minderjährigen gegenüber abgegebene Annahmeerklärung wirksam wird.

Rechtsgeschäfte mit Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen Fall: Der 17jährige M erwirbt b ei Juwelier J ohne Wissen seiner Eltern einen Ring zum Preis von € 150,––, um ihn seiner 16jährigen Freundin F zum Geschenk zu machen. M, der von seinem monatlichen Taschengeld in Höhe von € 5 0,–– heimlich € 100,–– gespart hat, zahlt diesen Betrag auf den Kaufpreis an und kommt mit J, der ihn gut kennt, überein, den Restkaufpreis in monatlichen Raten von je € 10,–– zu zahlen. J übergibt den Ring an M, der ihn am Tage darauf der F schenkt. Als die Eltern des M von dem Geschehenen hören, missbilligen sie sowohl den Erwerb des Ringes als auch die Zuwendung an F und fordern M auf, alles rückgängig zu machen. 1. Wer ist gegenwärtig Eigentümer des Ringes? 2. Welche Ansprüche hat J gegen M? Aufgabe 2: Beantworten Sie diese Fragen in einem schriftlichen Gutachten und vergleichen Sie Ihre Ausführungen anschließend mit der Lösung am Ende dieser Kurseinheit! 11. Die Regelung des § 1825 BGB Wie bereits erwähnt, stellt das Gesetz solche volljährigen Personen, für die eine Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt gem. §§ 1814, 1825 angeordnet ist, im Ergebnis einem Minderjährigen gleich. Insbesondere gelten die §§ 108 bis 113 entspr echend (§ 1825 Abs. 1 S. 2), so weit der Einwilligungsvorbehalt reicht (vgl. §§ 1 823, Abs. 2). § 1 825 Abs. 3 S. 1 enthält eine dem § 107 entsprechende Regelung; darüber hinaus sind Willenserklärungen, die geringfügige Angelegenheiten des täglichen Le-bens betreffen, ohne Einwilligung des Betreuers wirksam (§ 1 825 S. 2).

Wichtige Entscheidungen: BGHZ 47, 352, 359 f . BGHZ 78, 28, 31 ff . RGZ 74,

Die Form § 12 Die Form Schrifttum: ARMBRÜSTER , Treuwidrigkeit der Berufung auf Formmängel, NJW 2007, 3317 ; BLASCHE , Notarielle Beurkundung, öffentliche Beglaubigung und Schriftform, JURA 2008, 890; C ANARIS , Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971; HÄSEMAYER , Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte, 1971; ders., Die Bedeutung der Form im Privatrecht, JuS 1980, 1 ff. ; KEIM, § 313 BGB und die Beurkundung zusammengesetzter Verträge, DNotZ, 2001, 827; L ÜTZEN , „Schriftlich“ und „Schriftform“ – der unbekannte Unterschied, N JW 2012, 1627 ; LARENZ , Das Problem der Aufrechterhaltung formnichtiger Schuldverträge, AcP 156 [1965], 381 ff. I. Das Prinzip der Formfreiheit Im Privatrecht können Rechtsgeschäfte grundsätzlich ohne Beachtung einer bestimmten Form, also formlos abgeschlossen werden (Prinzip der Formfreiheit ). Das bedeutet: Das Gesetz schreibt den am Rechtsverkehr Beteiligten in der Regel nicht vor, dass sie Rechtsgeschäfte wirksam nur unter Beachtung einer bestimmten Form täti-gen können. Es ist also für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes gleichgültig, ob die Beteiligten ihren Willen schriftlich, mündlich, durch Gebärden oder elektronische Signale ausdrücken. Nur ausnahmsweise ist für bestimmte Rechtsgeschäfte eine besondere Form vorgeschrieben. In den Fällen, in denen das Gesetz eine Form zwingend vorschreibt, sollen bestimmte Zwecke erreic ht werden, wie z.B.: – Beweissicherung im Hinblick auf später auftretende Streitigkeiten; – Warnfunktion: Die Parteien sollen vor einem leichtfertigen Geschäftsabschluss geschützt werden, z.B. bei der Übertragung des gesamten Vermögens oder Bürgschaften; – Beratungsfunktion: Durch den Zwang zur notariellen Beurkundung eines Rechtsgeschäfts sollen die daran Beteiligten durch eine juristische Beratung auf die möglichen Konsequenzen aufmerksam gemacht werden, z.B. bei Grundstückskaufverträgen ; – Wahrung öffentlicher Interessen über den Schutz der Parteien hinaus durch eine inhaltliche Überwachung des Rechtsgeschäfts oder eine behördliche Kontrolle desselben. Beispielsweise die Hinweispflichten der Notare an die Finanzverwaltung gem. §§ 18, 20, 21 GrEStG, 102 Abs. 4 AO, 34 ErbStG, 7 und 8 ErbStDV, 54 EStDV über die Gründung, Kapitalerhöhung oder -herabsetzung, Umwandlung oder Auflösung von Kapitalgesellschaften oder Rechtsgeschäfte, die die Übereignung eines Grundstücks begründen. Rechtsgeschäfte unterliegen nur dann einem Formzwang, wenn a) das Gesetz eine bestimmte Form vorschreibt oder b) die Parteien vereinbaren, dass auch für Rechtsgeschäfte, die nach dem Gesetz formfrei sind, eine bestimmte Form eingehalten werden soll (gewillkürte Form, § 127). Ein Kaufvertrag über eine bewegliche Sache oder über ein Recht kann also mündlich abgeschlossen werden, ebenso ein Leihvertrag oder ein Darlehensvertrag und viele andere Rechtsgeschäfte. Selbst Gesellschaftsverträge für eine Gesellschaft bürgerli-chen Rechts, für eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft

Die Form können mündlich abgeschlossen werden. In der Praxis wird von den Beteiligten gleichwohl häufig die Schrift - oder zumindest die Textform gewählt; denn der Abschluss und der Inhalt eines mündlichen Vertrages sind schwieriger zu beweisen als das Zustandekommen und der Inhalt eines schriftlich oder "digital" fixierten Vertrages.

II. Die vom Gesetz vorgeschriebene Form Das Gesetz schreibt je nach dem verfolgten Zweck verschiedene Formen vor. Die gesetzlichen Formvorschri ften sind zwingendes Recht. Deshalb können die Parteien sich in der Regel nicht im Wege der Vereinbarung ohne weitreichende Konsequenzen über sie hinwegsetzen. Das Gesetz kennt u.a.: die einfache Schriftform, die elektronische Form, die Textform, die öffen tliche Beglaubigung, die notarielle Beurkundung, die völlige Eigenhändigkeit einer Urkunde (Holographie).

1. Die einfache Schriftform Die einfache Schriftform ist gewahrt, wenn eine Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichne t wird (§ 126 Abs. 1). Der Aussteller muss den Urkundentext nicht selbst unterschreiben. Es ist ausreichend, zugleich aber auch notwendig, dass der Erklärende die Urkunde unterschreibt. Man kann deshalb davon sprechen, dass die einfache Schriftform nur Unterschriftsform bedeutet.61 Der Unterzeichnung wird Abschluss – und Deckungswirkung zugemessen.62 Das bedeutet, dass die Unterzeichnung den Text der Urkunde abschließen muss und nur das vor der Unterschrift Stehende durch die Unterschrift gedeckt wird. Bedarf ein Vertrag der Schriftform, müssen die beteiligten Parteien auf derselben Urkunde unterzeichnen (§ 126 Abs. 2). Die einfache Schriftform ist u.a. erforderlich bei: a) der Bürgschaftserklärung (§ 766), b) einem Verbraucherdarlehensvertrag (§§ 491 f.), c) einem Miet vertrag über ein Grundstück (auch eine Wohnung), der für längere Zeit als ein Jahr abgeschlossen wird (§ 550). Zweifelhaft war früher, ob die Schriftform i.S. des § 126 auch bei der Übersendung eines unterschriebenen Dokument s per Telefax eingehalten wird. Dies ist zu verneinen; denn das Telefax enthält k eine eigenhändige Unterschrift, sondern nur die Kopie des Originals. 63 Aus denselben Gründen wahren eingescannte Unterschriften, die in ein Dokument hineinkopiert werden, nicht die Schriftform. _________________________________________________ 61 So HÜBNER , Rn. 854. 62 Vgl. BROX/WALKER , § 13 Rn. 8 ff . 63 BGHZ 121, 224, 229; OL G Frankfurt, NJW 1991, 2154; OLG Hamburg, NJW 19 90, 1613 ; GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 126 Rn. 8.

Die Form 2. Elektronische Form und Textform a) Überblick Die Frage nach der Einhaltung der Schriftform stellt sich auch bei E -Mails und anderen Textnachrichten, z.B. in Chats. Durch den "Computerausdruck " können solche Nachrichten zwar verkörpert werden . Ebenso wie früher beim Telef ax fehlt aber die handschriftliche Unterzeichnung des Schriftstücks, so dass dem Schrifterfordernis nicht genügt wird. Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung digitaler Kommunikationstechniken hat der Gesetzgeber neue Vorschriften über die für manche Rechtsgeschäfte notwendige Form geschaffen. Auf europäischer Ebene wurde die "Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt" (VO [EU] 910/2014) erlassen; im deutschen Recht wurden die all gemeinen Vorschriften über die Form durch die §§ 126a und 126b sowie mit dem "Vertrauensdienstegesetz (VDG) ergänzt . b) Die elektronische Form (§ 126a) § 126 a schafft in Verbindung mit § 126 Abs. 3 die Möglichkeit, die vorgeschriebene Schriftform durch die e lektronische Form zu ersetzen . Dies geschieht dadurch, dass der Aussteller der Erklärung derselben seinen Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versieht (§ 126 a). Für eine qualifizierte elektroni sche Signatur bedarf es einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur. Diese liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

Die Form

Zusätzlich hierzu muss die fortgeschrittene elektronische Signatur folgende Voraussetzungen erfüllen:

eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet, die Identifizierung des Unterzeichners ermöglicht, unter Verwendung elektronischer Signaturerstellungsdaten erstellt wird, die der Unterzeichner mit einem hohen Maß an Vertrauen unter seiner alleinigen Kontrolle verwenden kann mit den auf diese Weise unterzeichneten Daten so verbunden ist, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann (Art. 26 eIDAS -VO) Sie muss auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und mit einer qualifizierten Signaturerstellungseinheit erzeugt werden (Art. 3 Nr. 12, 15, 23 eIDAS -VO von einem Vertrauensdiensteanbieter ausgestellt werden (vgl. Art. 3 Nr. 19 eIDAS VO

Die Form Nicht in jedem Fall kann die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden. So schließt § 766 S. 2 dies z.B. für die Bürgschaft aus. Der Ausschluss muss allerdings ausdrücklich im Gesetz stehen, vgl. § 126 Abs. 3. Ob darüber hinaus auch eine Ersetzbarkeit durch Rechtsgeschäft erfolgen kann, ist umstritten. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Schriftform nur bei ausdrücklicher oder schriftlicher Zustimmung des Erklärungsempfängers ersetzt werden kann. Zwar lässt sich dies nicht aus dem Wortlaut der Norm entnehmen, war allerdings in der Gesetzesbegründung erwähnt. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass bei fehlender Zustimmung dem Erklärungsempfänger nicht die Pflicht auferlegt werden kann, den Empfang elektronischer Erklärungen mit entsprechenden Vorrichtungen zu gewährleisten. c) Die Textform (§ 126 b) Manche gesetzlichen Bestimmungen schreiben die Textform vor , z. B. in §§ 613a Abs. 5; 555c Abs. 1. Nach § 126 b S. 1 ist die Abgabe einer lesbaren Erklärung , in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger erforderlich. Ein " dauerhafter Datenträgers " ist gemäß § 126 Satz 2 ist jedes Medium, das (1) "es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn per-sönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist", und (2) "geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben". Dauerhafte Datenträger sind also z.B. Papier, USB -Sticks, CD-ROM s, Speicherkarten und auch E-Mails . 64 Mit der Umsetzung des Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts 65 zum 01.10.2016 ist § Nr. 13 BGB neu formuliert worden und erlaubt nun auch die abweichende Formve reinbarung, z.B. für Kündigungen, per Textform (§ 126 b BGB), also z.B. per E -Mail66. Die Vereinbarung einer strengeren Form als der Textform ist hingegen in diesen Fällen unwirksam .67

3. Die öffentliche Beglaubigung Die öffentliche Beglaubigung (§ 129) bezieh t sich nur auf die Unterschrift, nicht aber auf den Inhalt der Urkunde. Sie ist deshalb ein amtliches Zeugnis über die Identität des Unterzeichners. Die Beglaubigung setzt voraus , dass der Notar die Echtheit der Unterschrift unter einer schriftlichen Erklä rung bezeugt (§ 129). Auch in elektronischer Form abgegebene Erklärungen können notariell beglaubigt werden (§ 129 Abs. 1 Nr. 2). Praktische Bedeutung hat die öffentliche Beglaubigung z.B. für die Anmeldungen zum Vereinsregister (§ 77), bei der Abtretung von Forderungen (§§ 403, 411) und im ehelichen Güterrecht (§§ 1491 und 1492). _________________________________________________ 64 Vgl. GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 126b Rn. 3. 65 BGBl. I, 2016, 233. 66 BGH NJW 2016 3713, Rn. 28 . 67 Vgl. insgesamt zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Kursskript Tei l 4, § 7.

Die Form 4. Die notarielle Beurkundung Die notarielle Beurkundung gemäß § 128 ist die Niederschrift über die Verhandlung der Beteiligten vor einem Notar, die ihn und die Beteiligten genau be zeichnet. Sie enthält das gesamte Rechtsgeschäft, also die entsprechenden Willenserklärungen der Beteiligten. Die Niederschrift wird den Beteiligten in Gegenwart des Notars vorgelesen und von ihnen genehmigt. Die Beteiligten und der Notar unterschreiben si e eigenhändig. Das Verfahren der notariellen Beurkundung richtet sich nach dem Beurkun-dungsgesetz. Danach ist nicht nur die klassische "Papier -Beurkundung" möglich, sondern in bestimmten Fällen (etwa im Gesellschaftsrecht) auch die Erstellung einer elektro nischen notariellen Urkunde. Werden Verträge vor dem Notar beurkundet, so ist eine gleichzeitige Anwesenheit der vertragsschließenden Parteien vor dem Notar nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen, wie z.B. beim Ehevertrag (§ 1410) notwendig. Im Regelfa ll ist es ausreichend, wenn zuerst das Angebot zum Abschluss eines Vertrages und später die Annahme desselben beurkundet wird. Im Zweifel kommt der Vertrag dann gemäß § mit der Beurkundung der Annahme zustande. Die notarielle Beurkundung ist u.a. vorge sehen: a) bei der Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, z.B. Grundstückskaufvertrag (§ 311 b Abs. 1), b) bei der Verpflichtung zur Übertragung des gesamten gegenwärtigen Vermögens (§ 311 b Abs. 3), c) für den Abschluss eines Gesellschafts vertrages bei der Gründung einer GmbH (§ 2 GmbHG).

Beispiel für den Anfang eines notariell beurkundeten Vertrages: 1376 der Urkundenrolle für 202 Verhandelt zu Altheim, den 13 . September 202 Vor dem unterzeichnenden Notar Dr. Hans Neumann in Altheim erschienen heute von Person bekannt: 1. Herr Hans Berger , geb. am 13.6.1979, wohnhaft in Altheim, Im Tal 2. Herr Dirk Schulz , geb. 31.3.1967, wohnhaft in Altheim, Schützenstr. Die Erschienenen erklärten... (es folgt der Text des Vertrages)

5. Die Eigenhändigkeit einer Urkunde Die gesamte Urkunde muss in ihrem vollen Wortlaut eigenhändig, d.h. mit der Hand, niedergeschrieben und unterschrieben sein, wie z.B. das eigenhändig geschriebene und unterschriebene Testament (§ 2247).

Die Form Der Begriff der Eigenhändigkeit i.S. des § 2247 Abs. 1 ist mehrdeutig. Er ist deshalb auszulegen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass mit den Vorschriften des BGB über die Formen, in denen letztwillige Verfügungen getroffen werden können, neben anderen Zielen der Zweck verfol gt wird, "den wirklichen Willen des Erblassers zur Geltung kommen zu lassen, indem sie die Selbständigkeit dieses Willens nach Möglichkeit verbürgen und die Echtheit seiner Erklärungen so weit wie möglich sicherstellen sollen".68 Die vorgeschriebene Form der Eigenhändigkeit soll einen Beitrag dazu leisten, "verantwortliches Testieren zu fördern und Streitigkeiten über den Inhalt letztwilliger Verfügungen hintanzustellen".69 Daraus ergibt sich, dass der Begriff der Eigenhändigkeit eng auszulegen ist. Als eigenhändig geschrieben ist deshalb lediglich ein Testament anzusehen, das nicht nur vom Erblasser persönlich verfasst und nieder-gelegt, "sondern von ihm in der ihm eigenen Schrift geschrieben und damit in einer Art und Weise errichtet worden ist, welche die Nachprüfung der Echtheit des Testaments aufgrund der individuellen Züge, die die Handschrift jedes Menschen aufweist, gestattet". 70 Deshalb sind solche Testamente nichtig, die der Erblasser mit der Schreibmaschine oder auf andere mechanische Weise errichtet, da sie den Schluss von der Schrift auf den Urheber nicht zulassen.71

III. Die gewillkürte Schriftform Das BGB gestattet es, den Formzwang auch durch Rechtsgeschäft zu begründen. Die Parteien können deshalb gemäß § 127 vereinbaren, dass für ein bestimmtes Rechtsgeschäft eine bestimmte Form eingehalten werden soll. Die Parteien haben sich dann selbst unter Formzwang gesetzt.

IV. Die Folgen des Formmangels 1. Die gesetzlich vorgeschriebene Form Wird die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten, ist das Rechtsges chäft nichtig (§ 125 S. 1). Beispiel: Eine mündlich gegebene Bürgschaftserklärung ist nichtig (§§ 766 S. 1, 125 S. 1). Eine Ausnahme vom Grundsatz des § 125 ist die Sondervorschrift des § 550, die auch auf den Pachtvertrag anwendbar ist (§ 581 Abs. 2). Danach ist ein ohne Beachtung der vorgeschriebenen Schriftform geschlossener Mietvertrag wirksam. Er gilt als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann frühestens zum Schluss des ersten Jahres gekündigt werden (§ 550). In einigen anderen Fällen wird der Formm angel durch die Ausführung des zunächst formnichtigen Geschäfts geheilt (vgl. §§ 311 b Abs. 1, 518, 766). _________________________________________________ 68 So BGHZ 47, 68, 70 . 69 BGHZ 8 0, 246, 251 . 70 So BGHZ 47, 68, 70 . 71 Vgl. BGHZ 47, 68, 70 .

Die Form Zu dem vorhergehenden Beispiel: Wird der Bürge in Anspruch genommen und leistet er das vom Gläubiger Geforderte, wird der Bürgschaftsvertrag wirksam. In diesem Beispiel ist das gewollte Rechtsgeschäft nichtig (§ 125). Die Formnichtigkeit kann allerdings dadurch geheilt werden, dass der Schuldner die im nichtigen Vertrag versprochene Leistung erbringt. 2. Die rechtsgeschäftlich vereinbarte (gewillkürte) For m Wird die gemäß § 127 vereinbarte Form nicht eingehalten, so ist nach § 125 S. 2 im Zweifel anzunehmen, dass Rechtsgeschäfte, die ohne Beachtung dieser vereinbarten Form abgeschlossen werden, nichtig sind. Beispiel: Zwei Unternehmen, die häufig miteinande r Geschäfte abwickeln, vereinbaren, dass Verträge, die sie untereinander abschließen, nur wirksam sein sollen, wenn sie schriftlich fixiert und von beiden Seiten unterschrieben sind (einfache Schriftformklausel) . Wird nun mündlich ein Kaufvertrag abgeschlossen, so ist dieser Vertrag grundsätzlich gemäß §§ 127, 126, 125 nichtig. Es ist allerdings möglich, dass die Parteien durch den mündlichen Abschluss des Kaufvertrages konkludent die Schriftformklausel aufgegeben haben . Das kommt in Betracht, wenn sich ihre Willenserklärungen gem. §§ 133, 157 BGB dahingehend aus-legen lassen , nicht mehr am Schriftformerfordernis festhalten zu wollen . Um ein solches Ergebnis möglichst , können die Parteien eine sog. q ualifizierte oder auch doppelte Schriftformklausel vereinbaren , z.B.: " Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. Das gilt auch für eine Änderung dieses Schriftformerfordernisses." Auch hier bleibt freilich ein gewisses Risiko, dass die Schriftformklausel wirkungslos ist. Nicht nur Verträge, sondern auch einseitige Rechtsgeschäfte wie z.B. die Kündigung können durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung unter Formzwang gestellt werden. Durch Rechtsgeschäft kann nicht nur die einfache Schriftform, sondern auch jede andere Form vereinbart werd en, z.B. die Form des eingeschriebenen Briefes für Kündigungen. Bei Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Formvereinbarungen betreffen, ist zu beachten, dass gemäß § 309 Nr. 13 für Anzeigen und Erklärungen in einem Vertrag, für den durch Gesetz notarielle Beurkundung vorgeschrieben is t, eine strengere Form als die Schriftform nicht wirksam vereinbart werden kann. Probleme können entstehen, wenn mehrere Rechtsgeschäfte vorgenommen werden, von denen eines formbedürftig ist. Dann ist fraglich, ob die Rechtsgeschäfte insgesamt diesem Form erfordernis genügen müssen. Diese Frage stellt sich in der Praxis vor allem bei Grundstücksgeschäften. Die Rechtsprechung (u.a. BGHZ 89, 41, 43; 104, 18, 22) stellt auf den Parteiwillen ab: Die Formbedürftigkeit erstreckt sich auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt. 73 Bei Grundstücksgeschäften bedeutet dies: Der Beurkundungszwang erstreckt sich auf alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Vertragspartner das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft zusammensetzt; dabei können auch solche Vereinbarungen dem Formzwang unterliegen, _________________________________________________ 72 Vgl. STAUDINGER /HERTEL, § 125 Rn. 121 f. 73 So BGHZ 63, 359, 361; 89, 41, 43 .

Die Form die für sich allein zwar formfrei möglich wären, nach dem Willen der Vertragspartner aber so eng mit dem Grundstücksveräußerungsgeschäft zusammenhängen, dass sie nur mit diesem zusammen gelten sollen.74 Letztlich wird also darauf abgestellt, ob die vertragsschließenden Parteien den Willen hatten, die Rechtsgeschäfte zu einer rechtlichen Einheit zu verbinden.75 Auch spätere Änderungen und Ergänzungen eines Vertrages, der dem Formerfordernis unterliegt, bedürfen der Form .76 V. Die Überwindung des Formmangels gemäß § Dass sich jemand auf die Formnichtigkeit gemäß § 125 beruft, wenn eine Formvorschrift n icht beachtet wurde, ist in der Regel nicht nur das "gute Recht" des Beteiligten, sondern auch legitim . Schon das Reichsgericht 77 hat allerdings den Grundsatz aufgestellt , dass hiergegen im Einzelfall der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erhoben werden könne: dies kommt in Betracht, wenn sich der Geschäftspartner, dem die Formnichtigkeit entgegengehalten wird , über die rechtliche Notwendigkeit der Förmlichkeit geirrt hat und wenn dieser Irrtum vom Geschäftsgegner schuldhaft (also mindestens fahrlässi g, § 276 Abs. 1 S. 1) verursacht worden war. Später ist das RG 78 noch etwas weiter gegangen: ein Vertragschließender könne sich dem anderen gegenüber nicht auf die Formnichtigkeit des Vertrages berufen, wenn dies unter Berücksichtigung seines früheren Ver haltens gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben verstoße; dies gelte insbesondere dann, wenn der eine Vertragschließende den anderen durch sein Verhalten, wenn auch ohne böse Absicht, in den Irrtum versetzt oder in dem Irrtum gehalten habe, dass der Vertrag auch formlos gültig sei. Der BGH hat sich in vielen Entscheidungen zu dieser Problematik geäußert. So sah er z.B. in einem Fall in dem Einwand des Geschäftsgegners gegen die Wirksamkeit des Formmangels eine besondere Gestaltung des Falles, wes halb "von Amts wegen dem Mangel der Form die Rechtsfolge der Nichtigkeit mit Rücksicht auf Treu und Glauben zu versagen sei".79 In einer weiteren Entscheidung ging der BGH davon aus, dass bei einem wegen Mangels der Form (hier des § 313 a.F., 311 b Abs. 1 n.F.) nichtigen Vertrag die Beteiligten nach Treu und Glauben (§ 242) gebunden und zur Vertragserfüllung verpflichtet sein können.80 In anderen Entscheidungen sah der BGH in der Berufung auf den Formmangel den Tatbestand einer unzulässigen Rechtsausübung.81 Sehr weit hat sich der BGH 82 schließlich in einer Entscheidung vorgewagt, in der er ausführt, dass der Verkäufer eines Grundstücks ausnahmsweise an einen wegen Formmangels nichtigen Kaufvertrag nach Treu und Glauben gebunden ist, "wenn die _________________________________________________ 74 So BGHZ 89, 41, 43 . 75 Vgl. BGHZ 89, 41, 43; 104, 18, 22 . 76 Vgl. GRUENEBERG /ELLENBERGER , § 125 Rn. 10 m.w.N.. 77 RGZ 117, 121, 124 . 78 RGZ 170, 203, 204 f . mit Nachw. 79 BGHZ 16, 334, 337 . 80 BGHZ 20, 338 ff . 81 BGHZ 26, 142, 151; 29, 6, 10 f . 82 BGHZ 48, 396, 398 .

Die Form Nichtanerkennung des Vertrages zu einem für den Käufer untragbaren, nicht etwa nur zu einem harten Ergebnis führen würde".83 Mit Recht ist die Formel des BGH vom "untragbaren Ergebnis" auf Kritik gestoßen, weil sie geeignet ist, in der Praxis nicht nur Schwierigkeiten zu bereiten, sondern auch Rechtsunsicherheit herbeizuführen .84 Einigkeit besteht darüber, dass der Formmangel eines Rechtsgeschäfts nur ganz aus-nahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich sein kann, weil sonst die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts ausgehöhlt würden. 85 Der BGH hat das Verhalten einer Partei als treuwidrig angesehen, die über längere Zeit aus einem nichtigen Vertrag Vorteile gezogen hatte und sich anschließend ihren Verpflichtungen unter Berufung auf den Formmangel entziehen wol lte.86 In einem weiteren Urteil hält der BGH erneut fest, dass Formvorschriften im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen werden dürfen, sondern die zwei oben schon erwähnten Fallgestaltungen anzunehmen seien, bei denen ausnahmsweise ein Außerachtlassen zulässig sei: die Fälle der Existenzgefährdung des einen Teils und die Fälle einer besonders schweren Treupflichtverletzung des anderen Teils .87 Gestritten wird darüber, ob bei einem Mangel der Form und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 242 entweder der Vertrag als gültig anzusehen ist und der Erfüllungsanspruch auf eine vertragliche Grundlage gestützt wird oder ob dem Geltendmachen der Formnichtigkeit gemäß § 242 wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben lediglich der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden kann. Im Anschluss an manche der oben erwähnten Entscheidungen des BGH vertritt HÜBNER 88die Auffassung, dass, wenn die Formverfehlung ausnahmsweise unbeachtlich sei, aufgrund des vorliegenden Konsenses die Vereinbarung als solche zur Grundlage dienen könne; aus dieser Vereinbarung als dem Kern des Rechtsgeschäfts sei für den mit dem untragbaren Ergebnis Belasteten der Erfüllungsanspruch herzul eiten . Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass § 125 keine Ausnahme von der Nichtigkeitsfolge vorsieht und der formnichtige Vertrag nicht als Vertrag aufgrund von Umständen wirksam wird, von denen man meint, dass sie nach Treu und Glauben relevant seien. 89 Eine Inanspruchnahme des Vertragspartners k ann allenfalls darauf gestützt werden, dass man ein gesetzliches Schuldverhältnis (etwa aus culpa in contrahendo gemäß §§ Abs. 2, 311 Abs. 2 u. 3, 280 Abs. 1) bejaht oder das Berufen auf den Formmangel als unzulässige Rechtsausübung ansieht. Unbedenkli ch ist ein Hinwegsetzen über den Formmangel z.B. dann, wenn auf der Seite dessen, der der Geltendmachung der Formnichtigkeit entgegentritt, ein Irrtum über die rechtliche Notwendigkeit der Form vorgelegen hat und dieser Irrtum vom _________________________________________________ 83 Zur E inordnung und Bewertung der Rechtsprechung siehe u.a. C ANARIS , S. 305 ff. und S TAUDINGER /HERTEL, § 125 Rn. 110. 84 Vgl. MÜNCHKOMM/EINSELE , § 125 Rn. 62) 85 So BGHZ 121, 224, 233; BGH NJW 1996, 1467, 1469. 86 BGH NJW 1996, 1467, 1469.; BGH NJW 1998, 2350 f 87 BGH NJW 2005, 844 ff .; BGH NJW 1998, 2350 f . 88 Rn. 872. 89 So zutreffend F LUME, § 15 III 4 .

Die Form Geschäftsgegner schuldhaft, mindestens fahrlässig verursacht worden ist.90 Gleiches muss auch für den Fall gelten, dass derjenige, der sich nun auf den Formmangel beruft, zuvor eine Haltung eingenommen hat, "die mit einem früher von ihm betätigten Verhalten nach Treu und Glauben unvereinbar ist".91 In allen diesen Fällen wird der mit einem Formmangel behaftete Vertrag nicht dadurch unwirksam, dass der eine Partner gegen § 242 verstößt. Der Vertrag ist vielmehr gemäß § 125 nichtig. Allerdings kann der andere Beteiligte unter den oben genannten Voraussetzungen ausnahmsweise die Ansprüche geltend machen und durchsetzen, die ihm bei Wirksamkeit des Vertrages zustehen würden, 92 weil einem Berufen auf den Formmangel der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengesetzt werden kann, insbesondere wenn ein Verstoß gegen das Verbot des "venire contra factum proprium" vorliegt .93

Beispiel (in Anlehnung an BGHZ 48, 396): Die Weststahl AG verkauft an Kurz in einem privatschriftlichen Vertrag ein Grundstück. Die Weststahl AG, ein bedeutendes wirtschaftliches Unternehmen, hat beim Abschluss des Vertrages den Käufer, einen früheren Angestellten, unter Einsatz des Gewichts und des Anse-hens des Unternehmens sowie mit dem Hinweis, sie pflege privatschriftliche Verträge und notariell beurkundete als gleichwertig anzusehen, dazu veranlasst, auf eine notarielle Beurkundung des Kaufvertrages zu verzichten. Später beruft sich die Weststahl AG auf die Formnichtigkeit des Vertrages. Der BGH hat darin zu Recht eine unzulässige Rechtsausübung gesehen, weil derjenige, der sich nun auf den Formverstoß berufe, eine Haltung einnehme, "die mit einem früher von ihm betätigten Verhalten nach Treu und Glauben unvereinbar ist" (BGHZ 48, 396, 399). Bei eingehender Betrachtung handelt es sich hier um einen Fall, in dem di e Weststahl AG gegen das Verbot des "venire contra factum proprium" verstoßen hat.

Wichtige Entscheidungen: BGHZ 47, 68 ff. BGHZ 104, 18, 22 f . BGHZ 138, 339,

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften § 13 Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Schrifttum: Armbrüster, Verbotsnichtigkeit von Kaufverträgen über abgasmanipulierte Fahrzeuge, NJW 2018, 3481 ff .; DASTIS, ebay -»Schnäppchen« – sittenwidrig und rechtsmissbräuchlich?, JURA 2015, 376; J. GRÜNBERGER , Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und zur Änderung anderer Gesetze, NJW 1995, 14 ff. ; HESSE, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999 (zit.: Hesse); H. HONSELL , Die zivilrechtliche Sanktion der Sittenwidrigkeit, JA 1986, 573 ff.; derselbe, Bürgschaft und Mithaftung einkommens – und vermögensloser Familienmitglieder, NJW 1994, 565 ff.; K ÖHLER , Einschränkungen der Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, JuS 2010, 665.; Majer, Sittenwidrigkeit und das Prostitutionsgesetz bei Vermarktung und Vermittlung, NJW 2008, 1926 ; MAYER– MALY, Die guten Sitten als Maßstab des Rechts, JuS 1986, 596 ff.; derselbe, Was leisten die guten Sitten, AcP 194 [1994], 105 ff.; O TTE, Die Nichtigkeit letztwilliger Verfügungen wegen Gesetzes – oder Sittenwidrigkeit, JA 1985, 192 ff.; P ETER, Probleme bei der Behandlung und Rückabwicklung wegen Verstoßes gegen § 134 BGB nichtiger Dienst - und Werkverträge, JA 2014, 248, 333; U. PREIS, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 249 f.; REIFNER , Die Mithaftung der Ehefrau in Bankkredit, Bürgschaft und Gesamtschuld im Kreditsicherungsrecht, ZIP 1990, 427 ff.; R EUTER , Wirtschaftsethische Einflüsse auf die Auslegung wirtschaftsrechtlicher Generalklauseln, ZGR 1987, 489 ff.; S ACK, Das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und die Moral als Bestimmungsfaktoren der guten Sitten, NJW 1985, 761 ff; SCHREIBER , Veräußerungsverbote, JURA 2008, 261; Ulrici, Verbotsgesetz und zwingendes Gesetz, JuS 2005, 1073 ; Z öllner, Regelungsspielräume im Schuldvertragsrecht, AcP 196 [1996], 1 ff. I. Einführung Die Rechtsordnung stellt an das Zustandekommen von Rechtsgeschäften, insbesondere von Verträgen, bestimmte Anforderungen. Wird eine dieser Anforder ungen nicht erfüllt, ist das angestrebte Rechtsgeschäft in der Regel entweder nichtig, schwe-bend unwirksam oder anfechtbar. Ist ein Rechtsgeschäft schwebend unwirksam , wie z.B. gemäß § 177, so bedeutet dies: Das Rechtsgeschäft ist noch nicht wirksam; es ka nn durch die Genehmigung desjenigen, der sie erteilen kann, wirksam werden. Wird die Genehmigung verwei-gert, ist das Rechtsgeschäft nichtig. Die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts, wie z.B. wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1, bedeutet: Der Anfechtungsberechtigte kann durch eine einseitige, em pfangsbedürftige Willenserklärung seine anfechtbar abgegebene Willenserklärung mit rückwirkender Kraft vernichten. Die wirksam angefochtene Willenserklärung ist von Anfang an (ex tunc) nichtig (§ 142). Die An fechtung ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Verträge eingehalten werden müssen (pacta sunt servanda). Die (vergleichsweise wenigen) im Gesetz geregelten Anfechtungstatbestände sind daher abschließend. Ist ein Rechtsgeschäft nichtig, dann treten die mit dem Rechtsgeschäft angestrebten Folgen nicht ein; das Rechtsgeschäft ist dauernd unwirksam. Das angestrebte oder nichtige Rechtsgeschäft ist allerdings kein reines N ullum, denn es existiert ein äußerer

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Tatbestand.94 Dieser vermag aber nicht diejenigen W irkungen herbeizuführen, die seine Verursacher beabsichtigten. Die wichtigsten Gründe dafür, dass ein Rechtsgeschäft von Anfang an (ganz oder teilweise, vgl. § 139; s. dazu auch unten III 1 b) nichtig ist, sind: a) die Geschäftsunfähigkeit desjenigen, der eine Willenserklärung abgegeben hat (§§ 104, 105; vgl. oben), b) der Verstoß gegen eine gesetzlich vorgeschriebene oder vereinbarte Form (§ 125; vgl. oben ff. ), c) der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134; vgl. im Folgenden II.), d) die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts (§ 138; vgl. unten ff.). e) Verstöße gegen Vorschriften der §§ 307 ff., wie z.B. die Klauselverbote der §§ 308 und 309 sowie die Generalklausel des § 307. Allerdings werden nur diejenigen Klauseln von der Nichtigkeitsfolge erfasst, die gegen d iese Vorschriften verstoßen. Der Rest des Vertrages bleibt – anders als nach der Grundregel des § 139 BGB – gemäß § 306 Abs. 1 bestehen. II. Der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134) 1. Die gesetzliche Regelung Die vertragsschließenden Parteien genießen n ach dem Prinzip der Privatautonomie weitgehende Freiheit, den Inhalt der Verträge zu gestalten. Diese Freiheit wird allerdings u.a. durch § 134 begrenzt. Die Rechtsordnung versucht, die Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte ihres besonderen Inhalts wegen zu verhindern. Sie definiert diese missbilligten Geschäfte in den Gesetzen und bestimmt, dass sie, falls sie vorgenommen werden, nichtig sind. Tatbestandsvoraussetzung von § 134 ist also das Vorliegen eines Verbotsgesetzes. Um ein Verbotsgesetz handelt es sic h, wenn ein Rechtsgeschäft seines Inhalts wegen unterbunden werden soll.95 Wenn ein Rechtsgeschäft gegen ein im Gesetz ausgesprochenes Verbot verstößt, ist es damit nicht automatisch nichtig. Gemäß § 134 soll die Nichtigkeitsfolge vielmehr nur eintreten, "wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt". Dieser Formulierung ist zu entnehmen: § 134 führt nicht schlechthin zur Nichtigkeit des angestrebten Rechtsgeschäfts, sondern stellt nur eine Auslegungsregel auf. Nach der Rechtsprechung des BGH96 bleibt in jedem Fall zu prüfen, ob das Verbotsgesetz nach seinem Sinn und Zweck die endgültige Unwirksamkeit (Nichtigkeit) des verbotenen Geschäfts erfordert. Man kann dem Gesetzeswortlaut des § 134 sogar entnehmen, dass andere Rechtsfolgen als die der Nichtigkeit vorgehen sollen (Subsidiarität der Nichtigkeit).97 _________________________________________________ 94 Vgl. HÜBNER , Rn. 929. 95 Vgl. STAUDINGER /FISCHINGER /HENGSTBERGER , § 134 Rn. 1. 96 BGHZ 45, 322, 326. 97 So STAUDINGER /FISCHINGER /HENGSTBERGER , § 134, Rn. 4, 57 ff.

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften 2. Verbotsgesetze im Sinne des § Verbotsgesetze i.S. des § 134 finden sich im Zivilrecht und im öffentlichen Recht einschließlich des Strafrechts. Als Verbotsgesetze kommen in erster Linie die Straftatbestände des StGB in Betracht. Strafvorschriften sind zwar nicht ausnahmslos, aber im Zweifel Verbotsgesetze im Sinne des § 134. Maßgebend für die Annahme des Ver-botscharakters sind in jedem Fall Sinn und Zweck des Gesetzes. Durchweg handelt es sich bei den in Betracht zu ziehenden Vorschriften des BGB um solche, die die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit einschränken. Viele solcher Normen ordnen die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines entgegenstehenden Rechtsgeschäftes ausdrücklich an. Dazu zählen z.B. §§ 925 Abs. 2, 1136 und 1229. Andere Vorschriften, wie z.B. § 276 Abs. 3 und § 1111 gebrauchen lediglich die Wendung "kann nicht" oder "kann nur". Verstöße dagegen führen ebenfalls zur Nichtigkeit. Zivilrechtliche Verbotsgesetze außerhalb des BGB finden si ch vor allem im Gesellschaftsrecht und im Wettbewerbsrecht. Verbotsgesetze sind z.B. § 136 Abs. 1 AktG und § 47 Abs. 4 GmbHG (Verbot der Stimmabgabe in eigener Sache).99 Ein Verbotsgesetz im Sinne von § 134 ist auch § 16 Abs. 2 UWG .100 Diese Vor schrift ist als Straftatbestand formuliert und lautet: Entsprechende Vereinbarungen zwischen einem Veranstalter und dem Kunden sowie zwischen diesem und weiteren Kunden sind nach § 134 (und auch nach § 138) nichtig.101 Es existier t auch eine Reihe von arbeitsrechtlichen V erbotsgesetzen, wie z.B. die in § 613 a für den Fall des Betriebsübergangs aufgestellten Verbote, insbesondere die Kündigungsverbote (vgl. BAG DB 1985, 1842, 1844) sowie Vorschriften des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit. Ein weiteres Verbotsgeset z im Sinne von § 134 ist § 299 StGB.103 Diese Vorschrift lautet: "Wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil für diesen oder einen Drit-ten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er ihn oder einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzuge." _________________________________________________ 98 So BGHZ 115, 123, 125 . 99 Vgl. GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 134 Rn. 14. 100 Vgl. BORNKAMM , in: Köhler/Bornkamm, UWG , § 16 Rn. 51. 101 BORNKAMM , in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 16 Rn. 51 unter Verweis auf u. a. BGH, 22.05.1978 – III ZR 153/76, BGHZ 71, 358, 366 – G olden Product. 102 So BGHZ 85, 39 . 103 MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 134 Rn. 61.

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Beispiel: Ein zwischen dem bei der Drogerie M tätigen Angestellten A und dem Seifenhersteller K abgeschlossener Vertrag, in dem A als Gegenleistung für den Einkauf größerer Mengen Seifen bei K für ein Jahr ein monatlicher "Gehaltszuschuss" von € 175,–– versprochen wird, ist wegen Verstoßes gegen § 299 StGB gemäß § 134 nichtig. Gestritten wird darüber, ob und gegebenenfalls welche Grundrechtsartikel des Grundgesetzes Verbotsgesetze im Sinne von § 134 darstel len können. Unbestritten ist, dass die Grundrechte über den Schutz des Einzelnen gegen hoheitliche Eingriffe hinausgehen und das Grundgesetz in den Grundrechten eine objektive Werteordnung enthält, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle B ereiche des Rechts gelten muss und auch das bürgerliche Recht beeinflusst. Im rechtsgeschäftlichen Bereich wird den Grundrechtsartikeln vor allem auf dem Wege über die Generalklauseln der §§ 138, 242 und 826 Rechnung getragen (unmittelbare oder mittelbare Drittwirkung). 105 Rechtsprechung und Literatur haben – wenn auch behutsam – bereits anerkannt, dass einige der bedeutsamsten Grundrechte "für das rechtsgeschäftliche Handeln der Staatsbürger untereinander unmittelbar wirksame Verbotsschranken darstellen"; dagegen verstoßende Rechtsgeschäfte sollen gemäß § 134 nichtig sein.106 So hatte es der BGH107 z.B. für möglich gehalten , dass ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gemäß § 134 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG zur Nichtigkeit einer vertraglichen Vereinbarung führen kann . Mit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wurde der Gleichbehandlungsgrundsatz im privaten Bereich konkretisiert.

3. Die Folgen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot Wie oben (vgl. oben f. ) bereits dargestellt, folgt aus dem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S. des § 134 nicht automatisch die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Die Frage, ob der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 zur Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts führt, ist nach Sinn und Zweck der einzelnen Verbotsvorschrif-ten zu entscheiden. 108 Schon aus den Motiven zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches (Band I, § 105) geht hervor, dass Verträge in solchen Fällen in der Regel nicht ungültig sein sollen, in denen das Verbot nur einen Vertragsbeteiligten trifft.109 Richtet sich ein gesetzliches Verbot an beide Geschäftspartner, so ist das Rechtsge-schäft also in der Regel nichtig. Richtet sich das Verbot hingegen lediglich gegen einen der beiden Geschäftspartner, so ist das Geschäft in der Regel nicht weg en Gesetzesverstoßes nichtig. _________________________________________________ 104 BVerfGE 7, 198, 205 und BVerfGE 73, 261, 269 ; dazu S OERGEL /HEFERMEHL , § 134 Rn. 7. 105 Vgl. STAUDINGER /FISCHINGER /HENGSTBERGER , § 134 Rn. 41, 241 ff . 106 So SOERGEL /HEFERMEHL , § 134 Rn. 7 mit ausführlichen Hinweisen . 107 BGHZ 65, 284, 287 . 108 Vgl. BGHZ 93, 264, 267 mit Nachw. 109 Vgl. dazu BGHZ 46, 24, 26 . 110 Vgl. BGHZ 71, 358, 360; 46, 24, 26 .

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Nach der Rechtsprechung des BGH111 ist die Frage, ob der in einem Rechtsgeschäft liegende Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, wenn eine ausdrückliche Regelung fehlt, nach Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift zu beantworten. Entscheidend soll sein, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen den privatwirtschaftlichen Erfolg. Der Umstand, dass eine Handlung unter Strafe gestellt oder als Ordnungswidrigkeit mit einer Buße bedroht ist, kann dabei nicht unab-weislich die Nichtigkeit des bürgerlich –rechtlichen Geschäfts bewirken; vielmehr sind für jede einzelne Vorschrift Normrichtung und Normzweck zu ermitteln und zu werten. Nach Auffassung des BGH113 sind Verträge, durch deren Abschluss beide Vertragspartner ein gesetzliches Verbot verletzen, im allgemeinen nichtig; eine für alle Beteiligten geltende Straf – oder Bußgeldandrohung soll einen gewichtigen Hinweis darauf geben, dass die Rechtsordnung einem das Verbot missachtenden Vertrag die Wirksamkeit versagen will.114 Betrifft das Verbot hingegen nur eine der vertragsschließenden Parteien, so soll ein Vertrag in der Regel wirksam sein.115 Ausnahmsweise soll nach Ansicht des BGH116 ein Rechtsgeschäft auch dann als nichtig angesehen werden, wenn sich das Verbot nur gegen einen der Vertragspartner richtet. Das soll dann der Fall sein, wenn es " mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschä ft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen." Ein Beispiel dafür, dass in den gesetzlichen Vorschriften häufig eine ausdrückliche Bestimmung darüber fehlt, ob ein Verstoß gegen das Verbot zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen soll, war das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vom 30.3.1957 (BGBl. I, S. 315) in der Fassung vom 6.2.1995 (BGBl. I, S. 165), 117, das kein ausdrückliches Verbot der Schwarzarbeit enthiel t. Wurden Rechtsgeschäfte abgeschlossen, die gegen dieses Verbot verstoßen haben , war bei der Prüfung der Frage, ob solche Rechtsgeschäfte nichtig sind, darauf abzustellen, ob es mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen. Inzwischen sieht der Wortlaut des Gesetzes ein eindeutiges Verbot vor. In einer späteren Entscheidung stellt der BGH erneut den Sinn und Zweck des Schwarzarbeitsgesetzes klar: Ziel des Gesetzes sei es, „die Schwarzarbeit schlechthin zu verbieten und den Leistungsaustausch zwischen den „Vertragspartnern“ zu verhindern“. Es wolle „…nicht nur den tatsächlichen Vorgang der Schwarzarbeit eindämmen, sondern im Interesse der wirtschaftlichen Ordnung den zugrunde liegenden Rechtsgeschäften die rechtli che Wirkung nehmen.“ Dies gelte für sowohl von Anfang in der Form vereinbarte Verträge als auch für Verträge, die im Nachhinein abgeändert worden sind. Dass _________________________________________________ 111 BGHZ 93, 264, 267; 118, 1 42, 144 f . 112 Vgl. BGHZ 118, 142, 144 f . 113 Vgl. BGHZ 118, 142, 145 . 114 Vgl. auch BGHZ 115, 123, 125 . 115 BGHZ 46, 26; 78, 271; 89, 373; BGH NJW 2000, 1186 . 116 Vgl. BGHZ 118, 142, 145. 117 Insgesamt dazu vgl. G RÜNBERGER , NJW 1995, 14 ff. 118 So BGHZ 85, 39, 43 mit weiteren Nachweisen .

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften nicht auch der ursprünglich wirksame Geschäft, sondern nur die Änderungsvereinbarung, die den Teil des Geschäfts, welches gegen 134 verstoße, beinhalte, unwirksam sei, könne nicht überzeugen, da „…diese – isoliert betrachtet – nicht die Voraussetzungen einer Schwarzarbeit nach § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG erfüllt und deshalb auch nicht iVm § 134 BGB nichtig ist. § 1 II SchwarzArbG setzt die Erbringung von Dienst oder Werkleistungen voraus. Die inkriminierte Änderungsvereinbarung betrifft jedoch nur die Umstände der Zahlung (keine Rechnung, keine Umsatzsteuer, Barzahlung) verbunden mit einer Verringerung des Entgelts. Erst die Verknüpfung mit der zu erbringenden Dienst - oder Werkleistung macht den Vorgang zur Schwarzarbeit. Gerade deshalb hat die Schaffung des Schwarzarbeitstatbestands des § 1 II Nr. 2 Schwarz-ArbG umgekehrt dazu geführt, dass die Verstöße geg en steuerrechtliche Pflichten bereits ohne Weiteres zur Nichtigkeit des gesamten zugrunde liegenden Werkvertrags führen.“ Ein Beispiel dafür, dass ein Verbot sich an nur einen Vertragspartner richtet und der Vertrag deshalb wirksam bleibt, ist der Verstoß gegen § 3 Abs. 2 S. 1 des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst (TVöD), wonach der Angestellte Belohnungen und Geschenke in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit nur mit Zustimmung des Arbeitgebers annehmen darf. Nach Ansicht des BGH120 richtet sich die ses Verbot einseitig an den tarifvertraglich gebundenen Angestellten, der eine Zustimmung des Arbeitgebers zur Annahme der Schenkung bzw. der Belohnung nicht eingeholt hat. Nur unter besonderen Umständen findet das Verhalten des Zuwendenden eine rechtliche Missbilligung (§§ 333 ff. StGB). Der bloße Verstoß gegen § 3 Abs. 2 S. 1 TVöD erfordert dagegen nicht die Unwirksamkeit des Zuwendungsgeschäfts. Es greift daher nicht die in § 134 BGB vorgesehene Rechtsfolge, d.h. die Schenkung und das Vollzugsgeschäft sind wirksam. Fall: B aus Augsburg beschließt mit einigen Freunden, ein Gelage zu veranstalten. Da es bereits 21.00 Uhr ist, klingelt er bei dem ihm bekannten Lebensmittelhändler L. Auf Drängen des B verkauft L ihm verschiedene Lebensmittel aus seinem Geschäft, die B auch gleich mitnimmt, aber mangels Kleingeldes noch nicht bezahlt. Kann L, als B sich später auf das Gesetz über den Ladenschluss beruft, Bezahlung der Lebensmittel verlangen? Anmerkung : § 3 des Gesetzes über den Ladenschluss, das nur noch in Bayern gilt lautet: "Verkaufsstellen müssen zu folgenden Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein: … 2. montags bis samstags bis 6 Uhr und ab Uhr…"

Aufgabe 3: Beantworten Sie diese Frage bitte in einem schriftlichen Gutachten und vergleichen Sie anschließend Ihre Ausführungen mit der Lösung am Ende dieser Kurseinheit! _________________________________________________ 119 BGH NJW 2017, 1808, 1809 f . 120 Vgl. BGH NJW 2000, 1186 ff .

Die Nichtigkeit von Rech tsgeschäften 4. Umgehungsgeschäfte Es kommt häufig vor, dass einer oder beide Vertragschließende erkennen, dass der Vertrag, den sie abschließen möchten, gegen ein Verbotsgesetz im Sinne des § verstoßen würde. In der Absicht, die Nichtigkeitsfolge auszuschließen, vereinbaren sie anstelle des vom Gesetz verbotenen Rechtsgeschäfts ein anderes, mit dem der im Wesentlichen gleiche wirtschaftliche Erfolg erreicht wird, ohne dass die Tatbestandsmerkm ale der umgangenen gesetzlichen Vorschriften vorliegen. Wenn das Verbotsgesetz lediglich die Vornahme eines Geschäfts bestimmter Art, nicht aber den rechtlichen oder wirtschaftlichen Erfolg verhindern will, ist das diesen Erfolg in zulässi ger Weise herbeiführende Geschäft wirksam.122 Soll mit dem Verbotsgesetz allerdings der mit dem Rechtsgeschäft bezweckte rechtliche oder wirtschaftliche Erfolg schlechthin verhindert werden, ist § 134 auch auf das andere Rechtsgeschäft anzuwenden, gleichgültig, welche rechtsgeschäftliche Gestaltung funktionswidrig zur Erreichung des verbotenen Erfolgs benutzt wird.123 Das gilt auch dann, wenn eine Umgehungsabsicht nicht einmal vorliegt.124 Beispiel (in Anlehnung an OLG Hamburg, MDR 1975, 141): Nachdem die Bundesprüfstelle wegen Verstoßes gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GJS) pornographische Presseerzeugnisse des X –Verlages wiederholt indiziert hatte, gründeten die Inhaber des X– Verlages die so genannte Deutsche Sex –Partei und den Deutschen Sex –Partei –Verlag. Auf diese Weise sollte es ermöglicht werden, dass pornographische Verlagsprodukte zu politi-schen Zeitungen und zu Zeitschriften wurden, die nicht indizierbar sind. In der Gründung der Partei und des dazugehörigen Verlages sind Rechtsgeschäfte zu sehen, die auf die Umgehung des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (= Verbotsgesetz im Sinne des § 134) abzielen. Da der mit den Rechtsgeschäften bezweckte rechtliche und wirtschaftliche Erfolg durch das GJS schlechthin verhindert werden sollte, waren die Rechtsgeschäfte als nichtig anzusehen.

III. Sittenwidrige Geschäfte (§ 138) Zu den wichtigsten Vorschriften, die der Privatautonomie, insbesondere in Gestalt der Vertragsfreiheit, Grenzen setzen, gehört § 138. Der Ha uptzweck des § 138 wird darin gesehen, "die Geltung von Rechtsgeschäften zu verhindern, die für eine Rechtsgemeinschaft unerträglich sind, weil sie von ihren ethischen Grundlagen abweichen".125 Wenn die in einer Rechtsordnung vorhandenen Grundwerte verteidig t werden sollen, ist eine Vorschrift wie die des § 138 zweckmäßig.126 _________________________________________________ 121 BeckOGK/ HAGER, BGB 134 Rn. 74 ff . 122 So schon RGZ 125, 209, 212 ; dazu GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 134 Rn. 28. 123 BGHZ 34, 200, 205; BGH LM Nr. 19 zu § 1 34. 124 BeckOGK/ HAGER, BGB 134 Rn. 74 ff . 125 MünchKomm /ARMBRÜ STER, BGB § 138 Rn. 1. 126 MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 1.

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften 1. Die Generalklausel des § 138 Abs. a) Generalklauseln und die Wandlung von Inhaltsbestimmungen § 138 Abs. 1 enthält eine Generalklausel. Das BGB definiert nicht, was " gegen die guten Sitten verstößt ". Wenn in ein Gesetz Generalklauseln aufgenommen worden sind, hat der Gesetzgeber entweder ganz auf die Fixierung von Einzeltatbeständen verzichtet, oder er hat neben geregelten Einzeltatbeständen allgemeine Richtlinien aufgestellt, anhand derer der Richter im Streitfall den Tatbestand einer Norm erst zu konkretisieren hat. Es gehört zu den Aufgaben der Gerichte, unter Beachtung von Sinn und Zweck des Gesetzes die Generalklauseln auszufüllen. Die Konkretisierung des Rechtsgehaltes des § Abs. 1 nach Maßgabe der Sozialgeltung sittlicher Regeln schließt es allerdings aus, dass der jeweils entscheidende Richter seine persönlichen Anschauungen zum Maß-stab der Rechtsmoral erheben kann. 127 Deshalb ist immer dann, wenn Generalklauseln angewandt werden müssen, ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit vorhanden. Generalklauseln geben, wie insbesondere die Zeit der NS -Diktatur gezeigt hat, auch die Gelegenheit zum Missbrauch. Nach der nationalsozialistischen Rechtstheorie und Rechtspraxis dienten Generalklauseln, wie sie in §§ 138 und 242 enthalten sind, dem Zweck, das bürgerliche Recht im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung zu verändern. Andererseits haben Generalklauseln den Vorteil, dass ein vor langer Zeit erlassenes Gesetz anpassungsfähig bleibt, wenn moderne Entwicklungen bei der Rechtsfindung berücksichtigt werden. Hätte das BGB zu definieren versucht , was "sittenwidrig" ist, so hätten es die Rechtsanwendenden heute - vorausgesetzt, das BGB wäre in diesem Punkte nicht geändert worden - mit e inem Begriff der Sittenwidrigkeit zu tun, der de n Vorstellungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts entspricht, in der das BGB geschaffen wurde. Da die Auffassung von Moral und Sitte wie auch andere Grundwertungen sich im Laufe vieler Jahre verändert haben, konnten Rechtswissenschaft und Rechtsprechung diese Wandlungen - wenn auch behutsam - berücksichtigen. Wie die ordentlichen Gerichte sich ihre Überzeugung von der Sittenwidrigkeit bilden, welche Erkenntnisquellen sie dabei benutzen, muss ihnen grundsätzlich überlassen bleiben. Sie haben auch darüber zu befinden, wann ein Wandel der für § 138 Abs. 1 maßgebenden Wertanschauungen erfolgt ist.129 Nach herrschender Meinung130 verweisen die Sittenwidrigkeitsklauseln des BGB auf die Gebote der Ethik, Moral und Sittlichkeit. Demnach setzt ein Verstoß gegen die guten Sitten ein unsittliches oder unmoralisches Verhalten, also einen Verstoß gegen ethisch fundierte Verhaltensnormen voraus. Dabei ist abzustellen auf die in der staatlichen Gemeinschaft anerkannten moralischen Anschauungen. Inhaltlich bestimmt wird der Begriff der guten Sitten letztlich durch die herrschende Rechts – und Sozial _________________________________________________ 127 Vgl. STAUDINGER /FISCHINGER /RIEBLE, § 138 Rn. 16. 128 So RG, JW 1943, 610. 129 So BVerfG WM 1984, 985 . 130 Vgl. SACK, NJW 1985, 761, 765 mit Nachw.

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften moral.131 Dabei ist insbesondere das im Grundgesetz verkörperte Wertesystem zu berücksichtigen, das über § 138 Abs. 1 in das Privatrecht ei nwirkt.132

b) Anwendungsbereich und Rechtsfolge (a) Der Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des § 138 ist breit. Er beschränkt sich nicht auf den Bereich des bürgerlichen Rechts. § 138 ist z.B. auch anwendbar auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts .133 Auch auf ö ffentlich– rechtliche Verträge kann § 138 Anwendung finden.134 (b) Die Rechtsfolge Verstößt ein Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten, so ist es gemäß § 138 nichtig. Grundsätzlich erfasst die Nichtigkeit das gesamte Rechtsgeschäft. Ob dann, wenn lediglich ein Tei l eines gesamten Rechtsgeschäfts nichtig ist, ausnahmsweise nur dieser Teil oder aber das Rechtsgeschäft in seiner Gesamtheit nichtig ist, muss nach § 139 entschieden werden. Beispiel (nach OLG Celle, NJW 1959, 1971): G verpachtet ein kleines Lebensmittelgeschäft an P. Enthält der Pachtvertrag u.a. eine Klausel, die besagt, dass nach Beendigung des Pachtverhältnisses P im Umkreis von 100 km kein anderes Le-bensmittelgeschäft betreiben darf, so ist die Klausel gemäß § 138 Abs. 1 nichtig, denn sie schränkt die wirtschaftliche Freiheit des P in sittlich zu missbilligender Weise ein. Hier kann der restliche Pachtvertrag - dem ein Sittenverstoß nicht vorzuwerfen ist - über § 139 aufrechterhalten werden, wenn die Voraussetzungen des § 139 vorliegen. Beispiel: Verkauft jemand einem anderen unter Ausnutzung von dessen Unerfahrenheit ein Kraftfahrzeug zu einem stark überhöhten Preis, so ist der Vertrag gemäß § 138 ohne weiteres nichtig. Der Vertrag kann nicht etwa dergestalt teilweise gemäß § 139 aufrechterhalten werden, dass der Kaufpreis auf einen noch zulässigen Betrag "reduziert" wird. Ansonsten könnte der Verkäufer ohne Bedenken und Risiken jeweils überhöhte Preise vereinbaren, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, denn ein "angemessener" Kaufpreis würde ihm jedenf alls zugesprochen. In diesem Beispiel bleibt es vielmehr bei dem Grundsatz, dass bei einem Verstoß gegen § 138 die Nichtigkeit das gesamte Rechtsgeschäft erfasst. Eine Herauslösung der sittenwidrigen Abrede, wie das im vorangegangenen Bei-spiel möglich war, kommt hier nicht in Betracht. Ergänzt wird § 138 durch § 826: Wer vorsätzlich einem anderen durch eine sittenwidrige Handlung Schaden zufügt, ist zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet. _________________________________________________ 131 So OL G Hamm NJW 1986, 781, 782. 132 So BVerfGE 7, 198, 206; BGHZ 70, 313, 324 ; vgl. dazu unten f. 133 Vgl. BeckOK/W ENDTLAND , BGB § 138 Rn. 3 . 134 Vgl. BeckOK/W ENDTLAND , BGB § 138 Rn. 3 .

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften 2. Die Bestimmung der Sittenwidrigkeit eines Geschäfts a) Die Definition der Sittenwidrigkeit Der Generalklausel des § 138 Abs. 1 lässt sich nicht entnehmen, was unter "guten Sitten" oder "Sittenwidrigkeit" zu verstehen ist. Die guten Sitten sind ein unbestimmter, der Konkretisierung bedürftiger und fähiger Rechtsbegriff.135 Rechtswissenschaftliche Literatur und Rechtsprechung haben stets große Mühe gehabt, diese Konkretisierung vorzunehmen, zumal die Auffassung über das, was "gute Sitten" sind, im Laufe der Zeit nicht unverändert geblieben ist.136 Das Reichsgericht hat die Formel en twickelt und sich auch - mit Modifizierungen - daran gehalten, dass bei dem, was in § 138 Abs. 1 gemeint sei, es sich um das in der Übung zutage tretende sittliche Empfinden, um das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" handele.137 Dem hat sich zunächst auch der BGH angeschlossen und festgestellt, es seien "stets die besonderen Umstände des einzelnen Falles darauf zu prüfen, ob der Vertrag mit dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden übereinstimmt". 138 Diese Formel ist mit Recht auf K ritik gestoßen, weil sie keine brauchbare Definition der guten Sitten enthält, sondern lediglich die Definitionsebene verschiebt. Definiert werden muss nun nämlich - folgt man Reichsgericht und BGH -, wer eigentlich die "billig und gerecht Denkenden" sind. 139 Immerhin hat der BGH aber schon versucht zu bestimmen, wer billig und gerecht denkt, und dazu ausgeführt: "Dabei sind vor allem die Anschauungen der in Betracht kommenden beteiligten Kreise, hier der ehrbaren Kaufmannschaft, zu berücksichtigen, wobei das Durchschnittsmaß von Redlichkeit und Anstand zugrunde zu legen ist. Etwaige Missbräuche, die sich in bestimmten Kreisen gebildet haben, sind nicht zu beachten". Im Bewusstsein der Unzulänglichkeit der oben wiedergegebenen "einfachen" Formel hat der BGH später nach anderen Kriterien gesucht und, an die bisherige Definition anknüpfend, auf eine Gesamtwürdigung des Rechtsgeschäfts abgestellt: Ein Vertrag sei dann sittenwidrig, "wenn er nach dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter den guten Sitten zuwiderläuft".141 Wie problematisch die Konkretisierung der guten Sitten sein kann, zeigt die Entscheidung BGHZ 34, 169, in der es um die Wirksamkeit eines Kaufvertrages zwischen deutschen Kaufleuten ging und der die Umgehung amerikanischer Embargo –Bestimmungen durch eine vereinbarte Täuschung amerikanischer Dienststellen zum Inhalt hatte. Hier wurde der Sittenverstoß u.a. mit der Verletzung der "Intere ssen des gesamten freiheitlichen Westens" begründet; die Embargo –Bestimmungen sollten der "Aufrechterhaltung des Friedens und der freiheitlichen Ordnung des Westens dienen".142 _________________________________________________ 135 Vgl. MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 11 mit Hinweisen . 136 Vgl. zu alledem M AYER–MALY, AcP 194 [1994], 105 ff. 137 So RGZ 80, 219, 221; 120, 144, 148 . 138 BGHZ 10, 228, 232 . 139 Vgl. zur Kritik für viele: N EUNER , § 46, Rn. 8. 140 BGHZ 10, 228, 232 . 141 BGHZ 34, 169, 176; ähnlich BGHZ 43, 46, 50 . 142 So BGHZ 34, 169, 177; kritisch d azu MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 17.

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Ein Fluchthelfervertrag , d.h. ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtete, dem anderen Vertragsteil für die so genannte Ausschleusung eines Einwohners der ehemaligen DDR ein Entgelt zu zahlen, verstößt nach Auffassung des BGH 143nicht gegen die guten Sitten, weil der Flüchtende von der in Art. 11 GG allen Deutschen gewährleisteten F reizügigkeit Gebrauch machte; trotz der Verletzung von Gesetzen der ehemaligen DDR widerstreite die Verletzung dieser Bestimmungen nicht den "allgemein zu achtenden Interessen aller Völker".144 Die Inhaltsbestimmung des § 138 Abs. 1 durch die Rechtsprechung ist in der Literatur im Großen und Ganzen auf vorsichtige Zustimmung gestoßen.145 Aus ihr lässt sich immerhin entnehmen, dass die Frage danach, ob ein Vertrag gemäß § 138 Abs. nichtig ist, in der Regel aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung und "unter Berücksichtigung aller Umstände, die ihn kennzeichnen, der objektiven Verhältnisse, unter denen er zustande gekommen ist, seiner Auswirkungen sowie der subjektiven Merkmale, wie dem verfolgten Zweck und dem zugrunde liegenden Beweggrund beurteilt werden [k ann]". Beispiel (nach LG Bremen, MDR 1974, 134): Eine Vereinssatzung enthält u.a. folgende Bestimmungen: "... Mitglieder können nur ausländische Arbeitnehmer sein ...; über die Aufnahme von Mitgliedern, die zu zahlenden Mitgliedsbeiträge und die Einberufung der zumindest alle 10 Jahre abzuhaltenden Mitgliederversammlung entscheidet allein der Vorstand ...; der Vorstand besteht aus einem auf Lebenszeit zu wählenden Mitglied." Jede einzelne Bestimmung dieser Satzung stellt für sich allein noch keinen Verstoß gegen § 138 Abs. 1 dar, denn jede Bestimmung kann bei bestimmter Ausgestaltung eines Vereins durchaus seine sachliche Rechtfertigung haben und letztlich dem Interesse der einzelnen Mitglieder dienen. Im zu erörternden Fall führt aber die Gesamtwürdigung der Umstände zu einer Knebelung der Mitglieder und damit zu einem Verstoß gegen § 138 Abs. 1. Durch das Zusammenspiel der einzelnen Satzungsvorschriften werden die Mitglieder, die als Ausländer meist die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrschen und da her geschäftlich ungewandt sind, dem Vorstand, bei dem diese Merkmale nicht gegeben sind, ausgeliefert. Der Grundsatz, wonach sich ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung des Rechtsgeschäftes ergibt, schließt aber nicht aus, dass bereits ein Element eines Rechtsgeschäfts sittlich derart zu missbilligen ist, dass daraus allein sich schon ein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 ergibt.147 _________________________________________________ 143 BGHZ 69, 295 . 144 BGHZ 69, 295, 298. 145 Vgl. dazu u.a . MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 27 ff.; BeckOGK /HAGER, BGB § 138 Rn. ff. 146 BeckOGK /HAGER, BGB § 138 Rn. 87 ff . 147 FLUME, § 18, 2b und c .

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Beispiel: Gewährt jemand einer ihm fremden Frau ein Darlehen, vereinbart aber gleichzeitig mit ihr , dass sie bei nicht rechtzeitiger Rückzahlung verpflichtet ist, sich seinen sexuellen Wünschen zu fügen, so ist der Vertrag schon allein aufgrund der letztgenannten Abrede sittenwidrig, selbst wenn alle anderen Umstände des Vertrages ansonsten nicht verwerflich sein sollten. b) Das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit Wenn Rechtsgeschäfte wegen ihres objektiven Inhalts gegen die guten Sitten verstoßen, so sind sie nichtig. Nach herrschender Meinung müssen die Beteiligten nicht das Bewusstsein gehabt haben, sittenwidrig oder verwerflich gehandelt zu haben.148 Mit Recht wird darauf hingewiesen, dass dann, wenn man bei den Geschäftspartnern ein "Bewusstsein der Sittenwidrigkeit" fordern würde, diejenigen, deren Sittenauffas-sung weniger streng ist, gegenüber denjenigen bevorteilt würden, deren sittliche Vorstellungen strenger sind. Wenn auch nicht verlangt werden kann, dass die Geschäftspartner sich der Sittenwidrigkeit des Geschäfts bewusst sind, so kann ein Verstoß gegen die guten Sitten doch nur vorliegen, wenn die Beteiligten Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von den Tatumständen haben, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt .150 Dem steht nicht entgegen, wenn es in BGHZ 32, 361, 366 heißt: "§ 138 BGB ist nur anwendbar, wenn die am Rechtsgeschäft Beteiligten auch subjektiv in zu missbilligender Gesinnung handeln, wenn ihnen ihre persönliche Einstellung zum sittlichen Vorwurf gemacht werden muss." In einer späteren Entscheidung hat der BGH 151unter Hinweis auf die herrschende Auffassung in der Literatur noch einmal betont, dass Rechtsgeschäfte, die schon nach ihrem objektiven Inhalt sittlich– rechtlichen Grundsätzen widersprechen, ohne Rücksicht auf die Vorstellungen der das Rechtsgeschäft vornehmenden Personen nichtig sind. Es genügt, wenn beide Teile die die Sittenwi drigkeit begründenden Umstände kennen; nicht erforderlich ist, dass sie selbst verwerf-lich gehandelt haben oder sich der Sittenwidrigkeit des Geschäfts bewusst waren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den Fällen, in denen ein Rechtsgeschäft schon seinem Inhalt nach rechtswidrig ist, die Parteien stets die Sittenwidrigkeit der begründenden Umstände kennen.153 c) Die Drittwirkung der Grundrechte und § 138 Abs. Nachdem das Bundesverfassungsgericht 154 festgestellt hat, dass der Grundrechtsabschnitt des Grundge setzes ein Wertesystem enthalte, das auch das bürgerliche Recht insofern beeinflusse, als keine bürgerlich– rechtliche Vorschrift im Widerspruch zu ihm stehen dürfe, sondern vielmehr in seinem Geiste ausgelegt werden müsse, geht die herrschende Lehre in der rechtswissenschaftlichen Literatur davon aus, dass gerade die Generalklauseln des BGB, zu denen § 138 Abs. 1 zählt, die Möglichkeit dazu bie_________________________________________________ 148 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 138 Rn. 8; BeckOK/W ENDTLAND , BGB § 138 Rn. 22; RÜTHERS /STADLER , § Rn. 34. 149 MEDICUS , AT, Rn. 689. 150 MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 48; BGHZ 94, 268, 272 f . 151 BGHZ 94, 268, 272 . 152 Vgl. auch OLG Hamm NJW 1986, 781 f . 153 So zutreffend BGHZ 94, 269, 273 . 154 BVerfGE 7, 198 und BVerfGE 73,

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften ten, dem Einfluss der Grundrechte auf das Privatrecht in der notwendigen Differenzierung gerecht zu werden.155 Zutref fend ist § 138 Abs. 1 als ein es der "privatrechtlichen Einfallstore der Grundrechte" bezeichnet worden.156 Der BGH157 hat sich grundsätzlich zu dieser Auffassung bekannt und im Hinblick auf § 138 ausgeführt: "Für das Verständnis dessen, was heute unter "guten Sitten" im Sinne von § 138 Abs. 1 zu verstehen ist, hat allerdings die Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere auch in den Grundrechten niedergelegt ist, wesentliche Bedeutung". Als Beispiel dafür, auf welche Art und Weise § 138 Abs. 1 als "pri vatrechtliches Einfallstor der Grundrechte" genutzt werden kann, sei eine Entscheidung des OLG Düsseldorf 158genannt. Das OLG hat einen Darlehensvertrag, den ein Ausländer mit einer Deutschen schließt, um diese zum Abschluss einer Scheinehe zwecks Täuschung der Ausländerbehörden zu bewegen, wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 als nichtig angesehen und dies wie folgt begründet: Die Scheinehe stelle eine Missachtung des durch Art. 6 GG unter den Schutz der staatlichen Ordnung gestellten In stituts der Ehe dar; sie widerspreche der allgemeinen Rechtsmoral und verletze die Gemeinschaftsordnung, weil die Allgemeinheit ein Interesse daran habe, dass die Ehe als Grundlage der Familie und Lebensgrundlage der menschlichen Gemeinschaft nicht ausgehöhlt werde. Wenn auch die Berücksichtigung der Wertungen des Grundgesetzes bei der Konkretisierung der guten Sitten i.S. des § 138 Abs. 1 legitim und gar geboten ist, so ist doch stets zu berücksichtigen, dass mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit (A rt. Abs. 1 GG) auch die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit eine im Grundgesetz verankerte Anerkennung gefunden hat, die auf das Privatrecht einwirkt. 159 So würde z.B. die schrankenlose Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf private Rechtsgesch äfte die Vertragsfreiheit weitgehend aushöhlen .160 Das Bundesverfassungsgericht161 hat anhand der §§ 138 und 242 eine Inhaltskontrolle des Bürgschaftsvertrages vorgenommen und dabei noch einmal betont, dass auch die Privatautonomie notwendigerweise begrenzt sei und der rechtlichen Ausgestaltung bedürfe. Aus der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) folge auch, dass die Zivilrechtsordnung dann, wenn eine typisierbare Fallgestaltung eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lasse und die Folgen des Vertra-ges für den unterlegenen Vertragsteil ungewöhnlich belastend seien, darauf reagieren und Korrekturen anbringen müsse. Es bestehe heute weitgehe nde Einigkeit darüber, dass die Vertragsfreiheit nur im Falle eines annähernd ausgewogenen Kräfteverhält-nisses der Partner als Mittel eines angemessenen Interesseausgleichs tauge und der Ausgleich gestörter Vertragsparität zu den Hauptaufgaben des geltende n Zivilrechts gehöre. _________________________________________________ 155 So HESSE, Rn. 351 ff. 156 Vgl. MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 20. 157 BGHZ 70, 313, 324 . 158 MDR 1983, 932. 159 So mit Recht MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 20. 160 So zutreffend BGHZ 70, 313, 324 f . 161 BVerfGE 89, 214 ff .

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften 3. Die Anwendung des § 138 Abs. 1 in der Praxis Der Grundsatz, dass ein Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt, wenn es sich nach seinem, aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck ergebenden Gesamtcharakter als sit tenwidrig darstellt, ist bei der Anwendung im praktischen Einzelfall häufig nur schwer zu konkretisieren. Um die Anwendung des § Abs. 1 in der Praxis zu erleichtern, haben Rechtsprechung und Literatur so genannte Hauptfallgruppen gebildet, die für das Wirtschaftsleben von besonderer Bedeutung sind.162 Von diesen so genannten Hauptfallgruppen seien im F olgenden nur einige beispielhaft genannt und erläutert.163 a) Rechtsgeschäfte, die die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit einschränken Auch wenn die Freiheitsbeschränkung ein wesentliches Element jedes Verpflichtungsgeschäftes ist, darf sie doch nicht so weit gehen, dass sie als sittenwidrig anzusehen ist.164 Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist anzunehmen, wenn ein Rechtsgeschäft eine so weitgehende Beschränkung der Freiheit des Betroffenen bewirkt, dass dieser seine geschäftliche Selbständigkeit verliert.165 Man bezeichnet solche Verträge auch als Kneb elungsverträge, die zutreffend als Verträge charakterisiert werden, durch die eine Vertragspartei die andere dur ch die im Vertrage verankerten Bedingungen so einengt, dass ihre wirtschaftliche Bewegungsfreiheit gelähmt ist und sie dadurch in eine sittlich zu missbilligende Abhängigkeit gerät .166 Auch der BGH167 spricht in diesem Zusammenhang von Knebelung. So hat er eine verlagsrechtliche Optionsvereinbarung ("Vorrechtsvertrag"), die einen Verfasser verpflichten sollte, künftige Werke zuerst einem bestimmten Verleger zum Abschluss eines Verlagsvertrages anzubieten, als sittenwidrig und damit nichtig angesehen, weil sie ohne zeitliche oder gegenständliche Beschränkung für das gesamte künftige Schaffen des Verfassers gelten sollte und der Verleger für die Einräumung des Optionsrechtes keine angemessene Gegenleistung übernommen hatte. Der BGH 168 betont in diesem Zusammenhang, in den "beteiligten Kreisen" habe sich mehr und mehr die Überzeugung durchgesetzt, dass eine solche einseitige Bindung des Autors durch eine für alle Zeiten und seine gesamte künftige schriftstellerische Produktion getroffene Optionsabrede "die künstlerische und ge-werbliche Freiheit des Autors in unzumutbarer Weise beschränkt und deshalb in der Regel eine sittenwidrige Knebelung des Autors darstellt". Zu den langfristigen Verträgen, bei denen häufig geprüft worden ist, ob es sich um Knebelungsverträge handelt, gehören auch die sogenannten Bierlieferungs – oder Bierbezugsverträge. Diese werden zwischen einer Brauerei und einem Gastwirt abgeschlossen. Die Brauerei gewährt dem Gastwirt ein Darlehen, damit dieser eine Gastwirtschaft einrichten kann; der Gastwirt übernimmt die – regelmäßig langfristige – Verpflichtung, nur bei der Brauerei Bier zu beziehen. _________________________________________________ 162 Vgl. zur Bildung solcher Fallgruppen beispielhaft die Kommentierung zu § 138 in: MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 44 ff . und S OERGEL /HEFERMEHL , § 138 Rn. 86 ff. 163 Zur Kritik an der Fallgruppenmethode siehe M AYER–MALY, AcP 194 [1994], 105, 122 ff. 164 Vgl. MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 113 ff . 165 Vgl. MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 113 ff . 166 Vgl. MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 113. 167 BGHZ 22, 347, 355. 168 BGHZ 22, 347, 355 .

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Beispiel (in Anlehnung an OLG Karlsruhe, MDR 1968, 493): Die Brauerei B gewährt dem Gastwirt E ein Darlehen, mit dessen Hilfe er seine Gastwirtschaft einrichten kann. Die Brauerei B sichert sich vertraglich neben dem Verzinsungs – und Rückzahlungsanspruch ein ausschließliches Bierlieferungsrecht und eine gleich-zeitige Bierabnahmepflicht. Der Vertrag soll eine Dauer von 18 Jahren haben. Das ist der Zeitraum, in dem das – im Vergleich zu ähnlichen Krediten günstige – Darlehen zurückgezahlt werden muss. Gegen den langen Zeitraum des Vertrages bestehen keine Bedenken, weil die Dauer der Bierbezugs – und Bierabnahmefrist sich mit der Frist deckt, innerhalb derer das – günstige – Darlehen zur ückzuzahlen ist. Ein langfristiger Vertrag dieser Art, in dem lang dauernde Verpflichtungen mit der Gewährung eines größeren – günstigen – Darlehens gekoppelt sind, wurde bisher von der Rechtsprechung weder nach § 138 Abs. 1 noch nach Abs. 2 für nichtig erachtet. In der Rechtsprechung ist die Tendenz erkennbar, eine Grenze bei 15 bis 20 Jahren zu ziehen: Verträge, die Bindungen von 20 Jahren oder mehr vorsehen, müssen durch besondere Umstände (z.B. ungewöhnliche Gegenleistungen) gerecht fertigt werden . Besonders häufig kommen Knebelungsverträge im Rahmen von Rechtsgeschäften vor, die eine Kreditsicherung zum Gegenstand haben (so genannte Sicherungsgeschäfte). Solche Rechtsgeschäfte dienen dazu, den Gläubiger einer Forderung davor zu sch ützen, dass er einen Verlust erleidet, wenn der Schuldner nicht leisten will oder nicht leisten kann. Im Kreditgeschäft ist die persönliche Vertrauenswürdigkeit einer Person in der Regel keine ausreichende Grundlage für die Gewährung eines Kredits. Der Kre ditgeber ist meist nur dann bereit, Kredit zu gewähren, wenn er bestimmte Rechte an Gegenständen des Schuldners erhält, die es ihm für den Fall, dass der Schuldner seine Verpflichtungen nicht erfüllt, ermöglichen, die Gegenstände so zu verwerten, dass er w egen seiner Forderung befriedigt wird. Das Interesse der Gläubiger geht naturgemäß dahin, sich möglichst weitgehend abzusichern. In Verfolgung dieses Interesses lassen die Gläubiger sich häufig im Rahmen von Sicherungsübereignungen wesentlich mehr übereignen, als zur Absicherung notwendig ist. Man spricht dann von einer so genannten Übersicherung. Gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 verstoßen Rechtsgeschäfte, die zu einer unerträglichen, die eigene wirtschaftliche Stellung vernichtenden Abhängigkeit des Schuldners vom Gläubiger führen; es handelt sich dann um so genannte Knebelungsgeschäfte, durch die die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Schuldners gelähmt und durch die er in eine sittlich zu missbilligende Abhängigkeit gerät. Beispiel (in Anlehnung an KG, LZ 1919, 413): Die D –Bank g ewährt dem Textilgroßhändler T ein Darlehen in Höhe von € 10.000,--. Zur Sicherung der Darlehensrückzahlungsforderung übereignet T der D –Bank alle gegenwärtig und künftig z u seinem Eigentum gehörenden Waren und sein ges amtes Geschäftsinventar. Der gegenwärtige Lagerbestand hat einen Wert von € 100.000,-- . Das Geschäftsinventar verkörpert einen Verkaufswert von € 25.000,--. Außerdem räumt T in dem mit der D –Bank geschlossenen Sicherungsvertrag der D– Bank ein Mitwirkungsrecht bei der Leitung des Geschäfts und eine Generalvollmacht ein. Die genannten Vereinbarungen sind Gegenstand des Sicherungsvertrages. Einer zu sichernden Forderung in Höhe von € 10.000,-- steht ein Sicherungsgut im Wert von € 125.000,-- gegenüber. Es _________________________________________________ 169 Vgl. BGH NJW 1979, 865 u. MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 113 ff mit Nachw.; S TAUDINGER//FISCHINGER /RIEBLE, § 138 Rn. 276.

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften handelt sich also um einen Fall der Übersicherung. Außerdem lähmen die zusätzlichen Abreden den T in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und bringen ihn in eine sittlich zu missbilligende Abhängigkeit vom Gläubiger. Wegen Verstoßes gegen die guten Sitten ist der Sicherungsvertrag gemäß § 138 Abs. 1 nichtig. In Fällen dieser Art verbindet sich das Sittenwidrigkeitselement "Freiheitsbeschränkung" häufig noch mit anderen Elementen, wie z.B. Äquivalenzstörungen (= Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung), der Ausnutzung von Übermacht und der Schädigung Dritter . Im Hinblick auf das Problem der Knebelung durch Sicherungsverträge hat der BGH171 herausgestellt, dass die Grenze zur Sittenwidrigkeit überschritten wird , wenn dem Schuldner nicht mehr so viel wirtschaftliche Bewegungsfreiheit eingeräumt ist, "dass er in der Lage bleibt, auch in einem seinen Verhältnissen angemessenen Rahmen durch freiwillige Leistung auch andere Gläubiger zu befriedigen" Ein solcher Fall kann insbesondere dann vorliegen, wenn die Übertragung der Vermögenswerte auf den Kreditgeber in einem Zeitpunkt erfolgt, in dem das Unternehmen des Kreditnehmers entweder schon insolvenzreif ist (Insolvenzverschleppung) oder in dem sich eine Zahlungsunfähigkeit abzeichnet, das Unternehmen also in einem Maße verschuldet ist, dass Verbindlichkeiten in absehbarer Zeit nicht erfüllt werden können . Wegen Gläubigerbenachteiligung ist auch solch ein Vertrag sittenwidrig und gemäß § 138 Abs. 1 nichtig, durch den ein Schuldner sein letztes zur Gläubigerbefriedigung taugliches Vermögen einem bestimmten Gläubiger überträgt, wenn dadurch gegenwärtige oder künftige Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Schuldners getäuscht werden und beide Vertragspartner bei dieser Täuschung zusammengewirkt haben. Allerdings muss diese Täuschung nicht der Zweck des Handelns gewesen sein; es kann genügen, wenn die Vertragspartner nur mit der Möglichkeit gerechnet haben, dass andere Gläubiger geschädigt werden.173

b) Sogenannte „Geliebtentestamente“ Gegenstand der Erörterungen im Rahmen des § 138 Abs. 1 ist immer wieder die Frage gewesen, ob die Bestimmungen in einem Testament, mit der ein verheirateter Mann seiner Freundin Zuwendungen machen will, sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. ist mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit d ieser Bestimmungen in der letztwilligen Verfügung. Während das Reichsgericht dazu neigte, testamentarische Bestimmungen dieser Art für sittenwidrig zu halten, hat der BGH der inzwischen gewandelten Auffassung von Moral und Sitte insbesondere dort, wo das Verhältnis der Geschlechter zueinander berührt wird, Rechnung getragen. Der BGH hat ausgeführt, es müssten schon beson-dere Umstände vorliegen, die dem Erblasser eine sittliche Verpflichtung auferlegten, _________________________________________________ 170 Vgl. dazu MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 113 ff . mit Hinweisen . 171 BGHZ 19, 12, 18. 172 So OLG Köln WM 1986, 452, 453. 173 So BGH ZIP 1995, 630 ff.

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften die seiner Testierfreiheit Schranken setzt.174 So sei das Rechtsgeschäft der Erbeinsetzung einer Frau, mit der der Erblasser außerhalb der Ehe jahrelang wie Mann und Frau zusammengelebt habe, selbst dann nicht ohne weiteres als sittenwidrig mit der Folge der Nichtigkeit zu erachten, wenn "besondere achtenswerte Beweggründe für die Zuwendung nicht festgestellt werden können, sofern nicht erwiesen ist, dass der Erblasser durch die Zuwendung die Bedachte allein zur Fortsetzung der geschlechtlichen Hingabe bestimmen oder sie hierfür belohnen wollte".175 Der BGH hat di ese Tendenz zur Liberalisierung fortgesetzt und dabei dem Stellenwert des Grundsatzes der Testierfreiheit stärkere Bedeutung beigemessen. Nach Ansicht des BGH 176 kann die Sittenwidrigkeit und damit die Nichtigkeit einer letztwilligen Verfügung nur in besonders herausragenden Ausnahmefällen angenommen werden. Ausschlaggebend soll nach Ansicht des BGH 177 sein, ob in der letztwilligen Verfügung selbst eine unredliche (also verwerfliche) Gesinnung des Erblassers zum Ausdruck kommt und eine Verwirklichung erstrebt. Der BGH hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass eine letztwillige Verfügung wegen Verstoßes gegen § Abs. 1 nichtig sein kann , wenn sie "lediglich als Entgelt für sexuelle Hingabe gedacht gewesen sei". Dabei besteht jedoch keine allgemeine Vermutung dahingehend, dass eine Zuwendung an eine(n) Geliebte(n) ausschließlich dem Zweck diente, die ge-schlechtliche Hingabe zu belohnen oder zu fördern. Durch das Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes kann die letztwillige Verfügung auch dann nicht nichtig sein, wenn lediglich als Entgelt für sexuelle Hingabe gedacht gewesen ist, da gemäß § 1 ProstG sexuelle Handlungen , die gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen w erden , eine rechtswirksame Forderung begründen. 4. Der Wucher In § 138 Abs. 2 ist der Wucher als ein Sonderfall eines gegen die guten Sitten verstoßenden Rechtsgeschäfts geregelt. Wird bejaht, dass Wucher i.S. des § 138 Abs. 2 vorliegt, ist damit die Sittenwidrigkeit festgestellt. In der gutachterlichen Prüfung ist § 138 Abs. 2 also, soweit nicht völlig fernliegend, vor § 138 Abs. 1 zu prüfen. Falls ein Tatbestandsmerkmal des Wuchers nicht voll verwirklicht ist, soll der Rückgriff auf die Generalklausel des § 138 Abs. 1 nur dann zulässig sein, wenn ein neues, außerhalb des Tatbestandes des § 138 Abs. 2 liegendes Sittenwidrigkeitselement, das z.B. in einer besonders verwerflichen Gesinnung bestehen kann, hinzukommt . _________________________________________________ 174 BGHZ 53, 369, 382 . 175 BGHZ 53, 369, 382 . 176 NJW 1983, 674, 675; BGHZ 77, 55, 59; 112, 259, 262 . 177 NJW 1983, 674, 675. 178 STAUDINGER /FISCHINGER /RIEBLE, § 138 Rn. 646 ff . 179 BGH WM 1979, 1294, 1295; vgl. dazu MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 267 ff .

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Der Tatbestand des Wuchers (§ 138 Abs. 2) ist gegeben, wenn

Beachte: alle genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen!

Der Wuchertatbestand wird stark geprägt von dem auffälligen Missverhältnis von Leistungen und Gegenleistungen. Bei den Ermittlungen dazu ist der objektive Wert der Leistungen zu vergleichen; es ist das verkehrsübliche Äquivalent zugrunde zu legen und nicht ein subjektives Interesse eines Vertragsteils, wenn auch Risikofaktoren veranschlagt werden können .180 Eine Zwangslage i.S. des § 138 Abs. 2 ist eine nicht notwendigerweise durch wirtschaftliche Bedrängnis hervorgerufene Lage, in der ein dringen des Bedürfnis nach Sach– und Geldleistungen besteht. Auch psychische Zwangslagen kommen in Betracht,181 wenn sie tatsächlich und nicht nur vermeintlich vorhanden sind.182 Das Problem, ob eine Zwangslage bestand oder nicht, stellt sich insbes ondere bei der Kred itgewährung. Nach Ansicht des BGH183 begründet ein anderweitig nicht zu befriedigender Kreditbedarf nicht in jedem Fall eine Zwangslage im Sinne des § _________________________________________________ 180 Vgl. MünchKomm /ARMBRÜSTER , § 138 Rn. 268 ff . 181 Vgl. BGHZ 50, 63, 71 . 182 Vgl. MünchKomm /ARMBRÜS TER, § 138 Rn. 273. 183 NJW 1994 , 1726 f . ein Rechtsgeschäft vorliegt, durch das jemand sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, derjenige, der die Gegenleistung, die in einem auffälligen Missverhältnis zur empfangenen Leistung steht, erbringen muss (= der Bewucherte), unerfahren ist, an Willensschwäche oder einem Mangel an Urteilsvermögen leidet oder sich in einer Zwangslage befindet und der Wucherer die Situation des Bewucherten, seine Zwangslage, Unerfahrenheit etc. ausbeutet.

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Abs. 2; allerdings soll es genügen, wenn dem Kreditbedürftigen durch die Nichtgewährung ein schwerer wi rtschaftlicher Nachteil droht. Dabei muss es sich aber stets um eine Gefährdung des Bestehenden handeln; es reicht nicht aus, wenn ohne den Kredit bloße Zukunftspläne scheitern würden. Unter Ausbeutung ist die bewusste Ausnutzung der Situation des Bewucher ten zu verstehen. Derjenige, der die Situation ausnutzt, muss also jedenfalls Kenntnis von der Zwangslage, dem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung etc. gehabt und diese Situation bewusst ausgenutzt haben. Eine Ausbeutungsabsicht ist nicht erforderlich . 184 Allerdings kann eine tatsächliche Verm utung für das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale sprechen, wenn objektiv nicht nur ein auffälliges, sondern ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung festzus tellen ist.185 Gerade bei der Höhe der Kreditzinsen ist es häufig schwierig festzustellen, ob – bei Berücksichtigung des etwaigen Risikos des Kreditgebers – ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht. Diese Frage taucht oft bei mit hohen Risiken für den Kreditgeber beh afteten Teilzahlungskrediten auf. In Rechtsprechung und Literatur hat es immer wieder Tendenzen gegeben, Obergrenzen für zulässige Zinsvereinbarungen festzulegen. Es ist aber zu berücksichtigen, dass Obergrenzen nach der Konzeption des BGB grundsätzlich nicht maßgeblich sein können. 186 Es ist vielmehr auf die jeweilige Kapitalmarktsituation und das Risiko im Einzelfall abzustel-len. 187 Diese Auf fassung hat auch der BGH188 nachdrücklich bestätigt und betont, wenn auch § 138 nach den heutigen Rechtsvorstellungen die Funktion habe, mit den Grundsätzen der herrschenden Rechts – und Sozialmoral den wesentlichen Grundsätzen und grundlegenden Maßstäben der Rechtsordnung gegenüber einem Missbrauch der Vertragsfreiheit Achtung zu verscha ffen, so seien der Rechtsordnung doch keine Grundsätze oder Maßstäbe zu entnehmen, nach denen das Sittenwidrigkeitsurteil nach § 138 bei Kreditgeschäften ohne jede Berücksichtigung anderer Umstände allein an die Höhe der Zinsen gebunden werden könne; mit der Einführung einer Kreditzinsbegrenzung (Preisgrenze), die auch unabhängig von individuell ausgehandelten Umständen (z.B. Sicherheiten) und ohne Rücksicht auf die sonstige Ausgestaltung des Vertrages und auf seine Rahmenbedingungen gelten soll, würden die Gerichte nicht die ihnen obliegende Aufgabe der Konkretisierung des § 138 erfüllen, sondern die ihnen im gewaltengeteilten Rechtsstaat gesetzten Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschreiten. Bei der Prüfung, ob zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht, stellt nach der Rechtsprechung des BGH190 der Marktvergleich ein geeignetes Mittel dar. Demnach besteht in der Regel ein auffälliges Missverhältnis, wenn im konkreten Fall der effektive Jahreszins rund doppelt so hoch ist wie der übliche Marktzins. Rechnerisch wird der Vergleich in relativen (für Niedrigzinsphase) und in absoluten Zahlen (für Hochzinsphase) ausgedrückt; d.h. ein auffälliges Missverhältnis _________________________________________________ 184 MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 279 ; GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 138 Rn. 74. 185 So BGH NJW 1994 , 1726 f . 186 Vgl. MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 268 ff . 187 Vgl. MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 138 Rn. 268 ff . 188 BGHZ 80, 153 ff . 189 BGHZ 80, 153, 158 f . 190 BGHZ 80, 153, 162; 98, 174, 176 f .

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften liegt in relativen Zahlen vor, wenn der Zinssatz des gewähr ten Kredites den Zinssatz marktüblicher Kredite um ca. 100 % übersteigt;191 in absoluten Zahlen liegt ein auffälliges Missverhältnis vor, wenn der Zinssatz des gewährten Kredites die Zinssätze marktüblicher Kredite um ca. 12 %– Punkte übe rtrifft.192 Mit Hilfe e ines solchen Marktvergleiches lässt sich das verkehrsübliche und wirtschaftlich noch tragbare Darlehensentgelt als Vergleichsmaßstab für den auf seine Sittenwidrigkeit zu untersuchenden Kreditvertrag ermitteln. Für einen solchen Marktvergleich ist wesentli ch, welche Kreditgeschäfte als vergleichbar angesehen werden können und welche Leistungen und Gegenleistungen in die Beurteilung einzubeziehen sind. Gerade bei hochverzinslichen Teilzahlungs - und Ratenkrediten greift der Wuchertatbestand häufig jedoch nicht ein, weil es entweder an der erforderlichen Schwächesi-tuation auf Seiten des Bewucherten (Zwangslage, Unerfahrenheit etc.) oder an einer Ausbeutung derselben fehlt. Auch wenn das Vorliegen des Wuchertatbestandes ge-mäß § 138 Abs. 2 zu verneinen ist, kann ein hochverzinsliches Darlehen gemäß § Abs. 1 sittenwidrig sein. Der BGH 194 hat insbesondere im Hinblick auf hochverzinsliche Teilzahlungs– und Ratenkreditverträge von "wucherähnlichen Rechtsgeschäften" gesprochen und sie an § 138 Abs. 1 gemessen. Nach seiner Auffassung soll ein Darlehensvertrag nichtig sein, wenn "zwischen den Leistungen des Darlehensgebers und des Darlehensnehmers ein auffälliges Missverhältnis besteht und der Darlehensgeber die wirtschaftlich schwächere Lage des Darlehensnehmers, des sen Unterlegenheit, bei der Festlegung der Darlehensbedingungen bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt". Bei der notwendigen Prüfung, ob zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht, stellt nach Auffassung des BGH 195 der Marktvergle ich auch hier ein geeignetes Mittel dar, mit dessen Hilfe sich das verkehrsübliche und wirtschaftlich noch tragbare Darlehensentgelt als Vergleichsmaßstab für den auf seine Sittenwidrigkeit zu untersuchenden Kreditvertr ag ermitteln lässt. Ist ein objektiv es Missverhältnis festgestellt, so sind bei Kreditinstituten auch die subjektiven Voraussetzungen – das mindestens fahrlässige Ausnutzen der Lage des Kunden – in aller Regel erfüllt .197 Beispiel (nach BGHZ 99, 333, 335): Beträgt der vereinbarte Zins (Vertrag szins) 26,29 % und der Marktzins 8,52 %, so ergibt der Marktvergleich, dass der Vertragszins den Marktzins relativ um etwa 200 % übersteigt. Bei einem solchen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung sind die objektiven und subjekti-ven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 erfüllt; der Kreditvertrag ist deshalb nichtig. _________________________________________________ 191 BGHZ 99, 333, 336 . 192 BGHZ 110, 336, 338 f.; vgl. zum ganzen S TAUDINGER //FISCHINGER /RIEBLE, § 138 Rn. 192 ff . 193 BGHZ 80, 153, 164 . 194 BGHZ 80, 153, 160 . 195 BGHZ 80, 153, 162 . 196 Zur Anerkennung des Marktvergleiches als wichtigstem Maßstab vgl. MünchKomm /ARMBRÜSTER , § Rn. 268 ff . 197 BGHZ 98, 174, 178 ; GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 138 Rn. 3 0.

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Ist ein Kreditvertrag nach § 138 nichtig, so kann der Kreditgeber keine Zinsen fordern; der Kreditnehmer hat die Darlehenssumme aber in der vertraglich vereinbarten Zeitfolge zurückz uzahlen.198 Zum Verhältnis des § 138 Abs. 2 (Wucher) zum § 138 Abs. 1 vertritt der BGH199 folgenden Standpunkt: "Auch falls § 138 Abs. 2 BGB – wie hier – mangels Vorliegens der subjektiven Voraussetzungen nicht eingreift, können gegenseitige Verträge als wucherähnlic he Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und daher nichtig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Teils hervorgetreten ist, insbesondere w enn dieser die wirtschaftlich schwächere Lage des anderen Teils, dessen Unterlegenheit, bei der Festlegung der Vertragsbedingungen bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere Teil nur aufgrund seiner schwächeren Lage auf die ihn beschwerenden Bedingungen eingelassen hat."

5. Sittenwidrige Bürgschaftsverträge In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre und am Anfang der neunziger Jahre ist eine intensive Diskussion um die Frage der M ithaftung einkommens – und vermögensloser Angehöriger, namentlich von Kindern und Ehegatten geführt worden. Im Wesentlichen ging es um Bürgschaftsverträge, die gerade volljährig gewordene einkommens – und vermögenslose Jugendliche zur Sicherung von Darlehensverpflichtungen ihrer Eltern mit Banken abgeschlossen hatten. Diese Debatte hat das Bundesverfassungsge-richt mit seinem Beschluss aus dem Jahre 200 jedenfalls vorläufig beendet. Zahlreiche Instanzgerichte und Teile der Literatur201 hatten diejenigen Bürgschaftsverträge, die auf eine lebenslange Beschränkung auf das Existenzminimum s hinauslaufen, also ein "Leben im Schuldturm" bedeuten202, gemäß § 138 Abs. 1 für sittenwidrig erklärt und dabei insbesondere auf die Notwendigkeit der Interpretation der Generalklauseln der §§ 138 und 242 im Sinne der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip hingewiesen. Der BGH, insbesondere der IX. und der III. Zivilsenat, hatten demgegenüber eine nur schwer verständliche harte Linie vertreten, die sich wie folgt zusammenfassen lässt: – jeder Gläubiger kann grundsätzlich davon ausgehen, dass ein voll Geschäftsfähiger, der eine Bürgschaftsverpflichtung übernimmt, sich über die Tragweite seines Handelns im K laren ist, sein Risiko abs chätzt und danach seine Entscheidung trifft;203 davon sollte auch dann auszugehen sein, wenn der Bürge dem Hauptschuldner verwandtschaftlich eng verbunden ist;204 _________________________________________________ 198 BGH NJW 1983, 1420, 1422 ; GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 817 Rn. 21. 199 BGHZ 128, 255, 257 ff . 200 BVerfGE 89, 214 ff . 201 Vgl. den Nachweis bei H. HONSELL , NJW 1994, 565 . 202 So REIFNER , ZIP 1990, 427. 203 So BGHZ 106, 269 ff ; 107, 92, 102; 125, 206, 210 . 204 BGHZ 125, 206,

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften – jedem Volljährigen ist es aufgrund der Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie unbenommen, auch risikoreiche Geschäfte abzuschließen;205 – darunter kann auch die Verpflichtung zu solchen Leistungen fallen, die den Vertragschließenden "schlechthin überfordern oder die von ihm nur unter besonders günstigen Bedingungen, notfalls sogar unter dauernder I nanspruchnahme des pfändungsfreien Einkommens, erbracht werden können". Das Bundesverfassungsgericht207 hat demgegenüber anhand der §§ 138 und 242 eine Inhaltskontrolle des Bürgschaftsvertrages vorgenommen und dabei noch einmal betont, dass auch die Privatautonomie notwendigerweise begrenzt sei und der rechtlichen Ausgestaltung bedürfe. Aus der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) folge auch, dass die Zivilrechtsordnung dann, wenn eine typisierbare Fallgestaltung eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lasse und die Folgen des Vertrages für den unterlegenen Vertragsteil ungewöhnlich belastend seien, darauf reagieren und Korrekturen anbr ingen müsse. Es bestehe heute weitgehende Einigkeit darüber, dass die Vertragsfreiheit nur im Falle eines annähernd aus-gewogenen Kräfteverhältnisses der Partner als Mittel eines angemessenen Interessen-ausgleichs tauge und der Ausgleich gestörter Vertragsparität zu den Hauptaufgaben des geltenden Zivilrechts gehöre. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts kommt ein Verstoß gegen die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie in Be-tracht, wenn das Problem der gestörten Vertragsparität gar nicht ges ehen oder seine Lösung mit untauglichen Mitteln versucht werde. In diesem Zusammenhang komme den Generalklauseln des BGB zentrale Bedeutung zu. Nutze der überlegene Vertrags-teil bei Verhandlungsunterlegenheit des anderen – u.U. auch noch unerfahrenen – Vertragsteils diese Schwäche aus, um seine Interessen in auffälliger Weise einseitig durchzusetzen, so führe das zur Nichtigkeit des Vertrages. § 138 Abs. 1 knüpfe ganz allgemein die Nichtigkeitsfolge an einen Verstoß gegen die guten Sitten; differenziertere Rechtsfolgen ergäben sich aus § 242. Nach allgemeiner Meinung markiert der Grundsatz von Treu und Glauben eine immanente Grenze vertraglicher Gestaltungsmacht und begründet die Befugnis zu einer richterlichen Inhaltskontrolle des Vertrages. 208 Nach Auffassun g des Bundesverfassungsgerichts209 folgt für die Zivilgerichte daraus die Pflicht, bei der Anwendung und Auslegung der Generalklauseln darauf zu achten, dass Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienen. Hätten die Vertragspartner eine an sich zuläss ige Regelung vereinbart, so werde sich regelmäßig eine weitergehende Inhaltskontrolle erübrigen. Sei aber der Inhalt des Vertrages für die eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, so dürften sich die Gerichte nicht mit der Feststellung begnügen: "Vertrag ist Vertrag". Sie müssten vielmehr klären, ob die Regelung eine Folge ungleicher Verhandlungsstärke sei und gegebenenfalls im Rahmen der Generalklauseln des geltenden Zivilrechts korrigierend eingreifen. _________________________________________________ 205 So BGHZ 106, 269, 272; 120, 272, 274; 125, 206, 209. 206 So BGHZ 120, 272, 274; 125, 206, 209 f . 207 BVerfGE 89, 214 ff . 208 Vgl. dazu auch U. PREIS, S. 249 f. 209 BVerfGE 89, 214, 234 .

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Damit hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des BGH korrigiert. Die praktischen Auswirkungen sind erheblich.210 Allerdings hatte der BGH211 schon vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seine Rechtsprechung geringfügig geändert. Er stellte fest, dass ein Bürgschaftsvertrag wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 nichtig sein könne, wenn der Bürge sich in einem Umfange verpflichte, der seine gegenwärtigen und zukünftig zu erwarten-den Einkommens – und Vermögensverhältnisse weit übersteige, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Bürge durch weitere Umstände in einer dem Gläubiger zurechenbaren Weise zusätzlich erheblich belastet werde, die zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragspartner führe; nach Auffassung des BGH 212 können sich solche Belastungen insbesondere daraus ergeben, dass der Gläubiger die geschäftliche Unerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Bürgen ausnutzt oder auf andere Weise ihn in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat der BGH seine Rechtsprechung anpassen müssen und nun betont, das Begehren der Eltern an ihre erwachsen gewordenen, noch geschäftsunerfahrenen Kinder, aus familiärer Hilfsbereitschaft eine Bürgschaft zu leisten, die ihre finanzielle Leistungsfähigkeit voraussichtlich auf Dauer weit übersteigt, sei in aller Regel rechtlich und sittlich zu missbilligen; könne die Bank erkennen, dass das Kind wirtschaftlich nicht leistungsfähig ist und nur aus familiärer Hilfsbereitschaft handelt, sei eine auf Verlangen des Kreditgebers erteilte Bürgschaft grundsätzlich sittenwidrig. Zu einer differenzierenderen Beurteilung ist der BGH214 im Hinblick auf Bürgschaften gelangt, die ein Ehegatte zugunsten des anderen übernommen hat. Der BGH 215 hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Ehemann zusammen mit Partnern einen Gewerbebetrieb unterhielt. Als der Betrieb erweitert werden sollte, verlangte die k reditgewährende Bank Bürgschaften der Ehefrauen. Die Klägerin als Ehefrau des Erstgenannten hat te kein Vermögen; sie betreute als Hausfrau drei kleine Kinder. Der Familienunterhalt wurde allein aus den Einkünften des Gewerbetriebes bestritten. Der BGH hat den Bürgschaftsvertrag nicht schon deshalb für nichtig i.S. des § 138 Abs. 1 angesehen, weil di e Ehefrau bei Vertragsschluss wirtschaftlich nicht in der Lage war, die übernommene Verbindlichkeit zu erfüllen, und dies auch für die Zukunft nur unter besonders günstigen Voraussetzungen erwartet werden konnte. Nach Ansicht des BGH 216 ist die Verpflichtung des Bürgen in aller Regel erst dann unwirksam, wenn er durch weitere, dem Gläubiger zurechenbare Umstände in seinen berechtigten Interessen erheblich beeinträchtigt wird und so ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern entsteht; solche Belastungen des Bürgen können sich nach Auffassung des BGH insbesondere daraus ergeben, dass der Gläubiger dessen geschäftliche Unerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage ausnutzt oder ihn auf andere Art und Weise in seiner Entscheidungsfreiheit wes entlich beeinträchtigt. Die Erwägungen, die der BGH zur Übernahme von Bürgschaften durch _________________________________________________ 210 Vgl. dazu H. HONSELL , NJW 1994, 565, 566 ; kritisch auch Zöllner, AcP 196 [1996], 1, 36. 211 BGHZ 125, 206 ff . 212 BGHZ 125, 206, 210 . 213 So BGHZ 128, 230, 233. 214 Vgl. u.a. BGHZ 128, 230 ff . und BGH ZIP 1996, 495 ff. 215 BGHZ 128, 230 ff . 216 BGHZ 128, 230, 232 .

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Kinder angestellt hat, will er nicht ohne weiteres auf die Bürgschaften von Ehegatten, die kein eigenes Einkommen oder Vermögen besitzen, übertragen. Der BGH217 betont, die eheliche Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1) umfasse die persönlichen ebenso wie die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Eheleute zueinander und sei vom Ge-setz als eine Partnerschaft gleichen Rechts und gleicher Pflichten ausgestaltet. Der Gläubiger d er Bürgschaft dürfe im Regelfall annehmen, dass Eheleute Angelegenheiten, die den Geschäftsbetrieb betreffen, aus dem die Familie ihren Unterhalt bezieht, vertrauensvoll miteinander erörtern, in allen anstehenden Fragen keinen unzulässigen Druck aufeinande r ausüben und das Recht zur Entscheidung des Partners gegenseitig achten. Im konkreten Fall hat der BGH 218 die Bürgschaft nicht als unwirksam angesehen, weil die Bank ohne besondere Anhaltspunkte keine Veranlassung hatte anzunehmen, ein Ehegatte, der eine Bü rgschaft erteilt, die über seine voraussichtliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weit hinausgeht, sei zu dieser Entscheidung durch ein sittlich oder rechtlich zu missbilligendes Vorgehen des Partners veranlasst worden; die Ehe als eine alle Lebensberei che betreffende personale Beziehung umfasse ihrer Bestimmung nach auch eine Wirtschafts – und Risikogemeinschaft der Partner. Von daher, meint der BGH, sei es im Ansatz nicht zu beanstanden, wenn auch die Ehefrau, die weder eige-nes Einkommen noch Vermögen besitze, in die Haftung für Verbindlichkeiten aus In-vestitionen, die dem Familieneinkommen zugutekommen sollen, miteinbezogen werde; etwas anderes könne für solche Verbindlichkeiten gelten, die von Anfang an besonders risikoreich waren oder im Wesentlichen nur aus persönlichen Interessen des Hauptschuldners begründet wurden.

6. Haftung aus culpa in contrahendo bei schuldhafter Herbeifüh-rung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäftes? Wie schon erwähnt 219, hat die Rechtsprechung für bestimmte Sachverhaltsgestalt ungen die Ansicht vertreten, dass bei einem unwirksamen Vertrag diejenige Partei w egen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) schadensersatzpflichtig gemäß §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 sein kann, die den Grund der Unwirksamkeit zu vertreten hat .220 Eine Haftung aus culpa in contrahendo kann nach zutreffender Auffassung auch dann entstehen, wenn jemand einen ihn einseitig be-günstigenden und deshalb gemäß § 138 Abs. 1 sittenwidrigen Vertrag verwendet und dem anderen Teil dadurch ein Schaden entsteht, dass er im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertrages Aufwendungen macht. Der Haftungsgrund wird hier in der Verletzung der vorvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber dem anderen Vertragsteil gesehen, indem Vertrauen auf das Bestehen eines Vertragsverhältnisses erweckt wird. Voraussetzung für das Entstehen der Haftung für vorvertragliches Verhalten ist jedenfalls Verschulden, nicht aber ein auf sittenwidrige Schadenszufügung gerichteter Vorsatz. 221 Zu erörtern bleibt jedoch, ob der in § 122 Abs. 2 verankerte Rechtsgedanke entsprechend anwendbar ist. _________________________________________________ 217 BGHZ 128, 230, 233 . 218 BGHZ 128, 230, 233 f . 219 Vgl. KE 3 § 6 III . 220 Vgl. RGZ 104, 265, 268; BGHZ 6, 330, 333; 99, 101 ff . 221 So BGHZ 99, 101, 107 ; vgl. auch OLG Hamm, WM 1988, 1442, 1445.

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften IV. Die Nichtigkeit von Vertragsteilen nach den §§ 307 ff. Besondere Regeln über die Nichtigkeit finden sich zudem in den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff.). § 307 enthält eine Generalklausel, die alle Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für unwirksam erklärt, die den Vertragspartnern des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. In § 308 sind Klauseln zus ammengefasst, die unbestimmte Rechtsbegriffe, wie z.B. "unangemessen", "sachlich gerechtfertigt", "unverhältnismäßig hoch" enthalten, die einen Wertungsspielraum gewähren. Bei der Überprüfung der Einzelklauseln ist stets zu berücksichtigen, ob die Gefahr e ines gestörten Interessenausgleichs besonders nahe liegt und deshalb eine Angemessenheitsprüfung erfolgreich ist. § 309 enthält eine Reihe unzulässiger Klauseln ohne Wertungsspielraum . Das bedeutet: Die in § 309 genannten Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn die in den einzelnen Nummern des § 309 aufgeführten Tatbestände erfüllt sind. Es bedarf keiner Feststellung der Unangemessenheit oder sonstiger Abwägungen im Einzelfall. In § 309 hat der Gesetzgeber die " gefährlichsten " AGB–Klauseln zusammengefasst und ohne Einschränkung für nichtig erklärt. Daraus ergibt sich auch die Prüfungsreihenfolge „von hinten nach vorne“ im Rahmen der Inhaltskontrolle von AGB. Die in § 309 aufgeführten Klauseln können nur dadurch wirksam werden, dass sie einzeln ausgehandelt werden. Ihre Vereinbarung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist nicht möglich. Beispiel zu § 309 Nr. 1: B kauft bei S eine Waschmaschine. Als Lieferzeit werden drei Monate vereinbart. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, di e Vertragsinhalt geworden sind, heißt es: "Im Falle von Kostensteigerungen kann der Verkäufer eine entsprechende Erhöhung des Preises verlangen". Bei der Lieferung verlangt S unter Berufung auf die Ergebnisse der letzten Tarifrunde einen Aufpreis von 7 %. Die AGB –Klausel, die S einen Anspruch auf Preiserhöhung einräumt, ist gemäß § 309 Nr. 1 nichtig. S muss deshalb zum ursprünglich vereinbarten Preis liefern. § 306 Abs. 1 enthält eine wichtige Sondervorschrift über die Rechtsfolgen der Nichteinbeziehung ode r Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Anders als gem. § 222, der im Falle der Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts im Zweifel die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts zur Folge hat, bleibt der Vertrag nach § Abs. 1 ungeachtet der Nichtigkeit einzelner Klauseln grundsätzlich im Übrigen wirksam. Hierdurch wird der Vertragspartner des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschützt. Denn dem Vertragspartner sollen nicht durch die AGB-Widrigkeit einzelner Klauseln seine vertr aglichen Ansprüche insgesamt entzogen werden .223

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften Wichtige Entscheidungen: BGHZ 118, 142, 144 f. BGHZ 70, 313, 324 f . BGHZ 128, 255, 257 f. BGHZ 94, 268, 272 f . BGH NJW 2 016, 2739 f. BGH WM 2024, 1218 f . BVerfGE 7, BVerfGE 89, 214 ff .

Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Lösung zu Aufgabe 1: A. H könnte von M gemäß § 433 Abs. 2 BGB die Zahlung von € 1.300,–– verlangen, wenn zwischen ihnen ein wirksamer Kaufvertrag über das Smartphone zustande gekommen ist. I. Beide haben sich am 2. September 2023 schriftlich darüber geeinigt, dass H dem M ein Smartphone zum Preise von € 1.300,–– verkauft. II. Gegen die Wirksamkeit dieser Einigung könnte aber sprechen, dass der 17jährige M zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses minderjährig (§ 2 BGB) und daher nur beschränkt geschäftsfähig gewesen ist (§ 106 BGB). Da M den Kaufvertrag ohne Einwilligung seiner Eltern , also seiner gesetzlichen Vertreter (§ 1629 BGB), mit H abgeschlossen hat, könnte seine auf den Kaufvertragsabschluss gerichtete Willenserklärung gemäß §§ 107, 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam sein, wenn M nicht durch sie lediglich einen rechtlichen Vorteil nach § 107 BGB erlangt hat. Für das Vorliegen eines rechtlichen Vorteil s kommt es allein auf die rechtlichen Folgen des Rechtsgeschäfts an. Eine wirtschaftliche Betrachtung findet hingegen nicht statt. M hat mit dem Abschluss des Kaufvertrages nicht nur gemäß § 433 Abs. 1 BGB einen (für ihn rechtlich vorteilhaften ) Anspruch auf Übereignung des Smartphone s erworben, sondern sich auch gleichzeitig gemäß § 433 Abs. 2 BGB zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet. Diese Zahlungsverpflichtung is t für M ein rechtli cher Nachteil. Somit ist der Kaufvertrag über das Smartphone für M nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. III. Die auf den Kaufvertragsabschluss gerichtete Willenserklärung war daher mangels Einwilligung der Eltern des M gemäß §§ 107, 108 Abs. 1 BGB zunächst schwebend unwirksam. IV. Möglicherweise könnte sie jedoch mit der Volljährigkeit und uneingeschränkten Geschäftsfähigkeit des M ab dem 12. September 20 23 wirksam geworden sein. Der Eintritt der Volljährigkeit bedeutet aber nicht, dass eine schwebend unwirksame Willenserklärung automatisch wirksam wird. Vielmehr ist gemäß § 108 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BGB erforderlich, dass der zwischenzeitlich unbeschränkt geschäftsfähig gewordene M das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft genehmigt hat. M hat dem H am 13. September 2023 schriftlich mitgeteilt, dass er von dem Kaufvertrag Abstand nehme, und dadurch gegenüber H zum Ausdruck gebracht, dass er den Vertrag nicht genehmigen werde. Gemäß § 108 Abs. 3 BGB tritt das Erteilen oder Ablehnen einer Genehmigung durch M nach Eintritt seiner Volljährigkeit an die Stelle der Genehmigung seiner gesetzlichen Vertreter. Nach Eintritt der Volljährigkeit des M ist also allein dessen Genehmigung entscheidend für die Wirksamkeit des noch schwebend unwirk-samen Kaufvertrags. Dass M's Eltern als seine gesetzlichen Vertreter den Kaufvertrag mit Schreiben vom 20. September 20 23 genehmigt haben, macht daher den Vertrag nicht wirksam. Somit ist die Willenserklärung des M und damit der mit H abgeschlossene Kaufvertrag endgültig unwirksam geworden. B. H kann also nicht gemäß § 433 Abs. 2 von M die Zahlung der € 1.300,–– verlangen.

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Lösung zu Aufgabe 2: A. Wer ist Eigentümer des Ringes? Ursprünglich ist J Eigentümer des Rings gewesen. I. Er könnte sein Eigentum durch Übereignung des Rings gemäß § 929 S. 1 BGB an M verloren haben, wenn J ihm den Ring übergeben hat und sich beide hinsichtlich des Ringes über den Eigentumsübergang auf M geeinigt haben. 1. Die Einigung nach § 929 S. 1. BGB ist ein dinglicher Vertrag, bestehend aus zwei mit Bezug aufeinander abgegebenen Willenserklärungen (Angebot und Annahme nach §§ 145ff. BGB). a) Hier sind J und M sind sich darüber einig gewesen, dass M das Eigentum an dem Ring erhalten sollte. Eine Einigung liegt vor. b) Bedenken gegen die Wirks amkeit der Einigung ergeben sich aber daraus, dass M minderjährig und damit gemäß §§ 2, 106 BGB nur beschränkt geschäftsfähig ist. Der beschränkt Geschäftsfähige kann nach § 107 BGB wirksame Willenserklärungen allein abgeben, wenn sie ihm lediglich einen r echtlichen Vorteil bringen. Demnach müsste die auf die Übereignung gerichtete Willenserklärung des M für ihn gemäß § 107 BGB lediglich rechtlich vorteilhaft gewesen sein. Bei der Beurteilung des rechtlichen Vorteils ist auf die rechtlichen und nicht auf di e wirtschaftlichen Folgen des konkreten Geschäftes abzustellen. Einen lediglich rechtlichen Vorteil erlangt ein Minderjähriger durch solche Rechtsgeschäfte, die seine Rechtsstellung nur verbessern. Dagegen stellt es einen rechtlichen Nachteil dar, wenn mit dem Abschluss des Rechtsgeschäfts irgendwelche Verpflichtungen für ihn begründet werden. Aufgrund einer Übereignung gemäß § 929 S. 1 BGB würde M das Eigentum an dem Ring erwerben, ohne dass dadurch irgendwelche Verpflichtungen für ihn entstehen. (Aufgrund des Trennungs - und Abstraktionsprinzips sind eventuell vereinbarte Gegenleistungen aus dem Verpflichtungsgeschäft unbeachtlich!) Somit hat M mit seiner auf die Übereignung gerichteten Willenserklärung lediglich einen rechtlichen Vorteil gemäß § 107 BGB er langt, so dass die Einwilligung seiner Eltern als seine gesetzlichen Vertreter (§ 1629 BGB) nicht erforderlich gewesen ist. c) M und J haben sich also wirksam über den Eigentumsübergang geeinigt. 2. Es müsste eine Übergabe vorliegen. Eine Übergabe nach § 9 29 S.1 BGB setzt voraus, dass der Veräußerer jeglichen Besitz aufgibt und der Erwerber zumindest mittelbaren Besitz erlangt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Übergabe des Rings an M gemäß § 929 S. 1 BGB ist also erfolgt 3. Die Einigung bestand auch bei Übergabe noch fort. Demnach hat M Eigentum am Ring des J gemäß § 929 S. 1 BGB erlangt.

II. M könnte aber das Eigentum an dem Ring verloren haben, indem er es seinerseits gemäß § 929 S. 1 auf die F übertragen hat. 1. Die Übergabe des Rings an die F hat stattgefunden , und beide haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt (§ 929 S. 1 BGB). 2. Auch hier könnte der Wirksamkeit der Einigung aber die beschränkte Geschäftsfähigkeit von M (§§ 2, 106 BGB) entgegenstehen . Mangels Einwilligung seiner Elter n

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben als gesetzliche Vertreter (§ 1629 BGB) könnte seine gegenüber der F abgegebene Willenserklärung schwebend unwirksam gewesen sein (§§ 107, 108 Abs. 1 BGB), wenn nicht M hierdurch lediglich einen rechtlichen Vorteil gemäß § 107 BGB erlangt hat. Die Übereig nung des Rings an die F hat für M den Verlust seines Eigentums an dem Ring, also einen rechtlichen Nachteil zur Folge. Somit hat M durch seine Willenserklärung nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil gemäß § 107 BGB erhalten. Sie ist mithin schwebend unw irksam (§§ 107, 108 Abs. 1 BGB). In der von den Eltern geäußerten Missbilligung der Zuwendung des Rings von M an die F ist eine Verweigerung der notwendigen Genehmigung der Übereignung zu sehen. Daher ist die zunächst schwebend unwirksame Willenserklärung des M hinsichtlich der Übereignung des Ringes an F mangels Genehmigung der Eltern endgültig unwirksam. 3. Mangels wirksamer Einigung zwischen M und F hinsichtlich des Eigentumsüberganges ist das Eigentum an dem Ring nicht gemäß § 929 S. 1 BGB von M auf di e F übergegangen. III. M ist also weiterhin Eigentümer des Ringes.

B. Welche Ansprüche hat J gegen M? I. J könnte von M gemäß § 433 Abs. 2 BGB die Zahlung der restlichen € 50,–– verlangen, wenn zwischen ihnen ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist. 1. Beide haben vereinbart, dass J dem M den Ring für € 150,–– verkauft. 2. Gegen die Wirksamkeit dieser Einigung könnte sprechen, dass M als Minderjähriger gemäß § § 2, 106 BGB beschränkt geschäftsfähig ist. Die auf den Kaufvertragsabschluss gerichtete Willenserklärung seitens des M könnte mangels Einwilligung seiner Eltern als seine gesetzlichen Vertreter schwebend unwirksam sein (§§ 107, 108 A bs. BGB), falls nicht M durch sie lediglich einen rechtlichen Vorteil gemäß § 107 BGB erlangt hat. a) Mit Abschluss des Kaufvertrages kann M nicht nur die Übertragung des Eigentums an dem Ring von J gemäß § 433 Abs. 1 verlangen. Gleichzeitig hat er sich zur Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 verpflichtet. Aufgrund dieser Zahlungsverpflichtung ist der mit J abgeschlossene Kaufvertrag für M nicht lediglich rechtlich vorteil haft gemäß § 107 BGB. Demnach könnte seine auf den Kaufvertragsabschluss geri chtete Willenserklärung mangels Einwilligung seiner Eltern schwebend unwirksam sein. b) Allerdings wäre der Kaufvertrag auch ohne ihre Zustimmung nach § 110 BGB wirksam, wenn M die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt hat, die ihm zu diesem Zweck od er zu freier Verfügung von seinen Eltern überlassen worden sind.

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Gegen das Eingreifen von § 110 spricht aber, dass M die ihm obliegende kaufvertragliche Zahlungsverpflichtung in Höhe von € 50,–– noch nicht gemäß § 362 erfüllt und damit nicht gem. § 110 BG B bewirkt hat. Eine Teilwirksamkeit des Kaufvertrags in Höhe der bereits gezahlten 100 € scheidet wegen der Unteilbarkeit des Ringes aus, sodass § 110 BGB auch nicht teilweise bejaht werden kann. c) Somit ist die auf den Kaufvertragsabschluss gerichtete W illenserklärung des M mangels Einwilligung seiner Eltern schwebend unwirksam (§§ 107, 108 Abs. 1 BGB). Als die Eltern Kenntnis von dem Rechtsgeschäft erlangen, missbilligen sie ihre Zustimmung. Damit ist der Vertrag endgültig unwirksam, vgl. § 108 BGB. 3. Zwischen J und M ist also noch kein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB zustande gekommen. Demnach kann J nicht gemäß § 433 Abs. 2 BGB von M die Zahlung der restlichen € 50,–– verlangen.

II. J könnte jedoch gegen M einen Anspruch auf Rückübereignung und Rückgabe des Rings aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB haben. Dazu müsste M durch Leistung des J etwas ohne rechtlichen Grund erlangt haben. 1. Erlangtes etwas i. S. der Vorschrift meint jeden vermögenswerten Vorteil. Hier hat M Eigentum und Besitz am Ring erlangt (s.o.). M hat also etwas erlangt. 2. Dies müsste durch Leistung des J geschehen sein. Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. J übereignete dem M den Ring zur Erfüllung seiner vermeintlichen Verpflichtung aus dem Kaufvertrag, sie erfolgte also durch Leistung. 3. Der Kaufvertrag ist jedoch mangels Zustimmung der Eltern unwirksam (s.o.). Die Leistung e rfolgte mithin ohne Rechtsgrund. 4. J hat daher einen Anspruch auf Rückübereignung und Rückgabe des Rings gegen M aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB.

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Lösung zu Aufgabe 3: A. L kann von B gemäß § 433 Abs. 2 BGB die Bezahlung der Lebensmittel verlangen, wenn zwischen ihnen ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist. I. Beide haben sich über das Zustandekommen eines Kaufvertrags gem. §§ 145 ff. geeinigt. II. Der Vertrag könnte jedoch wegen Verstoßes gegen § 3 des Gesetzes über den Ladenschluss nach § 134 BGB nichtig sein. 1. Dann müsste diese gesetzliche Vorschrift ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB sein. Um ein solches Verbotsgesetz handelt es sich, wenn ein Rechtsgeschäft wegen seines Inhalts unterbunden werden soll . § 3 LadenschlussG normiert, dass zu den genannten Zeiten Verkaufsstellen geschlossen sein sollen , Rechtsgeschäfte folglich zu diesen Zeiten nicht abgewickelt werden sollen, und ist daher als Verbotsgesetz z u qualifizieren. Indem L dem B verschiedene Lebensmittel außerhalb der Ladenöffnungsz eiten verkaufte, verstieß er gegen § 3 LadenschlussG. Ob aus diesem Verstoß auch die Nich-tigkeit des Rechtsgeschäfts gem. § 134 folgt , bedarf hingegen genauerer Untersuchung. Es ist allgemein anerkannt, dass ein Rechtsgeschäft grundsätzlich dann nicht wegen Gesetzesverstoßes nichtig ist, wenn sich das Verbot lediglich gegen einen der beiden Geschäftspartner richtet . 224 Da sich das in § 3 des Gesetzes über den Ladenschluss normierte Verbot nur gegen den Verkäufer richtet, könnte der Kaufvertrag zwischen L und B gleichwohl wirksam sein. 2. Fraglich ist jedoch, ob nicht ausnahmsweise die Nichtigkeit des verbotenen Rechtsgeschäfts dann bejaht werden muss, weil es mit dem Zweck des Gesetzes über den Ladenschluss unvereinbar wäre, die durch den Kaufvertrag getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen. § 3 des Gesetzes über den Ladenschluss ist eine gewerbepolizeiliche Ordnungsvorschrift. Sie will nicht den Eintritt der Rechtsfolgen verhindern, auf welche ein Kaufvertrag gerichtet ist, der außerha lb der vorgeschriebenen Ladenöffnungszeiten vereinbart und abgewickelt wird. Es wird vielmehr die Vertragsdurchführung an diesem Ort und zu dieser Zeit missbilligt, ohne dass dem unter diesen Umständen begründeten Privatrechtsverhältnis wegen seines Inhalt s die Wirksamkeit versagt werden soll. 3. Somit stellt § 3 des Gesetzes über den Ladenschluss zwar ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB dar, allerdings folgt aus einem Verstoß dagegen aus den o. g. Gründen nicht die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. III. Mit der Folge, dass der Kaufvertrag gem. § 433 BGB zwischen L und B wirksam zustande gekommen ist. B. L kann also von B die Bezahlung der Lebensmittel gemäß § 433 Abs. 2 verlangen. _________________________________________________ 224 Z.B. GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 134 BGB Rn. 9.

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Rechts­ wissenschaftliche FakultätStudium Rechtswissenschaft Prof. Dr. Sebastian Kubis Prof. Dr. Ulrich Eisenhardt Unter Mitarbeit von Abdussamed Nazik und Pia Höhne Kurs 55101 Das Rechtsgeschäft und die Instrumente des Privatrechts Kurseinheit

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Der Inhalt dieses Studienbriefs wird gedruckt auf Recyclingpapier (80 g/m2, weiß), hergestellt aus 100 % Altpapier.

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ................................................................................................. § 14 Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen ........................................... I. Überblick .............................................................................................. II. Die Anfechtung wegen Irrtums: die unbewusste Nichtübereinstimmung von Wille und Erklärung ........................................................................ 1. Einleitung .......................................................................................... 2. Die Anfechtung wegen Inhalts -, Erklärungs - und Übermittlungsirrtums (§§ 119 Abs.1, 120) ........................................................................... a) Überblick ....................................................................................... b) Der Erklärungsirrtum ...................................................................... c) Der Übermittlungsirrtum .............................................................. d) Der Inhaltsirrtum .......................................................................... (a) Überblick .......................................................................... (b) Der Identitätsirrtum ........................................................... (c) Der Rechtsfolgenirrtum ..................................................... (d) Der Kalkulationsirrtum ...................................................... (e) Weitere Voraussetzungen ................................................. 3. Die Anfechtung wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person oder Sache ............................................ a) Überblick ..................................................................................... b) Der Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person .. c) Der Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache ... III. Die Anfechtung wegen Willensbeeinflussung durch arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung.............................................................. 1. Überblick ......................................................................................... 2. Die Anfechtung wegen arglistiger Täusc hung .................................. a) Überblick ..................................................................................... b) Die Täuschung ............................................................................. c) Die Kausalität ............................................................................... d) Widerrechtlichkeit ........................................................................ e) Die Arglist .................................................................................... f) Die Täuschung durch Dritte (§ 123 Abs. 2) ...................................

Inhaltsverzeichnis 3. Die Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung ........................... a) Die Drohung ............................................................................... b) Die Widerrechtlichkeit ................................................................. c) Die subjektiven Voraussetzungen ................................................ IV. Die weiteren Vo raussetzungen für den Eintritt der Anfechtungsfolgen V. Rechtsfolgen der Anfechtung ............................................................. 1. Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts ............................... 2. Die Schadensersatzpflicht des Anfechtenden gemäß § 122 ............. 3. Konkurrenzen ................................................................................. VI. Die Teilanfechtung ............................................................................. VII. Der gemeinsame Motivirrtum – die Störung der Geschäftsgrundlage § 313 BGB ......................................................................................... 1. Überblick ........................................................................................ 2. Die Geschäftsgrundlage .................................................................. 3. Die Rechtsfolgen ............................................................................. a) Die Anpassung des Vertrages ...................................................... b) Die Auflösung des Ve rtrages ....................................................... c) Die Herbeiführung der Rechtsfolgen ............................................ 4. Das Beispiel Äquivalenzstörungen ................................................... 5. Verhältnis zu §§ 119 ff. und §§ 434 ff. ........................................... a) Anfechtung ................................................................................. b) Sachmängelgewährleistung ......................................................... § 15 Teilnichtigkeit und Umdeutung von Rechtsgeschäften ........................ I. Die Teilnichtigkeit .............................................................................. 1. Überblick ........................................................................................ 2. Die Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts ................................................. 3. Parteiwille und Auslegung ............................................................... 4. Die Möglichkeit, mehre re Rechtsgeschäfte aufgrund des Parteiwillens zu einer Einheit zusammenzufassen ................................................ 5. Die Zusammenfassung von Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäft zu einer Einheit kraft Parteiwillens ................................................... 6. Das Problem der Fehleridentität ...................................................... 7. Die Sonderregelung in § 306 für Allgemeine Geschäftsbedingungen45

Inhaltsverzeichnis II. Die Umdeutung (§ 140) ...................................................................... 1. Überblick ......................................................................................... 2. Die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ................................................. 3. Die weiteren Voraussetzungen ......................................................... III. Die Bestätigung (§ 141) ......................................................................

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen § 14 Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Schrifttum: ARNOLD , Die arglistige Täuschung im BGB. JuS 2013, 865 ; HEINBUCH , Kunsthandel und Kundenschutz, NJW 1984, 15 ff.; I KING, Die Rückgewährpflicht des Anfechtenden – Zum Inhalt des Schadense rsatzanspruchs aus § 122 Abs. 1 BGB, ZJS 2024, 1; JOHN, Auslegung, Anfechtung, Verschulden beim Vertragsschluss und Geschäftsgru ndlage beim sog. Kalkulationsirrtum, JuS 1983, 176 ff.; K ÖHLER , Grundprobleme der Lehre von der Geschäftsgrundlage, JA 1979, 498 ff.; L EßMANN , Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB, JuS 1969, 478 ff.; L INDACHER , Rechte des vorleistungspflichtigen Verkäufers bei anfänglicher Kreditunwürdigkeit des Käufers, MDR 1977, 797 ff.; J. PRÜTTING /FISCHER , Vertragsnahe gesetzliche Schuldverhältnisse: § 122 BGB, JURA 2016, 511; REGENFUß , Das anfechtbare Rechtsgeschäft: Voraussetzungen, Schwebephase und Wirkungen der Anfechtung, JURA 05/2024, 469 ff. ; 07/2024, 695 ff ; RENNIG , Ausgewählte Sonderprobleme der Anfechtung von Willenserklärungen" JURA 2021, 619 ff .; WAAS, Der Kalkulationsirrtu m zwischen Anfechtung und unzulässiger Rechtsausübung – BGHZ 139, 177, JuS 2001, 14 ff.; W IELING , Entwicklung und Dogmatik der Lehre von der Geschäftsgrundlage, Jura 1985, 505 ff.; WIESER, Der Kalkulationsirrtum, NJW 1972, 708 ff.

I. Überblick Auch wenn ein Rechtsgeschäft wirksam zustande gekommen ist, besteht im Einzelfall die Möglichkeit, – es durch Vertrag wieder aufzuheben oder – seine Nichtigkeit herbeizuführen. Eine Möglichkeit, ein wirksam zustande gekommenes Rechtsgeschäft nachträglich einseitig zu vernichten, gewährt die Anfechtung. Unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen kann derjenige, der eine Willenserklärung abgegeben hat, diese Erklärung mit der Folge anfechten, dass das gesamte Rechtsgeschäft – rückwirkend (lat.: ex tunc) – vernichtet wi rd (§ 142). Dass das Rechtsgesch äft "a ls von Anfang an nichtig anzusehen " ist, wie es in § 142 heißt, bedeutet: Die Anfechtung beseitigt das angefochtene Rechtsgeschäft rückwirkend; es wird so behandelt, als sei es von Anfang an nicht wirksam gewesen. Lediglich Dauerschuldverhältnisse wie Miet-, Dienst - oder Arbeitsverträge werden ex nunc , also ab dem Zeitpunkt der Anfechtung, nichtig, um so etwaige Rückabwicklungsschwierigkeiten zu vermeiden.

Die Anfechtung ist ein Gestaltungsrecht, durch dessen Ausübung unmittelbar auf ein bestehendes Recht eingewirkt wird. Bei der Anfechtung geschieht dies regelmäßig, indem ein bestehendes Rechtsverhältnis beendet wird. Willenserklärung (Grundfall) Willenserklärung (Dauerschuldverhältnis) Anfechtung ex nunc Anfechtung ex tunc

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Nicht schon die im Gesetz eingeräumte Anfechtungsmöglichkeit als solche bewirkt die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts; vielmehr muss derjenige, der einen Anfechtungsgrund hat, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung anfechten. Erst durch diese Erklärung wird die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts herbeigeführt. Der Anfechtungsberechtigte kann also frei wählen, ob er das anfechtbare Rechtsgeschäft bestehen lassen oder ob er es durch seine Erklärung vernichten will. Die Anfechtungserklärung ist selbst eine Willenserklärung, nämlich eine Erklärung, in der der Wille kundgemacht wird, eine Rechtsfolge – hier die rückwirkende Vernichtung der anfechtbaren Erklärung – herbeizuführen. Sie ist empfangsbedürftig, d.h. sie wird erst wirksam, wenn sie dem nicht anwesenden Anfechtungsgegner – in de r Regel ist das die andere an einem Rechtsgeschäft beteiligte Person – zugeht (vgl. § 130). Aufgrund der Natur der Anfechtung als Gestaltungsrecht ist die Anfechtungserklärung unwiderruflich und bedingungsfeindlich. Zu beachten ist jedoch, dass die Anfechtung oftmals hilfsweise erklärt wird, sofern beispielsweise der Haupteinwand des Anfechtenden (z.B. die Nacherfüllung) keinen Erfolg hat. Handelt es sich also um eine sogenannte Rechtsbedingung, auf die der Anfechtende keinen Einfluss hat, ist diese bedingte Anfechtung zulässig. II. Die Anfechtung wegen Irrtums : die unbewusste Nichtübereinstimmung von Wille und Erklärung 1. Einleitung Nach dem Prinzip der Privatautonomie soll der Wille des einzelnen der entscheidende Grund für seine Bindung durch Rechtsgeschäfte sein. Beruht der Wille einer Person auf einem Irrtum, so muss die Rechtsordnung entscheiden, ob sie diesem Irrtum rechtliche Bedeutung verschafft .

Bei der Anfechtung besteht diese Bedeutung darin, dass de r Irrende die Möglichkeit hat, seine durch Willenserklärungen eingegangenen rechtlichen Verpflichtungen zu vernichten. Das Gesetz hat hierbei einen schwierige n Interessenkonflikt zu lösen:

Würde die Rechtsordnung jeden Irrtum für beachtlich erklären, wäre eine bedenkliche Rechtsunsicherheit die Folge, we il nahezu jede Willenserklärung auf Erwartungen beruht, die si ch nicht voll erfüllen. Jeder könnte sich dann von Rechtsgeschäften, die seine Erwartungen enttäuschen, durch Anfechtung lösen und das Risiko der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts auf seinen Vertragspartner abwälzen. Dadurch wäre das Prinzip der Verbindlichkeit geschlossener Verträge ("pacta sunt servanda") aufgehoben. Das könnte das arbeitsteilige Wirtschaftssystem gefährden, das auf vertraglichen, verlässlichen Leistungsaustausch angewiesen ist. _________________________________________________ 1 Für einen Gesamtüberblick: R EGENFUß , Das anfechtbare Rechtsgeschäft: Voraussetzungen, Schwebephase und Wirkungen der Anfechtung, JURA 05/2024, 4 69 ff. ; 07/2024, 695 ff . Def.: Irrtum ist das unbewusste Auseinanderfallen von (subjektivem) Willen und (objektive r) Erklärung Realität: Unsicherheit, enttäuschte Erwartungen und Irrtümer Bindung an Rechtsgeschäfte, die auf den wirklichen, irrtumsfreien Willen beruhen

Die Anfechtbarkeit von Will enserklärungen Beispiel: Einzelhändler E bestellt bei Fabrikant in F 10.000 schwarz –rot– goldene Gipseier in der Erwartung, diese mit Gewinn weiterverkaufen zu können. Kurz nach der Lieferung der Eier durch F stellt E fest, dass er sich geirrt hat. Die Eier sind unverkäuflich. E möchte seine zum Vertrag führende Willenserklärung an-fechten. Würde die Rechtsordnung in diesem Fall eine Anfechtung zulassen, dann wäre es den vertragsschließenden Parteien nicht mehr möglich, sich auf die Verbindlichkeit eines einmal abgeschlossenen Vertrages zu verlassen. Der auf bin-dende Verträge angewiesene Leistungsaustausch der privaten Personen und da-mit eine effiziente Arbeitsteilung wäre n nahezu unmöglich. Eine Anfechtung der zum Vertrag führenden Willenserklärung durch E muss daher ausgeschlossen sein. Das BGB hat das Problem so gelöst, dass es nur die in den §§ 119, 120 und Abs. 1 definierten Irrtümer als Anfechtungsgründe zulässt . Außerdem verpflichtet das Gesetz denjenigen, der sich zu einer Anfechtung nach den §§ 119 und 120 entschließt, zur Schadensersatzleistung gegenüber demjenigen verpflichtet, der auf die Irrtumsfreiheit und die Gültigkeit der angefochtenen Willenserklärung ohne Verschulden vertraute (§ 122 Abs. 1). Nur derjenige, der aufgrund einer arglistigen Täuschung oder ei ner widerrechtlichen Drohung eine Willenserklärung abgegeben hat, kann, ohne mit einer Schadensersatzpflicht belastet zu werden, seine Willenserklärung vernichten. 2. Die Anfechtung wegen Inhalts -, Erklärungs - und Übermittlungsirrtums (§§ 119 Abs.1, 120) a) Überblick Derjenige, der sich bei der Abgabe einer Willenserklärung geirrt hat, hat unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, diese bereits abgegebene Willenserklärung wieder aus der Welt zu schaffen. Bei Abweichungen zwischen dem Erklärten und dem Wi llen soll der Erklärende nicht gegen seinen wirklichen Rechtsfolgewillen (Geschäftswillen) an die aus seiner Sicht "falsche" Erklärung gebunden sein und deshalb bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Möglichkeit haben, seine Willenserklärung anzufech ten. Ob Wille und Erklärung i.S. des § 119 voneinander abweichen und deshalb eine Anfechtungsmöglichkeit besteht, ist durch Auslegung zu ermitteln. Es gilt deshalb der Grund satz: Auslegung geht vor Anfechtung! § 119 Abs. 1 enthält zwei Irrtumstatbestände:

_________________________________________________ 2 BROX/WALKER , § 18 Rn. 1 .; RÜTHER S/STADLER , § 25 Rn. 12. Erklärungsirrtum §119 I Var. Versprechen oder Verschreiben§120 ÜbermittlungsirrtumInhaltsirrtum §119 I Var. 1 Irrtum über Bedeutung§119 II Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen a) den Tatbestand des Erklärungsirrtums ("eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte") und b) den Tatbestand des Inhaltsirrtums ("bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war"). Die Unterscheidung zwischen Erklärun gsirrtum und Inhaltsirrtum wird gelegentlich als misslungen kritisiert, weil sich eine Unterscheidung zwischen beiden Tatbeständen nicht eindeutig vornehmen lasse.3 Da die Rechtsfolgen für beide Tatbestände die gleichen sind, bedarf es der Unterscheidung z war nicht;4 gleichwohl ist sie bei der Prüfung konkreter Fälle hilfreich und in eine juristischem Gutachten vorzunehmen. Da § Abs. 1 nur eingreift, wenn einer seiner beiden Fälle gegeben ist, müssen Inhalts - und Erklärungsirrtum jedenfalls von anderen Irrtumstatbeständen abgegrenzt werden. b) Der Erklärungsirrtum Der Erklärende will eine Willenserklärung abgeben, er gibt sie aber in einer Art und Weise ab, in der er sie nicht abgeben wollte. Der äußere Tatbestand der Willenserklä-rung weicht von dem ab, was der Erklärende von sich geben wollte. Ein Erklärungsirrtum liegt in der Regel vor, wenn sich jemand verspricht oder verschreibt . Neben dem Irrtum im Erklärungsakt ist weitere Voraussetzung für das Entstehen des Anfechtungsrechts, dass davon auszugehen ist , dass der Erklärende die Willenserklärung bei Kenntnis der Sachlage und ihrer verständigen Würdigung nicht abgegeben haben würde (§ 119 Abs. 1 Alt. 2 ). Bei einem fünfmaligen Verklicken auf einer Internetseite ist wohl nicht mehr von einem Erklärungsirrtum auszugehen. Beispiel: Der Winzerin B macht dem Weinhändler Z schriftlich ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages. Sie will die Flasche zu € 11,-- anbieten, verschreibt sich aber und schreibt € 10,--. Z nimmt das Angebot an. Kann B ihr Angebot anfechten? B hat hier ein Interesse daran, ihre Willenserklärung (das Angebot zum Abschluss eines Vertrages) mit einer Anfechtung z u vernichten. Denn wenn das Angebot rückwirkend vernichtet wird, ist kein Kaufvertrag zustande gekommen, weil dann nur eine Annahmeerklärung, nicht aber ein Angebot vorhanden ist. Hier hat B dem Z ein wirksames Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages gem acht. Dass B sich verschrieben und sta tt € 11,-- € 10, –– geschrieben hat, ist auf die Wirksamkeit seines Angebots ohne Einfluss. Da Z das Angebot auch angenommen hat, ist ein Kaufvertrag zustande gekommen. Weil B sich aber verschrieben hat, er also "eine Erklärung dieses Inhaltes überhaupt nicht abgeben wollte" und diese Erklä-rung auch bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte, kann sie ihre Willenserklärung gemäß § 119 Abs. 1 Alt. anfechten. Anfechtungsgrund ist also ein Erklärungsirrtum. Wenn B die Anfech-tung auch fristgemäß (§ 121 Abs. 1) gegenüber Z erklärt, hat das zur Folge, dass ihr Angebot – und damit, wie oben bereits dargestellt, der gesamte Vertrag – gemäß § 142 Abs. 1 rückwirkend vernichtet wird. Mit der wirksamen Anfechtung kann B de mnach den mit Z bereits wirksam abgeschlossenen Kaufvertrag beseitigen. _________________________________________________ 3 RÜTHERS /STADLER , § 25 Rn. 23 . 4 MEDICUS , AT Rn. 746. 5 AG München, MMR 2024,

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen c) Der Übermittlungsirrtum Der Irrtum bei der Übermittlung (§ 120) ist ein Unterfall des Erklärungsirrtums. Auch hier wird etwas Anderes erklärt, als erklärt werden soll. Allerdings erklärt nicht der Erklärende selbst irrtümlich etwas Falsches, sondern die Person (Bote! ) oder Anstalt, derer sich der Erklärende zur Übermittlung bedient . Falls eine Erklärung falsch wiedergegeben wird, besteht wie beim Erklärungsirrtum eine Nichtübereinstimmung zwischen dem Willen des Erklärenden und dem Erklärungstatbestand, der dem Empfänger bekannt geworden ist. Beispiel: F beauftragt ihren Freund E für sie im nahegelegenen Sportgeschäft das Surfboard „Big wave pro“ zu einem Preis von 500 € zu kaufen. E hingegen ist so in Gedanken versunken, dass er im Geschäft das Riverboard „Eisfluss“ für 450 € kauft. Mangels eigenem Entscheidungsspielraum war E nur der Bote für die F. Dieser hat die vorgefertigte Willenserklärung der F falsch übermittelt, indem er hinsich tlich des Surfboards ein anderes Modell gekauft hat. Die Willenserklärung der F wurde durch den Boten (als menschlicher Repeater) falsch übermittelt und daher nach § 120 anfechtbar. d) Der Inhaltsirrtum (a) Überblick Ein Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1 Alt.1, "Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtume war ...") liegt vor, wenn der äußere Tatbestand der Erklärung zwar dem Willen des Erklärenden entspricht, die Willenserklärung aber in-haltlich eine andere Bedeutung hat, als der Erklärende ihr beimessen wollte.

Im Gegensatz zum Erklärungsirrtum ist beim Inhaltsirrtum der Erklärungsakt selbst vom Erklärenden gewollt; dieser wollte jedoch mit dem Erklärungsakt etwas anderes zum Ausdruck bringen, als er es in Wirkl ichkeit getan hat. Beispiel: Der aus Berlin stammende A bestellt in einer Kölner Gaststätte nach der ihm vorgelegten Karte einen "halven Hahn". A weiß nicht, dass in Köln unter einem "halven Hahn" eine mit Käse belegte Brötchenhälfte verstanden wird. A hatte ein halbes Hähnchen erwartet. Da er mit dem Inhalt, den seine Erklärung objektiv hat – wobei der "Kölner Empfängerhorizont" zugrundezulegen ist –, eine andere Vorstellung verbindet, kann A wegen Inhaltsirrtums gemäß § 119 Abs. Abs. 1 anfechten. (b) Der Identitätsirrtum Um einen Inh altsirrtum kann es sich auch handeln, wenn der Erklärende sich über die Identität seines Geschäftspartners geirrt hat (sogenannter Identitätsirrtum ). Die Grenze zum Irrtum über die Eigenschaft einer Person (§ 119 Abs. 2) ist wie folgt zu ziehen: Beim Eigen schaftsirrtum ist die Person zutreffend identifiziert; es werden ihr _________________________________________________ 6 STAUDINGER /SINGER, § 119 Rn. 38.

Objektiver Inhalt der Erklärung Vorstellung des Erklärenden von dem Inhalt (subjektiv)

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen jedoch irrtümlich Eigenschaften zugeschrieben, die sie nicht hat. Beim Identitätsirrtum ist hingegen schon die körperliche Identifizierung fehlgeschlagen.7 Ein Inhaltsirrtum in Gestalt eines Identitätsirrtums kann vorliegen, wenn der Erklärende meint, eine andere Person bezeichnet zu haben, als er in Wirklichkeit in seiner Erklärung genannt hat (error in persona).8 Beispiel: V in Köln ist in Geldnot und möchte, ohne großes Aufsehen zu erre gen, ein wertvolles Gemälde zum Preise von € 12.500,-- veräußern. Ein Bekannter empfiehlt dem V, das Bild an den ihm bekannten Josef Schmitz – ein im Rheinland weit verbreiteter Name – zu verkaufen; dieser werde sic h in den nächsten Tagen bei ihm melden. T ags darauf erscheint ein Interessent, der sich als Josef Schmitz vorstellt und ebenfalls von der Verkaufsabsicht des V gehört hat. Es handelt sich aber nicht um die empfohlene Person. V meint allerdings, es sei der ihm von dem Bekannten empfohlene Josef Schmitz und schließt mit diesem einen Kaufvertrag ab. V wollte mit dem ihm empfohlenen Josef Schmitz einen Kaufvertrag abschlie-ßen. Da er über die Identität seines Geschäftspartners im Irrtum war (= die Vor-stellung, die V mit dem Inhalt seiner Erklärung verband, stimmt nicht mit dem Inhalt überein, den die Erklärung objektiv hat), kann er wegen Inhaltsirrtums (§ 119 Abs. 1) anfechten. Von einem Identitätsirrtum kann auch dann gesprochen werden, wenn sich die abgegebene Erklärung auf einen anderen Gegenstand b ezieht, als der Erklärende das wollte (error in objecto). (c) Der Rechtsfolgenirrtum Auch Rechtsirrtümer können Inhaltsirrtümer sein und zwar dann, wenn die aufgrund der Erklärung eingetretene Rechtsfolge zum Inhalt der Erklärung gehört, die Rechtsfolge also "kraft des auf sie gerichteten Willens der Erklärenden eingetreten ist" 10 und eine von der gewollten wesentlich verschiedene Rechtswirkung herbeigeführt wird. Nach Ansicht des Reichsgerichts 11 kann "auch ein Irrtum über den mit einer Willenserklärung zu er zielenden rechtlichen Erfolg ein Irrtum über den Inhalt sein. Die wesentliche Bedeutung einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung besteht gerade darin, dass durch sie die Begründung, Veränderung oder Aufhebung von Rechten, also ein rechtlicher Erfolg erstrebt wird. Bildet dieser Erfolg einen Bestandteil des erklärten rechtsgeschäftlichen Tatbestandes, so gehört er zum Inhalt der Erklärung". Beispiel: Bei der Bestellung einer Hypothek ist der Eigentümer der Meinung, das Grundstück sei schon mit einer erste n Hypothek belastet. Die von ihm abgegebenen Erklärungen beziehen sich deshalb auf die Bestellung einer zweiten Hypothek, die aber, weil das Grundstück bisher unbelastet war, an erster Stelle im Grund-buch eingetragen wird. Es handelt sich um einen Inhaltsi rrtum, der gemäß § Abs. 1 anfechtbar ist. _________________________________________________ 7 JAUERNIG /MANSEL , § 119 Rn. 9 . 8 Vgl. SOERGEL /HEFERMEHL, § 119 Rn. 23. 9 STADLER , BGB AT, Rn. 30 . 10 RÜTHERS /STADLER , § 25 Rn. 37; BROX/WALKER § 18 Rn. 18. 11 RGZ 89, 29, 33 . 12 Ebenda.

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Ein Inhaltsirrtum liegt hingegen nicht vor, wenn bei einem vorgenommenen Rechtsgeschäft außer den angestrebten noch weitere, weder erkannte noch gewollte Nebenfolgen als Rechtsfolgen eintreten;13 diese Rechtsfo lgen, auf die sich der Irrtum bezieht, sind nicht Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärung, sie treten vielmehr kraft Gesetzes ein. Beispiel: K erwirbt von V ein an M vermietetes Einfamilienhaus in der Absicht, dort selbst einzuziehen. Dabei erkennt er ni cht, dass er als Erwerber gemäß § Abs. 1 automatisch in den Mietvertrag zwischen V und M eintritt und deshalb nur nach vorheriger ordnungsgemäßer und fristgerechter Kündigung das Haus beziehen kann. Die Rechtsfolge des § 566 tritt kraft Gesetzes ein. S ie ist nicht Inhalt der beim Abschluss des Kaufvertrages von K abgegebenen Erklärung. Es liegt kein Inhaltsirrtum vor, der zur Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 berechtigen würde. (d) Der Kalkulationsirrtum Schwierigkeiten bereitet die Beantwortung der Frage, ob ein Kalkulationsirrtum ein Inhaltsirrtum i.S. des § 119 Abs. 1 ist oder als Solcher zu behandeln ist.

  • Die Lösung der Fälle des offenen Kalkulationsirrtums sind zunächst mittels

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen kann die richtige Gesamtsumme ermittelt werden („falsa demonstratio non nocet“).

  • Sofern die Parteien der Berechnungsgrundlage und dem bestimmten Endergebnis die gleiche Bedeutung beigemessen haben, beide aber vollkommen
  • Haben sich die Vertragsparteien nur über die Endsumme geeinigt, ist aber die
  • Das Reichsgericht hatte noch in einer Reihe von Fällen, in denen ein Kalkulationsirrtum vorlag, die Anfechtbarkeit wegen eines erweiterten Inhaltsirrtums bejaht, so z.B. wenn ein K aufpreis nach einem falsch angegebenen Börsenkurs berechnet worden war18 und wenn ein Rechenfehler im Hinblick auf

Die Rechtsprechung des RG ist mit Recht auf erhebliche Kritik gestoßen, die sich wie folgt zusammenfassen lässt: Zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung stimmen Wille und Erklärung überein; es fehlt also gerade an dem für den Inhaltsirrtum grundlegen-den Auseinanderfallen zwischen der gemeinten und der wirklichen Bedeutung der Erklärung. 20 Außerdem ist zu beachten, dass die einseitige Kalkulation einer Partei nicht schon deshalb zum Erklärungsinhalt gehört, weil sie dem Erklärungsempfänger mitgeteilt wird, was ebenso für jedes andere Motiv gilt .21 Der offene Kalkulationsirrtum begründet daher al s unbeachtlicher Motivirrtum kein Anfechtungsrecht

Die Anfechtbarkeit von Willenserkläru ngen Auch der BGH22 hat inzwischen die Anfechtung wegen eines erweiterten Inhaltsirrtums analog § 119 Abs. 1 ausdrücklich abgelehnt. Danach berechtigt ein Kalkulationsirrtum selbst dann nicht zur Anfechtung, wenn der Erklärungsempfänger ihn erkannt oder die Kenntnisnahme treuwidrig vereitelt hat. Allerdings kann der Erklärungsempfänger unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsver-handlungen oder der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242) verpflichtet sein, den Erklärenden auf seine Kalkulationsfehler hinzuweisen.

(e) Weitere Voraussetzungen Auch wegen Inhaltsirrtums kann nur angefochten werden, wenn davon auszugehen ist, dass der Erklärende die Willenserklärung " bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde" (§ 119 Abs. 1). Das bedeutet: Die subjektive und objektive Erheblichkeit des Irrtums ist eine Anfechtungsvoraussetzung. 3. Die Anfechtung wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person oder Sache a) Überblick Durch § 119 Abs. 2 wird demjenigen ein Anfechtungsrecht eingeräumt, der sich bei der Abgabe seiner Willenserklärung über eine bei diesem Rechtsgeschäft wesentliche Eigenschaft seines Vertragspartners oder der Sache, die Leistungsgegenstand ist, geirrt hat.

Ebenso wie bei Erklärungs – und Inhaltsirrtum kann der Erklärende seine Willenserklärung nur anfechten, "wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde". Der Irrtum muss also gerade auch kausal für die Abgabe der fehlerhaften Willenserklärung gewesen sein. Bei dem Irrtum über Eigenschaften handelt es sich um einen Irrtum, der den Entschluss zur Abgabe der Erklär ung beeinflusst und nicht um einen Irrtum, der den Erklärungsvorgang selbst betrifft. Es handelt sich deshalb um einen Motivirrtum , d.h. um einen _________________________________________________ 22 BGHZ 139, 177, 182 ff . 23 Vgl. dazu auch G RÜNEBERG /ELLENBERGER , § 119 Rn. 18; MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 119 Rn. 129. Merke: Der Kalkulationsirrtum berechtigt nie zur Anfechtung. Der verdeckte Kalkulationsirrtum ist als bloßer Motivirrtum völlig unbeachtlich. Beim offenen Kalkulationsirrtum sind folgende Prüfungsschritte ratsam: Auslegung, bei innerer Widersprüchlichkeit (Perplexität) ist die Erklärung nichtig, § 155. Die unzutreffende Kalkulation kann zur Geschäftsgrundlage gehören, so dass dann eine Anpassung nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313) erfolgt.

Def.: Als Eigenschaften kommen nur tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse in Betracht, die in dem Rechtsgeschäft als wesentlich zum Ausdruck gebracht worden sind. Darunter sind alle diejenigen Merkmale und Verhältnisse einer Person oder Sache zu verstehen, die infolge ihrer Beschaffenheit und Dauer auf die Brauchbarkeit und den Wert von Einfluss sind.

  • der Gesundheitszustand eines Menschen, sofern er von Dauer ist (z.B. Grad
  • die berufsrechtliche Qualifikation, wie sie z.B. für die Eintragung in die Handwerksrolle erforderlich ist 28;
  • die Vertrauenswürdigkeit bei Vertragstypen mit engen persönlichen Beziehungen.29 In Betracht kommen in erster Linie Dauerschuldve rhältnisse, wie Dienst –
  • die Zahlungs – und Kreditwürdigkeit jedenfalls bei Kreditgeschäften. Dabei ist
  • die Bebaubarkeit oder gewerbliche Nutzungsmöglichkeit eines Grundstücks,33
  • die Echtheit eines Kunstwerkes,34
  • das Alter eines gebrauchten Kraftfahrzeuges.35
  • Keine Eigenschaft einer Sache sind:

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Viele Stimmen sprechen sich dafür aus, dass der Käufer auch vor Gefahrübergang von der Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums ausgeschlossen sei. Für diese Phase greifen die §§ 434 ff. nach dem Wortlaut des § 446 nicht ein, sodass eigentlich keine Konkurrenz zum allgemeinen Anfechtungsrecht besteht. Jedoch könnte sich der Käufer auch bei grober Fahrlässigkeit entgegen dem Gedanken des § 442 I 2 vom Kaufvertrag lösen. Er habe aber erst mit Gefahrübergang ein Recht auf Mangelfreiheit . Ein entsprechender Vorrang besteht auch beim UN Kaufrecht sowie beim Werkvertragsrecht aus den gleichen Gründen 42 . Beispiel: K hat von V ein Bild des niederländischen Malers Rembrandt gekauft. Nach Übergabe des Bildes an K stellt sich heraus, dass das Bild gar nicht von Rembrandt stammt, sondern eine wertlose Fälschung ist. Da mit der Übergabe des Bildes der Gefahrübergang auf den Käufer erfolgt ist (§ 446), haftet der Verkäufer nunmehr nach Maßgabe der §§ 437 ff. Wären nun zwischen der Übergabe des Bildes und der Entdeckung der Fälschung bereits zwei Jahre vergangen, so wären die Ansprüche aus § 437 Nr. 1– 3 gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 bereits verjährt. Der Käufer wäre auf die Anfechtungsmöglichkeit nach § 119 Abs. 2 angewiesen, weil die Anfechtungsfrist gemäß § 121 Abs. 1 erst mit Kenntniserlangung zu laufen beginnt. Allerdings verdrängen die §§ 437 ff. als leges speciales den § 119 Abs. 2. Die Möglichkeit der Anfechtung besteht somit für K ebenfalls nicht. Das Problem der Konkurrenz von Gewährleistungsrechten und der Anfechtung stellt sich aber nur dann, wenn dem Käufer diese Rechte zustehen. Besteht hingegen ein Anfechtungsrecht des Verkäufers, fehlt es an einer entsprechenden Konkurrenz, weil dem Verkäufer Gewährleistungsansprüche nie zustehen. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Verkäufer stets von einem Anfechtungsrecht gemäß § 119 Abs. 2 Gebrauch machen könnte. Gestünde man dem Verkäufer dies zu, so könnte sich dieser, wenn er irrigerweise Mangelfreiheit der Sache annimmt, durch Irrtumsanfechtung (al-lerdings unter I nkaufnahme der auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzpflicht nach § 122) von der Gewährleistungspflicht dem Käufer gegenüber befreien. Nach dem Gedanken des Rechtsmissbrauchs ist es deshalb dem Verkäufer verwehrt, von dem Anfechtungsrecht Gebrauch zu machen, wenn dies zur Folge hätte, dass er (der Verkäufer) sich der gesetzlich angeordneten Gewährleistungs-pflicht entzöge. Unter gewissen Umständen kann dem Verkäufer also ein Anfechtungsrecht zustehen. Hat sich z.B. der Verkäufer über die Urheberschaft eines Bildes geirrt und deshalb den Preis zu niedrig festgesetzt, ist dem Käufer an einer Nacherfüllung oder einem Rücktritt nicht gelegen; der Verkäufer kann deshalb nach § 119 Abs. 2 anfechten, weil er sich damit nicht der gesetzlich angeordneten Gewährleistungspflicht entzieht. _________________________________________________ 42 MünchKomm /ARMBRÜSTER , BGB § 119 Rn. 32 ; Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks. 14/6040 S. 210; GRÜNEBERG /ELLENBERGER § 119, Rn. 28; BeckOGK /REHBERG , BGB § 119 Rn. 167 ; KÖSTER , Jura 2005, 145 (147) . 43 BGH NJW 1988, 2597, 2598 .

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen

III. Die Anfechtung wegen Willensbeeinflussung durch arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung 1. Überblick Wenn eine Person unter dem Einfluss einer arglistigen Täuschung eine Willenserklärung abgegeben hat, räumt die Rechtsordnung dem durch bewusst falsche Informationen unlauter Beeinflussten die Möglichkeit ein, die zunächst wirksame Erklärung anzufechten, ohne dass dadurch Schadensersatzverpflichtungen entstehen. Auch die Person, deren freier Wille durch eine widerrechtliche Drohung beeinträchtigt wurde, kann sich von ihrer unter Druck abgegebenen Willenserklärung durch eine Anfech-tung lösen, ohne dass eine Schadensersatzverpflichtung begründet wird. § schützt die Freiheit der Willensentschließung. 44 Das Gesetz unterscheidet in § Abs. 1 zwei Anfechtungstatbestände:

  • wenn der die Willenserklärung Abgebende getäuscht worden ist,
  • dadurch bei ihm ein Irrtum erregt worden ist,
  • er au s diesem Irrtum heraus eine Willenserklärung abgegeben hat und
  • der Täuschende arglistig, d.h. mit dem Vorsatz, auf den Erklärungswillen des

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen b) Die Täuschung

  • Angaben über den Kilometerstand eines Gebrauchtwagens und
  • die Angabe über einen bestimmten Unfallmangel und damit konkludent, dass
  • Vertragspartner stellt gezielt Fragen, die auch zulässig sind
  • Besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragspartnern (langjährige vertrauensvolle Geschäftsverbindung)
  • Überlegende Sachkunde einer Partei, sofern der Geschäftsgegner unerfahren

Fallbearbeitung: Immer wenn die Täuschung in einem Unterlassen liegen könnte, sollte wie folgt vorgegangen werden: Obersatz, Definition der Täuschung, Darstellen der Aufklärungspflicht, Verletzung der Aufklärungspflicht durch Unterlassen.

Beispiel: Unte rnehmer in U, die ihre Fabrikation von Kaufhauseinrichtungsmöbeln rationalisieren möchte, steht bereits seit 2020 mit F wegen des Kaufs einer Furniermaschine in Verhandlungen. Zum Abschluss eines Kaufvertrages war es bislang nicht gekommen, weil die von F angebotenen Maschinen sich für den Bedarf der U nicht eigneten. Im Frühjahr 2024 verkauft F der U eine Furniermaschine "XG 100". Dabei verschweigt er de r U, dass diese Maschine die Holzplatten nur _________________________________________________ 45 Rüthers/ STADLER , BGB AT, Rn. 77 . 46 BGH, JuS 2006, 1015 . Def.: Die Täuschung ist ein Verhalten, da s beim Erklärenden eine irrige Vorstellung hervor ruft, verstärkt oder erh ält. Täuschung ist das bewusste, d.h. vorsätzliche Erregen oder Aufrechterhalten eines Irrtums durch Vorspiegelung falscher oder Unterdrücken wahrer Tatsachen (nicht Werturteile), um den Getäuschten vorsätzlich zur Abgabe einer bestim mten Willenserklärung zu veranlassen .

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen einseitig furniert, obwohl er weiß, dass U überwiegend beids eitig furnierte Spanplatten verarbeitet. Durch das Verschweigen einer für U wichtigen Eigenschaft der Maschine täuscht F seine Vertragspartner in durch Unterlassen. Da F und U mehr als 5 Jahre in Vertragsverhandlungen gestanden haben und sich in dieser Zeit ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien entwickelt haben dürfte, war F ver-pflichtet, d ie U über alle wesentlichen Eigenschaften der Furniermaschine aufzuklären. U kann den Kaufvertrag wegen einer Täuschung durch Unterlassen gemäß § 123 Abs. 1 anfec hten. c) Die Kausalität Die Täuschung muss einen Irrtum beim Erklärenden hervorgerufen haben, der für die Abgabe der Willenserklärung kausal war. O hne die Täuschung dürfte die Erklärung nicht, nicht mit dem Inhalt oder nicht zu der Zeit abgegeben worden sein. Keine Kausalität liegt vor, wenn der Getäuschte den wahren Sachverhalt kannte und deshalb auch ohne die Täuschung dieselbe Willenserklärung abgegeben hätte. d) Widerrechtlichkeit Die Täuschung muss widerrechtlich sein. Das ergibt sich – anders als bei der D rohung – nicht aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Täuschung stehst widerrechtlich sei. 47 Prüfungsrelevanteste Ausnahme ist das Recht zur Lüge im Arbeitsrecht beispielsweise bei der Frage nach einer Schwangerschaft .48 e) Die Argl ist Arglistig handelt, wer den Vorsatz, also den Täuschungswillen hat. Dolus eventualis , also bedingter Vorsatz, genügt,49 nicht hingegen grobe Fahrlässigkeit. Arglistig handelt deshalb nicht, wer gutgläubig unrichtige Angaben macht, auch wenn der gute Glaube auf Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit beruht. 50 Die Grenze wird von der Rechtsprechung jedoch bei „Behauptungen ins Blaue hine in“, die auf keiner hinreichende n Erkenntnisgrundlage beruhen, gezogen. So zum Beispiel, wenn der Autoverkäufer ohne tatsächl iche Grundlage falsche Angaben hinsichtlich der Unfallfreiheit macht.51 Der Täuschende muss allerdings mit dem Bewusstsein handeln, dass der Getäuschte zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wird . Arglistig handelt nicht nur derjenige, der weiß, dass die angegebenen Tatsachen nicht der Wahrheit entsprechen; arglistig ist vielmehr auch der, der einem anderen versichert, eine bestimmte Kenntnis von Vorgängen oder Umständen zu haben, diese Kenntnis in Wirklichkeit aber nicht hat.53 _________________________________________________ 47 BROX/WALKER § 19 Rn. 6. 48 STAUDINGER /SINGER/VFINCKENSTEIN , BGB § 123, Rn. 33 ff ; Näheres dazu auch im Modul 55105 Arbeitsvertragsrecht. 49 BGHZ 7, 301, 302 . 50 BGH JZ 1980, 522 f . 51 BGH NJW 2006, 2839 . 52 STAUDINGER /SINGER, § 123 Rn. 49. 53 BGH NJW 1980, 2460 .

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen f) Die Täuschung durch Drit te (§ 123 Abs. 2) Auch eine dritte Person, die an dem Rechtsgeschäft nicht als Partner beteiligt ist, kann die Täuschung verüben, die zur Abgabe einer Willenserklärung führt. In einem sol-chen Fall soll der Getäuschte nur eine eingeschränkte Möglichkeit hab en, seine Willenserklärung anzufechten. Die Erklärung ist nur anfechtbar, wenn der Erklärungsempfänger die Täuschung kannte oder kennen musste. Knüpft man an den Wortlaut des § 123 Abs. 2 an, so ist "Dritter" – mit Ausnahme der Person, die die Willenserklä rung abgegeben hat und de r gegenüber sie abgegeben worden ist. Dieser vom Wortsinn abgeleitete Begriff des Dritten ist seit jeher als zu weit gefasst angesehen worden. So hat die Rechtsprechung 54 stets Stellvertreter – also Personen, die als Erklärende oder Empfänger bei der Abgabe oder Entgegennahme von Willenserklärungen andere Personen rechtsgeschäftlich oder gesetzlich vertreten – nicht als Dritte i.S. des § 123 Abs. 2 angesehen. Als Dritter i.S. des § Abs. 2 kann nur ein unbeteiligter Dritter in Be tracht kommen. Das kann derjenige nicht sein, der auf Seiten des Erklärungsgegners (Geschäftspartners) steht und bei dem Zustandekommen des Geschäftes eine Rolle gespielt hat, ebenso nicht diejeni-gen Personen, deren Verhalten dem des Anfechtungsgegners gle ichzusetzen ist. Dies hat die Rechtsprechung 56 über den Bereich der gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretung hinaus auch bei einem vom Erklärungsempfänger beauftragten Verhandlungsführer oder –gehilfen bejaht sowie bei einem Beteiligten, dessen V erhalten dem Erklärungsempfänger wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden o-der wegen sonstiger besonderer Umstände billigerweise zugerechnet werden muss. Wer dagegen einen Vertragsschluss lediglich vermittelt , z.B. als Makler, ist "Dritter", dessen Täuschungshandlung sich der Erklärungsempfänger nur bei Kenntnis oder Kennen müssen zurechnen lassen muss. Gleiches soll im Grundsatz auch gelten, wenn eine Person aus eigenem Antrieb einen Vertrag anbahnt. Das bedeutet: Eine Vertragspartei muss sich ni cht ohne weiteres die arglistige Täuschung zurechnen lassen, die eine andere Person bei der eigenmächtigen Anbahnung eines Vertragsab-schlusses begangen hat. Eine täuschende Person ist also auch dann nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2, wenn sie eine Vertra uensperson des Erklärungsempfängers ist, für deren Verschulden der Erklärungsempfänger gemäß § 278 einstehen müsste, weil er sich ihrer zur Erfüllung einer Verbindlichkeit bedient. In solchen Fällen ist eine Anfechtung gemäß § Abs. 1 möglich. Beispiel (nach BGHZ 47, 224): K kauft von dem Autohändler V einen Neuwagen für € 47.500,––. Da K den Kaufpreis nicht sofort bezahlen kann, legt V dem K ein vorformuliertes Angebot zum Abschluss eines Darlehensvertrages mit der Teilzahlungsbank T vor, mit der V schon lange zusammenarbeitet und von der er die Formulare zugesandt bekommt. Dabei erklärt V dem K, seine Unterschrift unter das Formular sei reine Formsache; mit der Bank habe er nichts zu tun, sondern nur mit ihm, so dass auch der im Formular enthaltene hoh e Zinssatz nicht gelte. _________________________________________________ 54 RGZ 101, 97, 98 ; BGHZ 20, 36, 39 . 55 BGHZ 33, 302, 309 f. ; BeckRS 1980, 31074435 .; "Lagertheorie". 56 Vgl. BGHZ 47, 224, 230 f.; BGH NJW-RR 1992, 1005 . 57 BGHZ 47, 224, 230 .

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Als nach der Unterschrift des K die Bank sein Angebot annimmt, die Darlehenssumme auszahlt und von K die erste Rate verlangt, erklärt dieser die Anfechtung des Darlehensvertrages. Zu Recht? In diesem Fall hat nicht der Vertragspartner des K (die Bank), sondern eine ver-tragsfremde Person (V) die Täuschung verübt. Dennoch ist V nicht Dritter i.S. von § 123 Abs. 2, so dass die Anfechtungserklärung des K auch erfolgreich und somit der Darlehensvertrag gemäß § 142 nichtig ist. V war hier zwar nicht Vertreter der Bank, denn er gab keine Willenserklärung im Namen der Bank ab (vgl. § 164). V war vielmehr Verhandlungsgehilfe, was zur Folge hat, dass sich die Bank ein von V "bei Durchführung dieser Aufgabe begangenes Verschulden nach § 278 als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss". 58 Daher ist V Vertrauensperson der Bank und mithin kein Dritter i.S. von § 123 Abs. 2. Selbst wenn der Täuschende nicht Vertreter oder Vertrauensperson des Erklärungsempfängers ist oder zu sein scheint, muss unter Billigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Interessenlage beurteilt werden, ob aufgrund besonderer Um-stände die Eigenschaft als Dritter zu verneinen ist.

Merke: § 123 II 1 ist keine eigenständige Anspruchsgrundlage. Vielmehr kommt es darauf an, ob dem Anfechtungsgegner die Täuschung eines Dritten i.S.d. § 123 I Var. 1 zuzurechnen ist. Bei in seinem Lager stehenden Hilfspersonen (Stellvertretern, Organen einer Gesellschaft oder Verrichtungsgehilfen ) handelt es sich nicht um einen „Dritten“ und die Zurechnung der Täuschung erfolgt bereits nach allgemeinen Normen (§§ 31, 278, 166). Hiernach muss der Anfechtungsgegner die Täuschung weder kennen noch kennen müssen. Ist der Täuschende hingegen ein „Dritter“, so ist dem Anfechtungsgegner die Täuschung nur zuzurechnen, wenn er von ihr Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis hatte, § 123 II 1. Der Anfechtungsgegner ist etwas privilegierter, da er gerade auf die Unabhängigkeit des Dritten vertrauen darf.

3. Die Anfechtung wegen widerrechtlicher Droh ung Da die aufgrund einer widerrechtlichen Drohung abgegebene Willenserklärung nicht auf dem freien Willen des Erklärenden beruht, gestattet das Gesetz die Anfechtung unter den in § 123 Abs. 1 Var. 2 genannten Voraussetzungen. a) Die Drohung

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Die Möglichkeit , wegen Drohung anfechten zu können, beruht darauf, dass der Wille des Erklärenden beeinflusst worden ist. Deshalb gehört zum Tatbestand der Drohung eine psychische Einwirkung, die darin besteht, dass Furcht vor einem künftigen Übel erregt wird. Die Ankünd igung einer Strafanzeige kann z.B. eine Drohung sein. Ob eine durch eine Drohung hervorgerufene psychische Zwangslage ("vis compulsiva"60) vorliegt oder nicht, ist aus der Sicht des Bedrohten zu beurteilen. Deshalb kann auch eine nicht ernstlich gemeinte Drohung zur Anfechtung berechtigen, wenn der Empfänger sie als ernstlich auffassen durfte.61 b) Die Widerrechtlichkeit Zwischen der Drohung und der Abgabe der Willenserklärung muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen; außerdem muss die Drohung widerrechtlich sein. Die Widerrechtlichkeit betrifft die unzulässige Art und Weise der Willensbeugung, die verwerfliche Benutzung einer Drohung als Druckmittel, um einen anderen in seinem Entschluss, eine Willenserklärung abzugeben, zu bestimmen.62 Die Rechtswidrigkeit ka nn sich aus drei Fallgruppen ergeben:

Die Drohung ist z.B. auch widerrechtlich, wenn sich der Drohende an sich erlaubter Mittel bedient, auf die Leistung, zu der sich der Erklärende unter der Einwirkung des Druckes verpflichtet, aber kein Recht hat.63 Andererseits ist aber auch nicht allein darauf abzustellen, ob der Drohende einen Rechtsanspruch auf die Erklärung des Bedrohten hat. Vielmehr ist bei erlaubtem Mittel und erlaubtem Ziel darauf abzustellen, ob der Drohende an der Erreichung des von ihm erstrebten Erfolges ein berechtigtes Interesse hat und ob die Drohung nach der Auffassung aller billig und gerecht Denkenden ein angemessenes Mittel darstellt.

Beispiel: Der Angestellte A hat eine Unterschlagung begangen. B, der Inhaber des Betriebes, fordert A dazu auf, in einem schriftlichen Schuldanerkenntnis (§ 781) zu erklären, dass A dem B die unterschlagene Summe schuldet. Als A sich weigert, droht B mit der Strafanzeige, zu deren Erstattung er allerdings keine Veranlassung sehe, wenn A unterzeichne. A unterzeichnet das Schuldanerkenntnis und möchte später gemäß § 123 Abs.1 Alt. 2 anfechten. Kann er das? Die Ankündigung der Strafanzeige ist eine Drohung. Fraglich ist nur, ob sie widerrechtlich ist. Hier ist weder das angestrebte Ziel (die Wiedergutmachung des Scha-dens durch Bestätigung eines ohnehin vorhandenen Anspruchs) noch das Mittel _________________________________________________ 60 Vgl. Skript 2, § 2 II 3. a. 61 BGH NJW 1982, 2301 f. 62 BGHZ 25, 217, 220 . 63 BGHZ 6, 348, 351 . 64 BGHZ 25, 217, 220 . Rechtswidrigkeit angedrohte Verhaltenangewandtes MittelZweck-MittelRelation (Verhältnis)

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen (die Strafanzeige) für sich allein zu beanstanden. Die Widerrechtlichkeit ergibt sich auch nicht aus dem Verhältnis von Mittel und Zweck, da die Beziehung zwischen der St raftat (Unterschlagung) und dem geltend gemachten Anspruch auch eine solche Drohung nach der Auffassung aller billig und gerecht Denkenden als ein angemessenes Mittel erscheinen lässt. 65 Demnach kann A seine Willenserklärung, die zum Schuldanerkenntnis führte, nicht gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 2 wegen widerrechtlicher Drohung anfechten c) Die subjektiven Voraussetzungen Der Drohende muss den Vorsatz haben, Furcht zu erregen, um dadurch die Abgabe der Willenserklärung zu erzwingen; dolus eventualis genügt. Ein Bewus stsein der Rechtswidrigkeit muss nicht vorliegen. Es reicht aus, dass der Drohende die Umstände kennt, aus deren Bewertung sich die Widerrechtlichkeit ergibt (Parallelwertung in der Laiensphäre) . Nach Ansicht des BGH67 soll die Widerrechtlichkeit bei einem unverschuldeten Irrtum über die Grundlagen der Wertung ausgeschlossen sein. Dem hält die Literatur 68 mit Recht entgegen, bei § 123 Abs. 1 Alt. 2 gehe es nicht darum, dem Drohenden einen Vorwurf zu machen, sondern um den Schutz des in seiner Entschließungsfreiheit Bedrohten. IV. Die weiteren Voraussetzungen für den Eintritt der Anfechtungsfolgen Das Gesetz räumt dem Anfechtungsberechtigten das Gestaltungs recht ein, seine Willenserklärung durch eine Anfechtungserklärung zu vernichten oder aber seine Willenserkl ärung unverändert so, wie sie abgegeben worden ist, weiter gelten zu lassen. Damit alle von einem anfechtbaren Rechtsgeschäft Betroffenen möglichst bald wissen, ob das vereinbarte, aber anfechtbare Rechtsgeschäft durch eine Anfechtungserklärung vernichtet wird oder ob es bestehen bleiben wird, hat das Gesetz dem Anfechtungsberechtigten eine Frist gesetzt, innerhalb derer er die Anfechtung erklären muss. Nicht schon die Anfechtungsmöglichkeit als solche, sondern erst die fristgemäße Anfechtungserklärung gegenüber dem Erklärungsgegner führt die Nichtigkeit der anfechtbaren Willenserklärung herbei. Die Anfechtung erfolgt gemäß § 143 Abs. 1 gegenüber dem Anfechtungsgegner. Eine Anfechtungserklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die gegenüber dem Anfechtungsgegner (Erklärungsempfänger) abgegeben wird und unzweideutig den Willen des Anfechtenden zum Ausdruck bringt, er wolle das Geschäft gerade wegen des Willensmangels nicht bestehen lassen, sondern rückwirkend beseitigen. Das Wort "anfechten" muss nicht benutzt werden. Je nach den Umständen genügt es durchaus, dass eine nach dem objektiven Erklärungswert der Willensäußerung übernommene Verpflichtung bestritten oder nicht anerkannt wird oder wenn ihr widersprochen wird (z.B. „annuliere“ oder „null und nichtig“). _________________________________________________ 65 BGHZ 25, 217, 220 . 66 STAUDINGER /SINGER/FINCKENSTEIN , BGB § 123, Rn. 85 ff . 67 BGHZ 25, 217, 224 f . 68 U.a. BROX/WALKER , § 19 Rn. 28 .

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Anfechtungsgegner ist bei einem Vertrag der Vertragspartner (§ 143 Abs. 2). Stehen dem Anfechtenden mehrere Vertragspartner gegenüber, so muss er die Anfechtung allen gegenüber erklären.69 Liegt ein Anfechtungstatbestand der §§ 119, 120 vor, muss unverzüglich, d.h. nach der gesetzlichen Definition des § 121 Abs. 1 ohne schuldhaftes Zögern, angefochten werden. Bei Vorliegen eines Anfechtungstatbestandes des § 123 Abs. 1 muss gemäß § binnen Jahresfrist die Anfechtung erfolgen. Der Beginn dieser Frist bestimmt sich nach § 124 Abs. 2. Eine Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Anfechtungsberechtigte durch eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung deutlich macht, dass er ein ihm bekanntes Anfechtungsrecht nicht ausüben will (Bestätigung gemäß § 144). Sie setzt Kenntnis vom Anfechtungsgrund voraus und bedarf nach § 144 II nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. Beispiel: M wird von H bei dem Kauf eines Wagens arglistig getäuscht. Bezahlt M den Kaufpreis, obwohl er weiß, dass er aufgrund der arglistigen Täuschung anfechten kann, so bestätigt er durch dieses Vorgehen im Zweifel konkludent den anfechtbaren Kaufvertrag und ver liert dadurch sein Anfechtungsrecht. V. Rechtsfolgen der Anfechtung 1. Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts Nach § 142 Abs. 1 ist das angefochtene Rechtsgeschäft als "von Anfang an nichtig anzusehen". Das Rechtsgeschäft entfaltet also keinerlei Rechtsfolgen mehr: vertraglich begründete Ansprüche zwischen den Parteien (z.B. aus einem Kaufvertrag) entfallen. Dasselbe gilt für die Wirkungen von Verfügungsgeschäften. Nach Anfechtung einer Übereignung (z. B. weil der Verfügende arglistig getäuscht oder bedroht wurde, § 123) ist der ursprüngliche Veräußerer einer Sache also (wieder) ihr Eigentümer. Zu schwieri gen Problemen kann in diesem Zusammenhang das Abstraktionsprinzip führen, wenn z. B. nach dem Verkauf und der Übereignung einer Sache nur das Verpflichtungsgeschäft angefochten worden ist (s. unten, § 15). Die Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 hat außerdem zur Folge, dass bereits zwischen den Parteien ausgetauschte Leistungen zurückgewährt werden müssen. Grundlage hierfür sind die Regeln über die "ungerechtfertigte Bereicherung" (§§ 812 ff.). Beispiel: K hat von V ein Bild zum Preis von 15.000 Euro gekauft. K hat den Kaufpreis gezahlt, und V hat dem K das Bild übereignet. Wird der Kaufvertrag (z. B. wegen eines Inhaltsirrtums über die Person des Malers, § 119 Abs. 2) von K angefochten, so kann der K von V nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen, weil der "Rechtsgrund" für die Übereignung des ge-zahlten Geldes entfallen ist. Umgekehrt hat V gegenüber K (ebenfalls aus § Abs. 1 S. 1 1. Alt.) einen Anspruch auf Rückübereignung des Bildes.

_________________________________________________ 69 BGHZ 96, 302, 309 f.

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen 2. Die Schadensersatzpflicht des Anfechtenden gemäß § In den Fällen, in denen jemand aus den in § 119 und § 120 genannten Gründen eine Willenserklärung angefochten hat, ist der Anfechtende verpflichtet, dem Empfänger der Erklärung "den Schaden zu ersetzen, den der andere oder ein Dritter dadur ch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat" (§ 122 Abs. 1). Dies bedeutet: Die Schadensersatzpflicht dessen, der gemäß § 122 in Anspruch genommen werden kann, erstreckt sich auf den Vertrauensschaden (= negatives Interesse) , d.h der Anfechtungsgegner ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er von dem angefochtenen Rechtsgeschäft nichts gehört hätte. Beispiel: V verkauft dem K eine Porzellanvase; der Kaufvertrag kann von K gemäß § 119 Abs. 1 angefochten werden. Verpackt V vor der Anfechtung durch K die Vase, so stellen die aufgewandten Verpackungskosten den Vertrauensschaden dar, den K der V gemäß § 122 Abs. 1 zu ersetzen hat. Diese Kosten wären nicht entstanden, wenn es zu keinem Vertragsschluss gekommen wäre. In § 122 ist das negative Interesse durch das Erfüllungsinteresse, das so genannte positive Interesse, begrenzt ("jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere... an der Gültigkeit der Erklärung hat"). Erfüllungsinteresse (= positives Interesse) heißt: Derjenige, der in Anspruch genommen werden kann, hat den Gläubiger so zu stellen, wie dieser stehen würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Beispiel: A fragt schriftlich bei de r Musiker in F an, ob diese bereit sei, am 24.9. die Hochzeitsfeierlichkeiten des A musikalisch zu untermalen. Bei der Abfassung des Briefes an F verschreibt sich A und bietet de r F statt der gewollten € 1500,–– € 2500,––. F nimmt das Angebot des A an und schlägt kurz darauf ein Angebot der B, am 24.9. auf de ren Geburtstag für € 3000,–– zu musizieren, aus. Kurz vor dem 24.9. erklärt A wirksam die Anfechtung des Vertrages. Der Vertrauenssch aden de r F ist hier mit € 3000,– zu beziffern, da sie das Angebot de r B in dieser Höhe ausgeschlagen hat, weil sie von der Gültigkeit des Vertrages mit A ausging. Da F von A aber bei ordnungsgemäßer Durchführung des angefochtenen Vertra-ges lediglich € 2500, –– erhalten hätte, dieser Betrag also das Erfüllungsinteresse (= positives Interesse) des Vertrages zwischen A und F darstellt, wird der Erfül-lungsschaden de r F hier auf € 2500,–– begrenzt. Ein Schadensersatzanspruch ist gemäß § 122 Abs. 2 ausgeschlossen, wenn der Geschädigte den Anfechtungsgrund kannte oder fahrlässig nicht kannte. Jede Fahrlässigkeit reicht dabei aus. Mit § 122 wird der Zweck verfolgt, denjenigen Partner des Rechtsgeschäfts, der auf die Gültigkeit der Willenserklärung vertraut, gegen Nac hteile, die ihm aus der Anfechtung erwachsen, zu schützen, soweit dieses Vertrauen schutzwürdig ist. Deshalb ent-steht der Anspruch aus § 122 ohne Rücksicht darauf, ob den Anfechtenden ein Verschulden an seinem Irrtum trifft oder nicht. _________________________________________________ 70 Zu § 122 BGB auch: P RÜTTING /FISCHER , Jura 2016, 511; IKING, ZJS 2024, 1 .

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen 3. Konkurrenzen § 123 Abs. 1 Alt. 1 u. 2 sind neben den Gewährleistungsrechten der §§ 437 ff. anwendbar. Auch bleibt die Anwendung des C.I.C. unberührt. Auch können Ansprüche aus § 823 f. begründet sein.71

VI. Die Teilanfechtung Die Teilanfechtung ist nicht ausgeschlossen. Sie ist allerdings nur möglich, wenn das Rechtsgeschäft teilbar ist, was voraussetzt, dass ein Restrechtsgeschäft wirksam bestehen bleiben kann . Ob ein Rechtsgeschäft teilbar ist, ist gemäß § 139 zu entscheiden. Hierzu siehe unten, § 15 I . VII. Der gemeinsame Motivirrtum – d ie Störung der Geschäftsgrundlage § 313 BGB 1. Überblick Abgesehen von den in § 119 Abs. 2 geregelten Fällen des Eigenschaftsirrtums und der arglistigen Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 bleiben die irrigen Vorstellungen einer Vertragspartei über einen für ihren Entschluss bedeutsamen Umstand oder die irrige Erwartung über die sich in der Zukunft aus der Wirksamkeit der Erklärung ergebenden Entwicklungen ohne Konsequenzen. Das bedeutet: In den zuletzt genannten Fällen können die am Geschäft Beteiligten nicht anfechten.

_________________________________________________ 71 BeckOK/W ENDTLAND , BGB § 123 Rn. 40 . •Schadensersatz berechtigender Grund §119/120/118 •Keine Kenntnis/fahrlässige Unkenntnis des Geschädigten von dem AnfechtungsgrundAusschluss §122 II •Vertrauensschaden/negatives Interesse •Idee: was ist nur wegen des Vertrages passiert •Aufwendungen anlässlich des Vertragsschlusses ( Porto, Verpackung, Fahrtkosten) •entgangener Gewinn, indem kein anderer Vertrag abgeschlossen werden konnteSchaden: auf Gültigkeit der Erklärung vertraut •Erfüllungsinteresse/positives Interesse •Idee: was wäre passiert wenn nicht angefochten, sondern normal erfüllt worden wäre •Erhaltende Gegenleistung wie Kaufpreis/Werklohn/MieteInteresse: an Gültigkeit der Erklärung •Vertrauensschaden •höchstens der ErfüllungsschadenBegrenzung §122 I

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Beispiel: A wird in einen Autounfall verwickelt. Sein PKW wird schwer beschädigt. In der Annahme, es handele sich um einen Totalschaden, schließt er mit V einen Kaufvertrag über einen neuen PKW. Danach s tellt der Sachverständige fest, dass es sich nicht um einen Totalschaden handelt, der beschädigte PKW vielmehr für einen relativ niedrigen Preis repariert werden könnte. Hätte A dies gewusst, hätte er den neuen Wagen nicht gekauft. Der Neuwagenkauf beruht hier auf einem unbeachtlichen Motivirrtum, der A gegenüber V nicht zur Anfechtung be-rechtigt. Ausgeschlossen ist die Anfechtung auch in den Fällen des beiderseitigen Motivirrtums (auch Doppelirrtum genannt). Bei einem beiderseitigen Motivirrtum irren beide am Geschäft beteiligten Personen über wesentliche Umstände des Vertrages. So können sich z.B. beide Vertragsparteien über dieselben wesentlichen Eigenschaften des Geschäftsgegenstandes geirrt haben. Ist in den meisten Fällen dieser Art die Anfechtung ausgeschlossen, so besteht doch das Bedürfnis, in manchen Fällen des beiderseitigen Motivirrtums den Parteien die Möglichkeit zu geben, ihre vertraglich geschaffene Position zu verändern. Insoweit stellt sich die Frage nach der Abgrenzung zum Wegfall der Gesch äftsgrundlage, die in § 313 kodifiziert ist. § 313 Abs. 2 regelt dabei das ursprüngliche Fehlen der subjektiven Geschäftsgrundlage. Hierbei geht es um die Fälle des gemeinschaftlichen Irrtums über einen für die Willensbildung wesentlichen Umstand als auch um solche Fälle, in denen sich nur eine Partei falsche Vorstellungen macht, die andere Partei diesen Irrtum aber ohne eigene Vorstellungen ohne Widerspruch hingenommen hat. Damit wird klargestellt, dass die Fälle des Doppelirrtums einen Anwen-dungsfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage darstellen. Voraussetzung ist aber immer, dass das Festhalten am unveränderten Vertrag der Partei unter Berücksichti-gung aller Umstände, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikovertei-lung, unzumutbar ist. Die Rechte aus § 313 scheiden daher aus, wenn die Störung der Motivation ausschließlich in die Risikosphäre einer Partei fällt oder wenn die Ver-tragserfüllung trotz des Irrtums zumutbar ist. 2. Die Geschäftsgrundlage Die von der Literatur und der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Fehlen und zum Wegfall der Geschäftsgrundlage sind durch das Schuldrechtsmodernisie-rungsgesetz zum 1. Januar 2002 in § 313 normiert worden. Gemäß § 313 Abs. kann bei einer schwerwiegenden Änderung von Umständen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, die Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Ver-trag nicht zugemutet werden kann. Darunter fallen die Fälle des Wegfalls der so genannten "objektiven" Geschäftsgrundlage, d.h. die der Leistungserschwerungen, der Zweck - und Äquivalenzstörungen . 72 § 313 Abs. 2 erfasst dagegen die Fälle der so genannten "subj ektiven" Geschäftsgrundlage, also den Doppelirrtum (vgl. dazu oben VII. 1.). _________________________________________________ 72 BeckOK/L ORENZ , BGB § 313 Rn.

  • der von Anfang an fehlende Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 2): die bei
  • dem späteren Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1): die bei Abschluss des Vertrages dem Geschäftswillen der Parteien zugrunde liegenden,
  • die Äquivalenzstörung : das sind diejenigen Fälle, in denen das im Ve rtrag
  • die Zweckverfehlung: dazu zählen die Fälle, in denen der objektive (beiderseitige) Vertragszweck nicht nur zeitweilig unerreichbar geworden ist.

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Beispiel: Ein Scheitern der Finanzierung, die der Käufer vorgesehen hatte, um den Kaufpreis zahlen zu können, fällt in den Risikobereich des Käufers und kann nicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage führen78 3. Die Rechtsfolgen Sowohl das Fehlen als auch der Wegfall der Geschäftsgrundlage können eine Durchbrechung des Grundsatzes pacta sunt servanda rechtfertigen.79 Vor der Kodifikation der Lehre von der Geschäftsgrundlage hat der BGH die Ansicht vertreten, dass diese Rechtsfolge nur dann in Betracht komme, "wenn es sich um eine derart einschneidende Änderung handelt, dass ein Festhalten an der ursprünglichen Regelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinba-renden Ergebnis führen würde und das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung für die betroffene Partei deshalb unzumutbar wäre". 80 So seien diese Grundsätze auch bei Anwendung des § 313 zu berücksichtigen81. a) Die Anpassung des Vertrages Die regelmäßige Rechtsfolge des Fehlens oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist allerdings nicht die Auflösung des Vertrages, sondern die Anpassung seines Inhaltes an die wirkliche, bei Abschluss des Vertrages nicht erkannte Sachlage unter der Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242.82 Beispiel (BGHZ 25, 390 nachgebildet): Im Jahre 1940 wurde G enteignet. Zu Verhandlungen hinsichtlich der Höhe der Entschädigung kam es erst 1951. Im April 1953 schloss G mit der Entschädigungsstelle einen Vertrag, in dem vereinbart wurde, dass G DM 3.000,–– Entschädigung erhalten sollte und damit alle An sprüche gegen die Entschädigungsstelle abgegolten sein sollten. Dabei gingen sowohl G als auch die Entschädigungsstelle davon aus, dass G eigentlich DM 30.000,–– zu erhalten habe, aber aufgrund des Währungsumstellungsgesetzes, wonach Geldforderungen im Verhältnis 10:1 umzustellen waren, lediglich DM 3.000,–– auszuzahlen seien. Als im November 1953 der Bundesgerichtshof in einem Grund-satzurteil entschied, dass Entschädigungsforderungen aufgrund von Enteignun-gen nicht nach dem Umstellungsgesetz umzustellen, sondern voll auszuzahlen seien, verlangt G von der Entschädigungsstelle weitere DM 27.000,––. Hätten sich beide Parteien nicht über die Anwendbarkeit des Umstellungsgesetzes geirrt, hätten sie eine derartige Vereinbarung über die Umstellung der Enteig-nungse ntschädigung im Verhältnis 10 : 1 nicht getroffen. Da insoweit die Geschäftsgrundlage fehlt, muss – unter Aufrechterhaltung des Vertrages im übrigen – die Umstellung 10 : 1 durch die Umstellung 1 : 1 ersetzt werden. Der Anspruch des G auf Zahlung weiterer DM 27.000,–– ist somit gerechtfertigt.

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Beispiel (in Anlehnung an BGHZ 46, 268): Bei Abschluss eines Vertrages über die Verwaltung eines Vermögens befanden sich beide Parteien in einem Irrtum über die Höhe des für eine Vermögensverwaltung üblichen Honorars. Der BGH hat hier einen "gemeinsamen Irrtum über die Geschäftsgrundlage" angenommen und die Honorarberechnung unter Berücksichtigung der wirklichen Umstände angepasst. § 313 ermöglicht es also, einen Vertrag den veränderten Umständen anzupassen, wenn es für die Parteien – oder eine Vertragspartei – nicht zumutbar ist, am Vertrage in der ursprünglichen Form festzuhalten. Daher ist insbesondere auf die Zumutbarkeit abzustellen. 83 Dabei hat die Rechtsprechung immer wieder die Frage in den Vordergrund gerückt, ob den Vertragschließenden "ein weiteres Festhalten an dem Inhalt der früheren Vereinbarungen" noch zuzumuten sei.84 Die Regelung über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist auch anwendbar auf den beiderseitigen Irrtum über die Geschäftsgrundlage , § 313 Abs. 2. Im Rahmen der Vertragsanpassung kann es insbesondere dann, wenn es sich um Äquivalenzstörungen handelt, auch zur Zubilligung von Ausgleichsansprüchen kom-men. b) Die Auflösung des Vertrages Wenn auch in erster Linie versucht werden muss, den Inhalt des Vertrages den veränderten Umständen anzupassen, so kann der Vertrag doch aufgelöst werden, wenn die Vertragsanpassung unmöglich ist oder die Grenze dessen, was einer Partei zuge-mutet werden kann, überschritten wird. Die Vertragsauflösung geschieht jedoch nicht kraft Gesetzes, sondern bedarf einer rechtsgestaltenden Erklärung „kann zurücktreten“, 87 d.h. eines Rücktritts bzw. bei Dauerschuldverhältnissen einer Kündigung (vgl. § 313 Abs. 3). Die Rückabwicklung des Vertrages erfolgt grundsätzlich nach den §§ 346 ff. c) Die Herbeiführung der Rechtsfolgen Hinsichtlich der Rechtsfolgen des Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage tritt die Anpassung des Vertrages – im Gegensatz zum vor dem Jahr 2001 geltenden (Richter-) Recht88 – nicht kraft Gesetzes ein . Liegen d ie Voraussetzungen des § 313 Abs. oder 2 vor, kann die Anpassung vielmehr verlangt werden, d.h. dem Berechtigten wird ein Anspruch auf Anpassung gegeben. Wie bereits erwähnt, kann, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, der benachteiligte Teil zurücktreten. Gemäß § 313 Abs. 3 S. 2 tritt bei Dauerschuldverhältnissen das Recht zur Kündigung an die Stelle des Rücktrittsrechtes.

_________________________________________________ 83 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 313 Rn. 24; MünchKo mm/F INKENAUER , BGB § 313 Rn. 76 . 84 NJW 1997, 1702, 1704; BGH NZM 2005, 144 ; NJW 2012, 1718 Rn. 30 .. 85 MünchKomm/ FINKENAUER , BGB § 313 Rn. 10 . 86 MünchKomm/ FINKENAUER , BGB § 313 Rn. 90 . 87 BeckOGK/ MARTENS , BGB § 313 Rn. 143 . 88 BGH 54, 155; BGH NJW 72, 152; BGH NJW 1990, 3 14.

  • wenn das Gleichgewicht zwischen Lei stung und Gegenleistung – oder jedenfalls das ursprünglich zugrunde liegende Verhältnis zwischen Leistung und
  • dass ein Festhalten an der ursprünglichen Vertragsregelung zu einem untrag-baren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde („unzumutbar“, § 313 Abs.1).

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Fall nach BGH WM 1964, 1253: Obwohl ein Festpreis vereinbart worden war, machte die Klägerin in der Auseinandersetzung über die Höhe des Vergütungsanspruchs geltend, die Löhne seien während der zwei Jahre dauernden Bauzeit in einem unerwarteten Maße, nämlich um 15 % gestiegen; außerdem habe sie an alle Arbeiter der Baustelle Auslö sungen in Höhe von 20 % der Lohnkosten zahlen müssen. Der BGH hat die Anpassung des Vertrages nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage abgelehnt und dies im Kern wie folgt begründet: Wer, wie die Klägerin zu Einheitsfestpreisen abgeschlossen habe, sei sich bewusst gewesen, ein großes Risiko durch Preis– und Lohnsteigerungen während der ziemlich langen Bauzeit auf sich zu nehmen; wer ein solches Risiko durch die Vereinbarung von Festpreisen eingehe, könne nur ganz ausnahmsweise von den Festpre isen loskommen. Dies könne jedoch nicht schon deshalb ermöglicht werden, weil die Durchführung des Vertrages zu den vereinbarten Preisen statt des erhofften Gewinns einen Verlust bringe.

Fall nach BGH, BauR 1972, 118: Im konkreten Fall ging es um die Änderung einer Bauausführung in einem Pauschalvertrag mit "Pauschalfestpreisen". Der BGH ging auch hier davon aus, dass der Unternehmer mit dem Abschluss eines solchen Vertrages ein Risiko bewusst eingehe; allerdings sei das von ihm zu tragende Risiko mit Rücksicht auf Treu und Glauben nicht unbegrenzt. Nach Ansicht des BGH hat die Änderung der Bauausführung nicht grundsätzlich zur Folge, dass eine getroffene Pauschalvereinbarung überhaupt nicht mehr anwendbar wäre; etwas anderes müsse aber dann gelten, wenn der geplante Bau in wesentlichem Umfang anders als ursprünglich vorgesehen errichtet werde und es dadurch zu erheblichen Veränderungen des Leistungsinhalts nach dem geschlossenen Pauschalvertrag komme .

Fall ( nach BeckRS 1970, 31122864): 1970 hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, in dem die Vertragsparteien ein Ausfallrisiko von 20 % errechnet und ausgehandelt hatten; tatsächlich betrug der Ausfall jedoch 50 % und lag damit völlig außerhalb der von beiden Teilen erwarteten Entwicklung. Der BGH hat in der E rwartung eines Ausfalls in Höhe von 20 % eine Geschäftsgrundlage des Vertrages gesehen und zugleich festgestellt, dass es sich bei der Übernahme des Ausfallrisikos nicht um ein echtes Risikogeschäft handele, das eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage verwehre. Der BGH hat dahingehend entschieden, dass nach den übereinstimmenden Vorstellungen beider Parteien bei Vertragsschluss lediglich ein klar umgrenztes, voraussehbares Risiko übernommen werden sollte; in derartigen Fällen sei die betroffene Vertragspartei nicht gehindert, sich unter Bezugnahme auf Umstände, die außerhalb des vorhersehbaren Verlaufs der Dinge und damit des bewusst übernommenen Risikos liegen, auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen. Diese Beispiele machen deutlich, dass nur ganz ausnahmsweise eine die Opfergrenze überschreitende Äquivalenzstörung vorliegt, die zu einer Anpassung des Vertrages führen muss.

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen 5. Verhältnis zu §§ 119 ff. und §§ 4 34 ff. a) Anfechtung Liegt ein einseitige r Irrtum vor, so haben §§ 119 ff. als spez iellere Regelungen Vorrang. Umstritten ist dies allerdings, wenn ein beidseitiger Irrtum vorliegt, also beispielsweise ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft, weshalb beide Par-teien ein Interesse daran hätten, an dem Vertrag in der Form nicht mehr festzuhalten. Eine Ansicht sieht auch in dem Fall die Anfechtungsregeln für anwendbar: Derjenige von den Vertragsparteien, der ein Interesse daran hat, den Vertrag „aufzuheben“, solle die Anfechtung erklären. Zwar könne er zu einem Ersatz des Vertrau ensschadens aus § 122 verpflichtet werden, dies müsse er für sich abwägen und so die Entschei-dung über die Anfechtung treffen. Dass eine Aufhebung des Vertrags im beiderseiti-gen Interesse ist, aber die Erklärung der Anfechtung vom Zufall abhänge und damit unbillig sei, treffe nicht zu, da diejenige Vertragspartei, die ein besonderes Interesse an der Vertragsaufhebung habe, damit rechnen und es Kauf nehmen müsse, ggf. einen Vertrauensschaden zu ersetzen. Zum Teil wird vertreten, dass § 313 Abs. 2 als lex spe cialis anzusehen sei und damit Anwendung finde: In dem Falle, dass beide Vertragsparteien die einem Irrtum unterliegen, sei es nicht zielführend, darauf zu warten, welche der Parteien anfechtet und sich möglicherweise ersatzpflichtig macht, zumal dies zu einem „unendlichen „ War-ten führen kann, wenn beide Parteien sich über das Risiko der Ersatzpflicht bewusst sind. Der Gesetzgeber hat in § 313 Abs. 2 BGB eine Regelung geschaffen, die genau auf diese Situation zutrifft. b) Sachmängelgewährleistung Die wicht igste Konkurrenz besteht zwischen § 313 und der Anwendung der §§ 434 ff. Soweit es sich um Fehler oder Eigenschaften des Kaufobjektes handelt, ist eine Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ausge-schlossen, weil die §§ 434 ff. ein e abgeschlossene Sonderregelung darstellen. Die Sachmängelvorschriften der §§ 434 ff. gewährleisten einen sachgerechten Ausgleich der sich gegenüberstehenden Interessen der am Kaufvertrag Beteiligten; sie bestimmen und begrenzen die Haftung des Verkäufers. Fall (nach BGH NJW 1981, 1551 ff.): E, der ein ihm gehörendes Mietshaus verkaufen wollte, kam aufgrund eines Zeitungsinserats mit dem Kaufinteressenten I in Kontakt. Beide kamen überein, dass der Kaufpreis für das Objekt dem 11– fachen der jährlichen Miete innahmen entsprechen sollte. Unter Aushändigung von Mietabrechnungen teilt E dem I mit, die Jahresmiete betrage € 72.000,--. Auf dieser Basis wurde der Kaufpreis mit € 780.000,-- festgesetzt. Nach Abschluss eines entsprechenden notariellen Grundstückskaufv ertrages stellt E fest, dass die jährlichen Mieteinnahmen € 90.000,-- betragen. E möchte deshalb von I € 990.000,-- als Kaufpreis verlangen.

_________________________________________________ 91 Siehe in der KE § 14 II Nr. 2 d)

Die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen Lösung: E könnte gegen I einen Anspruch auf Zahlung von € 990.000, -- gemäß § 433 Abs. haben. Dann müsste zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zu diese m Preis zustande gekommen sein. Der notarielle Kaufvertrag weist als Kaufpreis lediglich € 780.000,-- aus. Bevor die Frage erörtert wird, ob eine Vertragsanpassung unter Erhöhung des Kaufpreises von € 780.000,-- auf € 990.000,-- nach § 313 möglich ist, muss durch Auslegung festgestellt werden, ob nicht bereits ein Vertrag mit einer entsprechenden Kauf-preisabrede geschlossen worden ist. Man könnte daran denken, dass die Berechnungsgrundlage (11– fache Jahresmiete) selbst Vertragsinhalt geworden ist. Dann wäre der korrekte Kaufpreis von € 990.000,-- vereinbart worden, und die Angabe von € 395.000,-- im Vertrag wäre lediglich eine falsche Bezeichnung für das in unschädlich ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Grundstückskaufvertrag entsprechend § 311 b Abs. 1 S. 1 in notarieller Form abgeschlossen worden ist. Da der Zweck der Formvorschrift auch darin besteht, dem Käufer die finanziellen Folgen des Geschäfts vor Augen zu halten, verbietet es sich, den Kaufpreis aufgrund nicht beurkundeter Umstände zu ermitteln. Eine nachträgliche Vertragsanpassung wäre jedoch möglich, wenn die Preiskalkulation zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag erhoben worden wäre. An einer gemeinsamen Geschäftsgrundlage fehlt es jedoch dann, wenn das Risiko einer Fehlvorstellung nach Sinn und Zweck der Vereinbarung nur eine Partei treffen soll. Beim Kaufvertrag als reinem Austauschvertrag will der Käufer regelmäßig das Risiko einer fehlerhaften Preiskalkulation nicht übernehmen, auch dann nicht, wenn sie ihm seitens des Ver käufers offengelegt wurde. Er kauft typischerweise, wenn und soweit ihm der Kaufpreis ang emessen erscheint. Deshalb ist beim Kaufvertrag die offen gelegte Preiskalkulation nicht als Ge-schäftsgrundlage zu betrachten, sofern nicht weitere besondere Umstände dazu zwingen. Da solche besonderen Umstände nicht ersichtlich sind, ist eine Vertragsanp assung ausgeschlossen. E kann von I nur den ursprünglichen Kaufpreis von € 780.000,-- verlangen. Wichtige Entscheidungen: RGZ 89, 29, BGH NJW 2001, 284, BGH NJW RR 2022 BGHZ 88, 240, 245 f . BGHZ 91, 324, 331 f . BGHZ 121, 378, 393 f . BGH NJW 2018, 150. _________________________________________________ 92 JOHN, JuS 1983, 176, 177. 93 BGH NJW 1981, 1551,

Teilnichtigkeit und Umdeutung von Rechtsgeschäften § 15 Teilnichtigkeit und Umdeutung von Rechtsgeschäften Schrifttum: EISENHARDT , Die Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts und die Überwindung des Abstraktionsprinzips, JZ 1991, 271 ff.; G ÖTZ, Rechtsfolgen des teilweisen Verstoßes einer Klausel gegen das AGB -Gesetz, NJW 1978, 2223 ff.; H OFFMANN , Die Teilbarkeit von Schuldverträgen, JuS 2017, 1045; J AUERNIG , Trennungsprinzip und Abstraktionsprinzip, JuS 1994, 721 ff.; K ÖHLER , Einschränkungen der Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, JuS 2010, 665; PETER, Grundsätze der Teilan fechtung unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Mehrpersonenverhältnis, JURA 2014, 1 ; PETERSEN , Die Bestätigung des nichtigen und anfechtbaren Rechtsgeschäfts, JURA 2008, 666; PETERSEN , Die Teilnichtigkeit, JURA 2010, 419; REGENFUS , Die Rechtsfolgen der Bestätigung: Herstellung des gebotenen Einklangs durch Gesetzesauslegung oder durch Auslegung des konkludenten Erklärungsverhaltens, JURA 2016, 1089 ; SCHLÜTER , Durchbrechung des Abstraktionsprinzips über § 139 BGB und Heilung eines formnichtigen Erbteilskaufs durch Erfüllung, JuS 1969, 10 ff.; S CHMIDT , Teil - oder Totalnichtigkeit angreifbarer AGB -Klauseln?, JA 1980, 401 ff.; S ONNENSCHEIN , Inhaltskontrolle von Formularverträgen nach dem AGB- Gesetz, NJW 1980, 1713 ff.; T IEDTKE , Sicherungsabtretung beim Fehlen des zu sichernden Anspruchs, DB 1982, 1709 ff.

  • ob das Rechtsgeschäft teilbar ist
  • und welchen Willen die Parteien hatten.

Teilnichtigkeit und Umdeutung von Rechtsgeschäften

2. Die Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts Eine Teilnichtigkeit kann nur unter der Voraussetzung angenommen werden, dass nach Abtrennung des unwirksamen Teils ein Rest bleibt, der als selbständiges Rechtsgeschäft b estehen kann. Die Teilbarkeit kann eine objektive, quantitative und subjektive sein. Objektive Teilbarkeit bedeutet: das Geschäft sieht mehrere Hauptleistungsgegenstände einer Partei vor und die Gegenleistung ist dieser Mehrheit entsprechend aufteilbar.94 Quantitative Teilbarkeit kommt in erster Linie bei Dauerschuldverhältnissen vor, wenn deren Leistungsgegenstand auf der zeitlichen Ebene bemessen und als nach Zeitabschnitten teilbar angesehen wird, 95 wie das z.B. bei Pachtverträgen von Gaststätten, die an einen Bierlieferungsvertrag gekoppelt sind, der Fall ist. Von subjektiver Teilbarkeit spricht man, wenn auf einer Seite mehrere Personen beteiligt sind,96 so dass die Teilung in der Weise erfolgen kann, dass das Rechtsgeschäft nur gegenüber einem Beteiligten nichtig ist und gegenüber den anderen Beteiligten wirksam bleibt. 3. Parteiwille und Auslegung § 139 stellt bei der Nichtigkeit eines Teiles des Rechtsgeschäftes im Hinblick auf den Bestand des Restes auf den hypothetischen Parteiwillen ab. Es muss – bezogen auf den Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses – ein auf die Geltung des Rechtsgeschäfts gerichteter Parteiwille zu bejahen sein. Ob dieser Wille vorhanden war, ist durch Auslegung zu ermitteln.97 Enthält ein Vertrag für den Fall der Teilnichtigkeit keine Regelung, so ist eine Lücke vorhanden, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Es ist _________________________________________________ 94 STAUDINGER /ROTH, § 139 Rn. 64. 95 STAUDINGER /ROTH, § 139 Rn. 68. 96 STAUDINGER /ROTH, § 139, Rn. 65 . 97 BROX/WALKER , § 15 Rn. 6 ff ; STADLER § 27 Rn. 5 . Einheitliches Rechtsgeschäft Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig Auslegung, ob anderer Teil gültig bleibt im Zweifel: §139 nichtig

Teilnichtigkeit un d Umdeutung von Rechtsgeschäften deshalb zu ermitteln, was die Parteien vernünftigerweise und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie des Vertragszwecks gewollt haben würden. Für ein Fortbestehen kann insbesondere sprechen, wenn nur ein geringfügiger Teil des Geschäftes nichtig ist und der für die Beteiligten im Vordergrund stehende über-wiegende Teil nicht betroffen ist .

Beispiel: In einem umfangreichen Pachtvertrag verstößt nur die Vereinbarung über den Pachtzins gegen die guten Sitten (§ 138). Nun muss entschieden werden, ob der gesamte Vertrag nichtig ist oder nur die Vereinbarung über den Pacht-zins, der Vertrag im Übrigen aber wirksam ist. Die Vereinbarung über den Pacht zins ist bei einem Pachtvertrag ein wesentlicher Vertragsbestandteil . Da ohne die Pachtzinsabrede ein Pachtvertrag rechtlich nicht möglich ist (vgl. § 581), ist das Rechtsgeschäft nicht teilbar. Bereits aufgrund der mangelnden Teilbarkeit ist der gesamte V ertrag daher nichtig. 4. Die Möglichkeit, mehrere Rechtsgeschäfte aufgrund des Parteiwillens zu einer Einheit zusammenzufassen Die Anwendung des § 139 setzt voraus, dass die Teilnichtigkeit ein einheitliches Rechtsgeschäft betrifft. In der Praxis kommt es vor, dass Parteien mehrere Verträge abschließen, die in einem Zusammenhang stehen. Ist einer dieser Verträge nichtig (etwa wegen Formmangels oder durch wirksame Anfechtung), so entsteht die Frage, ob die übrigen Verträge ebenfalls nichtig sind oder Bestand haben. Es handelt sich dabei um das Problem der Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts i.S. des § 139. Der BGH hat zwar stets auf die Beachtlichkeit des Willens aller am Vertrage Beteiligten abgestellt, es aber genügen lassen, dass der Einheitlichkeitswille des einen Vertragspartners dem anderen Partner erkennbar war und von ihm gebilligt oder mindestens hingenommen worden ist. Der BGH geht, anknüpfend an die Rechtsprechung des Reichsgericht s,101 in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein einheitliches Rec htsgeschäft i.S. des § 139 auch dann vorliegen kann, wenn es sich um eine Mehrheit von äußerlich getrennten, insbesondere in getrennten Urkunden niedergelegten Rechtsgeschäften handelt, die ver-schiedenen juristischen Geschäftstypen angehören können. Der BG H stellt allerdings stets auf den Einheitlichkeitswillen der Vertragsparteien ab. Von einem solchen kann nach seiner Auffassung dann ausgegangen werden, wenn "der Wille der Vertrags-parteien darauf gerichtet ist, dass die äußerlich getrennten Geschäfte miteinander stehen und fallen sollen". 102 Die Formulierung im Hinblick auf den Willen der Parteien, dass mehrere Rechtsgeschäfte "miteinander stehen und fallen sollen", hat der BGH _________________________________________________ 98 BROX/WALKER , § 15 Rn. 8 . 99 STADLER , § 27 Rn. 3 . 100 So BGH LM Nr. 46 zu § 139 BGB; BGHZ 76, 43, 49; 78, 346, 349; BGH NJW 1995, 1668 . 101 BGH LM Nr. 46 zu § 139 BGB; BGHZ 76, 43, 49 ; 78, 346, 349 ; BGH NJW 1995, 1668 . 102 So BGH LM Nr. 34 zu § 139 BGB = MDR 1966, 749.

  • aus den gesamten, durch die Verträge deutlich gewordenen Interessen der Parteien;
  • daraus, dass im Rahmen der gesamten vertraglichen Vereinbarungen einem
  • aus Verknüpfungen der verschiedenen Verträge miteinander durch diesem Zweck dienende rechtsgeschäftliche Bedingungen und andere Bezugnahmen.

Teilnichtigkeit und Umdeutung von Rechtsgeschäften Eine nicht unbeachtliche Anzahl von Autoren hält es für ausgeschlossen, Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäft durch einen entsprechenden Willen der Parteien zu einer Einheit zu verbinden. Es wird die Ansicht112 vertreten, dass der Gesetzgeber des BGB sich nun einmal für die Trennung des Erfüllungsgeschäfte s vom Grundgeschäft und für den grundsätzlich "abstrakten" Charakter des dinglichen Geschäfts entschie-den habe; es gehe nicht an, diese gesetzgeberische Entscheidung mit Hilfe des § 139, der dafür nicht bestimmt sei, wieder aus den Angeln zu heben. Festzuhalten ist jedenfalls, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere der BGH 113, dem Abstraktionsprinzip keinen Vorrang vor der Privatautonomie, dem Parteiwillen, eingeräumt hat und durchgehend die Ansicht vertritt, dass Grund– und Erfüllungsgeschäft durch den Parteiwillen zu einer Einheit zusammengefasst werden können. Dies soll allerdings nicht in Bezug auf das Verhältnis zwischen Grundgeschäft und Auflassung bei Grundstücksgeschäften gelten. Dem Gesetz lässt sich ein Vorrang des Abstraktionsprinzips im Verhältnis zum Parteiwillen nicht entnehmen. Unumstritten ist, dass die Parteien Grund– und Erfüllungsgeschäft durch Vereinbarung einer Bedingung zusammenfassen können. Deshalb dürfte dem Parteiwillen grundsätzlich der Vorrang gebühren. Daher sollen die Parteien sogar die Möglichkeit haben , Verpflichtungs– und Verfügungsgeschäft durch einen entsprechenden Einheitlichkei tswillen zu einer Einheit zusammenzufassen. Bei der Feststellung eines solchen Wille ns im Einzelfall ist aber Zurückhaltung geboten; denn typischerweise ist den Parteien die gesetzliche Entscheidung für das Abstrakti-onsprinzip durchaus bewusst . Wollen die Parteien gleichwohl das Grund- und das Erfüllungsgeschäft zusammenfassen, so müssen sie dies in ihrer Vereinbarung sehr klar zum Ausdruck bringen. Da die Anforderungen an eine Zusammenfassung sehr hoch sind, ist dieses Problem auch nicht von hoher praktischer Relevanz. 6. Das Problem der Fehleridentität Aufgrund des Abstraktionsprinzips ist das Verfügungsgeschäft nicht allein deshalb nichtig, weil das Verpflichtungsgeschäft nichtig ist. Allerdings darf das Abstraktionsprinzip nicht dahingehend missverstanden werden, als wolle es die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäftes unter allen Umständen gewährleisten . 114 Daher wirkt sich das Abstraktionsprinzip nicht aus, wenn derselbe Unwirksamkeitsgrund sowohl das Ver-pflichtungs– als auch das Verfügungsgeschäft betrifft. Man spricht in diesen Fällen von Fehleridentität . Gemeint ist damit: derselbe Anfechtungs– oder Nichtigkeitsgrund, der das Verpflichtungsgeschäft anfechtbar oder unwirksam macht, haftet auch dem Verfügungsgeschäft an. 115 Deshalb – und nicht wegen einer Durchbrechung des Abstraktionsprinzips – ist auch das Verfügungsgeschäft anfechtbar oder nichtig.116 _________________________________________________ 112 U.a. F LUME, § 12 III 4; W OLF/NEUNER , § 41 Rn. 139. 113 BGH NJW 1979, 1495; NJW 1985, 3006 ; NJW 1982, 275, 276. 114 WELLENHOFER , SachenR, § 6. Allgemeine Grundsätze des Verfügungsgeschäfts Rn. 7 ; , BGB AT, Rn. 57 . 115 BROX/WALKER , § 18 Rn. 41 . 116 MünchKo mm/A RMBRÜSTER , BGB § 119 Rn. 159 .

Teilnichtigkeit und Umdeutung von Rechtsgeschäften

  • Fehlende Geschäftsfähigkeit: Sie wirkt sich grundsätzlich auf das Verpflichtungsgeschäft und das Verfügungsgeschäft aus. Fallen diese zeitlich auseinander, muss geprüft werden, ob zum Zeitpunkt der Vornahme des Verfügungsgeschäftes die Geschäftsunfähigkeit noch vorliegt. Beachte aber: die
  • Verstoß gegen ein Verbotsgesetz § 134: In der Regel ist nur das Verpflichtungsgeschäft nichtig, außer der Zweck des Verbotsgesetz es liegt gerade darin, den dinglichen Rechtsübergang verhindern zu wollen (z.B. Verfügungsgeschäfte beim Drogenhandel § 29 Abs. 1 BtMG ).
  • Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1: Wenn das Verpflichtungsgeschäft
  • In den Fällen des Erklärungs– und des Inhalts irrtums dürfte der Irrtum regelmäßig auf das Verpflichtungsgeschäft beschränkt sein, so dass nur dieses
  • Eigenschaftsirrtum
  • Übereignungserklärung bei Kenntnis des Irrtums überhaupt nicht abgegeben: Sofern die Übereignungserklärung mit der Eigenschaft, über die sich geirrt wurde „steht und fällt“, so ist der Irrtum auch für § 929 S. 1 kausal.
  • Übereignung nur zu anderer Gegenleistung: Hätte der Verkäufer das Bild bei Kenntnis des wahren Malers nur zu einem wesentlich höheren Kaufpreis
  • Zeitliche Perspektive: Nach einer anderen Auffassung wird danach unterschieden, inwiefern Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zeitlich zusammenfallen. Liegt dazwischen z.B. ein größerer Zeitraum, so könne nicht mehr

Die Anfechtung setzt als Gestaltungsrecht eine ordnungs gemäße Anfechtungserklärung gem. § 143 I voraus. So könnte man auf die Idee kommen, dass der Anfechtende gerade nur diejenige Erklärung anfechten möchte, die er auch in seiner Erklärung ausdrücklich benennt, meistens den Kaufvertrag. Allerdings ist üblich die Erklärung nach dem wirklichen Willen des Anfechtenden gem. §§ 133, 157 auszulegen, sodass die Anfechtung des Verfügungsgeschäftes wohl miterklärt wurde.

_________________________________________________ 121 HAFERKAMP , JURA 1998, 511, 513 . 122 MEIER/JOCHAM , JUS 2021, 494; FAUST, BGB AT § 19 Rn. 16 ff. ; STADLER , BGB AT, Rn. 60 ; GRIGOLEIT , AcP 199 (1999), 379 (396 ff.); BORK, BGB AT Rn. 482, 921; WESTERMANN /STAUDINGER , BGB-Sachenrecht, § 1 Einführung, Rn. 13. 123 MünchKomm/ ARMBRÜSTER , BGB § 119 Rn. 159 . 124 RGZ 66, 385, 389 f. ; STADLER , BGB AT, Rn. 60 . Kaufvertrag Irrtum über Maler § 119 II Übereignung Fehleridentität? Eigentumsübertragung zur Erfüllung des Kaufvertrages

  • Fehleridentität wird nicht angenommen, das Verfügungsgeschäft ist wirksam. Der Käufer wurde Eigentümer des Bildes. Der Verkäufer hat gegen den
  • Fehleridentität wird angenommen, das Verfügungsgeschäft ist ebenfalls unwirksam . Der Verkäufer hat sein Eigentum an dem Bild nicht verloren. Der
  • Bleibt der V wegen Anfechtbarkeit der Übereignung Eigentümer und gegen
  • Der Anfechtungsgegner (K1) hat das Bild schon an den Dritten (K2) weiterveräußert.

Teilnichtigkeit und Umdeutung von Rechtsgeschäften o Ist auch die dingliche Übereignung anfechtbar, so kommt es gem. § 932 auf den guten Glauben des K2 an, ob dieser Eigentum erwerben kann. Merke: In der Klausur sind mit ausreichender Argumentation beide Ergebnisse vertretbar. In höheren Semestern (insb. im Sachenrecht) sollte die Entscheidung davon abhängen, ob im Sachverhalt angelegte Prüfungspunkte abgeschnitten werden, beispielsweise die Schadensersatzansprüche bei Weiterveräußerung des Gegenstandes. Zur Vermeidung eines Hilfsgutachtens sollte dann die Fehleridentität ver neint werden.

  • In den Fällen der arglistigen Täuschung und der widerrechtlichen Dro-hung gem. § 123 I liegt häufig, aber nicht notwendigerweise Fehleridentität

7. Die Sonderregelung in § 306 für Allgemeine Geschäftsbedingun-gen Für den Anwendungsbereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen enthält § 306 eine Sonderregelung. Abweichend von § 139 sieht § 306 die grundsätzliche Wirksamkeit d er restlichen Vertragsbestandteile vor, obwohl durch den ganzen oder teilweisen Ausfall der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Lücken im Vertragswerk entstehen. Gemäß § 306 Abs. sind diese Lücken durch die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zu füllen. Eine Einschränkung macht nur § 306 Abs. 3 . Nach dieser Vorschrift ist ausnahmsweise der Gesamtvertrag nichtig, wenn ein Festhalten am Vertrag für eine Partei eine unzumutbare Härte darstellen würde. Der wesentliche Unterschied zwischen § 139 und § 306 besteht darin, dass, soweit nicht § 306 Abs. 3 eingreift, der Vertrag im Zweifel unabhängig vom Willen der Parteien fortbesteht, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen insgesamt oder teilweise unwirksam sind. Beispiel: Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der Verkäufer eines Neuwagens verwendet, werden bei Abschluss eines Vertrages mit einem Käufer Vertragsinhalt. Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten unter anderem die Bestimmung, dass bei Erhöhung der Stahlpreise um mehr als 2 % bis zur Lieferun g des Fahrzeuges in drei Monaten der Preis des Wagens sich entsprechend erhöht. Die Klausel ist gemäß § 309 Nr. 1 unwirksam. Der Verkäufer kann sich aber nicht auf den Standpunkt stellen, ohne die Klausel hätte er den Vertrag gar nicht abge-schlossen, so dass der Vertrag insgesamt gemäß § 139 nichtig sei, denn § 139 ist hier durch § 306 ausgeschlossen. Unabhängig von der Erhöhung der Materialpreise muss der Verkäufer dem Käufer das Fahrzeug daher zum ursprünglich vereinbarten Kaufpreis liefern. _________________________________________________ 125 BeckOGK/ BEURSKEN s, BGB § 142 Rn. 40 .

Teilnichtigkeit und Umdeutung von Rechtsgeschäften Früher gab es in der Literatur Streit über die Frage, ob bei einem teilweisen Verstoß einer AGB –Klausel gegen die §§ 307 ff. von der Gesamtnichtigkeit dieser AGB –Klausel 126 oder lediglich von deren Teilnichtigkeit 127 ausgegangen werden muss. § hat diese Frage entschieden: hiernach bleibt bei Unwirksamkeit eines Teils der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der übrige Teil wirksam. Ist eine einzelne AGB– Bestimmung oder Formularklausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll trennbar in einen inhaltlich zulässigen und in einen unzulässigen Rege-lungsteil ("blue-pencil-test") , so ist nach Auffassung des BGH 128die Aufrechterhaltung des zulässigen Teils rechtlich unbedenklich und möglich. Beispielsweise sieht eine sog. doppelte oder zweistufige Verfallklausel vor, dass ein Anspruch verfällt, wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist nach Fälligkeit geltend gemacht und im Falle einer Ablehnung innerhalb einer weiteren Frist eingeklagt wird. Falls nur die zweite Frist (Klagefrist) zu kurz bemessen und des halb wegen unangemessener Benachteiligung gem. § 307 I 1 unwirksam ist, bleibt die Klausel hinsichtlich der ersten Frist (Geltendmachungsfrist) wirksam. 129 Der unwirksame Teil kann also „Herausgestrichen“ werden und die Klausel bleibt an sich verständlich und sinnvoll.

Eine solche Aufteilung einer Klausel in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil hat nichts zu tun mit dem von der Rechtsprechung entwickelten "Verbot der gel-tungserhaltenden Reduktion" . 130 Dieses Verbot bedeutet: Es ist nicht möglich, eine unwirksame Klausel durch richterliche Umgestaltung auf einen noch zulässigen Inhalt zurückzuführen. Andernfalls würde dem Zweck des Gesetzes, den Vertragspartner des Verwenders vor unbilligen Klauseln zu schützen, zuwidergehandelt; denn der Verwender könnte bei der Aufstellung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen über die Grenzen des Zulässigen hinausgehen, ohne mehr befürchten zu müssen, als dass ein Gericht die Benachteiligung seines Geschäftspartners auf ein gerade noch zulässiges Maß zurückführen wird. 131 Beispielsweise verpflichtet sich der Mieter zu regelmäßigen Schönheitsreparaturen, eine solche Klausel ist aber nur bei eindeutiger Erforderlichkeit der Renovierung oder jahrzehntelanger Nutzung zulässig. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verhindert, dass anstelle der unzulässigen Regelung ein gerade noch zulässiger Inhalt angenommen wird. Damit entfällt die gesamte Klausel.

Teilnichtigkeit und Umdeutung von Rechtsgeschäften In § 306 ist nicht ausdrücklich geregelt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Lücke , die durch den W egfall der gegen §§ 307 ff. verstoßenden Klausel entsteht, durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden kann. Es ist die Frage zu stellen, ob die §§ 133, 157 zu den „gesetzlichen Vorschriften“ i.S.d. § 306 II zählen. Der BGH 133 hat sich in dieser heftig umstrittenen Frage deutlich für eine ergänzende Vertragsauslegung ausgesprochen. Er betont, bei den Vorschriften der §§ 157, 133, in denen die ergänzende Vertragsauslegung ihre Grundlage habe, handele es sich um "gesetzliche Vorschriften" i.S. des § 306 Abs. 2 n.F. (§ Abs. 2 AGBG a.F.); der Wortlaut des § 306 Abs. 2 biete keinen Anhaltspunkt dafür, den Begriff der "gesetzlichen Vorschrift" auf Normen mit "sachlichem Regelungsgehalt" zu beschränken und "methodische Vorschriften" auszugrenzen.134 Die Gr enze zur nicht zulässigen geltungserhaltenden Reduktion dürfte kaum noch zu ziehen sein.135 II. Die Umdeutung (§ 140) 1. Überblick Neben § 139 bietet die Umdeutung (Konversion) eine weitere Möglichkeit, ein nichtiges Rechtsgeschäft aufrecht zu erhalten. § 140 ermöglicht es, den von den Parteien angestrebten wirtschaftlichen Erfolg eintreten zu lassen, wenn das von den Parteien gewählte Rechtsgeschäft nichtig ist, gleichzeitig aber den Voraussetzungen eines anderen Rechtsgeschäftes Genüge getan wird. Stets geht die Auslegung der Umdeutung i.S. des § 140 vor. Erst wenn eine Auslegung gemäß §§ 133, 157 nicht zu einem Erfolg geführt hat, kann, falls Nichtigkeit vorliegt, der Versuch einer Umdeutung unternommen werden. 2. Die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts Die Umdeutung setzt voraus, dass das Rechtsgeschäft, um das es geht, nichtig ist. Die Nichtigkeit kann von vornherein bestehen; sie kann aber auch später – z.B. durch Anfechtung mit der Rechtsfolge aus § 142 – herbeigeführt werden . 136 Ein bislang schwebend unwir ksames Recht sgeschäft ist jedenfalls dann der Umdeutung fähig, wenn es durch Verweigerung der Genehmigung endgültig unwirksam geworden ist.137

Teilnichtigkeit und Umdeutung von Rechtsgeschäften 3. Die weiteren Voraussetzungen Die Umdeutung eines nichtigen Rechtsgeschäfts setzt zunächst einmal die Feststellung darüber voraus, was die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 138 bei Kenntnis der Nichtigkeit vereinbart hätten (= Feststellung des mutmaßlichen Partei-willens ). Dabei ist auf die von den Parteien verfolgten Zwecke unter Berücksichtigung ihrer beiderseitigen Inte ressenlage abzustellen. Bei der Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens handelt es sich um die Feststellung dessen, was die Parteien gewollt hätten, wenn sie die Nichtigkeit des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts gekannt hätten. Von einem solchen mutmaßlichen Parteiwillen wird in der Regel auszugehen sein, wenn "durch das andere Rechtsgeschäft derselbe wirt-schaftliche Erfolg erreicht wird wie durch das nichtige Rechtsgeschäft, da im allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass es den Parteien als vernünftig denkenden Menschen beim Vertragsabschluss auf den von ihnen angestrebten wirtschaftlichen Erfolg angekommen ist". Die Umdeutung des nichtigen Geschäfts in ein anderes Geschäft setzt voraus, dass alle Bestandteile des anderen Geschäfts vorhanden sind, das nichtige Geschäft also die Bestandteile des Geschäfts, in das die Umdeutung erfolgt, "in sich schließt"; denn die Umdeutung darf nicht dazu führen, dass an die Stelle des nichtigen Geschäfts ein solches gesetzt wird, das über den Erfolg des ursprünglich gewollten hinausgeht.141 Nicht jedes nichtige Rechtsgeschäft ist der Umdeutung fähig, wenn ein entsprechender mutmaßlicher Parteiwille ermittelt worden ist. Problematisch ist vor allem die Umdeutung solcher Rechtsgeschäfte, die gemäß § 138 sittenwidrig und damit nichtig sind.142 Hierbei ist darauf abzustellen , dass sich der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegen den Gesamtinhalt des betreffenden Rechtsgeschäfts richtet, nicht aber nur gegen die Rechtsform, die die Parteien gewählt haben. 143 Soll aber das – "sittlic h" zu missbilligende – wirtschaftliche Ziel mit Hilfe der Umdeutung gemäß § 140 ohne Veränderung des Inhalts lediglich über eine Änderung des rechtlichen Weges erreicht werden, so steht dies im Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 138. Solange die gegen § 1 verstoßende wirtschaftliche Zielsetzung des Geschäftes nicht geändert wird, entzieht es sich also einer Umdeutung gemäß § 140. Beispiel: Ein Mietvertrag über Wohnraum ist grundsätzlich nur unter Einhaltung bestimmter Kündigungsfristen (vgl. § 573c ) kündbar. Nur in wenigen im Gesetz genau geregelten Ausnahmefällen ist eine fristlose Kündigung möglich (vgl. §§ 543, 569). Kündigt der Vermieter seinem Mieter ohne Einhaltung der Frist, obwohl ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben ist, so ist die Kündigung w egen Verstoßes gegen § 573c nichtig. Allerdings ist diese Kündigung gemäß § 140 in eine fristgemäße Kündigung umzudeuten, wenn feststeht, dass der Vermieter das Mietverhältnis auf jeden Fall beenden will, etwa weil er beabsichtigt, in die Woh-nung selbst ei nzuziehen. _________________________________________________ 138 BROX/WALKER , § 15 Rn. 17 . 139 BGH NJW 1980, 2517 f . 140 BGHZ 19, 269, 273 . 141 BROX/WALKER , § 15 Rn. 1 5. 142 für eine Umdeutungsfähigkeit auch sittenwidriger Geschäfte u.a. MünchKomm /BUSCHE , BGB § Rn. 13. 143 BGHZ 68, 204, 206 . 144 BGHZ 68, 204, 206 f.

Teilnichtigkeit und Umdeutung von Rechtsgeschäften III. Die Bestätigung (§ 141) In § 141 Abs. 1 wird die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts als dessen Neuvornahme fingiert . Die Bestätigung setzt ein nichtiges Rechtsgeschäft voraus. Bei einem lediglich anfechtbaren Rechtsgeschäft hat die Best ätigung nach § 144 Vorrang, wonach der Anfechtungsberechtigte lediglich auf sein Anfechtungsrecht verzichtet. Die Heilung eines unwirksamen Rechtsgeschäfts durch Erfüllung ist ebenfalls streng von der Bestätigung nach § 141 zu trennen. Mit der Bestätigung nicht zu verwechseln ist schließlich die Genehmigung eines schwebend unwirksamen Vertrages, zB § 108.145 Die Bestätigung gemäß § 141 setzt weiter einen Bestätigungswillen und dessen Äußerung voraus. Die Erklärung der Bestätigung kann ausdrücklich, aber auch durch schlüssiges (konkludentes) Verhalten erfolgen.146 Wenn diejenigen, die einen nichtigen Vertrag geschlossen haben, in Kenntnis der Nichtigkeit gleichwohl ihre vertragli-chen Pflichten erfüllen, so liegt darin im Zweifel die Bestätigung eines nichtigen Ve rtrages durch konkludentes Verhalten.

Beispiel: BWL–Student S gibt dem Gläubiger G mündlich ein Bürgschaftsversprechen für die Schulden des B . Kurze Zeit später schließt S sein Studium ab und gründet einen Verlag. Auf Nachfrage des G, ob er weiterhin zu seinem Bürgschaftsversprechen stehe, bejaht S dies. Das von S als Student abgegebene Bürgschaftsversprechen war, weil es nur mündlich erfolgte, gemäß §§ 766 S. 1, 125 nichtig. Die Bestätigung des Bürgschaftsversprechens durch B erfolgte, als er einen Verlag betrieb. In dieser Funktion ist S gemäß § Abs. 2 HGB Kaufmann. Er durfte deshalb nach § 350 HGB ein mündliches Bürgschaftsversprechen abgeben. Durch die Bestätigung des Bürgschaftsversprechens ist dieses nunmehr gemäß § 141 BGB wirksam geworden. Die Bes tätigung entfaltet keine Rückwirkung. Das bestätigte Rechtsgeschäft ist erst vom Zeitpunkt seiner Bestätigung an voll wirksam. Allerdings schafft § 141 Abs. 2 für die Beteiligten eine beschränkte schuldrechtliche Rückbeziehung: Sie müssen einander das gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre.

Wichtige Entscheidungen: BGHZ 112, 376, 378 f . BGHZ 115, 324, 326 f . BGHZ 120, 108, BGH NJW 2003, 51 .

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Rechts­ wissenschaftliche FakultätStudium Rechtswissenschaft Prof. Dr. Sebastian Kubis Prof. Dr. Ulrich Eisenhardt Unter Mitarbeit von Abdussamed Nazik und Pia Höhne Kurs 55101 Das Rechtsgeschäft und die Instrumente des Privatrechts Kurseinheit

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Der Inhalt dieses Studienbriefs wird gedruckt auf Recyclingpapier (80 g/m2, weiß), hergestellt aus 100 % Altpapier.

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis .................................................................................................. § 16 Die Stellvertretung ............................................................................... I. Überblick und Abgrenzung .................................................................. 1. Handeln für einen anderen ............................................................... 2. Unmittelbare und mittelbare Vertretung ........................................... II. Die gesetzliche Vertretung ................................................................. III. Die unmittelbare Stellvertretung ......................................................... 1. Begriff und Wirkung ...................................................................... 2. Das Offenkundigkeitsprinzip ........................................................... a) Der Regelfall ............................................................................... b) Die Sonderregelung in § 164 Abs. 2 ............................................ c) Ausnahmen vom Offenkundigkeitsprinzip ................................... d) Das Handeln unter fremdem Namen ........................................... 3. Die Wirkungen der Stellvertretung .................................................. 4. Willensmängel und ihre Folgen (§ 166) ........................................... a) Die Grundregel ........................................................................... b) Probleme der Wissenszurechnung: der „Wissensvertreter“ ........... 5. Die Erteilung der Vollmacht ............................................................ 6. Arten von Vollmachten ................................................................... 7. Der Umfang der Vollmacht und das Innenverhältnis ........................ 8. Das Erlöschen der durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht .......................................................................... a) Der Fristablauf ............................................................................ b) Die Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses und der Widerruf der Vollmacht ........................................................ c) Die postmortale Vollmacht .......................................................... d) Die Folgen des Erlöschens der Vollmacht ..................................... e) Erlöschen der Vollmacht durch Anfechtung ................................. 9. D uldungs – und Anscheinsvollmacht ................................................ a) Überblick .................................................................................... b) Die Duldungsvollmacht ............................................................... c) Die Anscheinsvollmacht .............................................................. d) Anfechtung der Anscheins – und Duldungsvollmacht ...................

IV. Das Insichgeschäft (§ 181) ................................................................. 1. Überblick ....................................................................................... 2. § 181 als formale Ordnungsvorschrift? ........................................... 3. Die Gestattung .............................................................................. 4. Die Erfüllung einer Verbindlichkeit .................................................. V. Die Vertretung ohne Vertretungsmacht bei einem Vertrag .................. 1. Möglichkeiten der Vertretung ohne Vertretungsmacht .................... 2. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Dritten ................................................................................... 3. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Vertreter ohne Vertretungsmacht und dem Dritten ................................................ a) Überblick ................................................................................... b) Die Anwendung des § 179 bei Tätigwerden eines Untervertreters c) Die Inanspruchnahme des Vertreters beim Geschäft für den, den es angeht ....................................................................................... d) Der Anspruch aus § 179 Abs. 1 .................................................. e) Der Anspruch aus § 179 Abs. 2 .................................................. f) Der Ausschluss der Haftung nach § 179 Abs. 3 ........................... g) Verhältnis zu einem Anspruch aus C.I.C. ..................................... h) Die Anscheinsvollmacht und die Haftung aus § 179 .................... 4. Der Missbrauch der Vertretungsmacht ............................................ § 17 Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte ........................................... I. Überblick und Begriffsbestimmung .................................................... II. Die Wirkung der Genehmigung ......................................................... III. Die Verfügung eines Nichtberechtigten und die Zustimmung (§ 185) .. 1. Überblick ....................................................................................... 2. Wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten mit Zustimmung des Berechtigten ........................................................ 3. Wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten ohne Zustimmung des Bere chtigten ........................................................

IV. Die Ermächtigung .............................................................................. § 18 Die Bedingung .................................................................................. I. Der Begriff und die Wirkung der Bedingung ....................................... 1. Überblick ....................................................................................... 2. Die Potestativbedingung ................................................................

II. Arten der Bedingung ......................................................................... 1. Die aufschiebende Bedingung ........................................................ 2. Die auflösende Bedingung .............................................................. 3. Echte und unechte Bedingungen .................................................... 4. Bedingungsfeindliche Rechtsgeschäfte ............................................ III. Die Rechtslage während der Schwebezeit ........................................... IV. Die treuwidrige Einflussnahme auf Eintritt oder Ausfall der Bedingung (§ 162) .............................................................................................. § 19 Die Veräußerungsverbote (§§ 135 ff.)................................................. I. Überblick ........................................................................................... II. Gesetzliche und behördliche Veräußerungsverbote ............................. III. Rechtsgeschäftliche Veräußerungsverbote .......................................... Lösungen zu den Selbsttestaufgaben ................................................................

Die Stellvertretung § 16 Die Stellvertretung Schrifttum: BECK, Die Stellvertretung bei Namensähnlichkeit. JURA 2021, 276 ; BOSS, § 179 III S. 2 Hs. 2 BGB und der zu schützende Minderjährige, JURA 2022, 10; B ROX, Die Anfechtung bei der Stellvertretung, JA 1980, 449 ff.; BÜHLER , Grundsätze und ausgewählte Probleme der Haftung des ohne Vertretungsmacht Handelnden, MDR 1987, 985 ff.; FÖRSTER , Stellvertretung – Grundstruktur und neuere Entwicklungen, JURA 2010, 351; GERHARDT , Teilweise Unwirksamkeit beim Vertragsschluß durch falsus procuratur, JuS 1970, 326 ff.; U. HÜBNER , Grenzen der Zulässigkeit von Insichgeschäften, Jura 1981, 288 ff.; JAUß, Mängel des Zuordnungswillens beim (vermeintlichen) Stellvertreter, JURA 2020, 199; LIEB, Zum Handeln unter fremdem Namen, JuS 1967, 106 ff.; derselbe, Aufgedrängter Vertrauensschutz? Überlegungen zur Möglichkeit des Verzichts auf Rechtsscheinschutz, insbesondere bei der Anscheinsvoll-macht, in: FS Hübner, 1984, 575 ff.; L IEDER, Missbrauch der Vertretungsmacht und Kollusion, JuS 2014, 681. S. LORENZ , Grundwissen – Zivilrecht: Stellvertretung, JuS 2010, 382; K LINGBEIL , Stellvertretung als allgemeines Rechtsinstitut – Zu Theorie, Dogmatik und Reichweite des Repräsentationsprinzips, ZfPW 2020, 150; PAULUS , Stellvertretung und unternehmensbezogenes Geschäft, JuS 2017, 301, 399; PETERSEN , Das Offenkundigkeitsprinzip bei der Stellvertretung, JURA 2010, 187; PIOCH, Der minderjährige S tellvertreter, JA 2018, 815; R EINICKE /TIEDTKE , Das Erlöschen der Befreiung von dem Verbot der Vornahme von Insichgeschäften, WM 1988, 441 ff.; SIEBENHAAR , Vertreter des Vertreters, AcP 162 [1962], 354 ff.; ALTMEPPEN , In-sich-Geschäfte der Geschäftsführer i n der GmbH, NZG 2013, 401; HÜBNER , Grenzen der Zulässigkeit von Insichgeschäften, Jura 1981, 288 ff.; LIEDER, Missbrauch der Vertretungsmacht und Kollusion, JuS 2014, 681; PRÖLLS , Haftung bei der Vertretung ohne Vertretungsmacht, JuS 1986, 169 ff; RADTKE , Das Insichgeschäft (§ 181 BGB) , JuS 2023, 1005 .

I. Überblick und Abgrenzung 1. Handeln für einen anderen Sowohl im tatsächlichen als auch im rechtsgeschäftlichen Bereich besteht das Bedürf-nis, andere für sich handeln zu lassen. Handeln im tatsächlichen Bereich andere für eine natürliche oder juristische Person, so entstehen in erster Linie Haftungsprobleme, die bei natürlichen Personen über §§ 278 und 831, bei juristischen Personen über § 31 (der auch auf die Personengesellschaften entsprechende Anwendung finden kann) zu regeln sind. Handelt im rechtsgeschäftlichen Bereich eine Person für eine andere, so geht es vor allem darum, ob und gegebenenfalls welche Rechtswirkungen für denjenigen, für den gehandelt worden ist, und für den rechtsgeschäftlich Handelnden entstehen. Stellvertretung ist nur im rechtsgeschäftlichen Bereich möglich, also bei der Abgabe und bei der Entgegennahme von Willenserklärungen. Sie spielt insbesondere eine große Rolle beim Abschluss von Verträgen. Beachte: bei der Übergabe (vgl. z.B. § 929 S. 1 BGB) ist eine Stellvertretung nicht möglich, weil es sich um einen Realakt handelt! _________________________________________________ 1 Näheres zur Einschaltung von Geheißpersonen im Modul Sachenrecht.

  • der Handelnde tritt so auf, dass er das Geschäft erkennbar für einen anderen
  • der Handelnde tritt im eigenen Namen auf und schließt das Gesc häft im eigenen Namen ab, obwohl die wirtschaftlichen Folgen den anderen treffen

Es handelt sich hier um einen Fall der mittelbaren Stellvertretung: der mittelbare Stellvertreter handelt im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung; Rechtsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und dem Dri tten entstehen nicht. N unerkannt S Kunsthändler Käufer Auftrag § S im eigenen Namen; Kaufvertrag §

Die Stellvertretung Der wirtschaftliche Erfolg soll allerdings nicht dem mittelbaren Stellvertreter zugutekommen, sondern demjenigen, der ihn beauftragt hat (im Beispiel der N). Obwohl die mittelbare Stellvertretung im BGB nicht geregelt ist, ist ihre Zulässigkeit unbestritten. Das Handelsgesetzbuch enthält als einen gesetzlich geregelten Fall der mittelbaren Stellvertretung die Regelungen über den Kommissionär (§§ 383 ff. HGB). Kommissionär ist, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) im eigenen Namen zu kaufen oder zu verkaufen (§ 383 HGB). Zu unterscheiden ist zwischen Einkaufs – und Verkaufskommission. Einkaufskommission bedeutet: Der Kommittent beauftragt den Kommissionär durch Abschluss eines Kommissionsvertrages, im eigenen Namen Waren zu kaufen . Handelt der Kommissionär in Erfüllung dieses Kommissionsvertrages, schließt er im eigenen Namen Kaufverträge mit anderen ab. Aus diesen Verträgen wird nur er zur Zahlung des Kaufpreises an die Verkä ufer verpflichtet.

Das Geschäft zwischen Verkäufer und Käufer (Kommissionär) hat also keinerlei direkte rechtliche Wirkung für denjenigen, der den Kommissionär beauftragt hat (Kommittent). Da das Geschäft aber auf Rechnung des Kommittenten erfolgt, tritt zumindest eine mittelbare, wirtschaftliche Wirkung ein. Bei der Verkaufskommission beauftragt der Kommittent den Kommissionär, für ihn im eigenen Namen, d.h. im Namen des Kommissionärs, Waren zu verkaufen. Der Kommissionär schließt als Verkäufer mit den Käufern im eigenen Namen Verträge ab, die wirtschaftlich zu Nutzen und Lasten des Kommittenten gehen. Partner der Kauf-verträge werden der Kommissionär und die Käufer. Der Kommittent wird aus diesen Kaufverträgen weder berechtigt noch verpflichtet.

Beispie l: S hat es gewerbsmäßig übernommen, in Düsseldorf Kunstwerke dort ansässiger Künstler für Rechnung der Künstler im eigenen Namen zu verkaufen. U.a. hat er mit der Malerin R einen Kommissionsvertrag abgeschlossen. S kauft bei F das in dessen Galerie ausges tellte Bild "Vision einer Sozialisation der Lilie", das R geschaffen hat. Der Kaufvertrag kommt zwischen F und S zustande. Dem-entsprechend hat F gegen S den Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises. N Kommittent S Kommissionär Käufer Verkäufer Kommissions vertrag S im eigenen Namen; Kaufvertrag § N Kommittent S Kommissionär Verkäufer Käufer Kommissions vertrag S im eigenen Namen; Kaufvertrag §

Die Stellvertretung Aus dem Kommissionsvertrag hat der Kommissionär gegen den Kommittenten einen Anspruch auf Provision und Erstattung der Aufwendungen, wenn die in § 396 HGB genannten Voraussetzungen vorliegen. Im inländischen Warenverkehr spielt die Kommission heute nicht mehr die überragende Rolle, die sie einmal gespielt hat. Wichtig ist allerdings nach wie vor die so genannte Effektenkommission , d.h. der An– und Verkauf von Wertpapieren, die zum Handel an der Börse zugelassen sind. Dabei treten die Banken als Kommissionäre auf. 3. Stellvertreter und Bote Als Stellvertreter handelt nu r derjenige, der eine eigene Willenserklärung im Namen des Vertretenen abgibt. Willenserklärungen, die in Abwesenheit des Adressaten abgegeben werden, können dem Adressaten auch durch einen Boten überbracht werden. Der Bote überbringt eine bereits fertige, d.h. abschließend – mündlich oder schriftlich – formulierte Willenserklärung eines anderen an den Empfänger (Erklärungsbote). Bei der Entscheidung darüber, ob jemand als Bote oder als Stellvertreter handelt, ist also stets darauf abzustellen, ob die betreffende Person lediglich eine bereits fertige Willenserklärung im Namen eines anderen übermittelt (Bote) oder eine eigene Wil-lenserklärung im Namen eines anderen abgibt (Stellvertreter): Eine eigene Willenserklärung kann nur derjenige abgeben, dem noch ein Mindestmaß an Entscheidungsfreiheit im Hinblick auf die Auswahl der Person des Geschäftspartners, den Gegenstand des Geschäfts oder den Abschluss überhaupt geblieben ist. Beispiel: Wenn A seinen 15jährigen Neffen N in die Buchhandlung der B schickt, damit er ihm das von L verfasste Lehrbuch "Einführung in die Wirtschaftswissenschaft", 4. Aufl., zum Preise von € 36,-- kaufe, so handelt N als Bote, wenn er bei B das bezeichnete Buch für A fordert. N überbringt lediglich eine bereits fertige Willenserklärung d es A, ohne noch irgendeinen Spielraum für eine eigene Entscheidung zu haben. Kommt es zu einer fehlerhaften Übermittlung einer vom Erklärenden korrekt ausformulierten Willenserklärung durch den Erklärungsboten, so kann der Erklärende ge-mäß §§ 120, 119 anfechten (vgl. oben). Stellvertreter gibt eigene WE ab im fremden Namen Abgrenzung: objektiver EmpfängerhorizontBote übermittelt fertige WE "menschlicher Anrufbeantworter" R Kommittent F Kommissionär Verkäufer S Käufer Kommissions vertrag S im eigenen Namen; Kaufvertrag §

Die Stellvertretung II. Die gesetzliche Vertretung Es ist zu unterscheiden zwischen der durch Rechtsgeschäft erteilten (gewillkürten) Vertretungsmacht einerseits – diese wird auch Vollmacht genannt – und der gesetzlichen Vertretungsmacht andererseits. Weiterhin kann sich das Vorliegen einer Vertretungsmacht aus "Rechtsscheinsgesichtspunkten" ergeben – dazu später.

  • Kinder, die nicht das siebente Lebensjahr vollendet haben,
  • unter Betreuung stehende Personen.

Die Stellvertretung Auch Personengesellschaften können als solche nicht rechtsgeschäftlich handeln, für sie müssen Gesellschafter als Vertreter am Rechtsverkehr teilnehmen. Die Vertretungsmacht als die Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit Wirkung für die Gesellschaft rechtsgeschäftliche Erklärungen (Willenserklärungen) abzugeben und entgegenzunehmen, steht nach der gesetzlichen Regelung bei der GbR allen Gesellschaftern nur gemeinschaftlich (§ 720 I BGB Gesamtvertretung), bei der OHG jedem einzelnen Gesellschafter ( Einzelvertretung § 124 HGB), bei der KG dem oder den persönlich haftenden Gesellschaftern (Kom plementären, § 170 I i.V.m. §§ 161 II, 124 I HGB) zu. Auch hier handelt es sich um Fälle der gesetzlichen Vertretungsmacht.2 Übersicht über die wichtigsten Vertretungsvorschriften: Mind. Kinder Eltern §§ 1629, Vormundschaft, Be-treuung & Pflegschaft Bestellter Betreuer §§ 1793, 1814, 1882 ff. e.V. Vorstand §§ 26 ff AG Vorstand §§ 76, 78 AktG GmbH Geschäftsführer § 35 GmbHG GbR Gesamtvertretung § 720 I BGB OHG Einzelvertretung § 124 HGB KG Komplementären § 170 I i.V.m. §§ 161 II, 124 I HGB

Im Gesellschaftsvertrag können allerdings hiervon abweichende Regelungen getroffen werden, wie beispielsweise gem. § 720 I 2. HS: „es sei denn, der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes .“ Beispiel: In § 3 des Gesellschaftsvertrag es der (nicht ins Registe r eingetragenen) Abitur GbR3 wird vereinbart, dass jedes Mitglied des Abiballkomitees die Gesellschaft allein nach außen hin vertritt. Eine solche Regelung findet s ich in der Praxis häufig, gerade um die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft bei mehreren Ges ellschaftern zu erweitern. In § 4 „Geschäftsführungsbefugnis“ des Gesellschaftsvertrages wird geregelt, dass bei Geschäften über einen Wert von 500 € zuvor die Zustimmung der übrigen Mitglieder des Komitees ein zuholen ist. Zu beachten ist, dass es sich bei Regelungen zur Geschäftsführungsbefugnis um das „rechtliche dürfen im Innenverhält-nis“ handelt, während die Vertretungsmacht das „rechtliche können im Außen-verhältnis“ regelt. Im Außenverhältnis besteht damit weiterhin Alleinvertretungsbefugnis, allerdings kann die GbR im Innenverhältnis u.U. Scha-densersatz vom handelnden Gesellschafter verlangen, wenn er seine Geschäfts-führungsbefugnis überschreitet.

  • Zulässigkeit der Stellvertretung: Stellvertretung ist bei allen Rechtsgeschäften
  • der Bevollmächtigte (Stellvertreter) muss eine eigene Willenserklärung abgeben;
  • er muss die Willenserklärung im Namen des Vertretenen abgeben (Offenkundigkeit);
  • er muss Vertretungsmacht für das Rechtsgeschäft haben, das er für den Vertreten en tätigt.
  • Familienangehörige und Hausgehilfen in einem Haushalt;
  • kaufmännische Angestellte in einem Unternehmen.

Die Stellvertr etung Beachte: die Unterscheidung zwischen Empfangsvertreter und Empfangsbote kann Bedeutung für den Zeitpunkt des Zugangs der Willenserklärung haben (§ 130; s. KE § 3).6

Ist die Mittelsperson, der die Erklärung anvertraut wird, weder Stellvertreter noch Empfangsbote des Adressaten, so trägt der Erklärende die Gefahr der richtigen und rechtzeitigen Übermittlung. Die Mittelsperson ist dann Erklärungsbote des Erklärenden. 7 Der Zugang Erfolg dann, wenn der Erklärungsbot e die Willenserklärung so in den Machtbereich des Empfängers bringt, dass unter gewöhnlichen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Fehler im Rahmen der Übermittlung (Verzögerun-gen oder ein Verlust der Erklärung) muss sich der Erklärende zurechnen lassen. Da die Rechtsfolgen einer vom Stellvertreter innerhalb der ihm erteilten Vertretungsmacht abgegebenen Willenserklärung nur den Vertretenen treffen, können auch beschränkt geschäftsfähige Personen bevollmächtigt werden (§ 165). Die Stellvertretung ist für den Vertreter also rechtlich neutral . Beispiel: A kann seine 14jährige Tochter T bevollmächtigen, für ihn einen PKW bei V zu kaufen. 2. Das Offenkundigkeitsprinzip a) Der Regelfall Der Stellvertreter muss die Willenserklärung, aus der der Vertretene verp flichtet oder berechtigt sein soll, im Namen des Vertretenen abgeben (so genanntes Offenkundigkeitsprinzip ). Vertreter i.S. der §§ 164 ff. ist also nur derjenige, der eine eigene Erklärung in fremdem Namen abgibt. Kein Vertreter i.S. der §§ 164 ff. ist der jenige, der im eigenen Namen rechtsgeschäftlich handelt. Das Offenkundigkeitsprinzip dient dem Schutz des Geschäftsgegners. Dieser soll von vornherein wissen, wer sein Vertragspartner ist. Wenn dem Geschäftsgegner aller-dings die Identität des Vertragspartners gleichgültig ist, kann unter gewissen Voraus-setzungen auf die Offenkundigkeit verzichtet werden. _________________________________________________ 6 BROX/WALKER , § 24 Rn. 8 , § 7 Rn. 15 ff . 7 BROX/WALKER , § 7 Rn. 17 . Zugang Empfangsvertreter §164 III gleichzeitig Zugang beim VertretenenEmpfangsbote "lebender Briefkasten" unter normalen Umständen mit Weiteleitung an Empfänger zu rechnen ist

Die Stellvertretung § 164 Abs. 1 setzt voraus, dass der Vertreter im Namen des Vertretenen eine Willenserklärung abgeben muss. Damit soll sichergestellt werden, dass für den D ritten erkennbar ist, dass der Erklärende nicht für sich, sondern für einen anderen rechtsgeschäftlich handelt. Dies muss sich der Erklärung nicht ausdrücklich entnehmen lassen. Es genügt, dass "die Umstände ergeben", dass die Erklärung für einen anderen a bgegeben wird (§ 164 Abs. 1 S. 2). Von dem Empfänger der Willenserklärung kann erwartet werden, dass er die Erklärung auslegt. Bei der Klärung der Frage, ob jemand als Vertreter oder im eigenen Namen handelt, ist wie stets im Rechtsverkehr bei der Auslegung von Willenserklärungen auf den objektiven Erklärungswert abzustellen, darauf also, "wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben für den Empfänger darstellt".8 Das gilt auch, wenn ungewiss ist, in welchem Namen der Vertreter einen Vertrag abschließt.9 In einem solchen Fall ist die Willenserklärung des Vertreters gemäß §§ 133, 157 unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte auszulegen. Dabei sind die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Lebensverhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand zugehört, und die typischen Verhaltensweisen, Verkehrssitte und Handelsbräuche. Beispiel: Bei Geschäften mit einem Angestellten geht der Wille der Beteiligte n im Zweifel dahin, dass der Betriebsinhaber Vertragspartner werden soll, wenn sich die Unternehmensbezogenheit des Geschäftes jedenfalls aus den Umständen, z. B. dem Ort des Vertragsschlusses, ergibt (sog. unternehmensbezogene Geschäfte ). b) Die Sonderregelung in § 164 Abs. Grundsätzlich trifft eine Rechtsfolge aus einer Willenserklärung, mit der ein Vertrag begründet werden soll, nur denjenigen, der sie gewollt hat. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz findet sich in § 164 Abs. 2. Derjenige, der durch die Abgabe einer Willenserklärung Rechtsfolgen für einen ande-ren (den Vertretenen) herbeiführen will, wird aus dieser Willenserklärung selbst verpflichtet und berechtigt, wenn der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar wird. Dies gilt auch, wenn der Handelnde das überhaupt nicht wollte. Der Adressat der Willenserklärung soll davon ausgehen können, dass derjenige, der das Vertretungsverhältnis nicht offenbart, selbst aus der abgegebenen Willenserklärung berechtigt und verpflichtet werden will. Wenn unklar ist, ob oder für wen Stellvertretung gewollt ist, so schützt § 164 Abs. 2 im Zweifel den Geschäftsgegner. Beispiel: Herr Müller betritt das Reisebüro R und bucht dort eine dreiwöchige Premiumreise auf die Malediven zum Preis von € 23.000, --. Allein Mü ller wird aus dem abgeschlossenen Reisevertrag berechtigt und verpflichtet. Nur er kann die Reiseleistungen in Anspruch nehmen und muss den Reisepreis zahlen. Das gilt auch, wenn er die Reise nicht für sich, sondern im Namen seines Freundes Schulte buchen wollte, dies im Reisebüro aber nicht zum Ausdruck gebracht hat. Um Schulte aus dem Reisevertrag zu berechtigen und zu verpflichten, hätte Müller gemäß § 164 Abs. 1 im Reisebüro deutlich machen müssen, dass er in dessen Namen bucht. _________________________________________________ 8 BGHZ 36, 30, 33 . 9 BGH WM 1988, 466, 467 . 10 BeckOK/ SCHÄFER , BGB § 164 Rn. 24 .

Die Stellvertretung § 164 Abs. 2 enthält mi t seiner Regelung, dass ohne Kundgabe des Vertreterwillens der Vertreter Vertragspartei wird, allerdings keinen ausnahmslos geltenden Rechtssatz, sondern nur eine Auslegungsregel.11 Ergeben z.B. die Umstände, dass trotz fehlender Erkennbarkeit eines Vertret erhandelns ein Dritter Vertragspartei werden soll, so kommt der angestrebte Vertrag mit dem Dritten zustande.12 § 164 Abs. 2 findet keine Anwendung, wenn erkennbar ist, wer Vertragspartner sein soll, und lediglich unklar bleibt, ob der Erklärende selbst die ser Vertragspartner ist oder dessen Vertreter. c) Ausnahmen vom Offenkundigkeitsprinzip Es kommt häufig vor, dass ein Stellvertreter dem Geschäftsgegner zu erkennen gibt, dass er nicht für sich, sondern für eine andere Person (den Vertretenen) handeln will, ohne preiszugeben, wer diese Person ist. Der Handelnde tritt also im Namen eines anderen auf, ohne dass für den Dritten erkennbar ist, wer der Vertretene ist. Beispiel: Die in der schwarz -gelben Fanszene aktive B möchte ihrem Freund ein Trikot des Vereins Blau -Weiß schenken. Um ihr Gesicht in der Fanszene zu wahren, schickt sie den S zum Fanshop des F. S teilt dem F mit, dass er nicht für sich, sondern für eine andere Person einen Vertrag abschließen möchte, die ungenannt bleiben will. F weiß also nicht, wer sein Vertragspartner wird. In Fällen dieser Art ( "offenes Geschäft für den, den es angeht") weiß der Geschäftspartner zwar, dass der Erklärende als Stellvertreter handelt, ihm ist aber unbekannt, wer die Person ist, mit der der Vertrag zustande kommen sol l. Wer auf ein solches Geschäft eingeht, obwohl er darüber im Ungewissen ist, wer sein Geschäftspartner werden möchte, nimmt diese Ungewissheit in Kauf, oder es ist ihm gleichgültig, wer der Vertragspartner werden wird. Nach herrschender Meinung 13 wird dar in eine zulässige Art der Stellvertretung gesehen. Das der Stellvertretung innewohnende Offenkundigkeitsprinzip wird hierbei insoweit noch als gewahrt angesehen, als derjenige, der als Vertreter auftritt, erkennbar nicht im eigenen, sondern in fremdem Na-men handelt, wenngleich offenbleibt, für wen. Zu dem vorhergehenden Beispiel: Wenn F sich auf das Geschäft einlässt, kommt ein Kaufvertrag zwischen ihm und der B zustande. Welche Person Vertragspartner ist, kann insbesondere dann Bedeutung erlangen, wenn Mängel bei der gekauften Sache auftreten und deswegen Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden. In der Praxis werden sich in der Regel nur bei bar abgewickelten Geschäften Personen darauf einlassen, dass ihnen der Geschäfts-partner unbekannt bleibt. Bei Bareinkäufen des täglichen Lebens ist oft für den Verkäufer nicht erkennbar, ob diejenige Person, die ihm gegenüber eine Willenserklärung zum Abschluss eines Kaufvertrages abgibt, diese Erklärung für sich oder für eine andere Person abgeben will. Im Gegensatz zu den oben aufgeführten Fällen ist also nicht erkennbar, ob die auftretende Person als Stellvertreter handeln will oder nicht ("verdecktes Geschäft für den, den es angeht") . _________________________________________________ 11 BeckOK BGB/ SCHÄFER , BGB § 164 Rn. 42 . 12 BGHZ 62, 216, 220 f. 13 STAUDINGER /SCHILKEN , Vorbem. zu §§ 164 ff. Rn. 51; MünchKomm/S CHUBERT , BGB § 164 Rn. 138 ; BeckOK BGB/ SCHÄFER , BGB § 164 Rn. 31.

  • es dem Geschäftspartner völlig gleichgültig ist, wer Partner des Vertrages wird,
  • und die aufgetretene Person mit Vertretungsmacht handelt und den Willen hat, das Geschäft für die nicht offen vertretene Person zustande zu bringen.

Die Stellvertretung b) Jemand tritt unter fremdem Namen auf, d.h. er bezeichnet sich als eine andere Person als er ist, um die Identität mit einer bestimmten Person vorzutäuschen. Hier ist es erforderlich, noch einmal zu differenzieren: aa) Ist es demjenigen, mit dem kontrahiert werden soll, gleichgültig , mit wem er einen Vertrag abschließt, so kommt ein Vertrag zwischen den Handelnden zus tande. Es liegt ein Fall der "Eigenwirkung des Rechtsgeschäfts für den Handelnden" vor.17 bb) Kommt es dem anderen (dem Erklärungsempfänger) allerdings darauf an, dass er ein Geschäft mit dem wirklichen Namensträger abschließt, so ist im Interesse des Erklä rungsempfängers, der vom Handelnden über seine Identität getäuscht wird und der mit dem wahren Namensträger abschließen möchte, davon auszugehen, dass kein Eigengeschäft des Handelnden, son-dern ein Fremdgeschäft für den (wahren) Namensträger vorliegt. 18 Da es nach herrschender Meinung 19 bei der Anwendung der §§ 164 ff. nicht darauf ankommt, ob der Handelnde einen Vertretungswillen hatte oder nicht, sind folgende Lösungen denkbar: (a) Der Handelnde tritt in fremdem Namen auf, um beim Geschäftsgegner falsche I dentitätsvorstellungen zu erwecken; er will das Geschäft als eigenes abschließen, hat aber Vertretungsmacht des Namensträgers: Hier erfordern es der Schutz des Namensträgers und des Geschäftsgegners, falls dieser das Geschäft mit dem Namensträger abschließ en wollte, dass das Geschäft mit dem Namensträger zustande kommt. (b) Wie (a), aber der Handelnde hat keine Vertretungsmacht des Namensträgers: auf diese Fälle des Handelns unter fremdem Namen können die Regeln über den Vertreter ohne Vertretungsmacht (§§ 177 ff.) jedenfalls entsprechend angewandt werden.21 _________________________________________________ 17 BROX/WALKER , § 24 Rn. 14 . 18 BROX/WALKER , § 24 Rn. 15. 19 BeckO K/SCHÄFER , BGB § 164 Rn. 27 . 20 BGHZ 45, 193, 196 . 21 STAUDINGER /SCHILKEN , Vorbem. zu § 164 Rn. 91; BROX/WALKER , § 24 Rn. 15 ; weiter differenzierend MünchKomm /SCHUBERT , § 164 Rn. 140 ff.

Die Stellvertretung

3. Die Wirkungen der Stellvertretung Gibt der Vertreter innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen eine Willenserklärung ab oder nimmt er die eines Dritten entgegen, so treffe n die daraus entstehenden Rechtsfolgen gemäß § 164 Abs. 1 und 3 allein den Vertretenen , nicht auch den Vertreter. Weil dies so ist, kann gemäß § 165 auch ein beschränkt Geschäftsfähiger zum Vertreter bestellt werden. Beispiel: A bevollmächtigt seinen 17jährigen Neffen, für ihn bei V eine Soundbar für nicht mehr als € 350,-- zu kaufen. N schließt mit V im Namen des A einen Kaufvertrag über eine Soundbar zum Preise von € 300,-- ab. Partner des Kaufvertrages sind A (Käufer) und V (Verkäuferin). Nur A und V sind aus dem Kaufvertrag berechtigt und verpflichtet. Den N treffen keinerlei Rechtsfolgen. Es handelt sich somit um ein rechtlich neutrales Geschäft. Das schließt nicht aus, dass der Dritte, demgegenüber der Vertreter für den Vertretenen rechtsgeschäftlich h andelt, Ansprüche gegen den Vertreter erwirbt. 4. Willensmängel und ihre Folgen (§ 166) a) Die Grundregel Im Gegensatz zum Boten gibt der Vertreter eine eigene Willenserklärung ab. Das hat Folgen für den Fall, dass die Willenserklärung mit Mängeln behaftet ist . § 166 regelt in dem Verhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem den Fall, in dem die Kenntnis oder das Kennen müssen des einen demjenigen zugerechnet wird, auf dessen Kenntnis es an sich für bestimmte Rechtsfolgen ankäme. _________________________________________________ 22 Näheres hierzu KE 7 § 17. Ausnahmen vom Offenkundigkeitsprinzip Offenes Geschäft für den, den es angeht fremdes Geschäft erkennbar Person des Vertretenen unbekannt StellVverdecktes Geschäft für den, den es angeht fremdes Geschäft nicht erkennbar Gleichgültig = StellV Nicht gleichgültig = Eigengeschäft §164 IIHandeln unter fremden Namen Keine Identitätsvorstellung EigengeschäftIdentitätsvorstellung Identität egal = Eigengeschäft Identität nicht egal = StellV

  • bei Willensmängeln und
  • Kenntnis oder Kennen müssen gewisser Umstände

Auch im Hinblick auf andere Tatbestände, in denen es auf ein Kennen oder Kennenmüssen – gemäß der Definition in § 122 Abs. 2 "infolge von Fahrlässigkeit" – ankommt, ist gemäß § 166 Abs. 1 ebenfalls auf die Person des Vertreters abzustellen. Zu denken ist hier vor allem an Fälle des gutgläub igen Erwerbs, wie z.B. §§ 932 und 892.

Nur ausnahmsweise kommt es auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Vertretenen an (§ 166 Abs. 2). Das ist z.B. der Fall, wenn der Vertreter nach Weisungen des Vertretenen gehandelt hat. Dann ist die Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis des Vertretenen neben der des Vertreters erheblich. Der Grund für diese Regelung liegt darin , dass der Vertretene sich nicht hinter der Gutgläubigkeit des seine Weisungen befolgenden Vertreters verstecken darf, wenn er selbst rechts erhebliche Umstände kennt. 23 Der Begriff "Handeln auf Weisung" i.S. des § 166 Abs. 2 ist weit auszulegen, um die Erreichung des Gesetzeszweckes sicherzustellen.24 Im vorherigen Beispiel wusste die R, dass es sich um den falschen Prozessor handelt, aber schickte den A trotzdem los eine Rechner des gleichen Modells zu kaufen. Sie kann die Willenserklärung des A gem. § 166 Abs. 2 nicht deshalb anfechten, dass der A von H über den Prozessor getäuscht wurde. Insofern kommt es ausnahmsweise auf ihr eigenes Wissen an. _________________________________________________ 23 BGHZ 51, 141, 147 . 24 BGHZ 50, 364, 368 . R (Käuferin) A (Vertreter) H (Verkäufern) Täuschung des A § 166 I Kaufvertrag § 433 I Anfechtung nach § 143 I

Die Stellvertretung b) Probleme der Wissenszurechnung: der „Wissensvertreter“ Der BGH hat wiederholt bei einem der Interessenlage zwischen Vertreter und Vertretenem vergleichbaren Sachverhalt § 166 Abs.1 entsprechend angewandt.25 Nach dem allgemeinen Rechtsgedanken, der diese r Vorschrift zugrunde liegt, muss sich - unabhängig davon, ob ein Vertretungsverhältnis vorliegt - auch derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung be-traut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des an deren zurechnen lassen. Der BGH hat in diesem Zusammenhang von "Wissenszurechnung" 26 und vom "Tatbestand der Wissensvertretung" sowie vom "Wissensvertreter" 27 gesprochen. Wissensvertreter ist nach Ansicht des BGH 28 jeder, „der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen sowie gegebenenfalls weiterzuleiten." Er muss weder zum r echtsgeschäftlichen Vertreter noch zum Wissensvertreter ausdrücklich bestellt sein; der Geschäftsherr muss sich seiner aber im rechtsgeschäftli-chen Verkehr wie eines Vertreters bedienen. Praktische Bedeutung hat die Frage der Wissenszurechnung z.B. bei juristischen Per-sonen. Beispiel (nach BGHZ 109, 327 ff.): Eine Gemeinde verkauft ein Grundstück, das mit einem Fehler behaftet ist, an den Käufer K. Ein vertretungsberechtigtes Organmitglied der Gemeinde, das an dem Geschäft selbst nicht mitgewirkt hat, kannte den Fehler. Es geht um die Frage, ob der Gemeinde im Hinblick auf das arglistige Verschweigen des Fehlers auch das Wissen des Organmitgliedes zuzu-rechnen ist. Der BGH 29 hat hier einen Fall der Wissenszurechnung gesehen und ausgeführt, die Gemeinde müsse sich als juristische Person das Wissen aller ihrer vertretungsberechtigten Organmitglieder zurechnen lassen; das Wissen schon ei-nes in der Angelegenheit vertretungsberechtigten Organmitglieds sei als Wissen des Organs anzusehen und damit auch der juristis chen Person zuzurechnen. Beispiel (nach BGH WM 1996, 824 ff.): A ist bei der X–GmbH angestellt, die mit Gebrauchtwagen handelt. A ist in der Einkaufabteilung tätig und fertigt dort selb-ständig Preiskalkulationen an, die bei der Inzahlungnahme von Gebraucht wagen benötigt werden, hat aber keine Vertretungsmacht. A wusste, dass es bei einem PKW, den K von der X –GmbH kaufte, eine Divergenz zwischen der Kilometerzähler–Angabe und der tatsächlichen Laufleistung, also einen Sachmangel i.S. des § 434 n.F., gab. A hatte diese Kenntnis beim Ankauf des PKW erworben, aber nicht weitergegeben. Es geht nun um die Frage, ob die X–GmbH als Verkäuferin sich das Wissen des nicht vertretungsberechtigten Angestellten A zurechnen las-sen muss. Der BGH 30 hat A als Wissensvertreter angesehen, auf den die Vorschrift des § 166 entsprechende Anwendung finde, weil A damit betraut war, nach außen eigenständig Aufgaben zu erledigen, Informationen zur Kenntnis zu bringen und sie weiterzuleiten. Das hat zur Folge, dass sein Wissen als solches der GmbH, _________________________________________________ 25 BGHZ 83, 293, 296 mit weiteren Nachw. 26 BGHZ 109, 327, 331. 27 BGHZ 117, 104, 106. 28 BGHZ 117, 104, 106. 29 BGHZ 109, 327, 330 f. 30 BGH WM 1996, 824 ff .

  • durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Bevollmächtigenden
  • durch eine Willenserklärung gegenüber dem Dritten, demgegenüber die Ver-tretung stattfinden soll (externe Vollmacht/Außenvollmacht).

Die Vollmacht kann als einseitige Willenserklärung intern wie auch extern auch durch konkludentes Handeln erteilt werden. Die Bevollmächtigung ist grundsätzlich formlos w irksam. Nur ausnahmsweise ist für die Vollmacht eine besondere Form vorgeschrieben (vgl. z.B. zur Ausschlagung der Erbschaft § 1945 Abs. 3). Allerdings kann sich aus dem Zweck der Formvorschrift für das Rechtsgeschäft, zu dem jemand bevollmächtigt werden soll, ergeben, dass auch die Erteilung der Vollmacht eben dieser Form bedarf. 31 Als formbedürftig wird z.B. die unwiderrufliche Vollmacht zum Abschluss eines nach § 311 b Abs. 1 formbedürftigen Vertrages oder der formbedürftigen Bürgschaft angesehen.32 Bei der in der Praxis häufigsten Art der Bevollmächtigung erteilt eine Person (der Vertretene) einer anderen Person (dem Stellvertreter) durch eine mündliche oder schrift-liche Willenserklärung Vollmacht (= interne Vollmacht). Beispiel: A bevollmächtigt den S, für sie bei V eine Bluetooth -Box auszusuchen und zu kaufen. Es handelt sich hierbei um den typischen Fall einer internen Vollmacht. Im Gegensatz zu der internen Vollmacht schafft der Vollmachtgeber bei der externen Vollmacht einen Vertrauenstatbestand, weil der Dritte darauf vertrauen kann, dass die Vollmacht existiert. Dieses Vertrauen schützt das Gesetz durch die §§ 170 ff. Aber auch ein Vertrauenstatbestand wenn auf andere Weise geschaffen wird, schützt das Gesetz in bestimmten Fällen den guten Glauben des Dritten an das Bestehen der Vollmacht (§§ 171–173). _________________________________________________ 31 BROX/WALKER , § 25 Rn. 5 . 32 STAUDINGER /SCHILKEN , § 167 Rn. 22. Vollmachtserteilung §167 I ggü. dem Vertreter (interne Vollmacht/Innenvollmacht)ggü. dem Geschäftspartner (externe Vollmacht/Außenvollmacht)

Die Stellvertretung Beispiel: A bevollmächtigt den B, für ihn ein bestimmtes Gemälde zu kaufen, und händigt ihm eine Vollmachtsurkunde aus. Bevor B das Geschäft tätigt, widerruft A die Vollmacht, vergisst aber, die Vollmachtsurkunde zurückzuverlangen. Wenn nun B trotzdem im Namen des A unter Vorlage der Vollmachtsurkunde das Bild kauft, kommt – obwohl die Vollmacht nach § 168 erloschen ist – aufgrund der Regelung in § 172 zwischen A und dem Verkäufer des Gemäldes ein Vertrag zustande. 6. Arten von Vollmachten Die Vollmachtserteilung durch Rechtsgeschäft bestimmt in der Regel zugleich den Umfang der Vertretungsmacht . Beispiel: Wenn K die S bittet, für ihn bei irgendeinem Händler einen gebrauchten PKW zu kaufen, der nicht mehr als € 12.500, -- kostet, so ist der Umfang der Vertretungsmacht der S klar abgegrenzt: S darf einen PKW kaufen, der nicht teurer als € 12.500, –– ist. Kauft S einen LKW, so liegt das außerhalb der ihr erteilten Vertretungsmacht. Ist, wie im vorletzten Beispiel , eine Vollmacht lediglich für ein bestimmtes Rechtsgeschäft erteilt, so kann man von einer Spezialvollmacht sprechen. Bevollmächtigt eine Person eine andere, eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften vorzunehmen, so handelt es sich um eine Artvollmacht oder Gattungsvollmacht . Eine Art – oder Gattungsvollmacht haben Verkäufer, Schaffner, Kellner. Beispiel: Ein Verkäufer in einem Warenhaus ist aufgrund einer Gattungsvollmacht befugt, in der Abteilung, in der er eingesetzt ist, im Namen des Unternehmens Kaufverträge über die Waren abzuschließen. Dagegen ist er nicht bevoll-mächtigt, weitere Verkäufer einzustellen. Es kann auch Vertretungsmacht für alle oder fast sämtliche Rechtsgeschäfte erteilt werden, die eine Person vornehmen will. Eine solche fast unbeschränkt e Vollmacht nennt man Generalvollmacht . In der Regel gilt eine Generalvollmacht aber auch nicht völlig uneingeschränkt. Der Umfang einer Generalvollmacht ist "nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Erfordernisse der aufgetragenen Geschäfte zu erm itteln". 33 Insbesondere berechtigt die Generalvollmacht den Bevollmächtigten nicht zu jedem Rechtsgeschäft und zu jeder Willenserklärung auch gegen den ausgesprochenen Willen des Bevollmäch-tigenden. Das gilt auch dann, wenn die Generalvollmacht dazu die for melle Legitimation zu geben scheint. Beispiel: A betreibt eine Geflügelfarm und beliefert umliegende Geschäfte mit Eiern. Erteilt A dem Angestellten B Generalvollmacht und verkauft dieser die Kundenkartei des A an dessen Konkurrentin C, so deckt die Vollm acht den Kaufvertrag nicht, da er außerhalb der gewöhnlichen Geschäfte liegt, die der Betrieb einer Geflügelfarm mit sich bringt. Prokura und Handlungsvollmacht sind handelsrechtliche Sonderformen der Vollmacht , wie sie in den §§ 164 ff. geregelt ist. Das Handelsgesetzbuch enthält darüber hinaus Vorschriften (§§ 48 ff. HGB), die von den Prinzipien des Vertretungsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches in mancherlei Hinsicht abweichen. Die Bestimmungen des _________________________________________________ 33 STAUDINGER /SCHILKEN , BGB § 167, Rn. 84 . 34 OLG Hamburg, MDR 1967, 399; S OERGEL /LEPTIEN , § 167 Rn. 41.

Die Stellvertretung HGB über Prokura und Handlungsvollmacht kommen dem Bedürfnis des Handelsverkehrs nach Vollmachten, die ihrem Umfang nach gesetzlich genau definiert sind, ent-gegen. 35 In der Praxis spielt die Untervollmacht eine gewisse Rolle. Unterschieden werden im Wesentlichen zwei Arten der Untervollmacht:36 a) Der Unterbevollmächtigte wird zum Vertreter des Vertreters bestellt. In diesem Fall tritt der Unterbevollmächtigte im Namen des Vertreters auf. Handelt der Unterbevollmächtigte bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts im Namen des Vertre-ters, so ist der Unterbevollmächtigte nicht unmittelbarer Vertreter des ersten Vollmachtgebers (= Hauptvertreters). Sind beide Vollmachten gültig, so wirkt das Rechtsgeschäft unmittelbar nur für den Hauptvertreter, in dessen Namen der Unterbevollmächtigte aufgetreten ist. Diese Wirkungen treff en allerdings mittelbar "gleichsam gemäß den beiden Vollmachtsverhältnissen durch den (Haupt –) Vertreter hindurch" auch den Geschäftsherrn. b) Der Vertreter bestellt den Unterbevollmächtigten im Namen des Geschäftsherrn zum Vertreter des Geschäftsherrn. D er Unterbevollmächtigte soll dann unmittelbar im Namen des Geschäftsherrn (des ursprünglichen Vollmachtgebers) handeln können.38 Vorausgesetzt, beide Bevollmächtigungen sind wirksam und der Unterbevollmächtigte handelt rechtsgeschäftlich im Namen des Geschä ftsherrn, so treffen die Rechtsfolgen unmittelbar den Geschäftsherrn. 7. Der Umfang der Vollmacht und das Innenverhältnis Häufig entstehen Zweifel über Art und Umfang der erteilten Vollmacht. In solchen Fällen ist der Umfang der Vollmacht, soweit möglich, gemäß §§ 133, 157 aus der Willenserklärung des Vollmachtgebers zu bestimmen. Dabei sind außer dem Wortlaut auch die begleitenden Umstände sowie der Zweck der Vollmacht zu berücksichtigen. Insbesondere aber ist zur Auslegung das der Vollmacht zugrunde liegende Rechtsverhältnis heranzuziehen. Bei einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vollmacht ist der Bestand der Vollmacht unabhängig davon, ob ein und gegebenenfalls welches Rechtsverhältnis zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen besteht. Die Vollmacht ist ab strakt. Das bedeutet: Es muss unterschieden werden zwischen der Erteilung der Vollmacht einerseits und dem zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter etwa bestehenden Rechtsverhält-nis, das u.U. den Grund für die Erteilung der Vollmacht bildet, andererseits . Da die Vollmacht abstrakt ist, kann sie auch dann wirksam sein, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis aus irgendeinem Grunde unwirksam ist. 40 Diese Abstraktion soll der Sicherheit des Rechtsverkehrs dienen. In der Regel liegt der Bevollmächtigung allerdings ein Rechtsverhältnis zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen zugrunde. Dieses Rechtsverhältnis ist sehr häufig ein Auftrag, eine entgeltliche Geschäftsbesorgung oder ein Arbeitsvertrag. _________________________________________________ 35 Details lernen Sie im Modul 55109 Handels - und Gesellschaftsrecht. 36 BGHZ 32, 250, 253 ; BROX/WALKER , § 25 Rn. 10 ff . 37 BGHZ 32, 250, 254 . 38 BGHZ 32, 250, 253 . 39 STAUDINGER /SCHILKEN BGB § 167, Rn. 84. 40 BROX/WALKER, § 25 Rn. 15 .

Die Stellvertretung

  • ein Dienst – oder Arbeitsvertrag (§ 611),
  • ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675),
  • ein Gesellschaftsvertrag (z.B. § 705). Vollmacht

Die Stellvertretung 8. Das Erlöschen der durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht a) Der Fristablauf Der Vollmachtgeber kann über das Erlöschen der Vollmacht Bestimmungen treffen, die von dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis unabhängig sind. Insbesondere kommt eine Befristung in Betracht.41 Wenn eine Frist für die Dauer der Vollmacht bestimmt worden ist, endet die Vollmacht mit Zeitablauf. b) Die Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses und der Widerruf der Vollmacht Ist eine Frist nicht bestimmt, so erlischt die Vollmach t im Zweifel mit der Beendigung des der Vollmachterteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (§ 168). Hier ist der Abstraktionsgrundsatz der Vollmachtserteilung durchbrochen. Beispiel: L beauftragt und bevollmächtigt seinen Freund T zum Kauf der Stute "Wind" von Pferdehändlerin M für € 40.000, --. Bevor T das Geschäft tätigen kann, kommt es zwischen ihm und L zum Zwist. L erklärt daraufhin dem T: "Ich widerrufe den Auftrag zum Kauf der Stute". Kauft T dennoch im Namen des L die Stute, so wird letzterer nicht Vertragspartner der M, da nach § 168 die Vollmacht mit Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses erloschen ist und der Auftrag gemäß § 671 durch Widerruf endete. Dem § 168 S. 2 ist zu entnehmen, dass die Vollmacht auch unabhängig vom Grun dverhältnis widerrufen werden kann. Der Widerruf – eine Willenserklärung – führt zum Erlöschen der Vollmacht. Wäre dies nicht möglich, so müsste z.B. der Arbeitsvertrag eines Prokuristen immer zugleich gekündigt werden, wenn die Prokura widerrufen werden s oll. Fraglich ist, inwieweit die Widerruflichkeit der Vollmacht eingeschränkt werden kann. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass durch Vertrag die Unwiderruflichkeit zwischen Vollmachtgeber und zu Bevollmächtigendem vereinbart werden kann . c) Die postmortale Vollmacht Es ist auch möglich, zu Lebzeiten eine Vollmacht zu erteilen, die nach dem Tode des Erblassers weiter gilt (postmortale Vollmacht). Der Bevollmächtigte ist Vertreter der Erben. Letztere sind durch ihr Widerrufsrecht gemäß § 168 S. 2 geschützt. Der Sinn einer postmortalen Vollmacht kann auch gerade darin liegen, dass es dem Bevollmächtigten ermöglicht werden soll, im Falle des Todes des Vollmachtgebers über dessen Bankkonten und Bankdepot zu verfügen. Beispiel (nach BGH, NJW 1969, 1245, 1246): T wanderte in den 20er Jahren nach Amerika aus. Im Jahre 1967 erteilte sie ihrer Nichte I Vollmacht über ihren Tod hinaus für ihr in Deutschland befindliches Vermögen. Verkauft I nach dem Tode ihrer Tante ein zum Nachlass gehörendes Grundstück im Schw arzwald, so sind _________________________________________________ 41 STAUDINGER /SCHILKEN , § 168 Rn. 2. 42 STAUDINGER /SCHILKEN , § 168 Rn. 8 ff. mit weiteren Hinweisen . 43 BGHZ 127, 239, 242.

Die Stellvertretung die Erben daran gebunden, da sie gemäß § 1922 Rechtsnachfolger der Verstorbenen sind. Selbst eine unwiderruflich erteilte Vollmacht kann nach herrschender Meinung stets aus wichtigem Grund widerrufen werden.44 Auch eine unwiderruflich erteilte Vollmacht, der keine Kausalvereinbarung zugrunde liegt, ist frei widerruflich, weil ohne ein der Vollmacht zugrunde liegendes Kausalverhältnis kein rechtfertigender Grund existiert, den Vollmachtgeber an den einseitig erklärten Ausschluss des Widerrufsrechts zu binden. Wenn schon eine nach dem Kau-salverhältnis unwiderrufliche Vollmacht aus wichtigem Grund widerrufen werden kann, gilt dies erst recht für die Befugnis zum Widerruf einer isolierten Vollmacht. Letztere ist auch ohne wichtigen Grund widerruf bar, weil es mangels eines der Bevollmächtigung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses an einem Beurteilungsmaß-stab für die Frage des wichtigen Grundes fehlt. Eine Generalvollmacht für sich allein kann nicht unwiderruflich erteilt werden, andernfalls würd e die "ganze wirtschaftliche Persönlichkeit des Vollmachtgebers in den Machtbereich des anderen Teils gestellt". Eine "so weitgehende Beschränkung der wirtschaftlichen Freiheit durch Parteiwillkür" zuzulassen, würde dem sittlichen Emp-finden widersprechen. d) Die Folgen des Erlöschens der Vollmacht Ist die Vollmacht mit Beendigung des ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses oder durch Widerruf erloschen, so ist dem bisherigen Vertreter die Vertretungsmacht entzogen. Nimmt er dennoch im Namen des Vertretenen Rechtsgeschäfte vor, so handelt er als Vertreter ohne Vertretungsmacht mit den sich aus den §§ 177 ff. ergebenden Konsequenzen. Von dieser Regel enthalten die §§ 170 bis 173 allerdings einige bedeutsame Ausnahmen. Durch diese Vorschriften werden Dritte geschützt, die Kraft eines erzeugten Rechtsscheins auf das Entstehen und das Fortbestehen einer einmal wirksam erteilten Vollmacht vertrauen und auch vertrauen durften. U.a. sind folgende Fälle geregelt: a) Die externe Vollmacht – die gegenüber einem Dritten erklärt worden ist –, ist, etwa durch Widerruf (§ 168), erloschen. Trotz des Widerrufs bleibt die Vollmacht dem Dritten gegenüber in Kraft, bis diesem das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird (§ 170). b) Der Bevollmächtigte hat vom Vollmachtgeber eine Urkunde ausgehändigt bekommen, die der Vertreter dem Dritten vorlegt. Trotz des Erlöschens der Voll-macht wird hier der Dritte in seinem Vertrauen auf den Bestand der Vollmacht, das sich an die Urkunde knüpft, geschützt (§ 172). Die Anwendung des § 172 Abs. 1 setzt allerdings voraus, dass der Vertreter dem Dritten diejenige Urkunde, die den Rechtsschein erzeugt, selbst – in Urschrift oder in einer Ausfertigung – vorlegt. _________________________________________________ 44 NJW 1997, 3437, 3440; OLG München ZEV 2014, 615 ; ; STAUDINGER /SCHILKEN , § 168 Rn. 14. 45 BGH NJW 1988, 2603 f. 46 STAUDINGER /SCHILKEN , § 168 Rn. 9. 47 BeckOK/ SCHÄFER , BGB § 172 Rn. 7 .

Die Stellvertretung Nach Ansicht des BGH genügt also eine Abschrift nicht.48 Dennoch kann mit der Vorlage einer Abschrift ein Rechtsscheintatbestand geschaffen werden. Der BGH49 sieht in den §§ 171 bis 173 Anwendungsfälle des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dass derjenige, der (durch besonderen Kundgebungsakt) einem gutgläubigen Dritten gegenüber (wissentl ich) den Rechtsschein einer Vollmacht setzt, im Verhältnis zu dem Dritten an diese Kundgabe gebunden ist.50

  • Solange das Vertretergeschäft noch nicht vorgenommen wurde, stellen
  • Umstritten ist, wie die Anfechtung zu erfolgen hat, wenn das Vertreterge-schäft bereits vorgenommen worden ist. In diesen Fällen wird in den

Die Stellvertretung gegenüber dem Vertreter oder gegenüber dem Geschäftspartner die Anfechtung erklären. Nach anderer Auffassung ist die Anfechtung gegenüber dem Vertreter und dem Geschäftspartner zu erklären. Ansonsten könnte letzterer seinen Anspruch aus dem Vertrag verlieren, ohne davon zu erfahren. Die vermittelnde Ansic ht verzichtet auf einen eigene Anfechtungserklärung gegenüber dem Geschäftspartner, verlangt jedoch vom Anfechtenden, den Geschäftspartner von der erfolgten Anfechtung ge-genüber dem Vertreter in Kenntnis zu setzen. Ein Sonderproblem wirft die Anfechtbarkeit der nach außen kundgemachten Innen-vollmacht auf. Beispiel: A möchte den B bevollmächtigen, für ihn sein Auto für einen Mindestpreis von EUR 6.500 zu verkaufen. A irrt sich und nennt dem B einen Mindestpreis von EUR 5.600. B verkauft das Auto daraufhin unter Vorlage der Vollmachtsur-kunde dem D zum Preis von EUR 5.600. Nach einer Ansicht kommt eine Anfech-tung hier nicht in Betracht, da es sich bei der Kundgabe der Vollmacht um eine reine Wissenserklärung handle. Der A würde also nach §§ 171, 172 verpflicht et. Hierbei handle es sich um einen Fall der Rechtsscheinshaftung, bei der keine An-fechtung möglich ist (hierzu unten mehr). Nach anderer Auffassung sei die nach außen kundgemachte Innenvollmacht mit der Außenvollmacht gleichzusetzen. Als Argument wird angeführt, der Geschäftspartner stehe ansonsten besser als bei einer Außenvollmacht Hiernach wäre die Anfechtung also möglich.

9. Duldungs – und Anscheinsvollmacht a) Überblick Es kommt hin und wieder vor, dass eine Vollmacht nicht ausdrücklich erteilt worden ist, der Dritte aber aufgrund des Erscheinungsbildes , das sich ihm bietet, davon ausgehen darf oder gar muss, dass eine Vollmacht erteilt worden ist. Wenn derjenige, für den der "Vertreter" aufgetreten ist, dazu beigetragen hat, dass dieses Erscheinungsbild entstanden ist, so kann der Dritte, demgegenüber der Vertreter aufgetreten ist, schutzwürdiger sein als der Vertretene. Deshalb haben rechtswissenschaftliche Li-teratur und Rechtsprechung Regeln entwickelt, mit Hilfe derer der schutzwürdige Dritte vor Schaden bewahrt werden soll. In Anlehnung an die in den §§ 170 ff. enthaltenen Rechtsgedanken sind die Regeln über die Duldungsvollmacht und die Anscheinsvollmacht entwickelt worden. Über die Abgrenzung und die Rechtsfolgen ist bislang allerdings keine Einigung e rzielt worden.

Die Stellvertretung b) Die Duldungsvollmacht Von einer Duldungsvollmacht ist auszugehen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

Voraussetzung für die Annahme einer Duldungsvollmacht ist es also, dass der Vertre-tene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt. Die Zurechnung einer Willenserklärung nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht setzt jedenfalls die Geschäftsfähigkeit des vermeintlich Vertretenen voraus, da hierdurch nur die Voraussetzung der Vertretungsmacht überwunden wird, nicht jedoch die erforderlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Willenserklärung. Streitig ist, ob es sich bei der Duldungsvollmacht um einen Rechtsscheintatbestand oder um eine vom Vertretenen durch eine konkludent abgegebene Willenserklär ung erteilte (rechtsgeschäftliche) Vollmacht handelt. Letzterenfalls wären die §§ 164 ff. direkt anwendbar; außerdem könnte der Vertretene die Erteilung der Vollmacht an-fechten (§§ 119 ff.). Der BGH 55 hat zunächst ausdrücklich von einer Duldungsvollmacht ge sprochen und sie sowohl zur Anscheinsvollmacht einerseits als auch zur stillschweigenden Bevollmächtigung andererseits abgegrenzt.56 Der BGH hat allerdings auf die Nähe zur stillschweigenden Bevollmächtigung hingewiesen.57 Den Unterschied zu letzterer sah er in folgendem58: Die stillschweigende Bevollmächtigung geschieht durch ein als "rechtsgeschäftliche Erklärung zu wertendes Verhalten" – also durch Abgabe einer _________________________________________________ 55 Vgl. LM Nr. 10 und 13 zu § 164 BGB. 56 Zur Terminologie noch BGH NJW 1988, 1199 f . 57 BGH LM Nr. 10 zu § 167. 58 BGH LM Nr. 13 zu § 167. •keine gesetzliche oder vertragliche VertretungsmachtSubsidiarität •während einer gewissen Dauer •und zu wiederholtem Male •für Geschäftsherrn als Stellvertreter aufgetretenRechtsschein •Geschäftsherr wusste davon •und nicht dagegen eingeschritten •obwohl ihm das möglich gewesen wäreZurechenbare Veranlassung •Verhalten des Vertreters und Duldung durch Geschäftsherrn gekannt •zur Zeit der Vornahme des fraglichen Geschäfts •Kausal für Abgabe der WillenserklärungVertrauen des Dritten •Vertretungsmacht (h.M.). •kein Anfechtung des Rechtsscheins.Rechtsfolge:

Die Stellvertretung Willenserklärung durch konkludentes Verhalten; hingegen "haftet" kraft Duldungsvollmacht, "wer das Handeln eines anderen, nicht zu seiner Vertretung Befugten kennt und es duldet, falls der Geschäftsgegner diese Duldung dahin wertet und nach Treu und Glauben dahin werten darf, dass der Handelnde Vollmacht habe". Der BGH 59 vertritt die Auffassung, für das Entstehen einer Duldungsvollmacht reiche die alleinige Kenntniserlangung durch den Vertretenen von dem Handeln einer Person nicht aus; es müsse vielmehr "noch der Entschluss hinzukommen, gegen die bekannt gewordene Verhaltensweise nicht einzuschreiten". Einen Platz zwischen der rechtsgeschäftlich – durch konkludent abgegebene Willenserklärung – erteilten Vollmacht einerseits und der Anscheinsvollmacht (vgl. dazu den folgenden Gliederungspunkt.) als Rechtsscheinstatbestand andererseits kann die Dul-dungsvollmacht allerdings nicht einnehmen. Ist einer festgestellten Duldung aber zu entnehmen, dass der Vertretene das Verhalten des zunächst ohne Vertretungsmacht Handelnden billigte, nachdem er davon Kenntnis erhalten hatte, so kann daraus je nach den Umständen im Wege der Auslegung geschlossen werden, dass die zunächst angeblich vertretene Person dem erst angeblichen Vertreter durch konkludentes Han-deln (also eine Willenserklärung) rechtsgeschäftlich Vollmacht erteilt hat. Beispiel (nach LAG Baden–Württemberg, BB 1961, 132): Ein dazu nicht bevollmächtigter Ehemann verhandelt ohne Vertretungsmacht mit dem Arbeitgeber seiner Ehefrau. Diese erfährt davon. Als der Ehemann in Anwesenheit seiner Frau bei einer späteren Verhandlung das Angebot des Arbeitgebers auf Auflösung des Ar-beitsverhältnisses annimmt, ohne dass die Ehefrau widerspricht, liegt spätestens in dieser Duldung die rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht für den Ehemann. c) Die Anscheinsvollmacht Nach ständiger Rechtsprechung des BGH 61und der herrschenden Auffassung in der Literatur 62 ist von dem Vertrauenstatbestand einer Anscheinsvollmacht auszugehen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

_________________________________________________ 59 WM 1988, 216 f. 60 Vgl. zur Problematik F LUME, § 49, 3; MünchKomm /SCHUBERT , § 167 Rn. 107. 61 BGHZ 5, 111, 116 ; 86, 273; BGH WM 1981, 171 f. und BGH NJW RR, 1986, 1169 f . 62 MünchKomm /SCHUBERT , § 167 BGB Rn. 111; STAUDINGER /SCHILKEN , § 167 BGB Rn. 32 ff. •keine gesetzliche oder vertragliche Vertretungsm. Subsidiarität •gewissen Dauer & wiederholtem Male •für Geschäftsherrn als Stellvertreter aufgetretenRechtsschein •Geschäftsherr wusste hiervon nicht •bei pflichtgem. Beachtung der notw. Sorgfalt aber hätte erkennen und verhindern können Zurechenbare Veranlassung •nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Geschäftsherr dulde und billige dies •Kausal für Abgabe der WillenserklärungVertrauen des Dritten •Vertretungsmacht (h.M.). •kein Anfechtung des Rechtsscheins.Rechtsfolge:

Die Stellvertretung Es handelt sich also um einen Vertrauenstatbestand, der auf einem Rechtsschein beruht, der dem Vertretenen zurec henbar sein muss .63 Auch die Zurechnung einer Willenserklärung nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht hilft nicht über die fehlende Geschäftsfähigkeit des vermeintlich Vertretenen hinweg.

Umstritten ist, ob dem Vertretenen die bloße Veranlassung schon zuzurechnen ist oder ob es darüber hinaus eines Verschuldens bedarf . Von der Voraussetzung des Verschuldens als Zurechnungsgrund ist der BGH 64 in einer früheren Entscheidung ausgegangen.65 Gegen das Erfordernis eines Verschuldens des Vertretenen als Zurechnungsgrund ist u.a. einzuwenden, dass den gesetzlich geregelten Rechtsscheintatbe-ständen (u.a. §§ 171 ff. BGB und § 56 HGB) nicht entnommen werden kann, dass ein Verschulden des Vertretenen Voraussetzung für eine Rechtsscheinhaftung ist. 66 Allerdings muss das Vertrauen des Geschäftsgegners objektiv und subjektiv berechtigt sein. Die objektive Rechtfertigung für die Zurechnung ergibt sich aus einem Rechtsscheintatbestand, der nach Treu und Glauben einen Schluss auf das Vorliegen der Vollmacht zulässt; dazu ist regelmäßig eine gewisse Häufigkeit des nicht erkennbar beanstandeten Handelns des Vertreters erforderlich. 68 Die subjektive Berechtigung des Vertrauens fehlt jedenfalls dann, wenn der Geschäftsgegner trotz des Vorliegens des Rechtsscheintatbestandes bei der Vornahme des Rechtsgeschäftes das Fehlen der Vollmacht kennt oder kennen muss.69 Darüber hinaus ist das Vertrauen des Geschäftsgegners nur berechtigt, wenn der geschaffene Rechtsschein für seine getroffene Entscheidung ursächlich geworden ist. Umstritten war auch, welche Rechtsfolgen die Anscheinsvollmacht hervorruft. Auch wurde die Lehre von der so genannten Schein– oder Anscheinsvollmacht" teilweise abgelehnt.71 Die ganz herrschende Meinung72 geht jedoch davon aus, dass die Wirkungen der Anscheinsvollmacht grundsätzlich die gleichen sind wie die einer rechts-geschäftlich erteilten Vollmacht. Der BGH 73 spricht davon, dass die "Bindungswirkung einer Vollmacht kraft Rechtsschein der einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht" gleichstehe. Das bedeutet, dass der Geschäftsgegner in entsprechender Anwendung des § 164 Vertragspartei wird und gegebenenfalls nicht nur für den Vertrauensschaden, sondern auf Erfüllung und bei Schadensersatz auf das Erfüllungsinteresse haf-tet. _________________________________________________ 63 MünchKomm /SCHUBERT , § 167 Rn. 112; STAUDINGER /SCHILKEN , § 167 Rn. 34 ff. 64 BGHZ 5, 111, 116 . 65 Ihm folgend u.a. S TAUDINGER /SCHILKEN , § 167 Rn. 40; HÜBNER , Rn. 1286; SOERGEL /LEPTIEN , § 167 Rn. 22. 66 MünchKomm /SCHUBERT , § 167 Rn. 115 ff. mit Nachw. 67 BGH NJW RR, 1986, 1169 f .; MünchKomm /SCHUBERT , BGB § 167 Rn. 121. 68 So BGH NJW RR, 1986, 1169 f . 69 So zutreffend MünchKomm /SCHUBERT , BGB § 167 Rn. 122. 70 Vgl. BGH WM 1981, 171 f. 71 FLUME, § 49, 4. 72 U.a. BGHZ 86, 273; HÜBNER, Rn. 1288; nunmehr auch W OLF/NEUNER , § 50, Rn. 94 ff. ; STAUDINGER /SCHILKEN, § 167 Rn. 44; MünchKomm /SCHUBERT , BGB § 167 Rn. 94 mit weiteren Nachw. 73 BGHZ 86, 273, 276 . 74 Vgl. SOERGEL /LEPTIEN , § 167 Rn. 24 mit Nachw.

Die Stellvertretung d) Anfechtung der Anscheins – und Duldung svollmacht Eine weitere Problematik ergibt sich hinsichtlich einer Anfechtung der Anscheins - oder Duldungsvollmacht. die noch herrschende Lehre lehnt eine Anfechtung von Rechtsscheinvollmachten ab75, da der Rechtsschein auf einem tatsächlichen handeln beruhe und daher eine Anwendbarkeit der §§ 119 ff. BGB ausgeschlossen sei.76 Eine andere Stimme in der Literatur sieht kein Hindernis an einer Anfechtung.77 Rechtsscheinvollmacht könne nur soweit reichen, wie eine tatsächliche Vollmacht. IV. Das Insichgeschäft ( § 181) 1. Überblick Der Gesetzgeber hat mit § 181 Insichgeschäfte – den Abschluss von Rechtsgeschäften mit sich selbst – für unzulässig erklärt, es sei denn,

Ein Insichgeschäft liegt nach § 181 in zwei Fällen vor: beim so genannten Selbstkontrahieren und bei der so genannten Mehrvertretung. Beispiel: G bittet den L, er möge für ihn (im Namen des G) einen gebrauchten PKW möglichst günstig verkaufen. G bevollmächtigt daher den L außerdem , im Namen des G einen Kaufvertrag abzuschließen. L will den PKW nun selbst er werben und schließt als Vertreter des G mit sich selbst einen Kaufvertrag ab (so genanntes "Selbstkontrahieren" ), in welchem ein extrem niedriger Preis vereinbart wird.

_________________________________________________ 75 JAUERNIG /MANSEL , 167 Rn. 9.; SOERGEL /LEPTIEN , § 167 Rn. 22.; BeckOK/H AU/POSECK , BGB § 167 Rn. 20 . 76 BeckOK/ HAU/POSECK , BGB § 167 Rn. 20. 77 MünchKomm /SCHUBERT , § 167 Rn. 151 f.; Grueneberg/Ellenberger, § 167 Rn. 16. Insichgeschäft schwebende Unwirksamkeit Ausnahme: ausschließlich in Erfüllung einer Verbindlichkeit oder ist gestattet worden G L Kaufvertrag Vollmacht L •Stellvertreter des G •Geschäftsgegner des G •„Verhandeln mit sich selbst“

Die Stellvertretung Beispiel: F und K wollen einen Kaufvertrag abschließen. Sie sind beide verhindert, die dazu notwendigen Willenserklärungen abzugeben. Deshalb bevollmächtigen sie beide den A, für sie die notwendigen Erklärungen (Angebot und Annahme) abzugeben. K und F wissen, dass A jeden von ihnen vertreten soll. Auch hier handelt es sich um ein Insichge schäft, denn Angebot und Annahme werden durch eine Person erklärt, wenn A sowohl als Vertreter des F als auch als Stellvertreter des K auftritt (so genannte "Mehrvertretung" ).

Das Gesetz erklärt Insichgeschäfte grundsätzlich für unzulässig, weil sich au s dem Verhandeln mit sich selbst Interessenkollisionen ergeben können, die dazu verführen, die Vertretungsmacht zu missbrauchen. Zu dem ersten Beispiel: Hier geht es um eine typische Situation, die dazu führt, die Vertretungsmacht durch ein Insichgeschäft zu missbrauchen. Während G ein Interesse daran hat, einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen, möchte L den PKW möglichst billig erwerben. Es liegt in diesem Fall ein Verstoß gegen § vor. Die Folge eines Verstoßes gegen § 181 besteht darin, dass das Rechtsgeschäft, das abgeschlossen werden sollte, schwebend unwirksam ist. Es kann durch Genehmigung des Betroffenen gemäß § 184 voll wirksam werden. Wird die Genehmigung nicht erteilt, dann ist das Geschäft nichtig . 2. § 181 als formale Ordnungsvorschrift? § 181 ist von der Rechtsprechung zunächst als formale Ordnungsvorschrift verstanden worden: Jedes Insichgeschäft, das der Bevollmächtigende nicht gestattet hat und das nicht in der Erfüllung einer Verbindlichkeit vorgenommen wird, sollte unzulässig sein. Ob im konkreten Fall eine Interessenkollision vorlag, war unerheblich, denn in erster Linie sollten unklare Rechtsverhältnisse vermieden werden . Von dieser Rechtsprechung ist der BGH seit Anfang der 70er Jahre abgerückt.80 Danach soll bei genau abgrenzbaren Fallgruppen das Verbot des Selbstkontrahierens nicht mehr gelten, wenn die Gefahr einer Interessenkollision nicht mehr besteht. Eine solche Interessenkollision kommt z.B. dann nicht in Betracht , wenn das Insichgeschäft des Vertreters für den Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt. Der BGH 81 weist in diesem Zusammenhang auf die ähnliche Interessenlage hin, wie § sie voraussetzt und schränken den § 181 insoweit ein ( teleologische Reduktion) . _________________________________________________ 78 BGHZ 65, 123, 125 f. 79 RGZ 157, 24, 31 ; BGHZ 50, 8, 11. 80 Beginnend mit BGHZ 59, 236 , 81 BGHZ 59, 236, 240. F K Kaufvertrag Vollmacht A „Verhandeln mit sich selbst“ A Vollmacht

Die Stellvertretung Deshalb gilt nach Auffassung des BGH82 das Verbot des Selbstkontrahierens nicht für Insichgeschäfte der sorgeberechtigten Eltern eines in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Minderjährigen, die dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen; typischer Fall ist eine Schenkung der Eltern an ihre minderjährigen Kinder .83 Durch den Verweis in §§ 1629 II 1, 1824 II wird klargestellt, dass § 181 unberührt bleibt. Insoweit kommt es dann zur schwebenden Unwirksamkeit und eine Ergänzungspflegschaft (§§ 1809 ff.) kann notwendig werden. Damit hat sich die Rechtsprechung84 auf eine zweck – und interessenorientierte Interpretation des § 181 festgelegt85 wie dies von der Literatur überwiegend gefordert wird.86 Inzwischen wird § 181 nach überwiegender Ansicht nicht al s eine formale Ordnungsvorschrift verstanden, sondern als eine gesetzliche Regelung, die das Ziel verfolgt, die Gefahren für den Vertretenen durch einen Interessenkonflikt auf Seiten des Vertreters abzuwenden. 3. Die Gestattung Die Gestattung eines Insichgesc häfts gemäß § 181 ist ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft , das keiner Form bedarf. Im Grunde ist die Gestattung eine Erweiterung der Vollmacht; daher kann der Vertretene das Rechtsgeschäft auch nach-träglich (analog §§ 177, 184) genehmigen. 87 Die Gestattung kann auch konkludent erklärt werden. Eine Gestattung durch konkludentes Verhalten ist z.B. dann anzunehmen, wenn nach den Umständen des Falles das Vertretergeschäft nur durch ein Insichgeschäft abg eschlossen werden kann; dabei ist das Rechts verhältnis zu berücksichtigen, das der Vertretungsmacht zugrunde lieg t.88 Beispiel: Veräußerer und Erwerber eines Grundstücks bevollmächtigen bewusst dieselbe Person, die notwendigen Auflassungserklärungen abzugeben bzw. entgegenzunehmen. Beispiel: Bei der sog. Ein-Personen- GmbH ist eine Befreiung des Geschäftsführers vom Selbstkontrahierungsverbot (vgl. § 35 III GmbHG) üblich.

Die Stellvertretung Bei der gesetzlichen Vertretung kann die Gestattung durch Gesetz geschehen. Nach Ansicht des BGH kann dem gesetzlichen Vertreter von Minderjährigen die Gestattung nicht durch das Betreuungsgericht erteilt werden.91 4. Die Erfüllung einer Verbindlichkeit In "Erfüllung einer Verbindlichkeit " i.S. des § 181 kann nur ein Erfüllungsgeschäft vorgenommen werden. Die zu erfüllende Verbindlichkeit (beispielsweise der Anspruch auf Übergabe und Übereignung § 433 I 1) muss allerdings bereits rechtswirksam bestehen und darf nicht erst durch Erfüllung wirksam und damit bindend werde n. Beispiel: T ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass de r N, die von A und B beerbt worden ist. In dem Testament hat N bestimmt, dass T ein Vermächtnis in Höhe von € 5.000, -- zufallen soll. Wenn T in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker aus dem Nachlassvermögen € 5.000, -- entnimmt, so ist dieses Rechtsgeschäft nach § 181 wirksam, da die Entnahme zur Erfüllung einer Ve rbindlichkeit (des Vermächtnisses) erfolgt ist.

Fall: A, die sich für eine längere Forschungsreise in Australien aufhält, hat für die Dauer ihrer Abwesenheit ihrem Freund F Generalvollmacht erteilt. Mit schriftlichem Vertrag verkauft der F einen der A gehörende n Fernseh er an sich selbst für einen äußerst niedrigen Preis. Bei Vertragsabschluss ist er für d ie abwesende A aufgetreten, während er als Erwerber durch seinen Bruder B vertreten worden ist. Bei ihrer Rückkehr erfährt A von diesem Rechtsgeschäft und ist entsetzt . Sie hält es für unwirksam und verweigert jede Genehmigung. Ist der Kaufvertrag wirksam zustande gekommen?

Aufgabe 1: Beantworten Sie diese Frage bitte schriftlich und vergleichen Sie Ihre Ausführungen anschließend mit der Lösung am Ende di eser Kurseinheit ! V. Die Vertretung ohne Vertretungsmacht bei einem Vertrag 1. Möglichkeiten der Vertretung ohne Vertretungsmacht Es kommt vor, dass jemand im Namen einer Person rechtsgeschäftlich handelt, ohne von dieser dazu bevollmächtigt zu sein. Es handelt sich dann um einen Fall, in dem jemand als Vertreter ohne Vertretungsmacht auftritt. Der Vertreter ohne Vertretungsmacht (falsus procurator) dringt in den Geschäftskreis dessen ein, in dessen Namen zu handeln er vorgibt. Für die dadurch auftretenden Proble me, insbesondere die drohenden Interessenkollisionen, versucht das BGB in den §§ 177 ff. Lösungsmöglichkeiten zu finden. _________________________________________________ 91 BGHZ 21, 229, 92 MünchKomm/ SCHUBERT , § 181 Rn. 99; JAUERNIG /MANSEL , § 181 Rn. 10; Vgl. §§ 311b Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB.

Die Stellvertretung Es gibt verschiedene Arten, in der jemand als Vertreter ohne Vertretungsmacht handeln kann: a) derjenige, der von vornherein ohne jede Vertretungsmacht im Namen eines anderen rechtsgeschäftlich handelt; Beispiel 1: D tritt im Namen de r E auf und schließt mit G für E einen Kaufvertrag ab, obwohl E den D niemals bevollmächtigt hat. D ist hier Vertreter ohne Ver-tretungsmacht.

b) auch derjenige , der zwar Vertretungsmacht hat, aber die Grenze , die durch den Umfang der Vertretungsmacht gezogen wird, überschreitet. In solchen Fällen deckt die erteilte Vertretungsmacht nur einen Teil des vom Vertreter abgeschlossenen Rechtsgeschäftes; Beispiel 2: M bittet seinen Freund N, für ihn bei de r Buchhändler in B sechs Kriminalromane (Taschenbücher) zu kaufen. N kauft bei B im Namen des M sechs Kriminalromane und Thomas Manns gesammelte Werke.

c) die Person, die aufgrund einer erteilten Vollmacht im Namen des Vertretenen ein Rechtsgeschäft abschließt, wenn die Vollmacht später wirksam ange-fochten wird; Beispiel 3: S schließt für A aufgrund einer ihm von A erteilten Vollmacht mit B einen Kaufvertrag ab. Anschließend ficht A die Vollmachtserteilung gemäß § 123 an , weil S ihn arglistig getäuscht hat. Ist die Anfechtung wirksam, so wirkt sie gemäß § 142 Abs. 1 zurück. Die Vollmacht wird so behandelt, als sei sie niemals erteilt worden. S war Vertreter ohne Vertretungsmacht, als er mit B einen Kaufvertrag abschloss.

d) derjenige, der einmal bevollmächtigt war und auch noch nach Erlöschen der Vollmacht im Namen des Vertretenen für diesen rechtsgeschäftlich handelt. Beispiel 4: S ist Eigentümer mehrerer Neubauten. Er erteilt wegen einer Geschäftsreise seinem Vater V Vo llmacht zum Abschluss einiger Mietverträge. Nach einem Streit widerruft S die Vollmacht. Einige Zeit später schließt V im Namen des S mit M einen Mietvertrag.

2. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Vertretenen und dem Dritten Ein Vertrag, den der Vertreter o hne Vertretungsmacht mit einer anderen Person abschließt, ist zunächst schwebend unwirksam (§ 177). Schwebend unwirksam bedeutet hier: Der Vertrag ist noch nicht wirksam, d.h. die Rechtsfolgen treten noch nicht ein. Der Vertrag kann aber durch nachträgliche Zu-stimmung (Genehmigung § 184 I ) desjenigen, in dessen Namen der Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, wirksam werden. Derjenige, in dessen Namen der Vertreter ohne Vertretungsmacht aufgetreten ist, kann die Genehmigung allerdings auch verweiger n. In einem solchen Fall ist der Vertrag endgültig unwirksam und er wird aus dem Vertrag weder verpflichtet noch berechtigt. Beachten Sie insofern auch die Parallelen zum Minderjährigenrecht, §§ 108 f.

Die Stellvertretung

Auf das Beispiel 1 (im vornherein ohne Vertretungsma cht) angewandt bedeutet dies: Der Kaufvertrag, den D im Namen de r E mit G abgeschlossen hat, ist schwebend unwirksam, bis E das Rechtsgeschäft genehmigt oder die Genehmigung verweigert. Genehmigt E das Geschäft, dann ist der Kaufvertrag zwischen E und G zustande gekommen. Verweigert E die Genehmigung, ist G wegen der endgültigen Unwirksamkeit des Geschäfts daraus weder berechtigt noch verpflichtet.

Die Genehmigung kann der Vertretene gemäß § § 177 Abs. 1, 182 Abs. 1 entweder gegenüber dem Vertreter oder gegenüber dem Dritten (dem Geschäftsgegner) erklä-ren. Die Genehmigung gemäß § 177 Abs. 1 kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Dies liegt nach dem BGH regelmäßig dann vor, wenn der Genehmigende die Unwirksamkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und dass in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen. 93 Doch auch dann wertet der BGH94 ein entsprechendes schlüssiges Verhalten als wirksame Willenserklärung, wenn subjek tiv ein Erklärungsbewusstsein fehlt, "der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt aber hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst wurde, und w enn der Empfänger die Äußerung auch tatsächlich so verstanden hat". Bloßes Schweigen oder auch „beredetes Schweigen“ genüge nur dann, "wenn der Vertretene nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, seinen abweichenden Willen zu äußern". 95 Dies komme etwa dann in Betracht, wenn ein Ehegatte als Vertreter für den anderen auftritt.96 Diese Entscheidung des BGH ist angesichts seiner Rechtsprechung zum subjektiven Tatbestand einer Willenserklärung97 nur konsequent. Gemäß § 184 Abs. 1 wirkt die Genehmigung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurück (ex tunc) . Bis zur Erteilung der Genehmigung kann der Dritte (der Geschäftsgegner) den Widerruf seiner eigenen Willenserklärung erklären und damit die Unwirksamkeit des Geschäftes herbeiführen ( § 178). Das Wide rrufsrecht steht ihm allerdings nur zu, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht bei Abschluss des Vertrages nicht gekannt hat. Der Dritte (Geschäftsgegner) kann die aufgrund der schwebenden Unwirksamkeit herrschende Ungewissheit dadurch beenden, dass er ge mäß § 177 Abs. 2 den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auffordert . Das hat zur Folge, dass _________________________________________________ 93 BGH NJW 2005, 1488 f . 94 BGHZ 128, 41, 49 . 95 BGHZ 128, 41, 49 . 96 OLG Celle BeckRS 1999, 16900 . 97 BGHZ 91, 324 und 109, 171, 177; vgl. dazu KE 2 § 2 II Nr. 3 . WEohne Vertretungsmachtschwebend unwirksam §177 IGenehmigung wirksam Verweigerungendgültig unwirksam; Haftung §179 Aufforderung §177 II ohne Antwortendgültig unwirksam; Haftung §179

Die Stellvertretung die vom Vertretenen zu erklärende Genehmigung oder die Verweigerung derselben nur noch dem Dritten gegenüber erfolgen kann; außerdem kann die Genehmigun g nur noch innerhalb einer Frist von zwei Wochen – berechnet ab Zugang der Aufforderung beim Vertretenen – erfolgen. Erklärt der Vertretene die Genehmigung innerhalb dieser Frist nicht, so gilt sie als verweigert. Schwierigkeiten können auftreten, wenn ein e Person, der Vollmacht erteilt worden ist, die Vertretungsmacht überschreitet und der Vertretene den nicht von der Vollmacht gedeckten Teil des Rechtsgeschäfts nicht genehmigt. Beispiel 5 (Fortführung des Beispiel 2): M genehmigt den Kauf von Thomas Manns gesammelten Werken nicht.

Lässt sich das Geschäft in einen durch die Vollmacht gedeckten und einen ungedeckten Teil aufgliedern, so ist nach § 139 zu verfahren und zu entscheiden, ob wegen der Unwirksamkeit des einen Teils das gesamte Rechtsgeschäft unwirk sam ist .98 Dies ist gem. § 139 im Zweifel anzunehmen. Ist das Rechtsgeschäft unteilbar und damit das gesamte Rechtsgeschäft unwirksam , so sind auf das gesamte Rechtsgeschäft die §§ 177 ff. anzuwenden. Handelt es sich hingegen um ein teilbares Rechtsgeschäf t, so ist der innerhalb der Vertretungsmacht vorgenommene Teil des Geschäfts wirksam. Im Hinblick auf den übrigen Teil liegt ein Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht vor . 99 Die §§ 177 ff. finden Anw endung. Insbesondere kann im Hinblick auf den unwir ksamen Teil ein Anspruch aus § 179 Abs. 1 oder Abs. 2 gegen den Vertreter ohne Vertretungsmacht entstehen.100

Zu dem vorhergehenden Beispiel 5: Es ist zu prüfen, ob nach § 139 das gesamte Geschäft zwischen B und M unwirksam ist. Das abgeschlossene Geschäft lässt sich in einen durch die Vollmacht gedeckten und einen durch dieselbe nicht gedeckten Teil aufteilen. Beide Teile können jeweils selbständig Bestand haben . Es ist davon auszugehen, dass M und B bei Kenntnis der Nichtigkeit des Teilgeschäfts über die Werke Thomas Manns den Teil des Kaufvertrages, der sich auf die Kriminalromane bezog, aufrechterhalten haben würden. Nach § 139 ist deshalb nicht das ganze Geschäft, der gesamte Kaufvertrag, zwischen B und M unwirksam, sondern nur der Teil, der sich auf die Werke Thomas Manns bezog. Im Hinblick auf diesen Teil des Rechtsgeschäfts kann B Ansprüche aus § 179 gegen N geltend machen.

_________________________________________________ 98 Vgl. BGHZ 103, 275, 278; MünchKomm/ SCHUBERT , § 177 Rn. 41; STAUDINGER /SCHILKEN , § 177 Rn. 5a. 99 Vgl. STAUDINGER /SCHILKEN , § 167 Rn. 89. 100 BGHZ 103, 275, 278. Überschreiten VertretungsmachtTeilbares Rechtsgeschäft §139jaTeil: wirksam Teil: §§177 ff. nein ges. §§177 ff.

Die Stellvertretung Ein Bote, der eine ihm aufgetragene rechtsgeschäftliche Erklärung vorsätzlich falsch übermittelt, haftet nach herrschender Meinung101 in entsprechender Anwendung der §§ 177 ff. wie ein Vertreter ohne Vertretungsmacht . Entsprechend angewendet werden die §§ 177 ff. auch, wenn sich jemand wissentlich und ohne jeden Auftrag als Bote eines anderen ausgibt. Beispiel : Wenn der D de r Mofahändlerin V gegenüber ein gefälschtes Schreiben der X vorlegt, nachdem diese angeblich ein neues Mofa kaufen möchte, so handelt der D wissentlich und ohne Auftrag als Bote der X. Es kommt kein Vertrag zwischen X und V zustande. Stattdessen haftet der D gegenüber Mofahändlerin V gem. §§ 177 ff. analog.

3. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Vertreter ohne Vertretungs-macht und dem Dritten a) Überblick Verweigert der Vertretene die Genehmigung des Rechtsgeschäfts, das der Vertreter ohne Vertretungsmacht (falsus procurat or) vorgenommen hat, so hängt die Haftung des Vertreters gegenüber dem Geschäftsgegner davon ab, ob er das Fehlen seiner Vertretungsmacht gekannt hat oder nicht, § 179 Abs. 1 oder Abs. 2. Es handelt sich dabei um die Haftung aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis. Diese Haftung ist verschuldensunabhängig, es kommt somit nicht darauf an, weshalb der Vertreter keine Vertretungsmacht hatte . Sie ist eine Vertrauenshaftung im Interesse der Verkehrssicherheit, die dem Vertreter ohne Vertretungsmacht dieses Risiko auferlegt. 102 Für den BGH103 besteht der Rechtsgedanke des § 179 in der "Begründung der Haftung des vollmachtlosen Vertreters, der durch sein Auftreten als Vertreter rechtliche Beziehungen zu dem Vertretenen kundgibt und dadurch in dem Dritten das Vertrauen erweckt, das Geschäft komme mit dem Vertretenen zustande". § 179 findet auf die gesetzliche Stellvertretung ebenso Anwendung wie auf die durch Rechtsgeschäft begründete Vollmacht .104 § 179 findet auch dann Anwendung, wenn der Vertrag wegen Überschreitung der Vollmacht nur teilweise unwirksam ist .105

  • Ein Unt erbevollmächtigter, der als Vertreter des Hauptbevollmächtigten (nicht

Die Stellvert retung Untervollmacht, nicht aber, wenn es an der Vollmacht des Hauptbevollmächtigten mangelt .107

  • Umstritten ist allerdings, wie es sich verhält, wenn die Hauptvollmacht Mängel aufweist.
  • Tritt der Untervertreter dem Geschäfts gegner als Vertreter des Geschäftsherrn
  • Umstritten ist allerdings, wie der Fall zu beurteilen ist, wenn der Unterstellvertreter die Untervollmacht offenlegt, die Hauptvollmacht allerdings Mängel auf-weist. Die überwiegende Ansicht sieht für eine Inanspruchnahme des Unterstellvertreters kein en Raum, da die § 179 BGB nur die zu Unrecht behaupt ete

_________________________________________________ 107 So BGHZ 32, 250 ff . mit ausführlicher Begründung. 108 So BGHZ 68, 391, 395. 109 BGHZ 32, 250, 254 f .; BeckOK/ SCHÄFER , § 179 Rn. 33 f ., a.A.: MünchKomm/S CHUBERT , § 167 Rn. ff. Vollmachtgebe r/Geschäftsherr•bevollmächtigt den Stellvertreter Bevollmächtigter /Stellvertreter •wird vom Stellvertreter nicht bevollmächtigtUnterstellvertreter Vollmachtgeber/ Geschäftsherr•bevollmächtigt den Stellvertreter Bevollmächtigter/ Stellvertreter•wird vom Stellvertreter bevollmächtigt Unterstellvertreter (Tritt als „Stellvertreter“ und nicht als „Unterstellvertreter“ des Geschäftsherrn auf)

Die Stellvertretung c) Die Inanspruchnahme des Vertreters beim Geschäft für den, den es angeht Nach herrschender Meinung110 kann derjenige, der ein Rechtsgeschäft für den, den es angeht111 oder für eine Person, deren Benennung er sich vorbehält , abschließt, in entsprechender Anwendung des § 179 in Anspruch genommen werden, wenn er sich weigert, den Vertretenen namhaft zu machen und die Durchführung des Geschäftes daran scheitert. Der BGH112 begründet dies mit dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Partner einer Rechtsverbindung, in die der andere Teil einen Vertreter einbezieht, auf die Wirksamkeit der Bevollmächtigung vertrauen darf. Er soll sich also nicht nur auf die Verbindlichkeit der von dem Vertreter abgegebenen Erklärungen und vorgenommenen Rechtshandlungen im Verhältnis zu dem Vertretenen ver-lassen können; das Vertrauen des Geschäfts gegners erstreckt sich vielmehr auch darauf, dass ihm der Vertretene bekannt gegeben wird. Erst dadurch wird der Geschäfts gegner dazu in die Lage versetzt, den Vertretenen auf Erfüllung der Verpflichtungen in Anspruch zu nehmen, die sich aus dem Rechtsverhältnis ergeben. Wird dieses Vertrauen e nttäuscht, so muss der Vertreter dafür einstehen; denn Rechtsfolgen, die die sich aus dem Rechtsverhältnis ergeben , können dann nicht ordnungsgemäß abgewickelt werden. Allerdings räumt der BGH 113 dem Anspruchsberechtigten kein Wahlrecht, sondern nur den Anspruch auf Schadensersatz ein. § 179 ist auch ( entsprechend) anwendbar, wenn jemand im Namen einer nicht existierenden Person vertragliche Vereinbarungen trifft, der angeblich Vertretene also gar nicht existiert.114 Der BGH115 begründet das damit, dass die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht eine gesetzliche Garantenhaftung sei, die dem Vertre-ter das verschuldensunabhängige Risiko auferlege, dass seine Erklärung, er habe die erforderliche Vertretungsmacht, richtig ist. Das Einstehenmüssen des vollmachtlo sen Vertreters für die Rechtsfolgen dieser Erklärung beruht nach Ansicht des BGH "auf einer im Interesse der Verkehrssicherheit geregelten Vertrauenshaftung"; behaupte der Vertreter ausdrücklich oder schlüssig, die für die Vornahme des Rechtsgeschäfts erforderliche Vertretungsmacht zu haben, dürfe der Vertragspartner daran grundsätzlich glauben. d) Der Anspruch aus § 179 Abs. Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht gekannt, dann haftet er dem Geschäftsgegner nach dessen Wahl auf Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Nach herrschender Lehre 116 handelt es sich im Falle des § 179 Abs. 1 um ein Wahlschuldverhältnis, auf das die §§ 262 ff. Anwendung finden. Das hat zur Folge, dass der Schuldner nur noch zu einer Leistung verpflichtet ist und der Gläubiger nur eine Forderung hat . _________________________________________________ 110 BGHZ 129, 136 , 149 f . 111 Oben KE 6, § 16 III Nr. 2 c). 112 BGHZ 129, 136 , 150. 113 BGHZ 129, 136 , 150 f . 114 BGHZ 105, 283, 285; BGH WM 1996, 592, 593 . 115 BGHZ 105, 283, 285 f. 116 Vgl. MünchKomm/ SCHUBERT , § 179 Rn. 37; FLUME, § 47 3 b

Die Stellvertretung Beispiel (im Anschluss an Beispiel 5): B entschließt sich, hinsichtlich Thomas Manns gesammelter Werke gegenüber N seinen Erfüllungsanspruch geltend zu machen. Nachdem die gegenseitigen Leistungen ausgetauscht worden s ind, stellt N fest, dass der Druck auf einer Seite viel zu schwach und kaum lesbar ist. N hat jetzt gegenüber B zunächst einen Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 1, 434, 439) sowie nach fruchtlosem Ablauf der Nacherfüllungsfrist ein Rücktritts- (§§ 323, 437 Nr. 2 1. Alt., 434) bzw. Minderungsrecht (§§ 441, 323, Nr. 2 2. Alt., 434).

Wählt der Dritte den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, so ist der Anspruch auf eine Geldleistung gerichtet, durch die der Geschäftsgegner so gestellt werden muss, wie er stehen würde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (Erfüllungsschaden = positives Interesse) . Bei gegenseitigen Verträgen ist der Schaden regelmäßig nach der Differenztheorie zu berechnen, also nach der Differenz zwischen den Werten von Leistung und Gegenleistung . Beispiel (im Anschluss an Beispiel 5): Der vermeintliche Kaufvertrag zwischen M und B wurde zu einem Kaufpreis von 800 € abgeschlossen. Thomas Manns gesammelter Werke haben einen objektiven Marktw ert von 600 €. B entschließt si ch gegenüber N seinen Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Sein Interesse an dem vermeintlichen Kaufvertrag betrug somit 200 €. e) Der Anspruch aus § 179 Abs. Die strenge Haftung des Vertreters aus § 179 Abs. 1 entsteht nur, wenn der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht kennt. Hat er den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, so haftet er gemäß § 179 Abs. 2 lediglich auf das negative Interesse (Vertrauensinteresse). Auf ein Verschulden des Vertreters kommt es nicht an; uner-heblich ist auch, ob der Mangel für ihn überhaupt erkennbar war . Der Vertrauensschaden (das negative Interesse) ist in gleicher Weise zu berechnen wie ein Schaden gemäß § 122. 120 Das bedeutet, dass der Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses durch die Höhe des Erfüllungsinteresses (positiven Interesses) begrenzt ist. f) Der Ausschluss der Haftung nach § 179 Abs. Wenn der Dritte (der Geschäftsgegner) den Mangel der Vertretungsmacht gekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht gekannt hat ("kennen musste") , entfällt die Haftung des Vertreters aus § 179 Abs. 1 oder 2. Der Dritte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, Erkundigungen darüber einzuziehen, ob der Vertreter mit Vertretungsmacht ausge-stattet ist oder nicht. Eine solche Informationsobliegenheit kann ausnahmsweise bestehen, wenn sich im Einzelfall für den Dritten tatsächliche Anhaltspunkte ergeben, die Zweifel an der Vertretungsmacht begründen. _________________________________________________ 117 vgl. MünchKomm/ SCHUBERT , § 179 Rn. 47. 118 Insofern behält er das Eigentum an den Werken (Wert 600 €) und wird in Höhe des „entgangenen Gewinns“ von 200 € entschädigt. 119 Vgl. MünchKomm/ SCHUBERT , § 179 Rn. 51. 120 Skript 6 § 14 V Nr. 2. 121.BeckOGK/ ULRICI, 1.11.2023, BGB § 179 Rn. 71 .

Die Stellvertretung Beschränkt geschäftsfähige Vertreter haften nicht, es sei denn, sie haben mit der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter gehandelt (§ 179 Abs. 3 S. 2).

g) Verhältnis zu einem Anspruch aus C.I.C. Die Frage, ob die Haftung aus § 179 Abs. 1 eine Inanspruchnahme des Vertreters ohne Vertretungsmacht aus "culpa in contrahendo" (§§ 280, 311 Abs. 2 BGB) verdrängt, ist umstritten .122 Da § 179 einen besonderen Fall der Risikohaftung mit einer besonderen, sich aus § 179 Abs. 3 ergebenden Wertung regelt , besteht für eine Haftung aus culpa in contrahendo kein Raum .123 Unter besonderen Voraussetzungen kann der Dritte jedoch auch einen Anspruch aus "culpa in contrahendo" gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, 241 Abs. 2 gegen den Vertreter erwerben. Ein solcher Anspruch kann entstehen, wenn der Dritte dem Vertreter ein besonderes, über die normale Verhandlungsloyalität hinausgehendes Vertrauen entgegenbringt und erwartet, darin auch geschützt zu werden. Der BGH125 hat eine Haftung des Vertreters selbst aus " culpa in contrahendo" insbesondere unter der Voraussetzung angenommen, dass der Vertragsgegner (des Ver-tretenen) dem Vertreter persönlich ein besonderes Vertrauen entgegengebracht hat und der Vertreter eine daraus erwachsende Pflicht - etwa eine Aufklärungspflicht - verletzt hat (vgl. § 311 Abs. 3 S. 2). Ein solcher Anspruch aus culpa in contrahendo setzt allerdings stets voraus, dass eine vorve rtragliche Nebenp flicht schuldhaft verletzt wird und dadurch dem anderen ein Schaden entsteht. h) Die Anscheinsvollmacht und die Haftung aus § Oben 126 wurde die Auffassung vertreten , dass der Geschäftsgegner bei Vorliegen des Vertrauenstatbestandes einer An scheinsvollmacht in entsprechender Anwendung des § 164 Vertragspartner wird. Dann ist es nur konsequent, in solchen Fällen eine Inanspruchnahme des Vertreters aus § 179 Abs. 1 oder 2 auszuschließen. Umstritten ist auch, ob der Dritte ein Wahlrecht dafür ha t, sich auf den Vertrauenstatbestand der _________________________________________________ 122 MünchKomm/ SCHUBERT , § 179 Rn. 52 . 123 A.A. P RÖLSS . JuS 1986, 169, 172. 124 BeckOK/ SCHÄFER , BGB § 179 Rn. 31 ; 125 Siehe vor allem BGHZ 88, 67, 68 f. 126 Zur Anscheinsvollmacht siehe KE 6, § 16 III Nr. 9 c). •Gegner kannte fehlende Vertretungsm. bzw. hätte sie erkennen können (Arg: keine Vertrauenshaftung ohne Vertrauen) •Beschränkt geschäftsfähiger VertreterAbs. 3: Haftungsausschluss •Anspruch gegen Vertreter mit Wahlrecht •Erfüllung (gesetzliches SchuldV mit Vertreter) •Schadensersatz (positives Interesse)Abs. 1: Grundregel •Beschränkung der Haftung des Vertreters •Schadensersatz i.H.d.Vertrauensschadens •höchstens i.H.d. positiven InteressesAbs. 2: Gutgläubigkeit des Vertreters

Die Stellvertretung Anscheinsvollmacht (gegen den Vertretenen) oder auf § 179 Abs. 1 (gegen den Vertreter) zu stützen . Zutreffend argumentiert der BGH127, § 179 Abs. 1 stelle dem Gläubiger (dem Dritten) nur für den Fall, dass die Begründung einer Vertragsverpflichtung an einem Vertretungsmangel scheitert, einen anderen Schuldner in der Person des als Vertreter Aufgetretenen bereit; dafür bestehe aber kein Bedürfnis, wenn der Gläubiger den angeblich Vertretenen, sei es auch nur kraft Recht sscheins, tatsächlich in Anspruch nehmen kann. Eine andere Frage ist die, ob der Vertretene aus culpa in contrahendo in Anspruch genommen werden kann, wenn er Mängel der Vollmacht schuldhaft verursacht hat . Fall: M, der leidenschaftlich gerne Musik hört, besitzt eine Retro Musik anlage von hervorragender Qualität. Da er nur über ein geringes Einkommen verfügt, hat er die die einzelnen Teile seiner Anlage , d.h. den Schallplattenspieler, den Verstärker und die beiden Lautsprecherboxen, der Reihe nach von 2019 bis 2022 in unregelmäßigen Zeitabständen bei der Elektrofachhändler in E gekauft. Bei jedem Kauf ist er ohne Wissen seines Onkels (O) in dessen Namen aufgetreten. Die Bezahlung des Kaufpreises erfolgte stets eine Woche später. Am 31.10.2024 kauft M bei E eine Soundbar für € 1.000, ––, indem er wieder als Bevollmächtigter seines Onkels auftritt. Am nächsten Tag wird M bei einem Verkehrsunfall derart schwer verletzt, dass er für mehrere Monate im Krankenhaus behandelt werden muss. Dies hat zur Folge, dass M vergisst, den Kaufpreis zu zahlen. O hatte zwar schon Ende 2023 erfahren, dass M in seinem Namen aufgetreten war, hatte M aber, obwohl er dessen Verhalten missbilligte, nicht zur Rede gestellt, um ihm eine Peinlichkeit zu ersparen. Nach einiger Zeit entdeckt E, dass die Rechnung für die Soundbar noch offensteht. Verärgert fordert er den O am 5.12.20 24 zur Zahlung auf. O weigert sich jedoch und erklärt E, er solle sich an M wenden. Kann E von O Zahlung der € 1.000, –– verlangen? Aufgabe 2: Beantworten Sie diese Frage bitte schriftlich und vergleichen Sie Ihre Ausführungen anschließend mit der Lösung am Ende dieser Kurseinheit ! 4. Der Missbrauch der Vertretungsmacht Anders gelagert als di e eben diskutierten Fälle des Vertreters ohne Vertretungsmacht ist der " Missbrauch " der Vertretungsmacht. Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt vor, wenn der Vertreter die im Innenverhältnis mit dem Vertretenen vereinbarten Grenzen überschreitet. Das I nnenverhältnis ist bei Vorliegen einer Vollmacht regelmäßig der zugrundeliegende Vertrag (Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag). Die Vollmacht regelt also das rechtliche „Können“ im Außenverhältnis, während das Innenverhältnis das rechtliche „Dürfen“ betrifft. Handelt der Vertreter im Rahmen der Vollmacht, überschreitet aber seine Befugnisse im Innenverhältnis, so wird der Vertretene grundsätzlich trotzdem rechtsgeschäftlich gebunden. _________________________________________________ 127 BGHZ 86, 273, 276 . a.A.: MünchKomm/S CHUBERT , § 179 Rn. 29 f .

Die Stellvertretung Beispiel : A bevollmächtigt B mit dem Kauf von 25 Computern für seine n euen Geschäftsräume. Beim Elektronikgeschäft C angekommen sieht B, dass ein Computermodell im Angebot ist und holt gleich 30 Stück mit. Eine Ausnahme sind solche Fälle, in denen der Vertreter seine Pflichten aus dem Innenverhältnis missachtet, aber das Vertrauen des Geschäftsgegners, dass das Handeln des Vertreters auch im Innenverhältnis rechtmäßig ist, nicht schutzwürdig erscheint. Dies sind Fälle der Kollusion oder Evidenz . Kollusion umfasst Fälle, in denen Vertreter und Geschäftsgegner einvernehmlich z ur Schädigung des Vertretenen zusammenwirken. Das Rechtsgeschäft kommt hierbei grundsätzlich wirksam zustande, aus Billigkeitsgesichtspunkten ist ein solches Rechts-geschäft jedoch nach § 138 Abs. 1 wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Beispiel : P ist als Prok urist im Einkauf beim Unternehmen des Kaufmanns K angestellt. Im Arbeitsvertrag zwischen P und K ist festgelegt, dass P den K nur in Höhe von maximal 5.000 EUR pro Rechtsgeschäft verpflichten kann. Da K dem Wunsch des P nach einer Gehaltserhöhung nicht nac hgekommen ist, beschließt er, dem K „eins auszuwischen“ und bestellt bei Lieferant in L, bei de r K regelmäßig Waren bezieht, 500 Aluminium -Rohlinge. Da K in der Vergangenheit die Rechnungen de r L schleppend bezahlt hatte, schließt sie sich dem Vorschlag des P an, als Kaufpreis diesmal 8.000 EUR statt der marktüblichen 4.000 EUR zu vereinbaren. Die Differenz solle anschließend beiden zugutekommen. Der Kaufvertrag ist hier nach § 138 Abs. 1 wegen Kollusion nichtig. P handelte im Rahmen seiner Prokura. F ür das Außenv erhältnis der Prokura ist § 50 Abs.1 HGB maßgeblich, wonach die Reichweite der P rokura gegenüber Dritten (hier L ) nicht beschränkt werden kann. P machte jedoch pflichtwidrig von seiner Vollmacht Gebrauch, um den K zu schädigen. Dies wusste d ie L auch . Mit dem Vertragsschluss wollten sie gemeinsam den K schädigen.

Umstritten sind Fälle der Evidenz . Hierbei kennt der Geschäftsgegner den Missbrauch der Vertretungsmacht oder das missbräuchliche Handeln des Vertreters mu sste sich ihm geradezu aufdrängen. Denkbar ist, dass in diesen Fällen die Grenzen des Innenverhältnisses auch für das Außenverhältnis gelten ; der Vertreter würde dann außerhalb seiner Vertretungsmacht mit der Folge handeln, dass die §§ 177 ff. analog anwendbar sind. Der Vertrag wäre also zu nächst schwebend unwirksam und hinge von der Genehmigung des Vertretenen ab. Nach Auffassung der Rechtsprechung kommt der Vertrag sofort wirksam zustande ; der Vertretene kann bei einer Inanspruchnahme dem Vertragspartner aber die Einrede des Recht smissbrau chs nach § 242 entgegenhalten. 128 Eine Unkenntnis infolge einfacher Fahrlässigkeit reicht jedoch nicht aus, da der Geschäftsgegner sonst einer ihm unzumutbaren Erkundigungspflicht über das In-nenverhältnis zwischen dem Vertreter und Vertretenen ausgesetzt wär e.

Wichtige Entscheidungen: BGHZ 62, 216, 220 f ; BGHZ 79, 281, 283 f; BGH NJW 2008, 1214 ; BGH V ZB 266/10 ; BGHZ 117, 104, 106 f ; BGHZ 94, 232, 235 f ; BGHZ 128, 41, 49; BGHZ 103, 275, 278; BGHZ 105, 283, 285 f ; BGHZ 129, 136, 149 ff. _________________________________________________ 128 BGH NJW -RR 2004, 247. 129 BROX/WALKER , § 26 Rn. 5 .

Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte § 17 Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte

Wichtige Entscheidungen: Zur Ve rfügungsermächtigung: BGHZ 106, 1, I. Überblick und Begriffsbestimmung Es ist schon an verschiedenen Beispielen erläutert worden, dass es eine Reihe von Fällen gibt, in denen Rechtsgeschäfte der Zustimmung eines Dritten bedürfen, um Wirksamkeit zu erlangen. So werden z.B. die Rechtsgeschäfte, die Minderjährige abschließen, nur sofort wirksam, wenn die gesetzlichen Vertreter dazu die vorherige Zustimmung (= Einwi lligung) erteilt haben. Verträge, die ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter geschlossen worden sind, sind schwebend unwirksam; sie werden rückwirkend wirksam, wenn die gesetzlichen Vertreter die nachträgliche Zustimmung (= Genehmigung) erteilen.130 Verträge, die Vertreter ohne Vertretungsmacht schließen, sind gemäß § 177 schwebend unwirksam; sie können durch die nachträgliche Zustimmung (= Genehmigung) des Vertretenen wirksam werden. Rechtsgeschäfte, die kraft Gesetzes zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmu ng eines Dritten bedürfen, d.h. einer Person, die selbst das Rechtsgeschäft nicht vorgenommen hat, nennt man zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte .

Die Zustimmung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung , auf die die allgemeinen Regeln für Willenserklärungen, wie z.B. §§ 119 ff. und § 130 Anwendung finden. Der Zustimmungsberechtigte (der Dritte) kann die Zustimmung "sowohl dem einen als dem anderen Teil gegenüber" erklären ( § 182 Abs. 1). Die die Zustimmung serklärung bedarf nicht der Form, die für das Rechtsgeschäft vorgeschrieben ist ( § Abs. 2). Auch die Verweigerung der Zustimmung ist nach herrschender Meinung ein Rechtsgeschäft. Das bedeutet u.a., dass die Verweigerung gemäß §§ 119 ff. mit ex tunc -Wirkung angefochten werden kann. Nach der ande ren Auffassung sind die Regelungen über Willenserklärungen aber entsprechend anzuwenden. Insofern hat der Meinungsstreit keine praktische Bedeutung. _________________________________________________ 130 Siehe zur Genehmigung bei beschränkt Geschäftsfähigen KE 5, § 11 II Nr. 3, Nr. 6. 131 BGHZ 13, 179, 187 ; a.A. S TAUDINGER /GURSKY , § 182 Rn. 86 ; zum Streitstand: H EIDEL/HÜßTEGE /MANSEL/NOACK, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB, BGB § 182 Rn. 9 . Zustimmung §182 Einwilligung = vorherige Zustimmung, §183Genehmigung = nachträgliche Zustimmung, §184

Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte II. Die Wirkung der Genehmigung Gemäß § 184 Abs. 1 wirkt die Genehmigung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme des genehmig ten Rechtsgeschäfts zurück. Das hat zur Folge, dass das genehmigte Geschäft so behandelt wird, als sei seine Wirksamkeit schon zur Zeit seiner Vornahme eingetreten.132 Beispiel: Am 1.7.2024 schließt V als Vertreter ohne Vertretungsmacht im Namen des Eigentümers E mit K einen Kaufvertrag über eine n im Eigentum des E stehende n Schreibtisch ab. Wenn E am 1.9.2024 das Rechtsgeschäft genehmigt, dann wird der Kaufvertrag rückwirkend am 1.7.2024 wirksam. Gemäß § 184 Abs. 2 werden allerdings solche Verfügungen nicht unwirksam, die der Genehmigende vor der Genehmigung über den Gegenstand des Hauptgeschäfts getroffen hat (sog. Zwischenverfügungen). § 184 Abs. 2 schützt also denjenigen, zu dessen Gunsten der Genehmigende die Zwischenverfügung vorgenomm en hat. Beispiel: Am 1.7.20 24 wird nicht nur der Kaufvertrag abgeschlossen, V übereignet auch als vollmachtloser Vertreter an diesem Tag den Schreibtisch an K durch Einigung und Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses gemäß §§ 929, 930; E bleibt im Besitz des Schreibtischs . Am 1.8.20 24 verpfändet E den Schreibtisch an D nach § 1205. Wenn E am 1.9.20 24 Kaufvertrag und Übereignung genehmigt, werden diese Rechtsgeschäfte rückwirkend zum 1.7.2024 wirksam. Obwohl E am 1.8.20 24 nicht mehr Eigentümer war, bleibt die Bestellung des Pfandrechts gemäß § 184 Abs. 2 wirksam. K erwirbt das Eigentum an dem Schreibtisch , belastet mit einem Pfandrecht des D.133

III. Die Verfügung eines Nichtberechtigten und die Zustimmung (§ 185) 1. Überblick § 185 behandelt solche Fälle, in denen ein Nichtberechtigter im eigenen Namen Verfügungen trifft. Tritt der Verfügende in fremdem Namen auf, liegt Stellvertretung (§ 164) vor; unter Umständen handelt es sich um Vertretung ohne Vertretungsmacht (§ 177 ff.). § 185 ist dann jedenfalls unanw endbar.

Verfügungen134 sind z.B. die Übertragung des Eigentums an beweglichen und unbeweglichen Sachen (als häufigste Form einer Verfügung) und die Abtretung einer Forderung. Eine Verfügung ist aber auch die Belastung eines Rechts mit einem ande-ren Recht, wie z.B. einem Pfandrecht. So ist z.B. die Belastung eines Grundstücks mit einem Grundpfandrecht (z.B. einer Hypothek oder Grundschuld) eine Verfügung.

_________________________________________________ 132 RGZ 134, 185, 187; 142, 59, 62 f. ; STAUDINGER /GURSKY , § 184 Rn. 21 . 133 Näheres in Modul Modul Sachenrecht 55108. 134 Siehe zum Verfügungsgeschäft auch KE 5, § 10 I. Nr. 3. Def.: Ein Verfügungsgeschäft ist ein Rechtsgeschäft, durch das ein Recht unmittelbar aufgehoben, übertragen, belastet oder inhaltlich geändert wird (Eselsbrücke: A -U-B-I).

  • derjenige, dem der von der Verfügung betroffene Gegenstand m ateriellrechtlich nicht zusteht;
  • derjenige, der über ein Recht verfügt, das zugunsten eines Dritten belastet ist,
  • auch der Eigentümer des von der Verfügung betroffenen Gegenstandes, wenn
  • auch derjenige, der vom Berechtigten in einem gewissen Rahmen ermächtigt ist, die Grenzen der Ermächtigung mit der getroffenen Verfügung aber über-schritten hat.

Verfügt der Nichtberechtigte ohne Einwilligung des Berechtigten über den Gegen-stand, so kann diese Verfügung durch die Genehmigung des Berechtigten ( § 184) rückwirkend wirksam werden ( § 185 Abs. 2 S. 1). Bis zur Genehmigung oder deren Verweigerung ist die Verfügung schwebend unwirksam 136. Allerdings muss derjenige, der die Verfügung eines Nichtberechtigten genehmigt, im Zeitpunkt der Genehmigung die Verfügungsmacht hierfür haben. Andernfalls würde mit der Genehmigung in das Recht eines anderes eingegriffen137. Beispiel : Der Berechtigte hat aufgrund der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen zwischenzeitl ich die Verfügungsmacht (zugunsten des Insolvenzverwalters, § 80 Abs. 1 InsO) verloren und kann die Verfügung nicht mehr genehmigen. _________________________________________________ 135 Siehe zu alledem STAUDINGER /GURSKY , § 185 Rn. 2 ff . 136 Vgl. M ünchKomm /BAYREUTHER , § 184 Rn. 3. 137 Vgl. BGHZ 107, 340, 341 .

Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte 3. Wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten ohne Zustimmung des Berechtigten Es kommt vor, dass ein Nichtberechtigter im ei genen Namen über einen Gegenstand verfügt und der Erwerber in dem Glauben handelt, der Veräußerer sei der Berechtigte. Beispiel: A hat zur Übereignung des Surfboards dem B vorher keine Zustimmung erteilt und genehmigt die Verfügung auch nicht später. Grundsätzlich handelt es sich um die Verfügung eines Nichtberechtigten (den B) , die der Zustimmung des Berechtigten (hier: de r Eigentümer in A) bedarf. Manchmal aber bedarf es dieser Zustimmung des Berechtigten nicht, um den gutgläubigen Erwerber Rechtsinhaber w erden zu lassen und auf diese Weise den "Rechtsverkehr" zu schützen. Beispiel (im Anschluss an das vorhergehende Beispiel ): K ist gutgläubig, dass der B selbst Eigentümer des Surfboards und damit verfügungsberechtigt ist. Die Sache ist de r A nicht abhanden gekommen (sie hat den Besitz freiwillig an B übertragen) . In diesem Fall erwirbt K Eigentum gemäß §§ 929, 932.138

  • wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt und damit selbst Berechtigter
  • wenn der Berechtigte den Verfügenden beerbt und für die Nachlassverbind-lichkeiten unbeschränkt haftet ( § 185 Abs. 2 S. 1 3. Alt.) .

Zustimm ungsbedürftige Rechtsgeschäfte Der Ermächtigende kann die Verfügungsbefugnis – wie eine Vollmacht – beliebig begrenzen und dadurch das "Können" des Ermächtigten dem "Dürfen" (nach Maßgabe der schuldrechtlichen Absprachen) anpassen. Überschreitet der E rmächtigte seine Ermächtigung, wird der Verfügungsempfänger lediglich im Rahmen der Vorschriften über den gutgläubigen Rechtserwerb geschützt (so BGHZ 106, 1, 4). Unzulässig ist auch die sogenannte Verpflichtungsermächtigung , also die Ermächtigung, durch ein im eigenen Namen vorzunehmendes Rechtsgeschäft den Ermächtigenden unmittelbar zu verpflichten, weil sie gegen das Offenkundigkeitsprinzip 141, das dem Schutz des Geschäftsgegners dient, verstößt.142 Beispiel: E, der sich auf einer längeren Urlaubsreise befi ndet, überlässt dem B während dieser Zeit seinen PKW. Bei einem Unfall, den B grob fahrlässig verur-sacht hat, entsteht an dem PKW ein Schaden. E ermächtigt daraufhin den B, den Wagen im eigenen Namen zur Reparatur in die Werkstatt des W zu geben, wobei aus dem Vertrag E unmittelbar verpflichtet werden soll. Verlangt nun der Werkunternehmer W von B die Zahlung der Reparaturkosten, kann sich dieser nicht darauf berufen, dass aufgrund der Ermächtigung der Werklohn nur von E verlangt werden kann. Da eine derart ige Verpflichtungsermächtigung nicht wirksam ist, muss B an den W zahlen.

Wichtige Entscheidungen: Zur Ve rfügungsermächtigung: BGHZ 106, 1,

Fall: Der 17 Jahre alte S hat durch Zufall im Schreibtisch seine r Mutter M einen Bestellschein entdeckt, der folgenden Wortlaut hat: "Ich bestelle hiermit für meinen Sohn ein Fahrrad. Gezeichnet M“ " Er ist mit der Unterschrift der Mutter versehen. S nimmt den Bestellschein ohne Wissen seiner Mutter an sich und sucht den Fahrradhändler F auf. Er lässt sich mehrere Fahrräder von F vorführen und kauft schließlich unter Vorlage des Bestellscheins ein Rennrad für € 3.750, --. Als M von F aufgefordert wird, den Kaufpreis z u zahlen, stellt sich alles heraus. M lehnt jede Zahlung ab. Kann F die Zahlung der € 3.750, -- stattdessen von S verlangen?

Aufgabe 3: Beantworten Sie diese Frage bitte schriftlich und vergleichen Sie Ihre Ausführungen anschließend mit der Lösung am Ende dieser Kurseinheit ! _________________________________________________ 141 Zum Offenkundigkeitsprinzip KE 6, § 16 III Nr. 2. 142 BeckOGK/ REGENFUS , § 185 Rn. 159 ff .; MünchKomm/ BAYEREUTHER , § 185 Rn. 31 ff .

Die Bedingung § 18 Die Bedingung Schrifttum: PETERSEN , ZR Bedingung und Befristung, JURA 2011, 275 . I. Der Begriff und die Wirkung der Bedingung 1. Überblick Häufig besteht das Bedürfnis, die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von dem Eintritt oder Nichteintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig zu machen. Beispiel 1: E möchte auf einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück ein Haus bauen. Er hat bei der zuständigen Bauordnungs behörde einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung gestellt. Bevor die Baugenehmigung erteilt wird, erhält E die Gelegenheit, bei L zu einem besonders günstigen Preis einen Sonderposten Ziegelsteine zu erwerben. E möc hte mit L einen Kaufvertrag abschließen, gleichzeitig aber sicher sein, dass der Kaufvertrag über die Ziegelsteine für ihn nur bindend ist, wenn die Baugenehmigung (ein Verwaltungsakt) erteilt wird. Hier be-steht das Bedürfnis, die Wirksamkeit des Kaufvertr ages von der Erteilung der Baugenehmigung abhängig zu machen.

Die Möglichkeit, die Wirksamkeit eines Vertrages von dem Eintritt bzw. Nichteintritt eines ungewissen, in der Zukunft liegenden Ereignisses abhängig zu machen, bietet die Bedingung.

Auch durc h eine Befristung kann das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts aufgeschoben werden.

Beispiel 2: Vereinbaren M und K, dass der zwischen ihnen am 1.9.2023 abgeschlossene Pachtvertrag erst am 1.11.2023 in Kraft treten soll, so wird der Pachtvertrag erst mit Wirkung vom 1.11.2023 an wirksam. Die Wirksamkeit des Pachtvertrages wird hier von einem in der Zukunft liegenden gewissen Ereignis, nämlich dem Eintritt des 1.11.2023 abhängig gemacht. Es handelt sich deshalb nicht um eine Bedingung, sondern um eine Befristung, die in das Rechtsgeschäft, den Pachtvertrag, integriert ist. Für die Befristung gelten im W esentlich en die Regeln über die Bedingung entsprechend ( § 163). Die Ungewissheit des Eintritts des Ereignisses fehlt bei sog. notwendigen Bedingungen. A verspricht das in seinem Eigentum stehende Haus zu verkaufen, sofern sein dort wohnender Vater verstirbt. Hierbei ist nur fraglich, wann der Tod eintritt, dass der Vater aber irgendwann sterben wird ist gewiss. Es handelt sich des-halb um eine Befristung. Def.: Die Bedingung i.S. der § § 158 ff. ist die einer Willenserklärung beigefügte Beschränkung, durch die die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von dem Eintritt oder Nichteintritt eines ungewissen, in der Zukunft liegenden Ereignisses abhängig gemacht wird.

Def.: Bei einer Befristung wird die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts im Gegensatz zur Bedingung nicht von dem Eintritt eines ungewis sen Ereignisses, sondern von dem Eintritt eines zukünftigen gewissen Ereignisses, nämlich einem bestimmten Zeitpunkt, abhängig gemacht.

Die Bedingung Wird einem Rechtsgeschäft eine Bedingung hinzugefügt, entsteht dadurch ein Schwebezustand. Das Rechtsgeschäft ist nicht bzw. noch nicht endgültig wirksam. Dieser Schwebezustand ist nicht gleichzusetzen mit schwebender Unwirksamkeit , da es auch auflösende Bedingungen oder Befristungen gibt (s.u.) . 2. Die Potestativbedingung Eine besondere Form stellt die Potestativbedingung dar. Hierbei wird die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von dem Willen einer am Geschäft beteiligten Personen abhän-gig gemacht. Beim Kauf auf Probe gemäß § 454 Abs. 1 wird ausdrücklich bestimmt, dass "das Belieben des Käufers" als aufschiebende Bedingung vorgesehen werden kann . Über § 454 hinaus werden Potestativbedingungen bei gegenseitig verpflichtenden Verträgen, bei denen beide Partner zugle ich Gläubiger und Schuldner sind, für zulässig erachtet. Der Bedingungscharakter muss allerdings deutlich hervorgehoben wer-den, indem nicht die Entstehung des Rechts, sondern seine rechtliche W irkung, also die Durchführung des Rechtsgeschäfts, vom Willen einer Vertragspartei abhängig ge-macht wird . Beispiel: A und B schließen einen Mietvertrag über eine im Hause des A gelegene Wohnung ab. Sie vereinbaren dabei, dass der Mietvertrag nur bestehen bleiben soll, wenn A innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss sämtliche Räume reno-vieren lässt.

Beachte: Nicht zulässig sind Potestativbedingungen jedenfalls im Bereich der Verfügungsgeschäfte (wie z.B. Übereignung von Sachen, Abtretung von Forderungen), weil sonst die Zuordnung der Verfügungsgegenstände von subjektiven, nicht nachvollziehbaren Voraussetzungen abhängig gemacht und damit die Rechtssicherheit gefährdet würde . Manche Autoren146 unterscheiden von der "echten" Potestativbedingung noch die "Wollensbedingung". Darunter wird jene Bestimmung verstanden, durch die es in das freie Belieben einer Partei gestellt wird, ob sie an eine von ihr abgegebene Erklärung gebunden sein soll oder nicht. Nach richtiger Auffassung handelt es sich bei einer so verstandenen "Wollensbedingung" nicht um eine Bedingung i.S. des § 158; denn mit einer echten Bedingung wird nicht das Zustandekommen eines Rechtsge-schäfts, sondern nur die sich daraus ergebenden Rechtswirkungen in Frage gestellt. Wer sich lediglich für den Fall verpflichtet, dass er wollen wird, verpflichtet sich in der Regel eben nicht .148 Es handelt sich deshalb noch nicht um eine bindende rechtsgeschäftliche Erklärung. Der Inhalt einer solchen Erklärung, die ja gerade nicht besagt, dass ihr Inhalt verbindlich sein soll, ist le diglich vorbereitender Natur .149 _________________________________________________ 143 STAUDINGER /BORK, Vorbem. zu §§ 158 ff. Rn. 15 . 144 STAUDINGER /BORK, Vorbem. zu §§ 158 ff. Rn. 17 mit Nachw. 145 So zutreffend HÜBNER, Rn. 1128; STAUDINGER /BORK , Vorbem. zu §§ 158 ff. Rn. 18 . 146 BeckOG K/REYMANN , § 158 Rn. 31 ff. 147 BeckOGK/ REYMANN , § 158 Rn. 31 ff. 148 BGHZ 151, 119, 122. 149 Vgl. WOLF/NEUNER , § 52, Rn. 15 f.

Die Bedingung Beispiel : A bietet B schriftlich sein gebrauchte s Smartphone zum Preis von € 100,–– an. In dem Schreiben heißt es weiter: "Wenn Sie mit diesem Angebot einverstanden sind, teilen Sie es mir bitte mit. Die Wirksamkeit des Vertrages hängt dann allerdings noch von meiner Bestätigung ab." Wenn B zustimmt, stellt sich di e Frage, ob bereits ein Vertrag geschlossen worden ist. Das wäre nur dann der Fall, wenn A ein wirksames Angebot abgegeben hätte. A hat zu erkennen gegeben, dass er noch entscheiden will, ob er an sein Angebot gebunden sein will oder nicht. Hier liegt eine "Wollensbedingung" vor mit der Folge, dass A kein wirksames Angebot abgegeben hat. In diesem Fall ist die Erklärung des B als Angebot zu sehen. Erst dann, wenn der A dieses Angebot des B angenommen hat, ist ein Vertrag geschlossen worden. II. Arten der Bedingung 1. Die aufschiebende Bedingung Ist ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen worden, wird es erst mit dem Eintritt der Bedingung wirksam ( § 158 Abs. 1). Bis zum Eintritt der Bedingung ist das Rechtsgeschäft in einem Schwebezust and. Es ist noch nicht wirksam. Tritt die Bedingung ein, wird das Rechtsgeschäft ex nunc wirk-sam. Tritt die Bedingung nicht ein, besteht das Rechtsgeschäft nicht.

Beispiel (im Anschluss an das Beispiel 1150): Im Interesse von E kann in den Kaufvertrag, den er mit L abschließen möchte, durch folgende Klausel eine aufschie-bende Bedingung eingefügt werden: "Der Vertrag wird erst wirksam, wenn E die beantragte Genehmigung für den Bau eines Einfamilienhauses erhält." Die Erteilung der Baugenehmigung ist eine Bedi ngung i.S. des § 158 Abs. 1, denn ihre zukünftige Erteilung ist ungewiss. Die Erteilung einer Baugenehmigung ist also ein ungewisses, in der Zukunft liegendes Ereignis. Auch ein Verfügungsgeschäft kann unter einer aufschiebenden Bedingung abge-schlossen wer den. Ein typisches Beispiel dafür ist der Eigentumsvorbehalt. Der Kaufvertrag wird ohne eine Bedingung abgeschlossen. Bei der Übereignung gibt der Verkäufer und bisherige Eigentümer seine Einigungserklärung i.S. des § 929 unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung ab. Im Hinblick auf das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft (hier: die Übereignung) gilt: Das Rechtsgeschäft ist vollendet , allerdings treten seine Rechtsfolgen erst später, nämlich mit Eintritt der Bedingung ein. Daraus folgt u.a.: Eine bei Vornahme des Rechtsgeschäfts bestehende Willenseinigung, die zum Entstehen des Rechtsgeschäfts geführt hat, muss bei Eintritt der Bedingung nicht notwendigerweise noch vorhanden _________________________________________________ 150 Siehe aktuelle KE, § 19 I Nr.1. Vertrag aufschiebend bedingt Eintritt Bedingung Schwebend unwirksam Ex nunc wirksam

Die Bedingung sein. Die herrschende Meinung hat der BGH 151 in dem folgenden Satz zusammengefasst: "Aus dem Wesen der Bedingung und dem Wortlaut des § 158 Abs. 1 BGB folgt, dass das aufschiebend bedingte Rechtsgeschäft tatbestandlich mit seiner Vornahme vollendet ist – die Parteien daher fortan bindet – und seine Wirksamkeit mit dem Bedingungsfall ipso iure eintritt, ohne dass die Willenseinigung der Par-teien noch bis dahin Bestand haben müsste... Wäre dies anders, so stünde es im Belieben jeder Vertragspartei, sich in der Zeit zwischen Abgabe der Erklärungen und Eintritt der aufschiebenden Bedingung durch einseitige Erklärung von der Vereinbarung zu lösen; dass dies allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäfts-lehre zuwiderliefe, bedarf keiner näheren Begründung". 2. Die auflösende Bedingung Wird ein Rechtsgeschäft unter einer auflösenden Bedingung abgeschlossen, wird es zunächst voll wirksam. Dennoch bleibt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts in der Schwebe, weil das Rechtsgeschäft in dem Moment seine Wirksamkeit verliert, in dem das als Bedingung vereinbarte zukünftige Ereignis ei ntritt ( § 158 Abs. 2). Tritt das Ereignis ein, wird das zunächst wirksam entstandene Rechtsgeschäft unwirksam. Tritt das Ereignis nicht ein, bleibt das Rechtsgeschäft endgültig wirksam.

Beispiel (im Anschluss an das Beispiel 1): E kann mit L auch eine auf lösende Bedingung vereinbaren. Es könnte dann folgende Klausel in den Vertrag aufgenom-men werden: "Der Kaufvertrag soll unwirksam werden, wenn die Baugenehmigung nicht erteilt wird." Der Kaufvertrag ist dann zunächst wirksam; er verliert allerdings seine W irksamkeit, wenn die auflösende Bedingung eintritt. 3. Echte und unechte Bedingungen Eine Bedingung i.S. des § 158 ist nur vereinbart, wenn das Ereignis, von dessen Eintritt oder Nichteintritt die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts abhängen soll, aus objektiver Sicht noch ungewiss ist. Bei einer unechten Bedingung liegt e ine objektive Ungewissheit liegt nicht, wenn der Umstand, der über die Wirksamkeit entscheiden soll, bereits feststeht und nur die Vertragsparteien subjektiv noch keine Kenntnis davon haben. Beispiel: Antragsgemäß ist de r Unternehmerin B eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Werkshalle erteilt worden. Hiervon hat sie aber noch keine Kenntnis genommen, obwohl der Verwaltungsakt bereits im Posteingang lag. Beim Kauf von drei Werkzeugmaschinen, die in der Halle aufgestellt werden sollen, wird auf die Anregung de r B deshalb in den Vertrag mit der Kölner Maschinenfabrik AG _________________________________________________ 151 BGHZ 127, 129, 134. Vertrag auflösend bedingt Eintritt Bedingung voll wirksam Ex nunc unwirksam

Die Bedingung folgende Klausel eingefügt: "Der Kaufvertrag soll nur wirksam werden, wenn de r Käufer in die Baugenehmigung für die neu zu erri chtenden Werkshallen erteilt wird." Von den vertragsschließenden Parteien ist die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung gewollt. Das bedeutet: Der Kaufvertrag soll erst in dem Moment wirksam werden, in dem die Baugenehmigung erteilt ist. Eine Bedingung liegt allerdings nur vor, wenn die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von einem ungewissen, in der Zukunft liegenden Ereignis abhängig gemacht wird. Hier ist das Ereignis, von dem die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts abhängig gemacht werden soll, nicht ungewiss; die Erteilung der Baugenehmigung ist aus objektiver Sicht bereits tatsächlich erfolgt. Infolgedessen ist keine Bedingung i.S. des § vereinbart worden. Der Kaufvertrag über die drei Werkzeugmaschinen ist ohne jede Bedingung sofort wirksam. Zu den unechten Bedingungen sind auch die sogenannten Rechtsbedingungen zu zählen. Dabei handelt es sich um die Aufnahme ohnehin vorhandener gesetzlicher Wirksamkeitsvoraussetzungen (Gültigkeitsvoraussetzungen) in einen rechtsgeschäftlichen Tatbestand. Zwar wir d dadurch auch ein gewisser Schwebezustand erreicht, eine Abhängigkeit der Rechtswirkungen von einem ungewissen, in der Zukunft liegenden Ereignis wird indes nicht be gründet. 152 Über die Wirksamkeit des Geschäftes entscheidet letztlich das Gesetz . Rechtsbedi ngungen sind deshalb keine Bedingungen i.S. der § § 158 ff. Beispiel: Der minderjährige M schließt mit de r Verkäufer in V einen Kaufvertrag über ein Fahrrad unter der Bedingung ab, dass seine Eltern zustimmen. Hier han-delt es sich lediglich um eine gesetzlic he Wirksamkeitsvoraussetzung und nicht um eine Bedingung i.S. des § 158.

4. Bedingungsfeindliche Rechtsgeschäfte Es gibt eine Reihe von Rechtsgeschäften, bei denen die Beifügung einer Bedingung nicht zulässig ist, weil der Empf änger der Erklärung vor einer nicht zumutbaren Unsicherheit geschützt werden muss. Das betrifft insbesondere die Ausübung von Gestaltungsrechten ("Gestaltungsrechtsgeschäfte ": Anfechtung, Rücktritt, Kündigung), weil sie in einen fremden Rechtsbereich eingreifen . Beispiel (in Anlehnung an RGZ 66, 153): K tritt unter der Bedingung von dem mit V abgeschlossenen Kaufvertrag zurück, dass er einen Dritten findet, der die Leistung, die V erbringen sollte, übernimmt. Auch wenn dem K – was hier unterstellt wird – ein Rücktrittsrecht zusteht, ka nn er den Rücktritt nicht unter der genannten Bedingung erklären. Es ist dem V nicht zuzumuten, sich auf eine Rücktrittserklä-rung einzulassen, die nur wirksam sein soll, wenn K jemanden findet, der die Leistung, die V erbringen sollte, übernimmt; die Recht sunsicherheit wäre für V zu groß.

Die Bedingungsfeindlichkeit der Aufrechnungserklärung ist gesetzlich verankert (§ 388 S. 2). Die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach § erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers (Auflassung) kann ebenfalls _________________________________________________ 152 STAUDINGER /BORK, Vorbem. zu §§ 158 ff. Rn. 22 ff . 153 Vgl. STAUDINGER /BORK, Vorbem. zu §§ 158 ff. Rn. 38 .

Die Bedingung nicht unter einer Bedingung abgegeben werden. Geschieht dies dennoch, ist die Auflassung unwirksam ( § 925 Abs. 2) III. Die Rechtslage während der Schwebezeit Wie bereits dargestellt, führt die Vereinbarung einer Bedingung einen Schwebezu-stand herbei, der in der Regel erst mit dem Eintritt der Bedingung beendet wird. Während dieser Schwebezeit ist der Inhaber eines Rechts, das Gegenstand des bedingt abgeschlossenen Vertrages ist, noch Vollrechtsinhaber und als solcher verfügungsbefugt. Beispiel: Hat sich der Verkäufer einer Sache bei der Übereignung derselben das Eigentum an der Sache bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, so handelt es sich um die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes ( § 449). Die Übereignung wird erst mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung (= Zahlung des vollständigen Kaufpreises) wirksam. Solange der Käufer den Kaufpreis noch nicht bezahlt hat, bleibt der Verkäufer also Eigentümer, so dass er grundsätzlich die Sache noch an eine dritte Person übereignen (= darüber verfügen) könnte.

Um weitere Verfügungen während der Schwebezeit zu erschweren, bestimmt § 161, dass in der Schwebezeit Verfügungen, die die Rechtsstellung desjenigen berühren, der bei Eintritt der Bedingung den Gegenstand erwerben wür de, unwirksam sind, soweit sie die von der Bedingung abhängige Wirkung vereiteln oder beeinträchtigen würden. Derjenige, dessen Erwerb eines Gegenstandes nur noch von dem Eintritt einer Bedingung abhängt, hat bereits eine durch § 161 rechtlich geschützte P osition, die als Anwartschaft bezeichnet wird. Die Person, die die Anwartschaft erworben hat, wird auch Anwartschaftsberechtigter genannt. Der BGH 154 sieht das Anwartschaftsrecht als eine "bloße Vorstufe des Eigentums" an; es sei allerdings "im Vergleich zum Eigentum kein aliud, sondern ein wesensgleiches minus". Das Anwartschaftsrecht ist demnach ein subjektives Recht, das auch übertragbar ist. Auf die Übertragung des Anwartschaftsrechts im Hinblick auf das Eigentum an beweglichen Sachen sind dieselben Regeln anwendbar wie bei der Übereignung beweglicher Sachen . 155 In seinem Bestand bleibt das Anwartschaftsrecht allerdings von dem schuldrechtlichen Grundgeschäft (dem Kaufvertrag) abhängig.156 Das Anwartschaftsrecht wird z.B. dann hinfällig, wenn der Verkäufer ge mäß § 449 Abs. 2 wirksam vom Vertrage zurücktritt .157 Zu dem vorhergehenden Beispiel: Der Käufer hat während der Schwebezeit ein sog. Anwartschaftsrecht, einem sog. „wesensgleichem Minus zum Eigentum“. Zahlt der Käufer den Kaufpreis, wird er Eigentümer der gekauften Sache, da nun die aufschiebende Bedingung eingetreten ist, auch wenn der Verkäufer die Sache zwischenzeitlich einem anderen Dritten übereignet hat. Der Dritte kann das Eigentum nicht erwerben bzw. behalten.

Die Bedingung Allerdings wäre es unbillig, dass der Dritte auch dann kein Eigentum erwerben kann, wenn er den Erstverkauf unter Eigentumsvorbehalt nicht kannte oder kennen musste. Er hielt den Eigentümer als verfügungsberechtigt, das Eigentum auf den Dritten zu übertragen. Unter Umständen kommt deshalb ein gutgläubiger lastenfreier Eigentumserwerb gem. § 936 in Betracht, auf den der § 161 Abs. 3 insbesondere verweist. In den meisten Fällen wird allerdings der Anwartschaftsberechtigte im Besitz der Sa-che sein, sodass mangels Besitzerlangung durch den Dritten ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb ausscheidet, vgl. §§ 931, 936 III. IV. Die treuwidrige Einflussnahme auf Eintritt oder Ausfall der Bedingung ( § 162) Die Partner eines unter einer Bedingung geschlossenen Rechtsgeschäfts sind nicht verpflichtet , sich um de n Eintritt der Bedingung zu bemühen .159Gemäß § 162 sind die an dem Rechtsgeschäft Beteiligten allerdings gehalten, während des Schwebezustandes nichts zu unternehmen, was gegen Treu und Glauben verstößt und geeignet ist, den Eintritt der Bedingung zu verhindern. Beispiel (nach RGZ 122, 247 ff.): H schließt mit L einen Vertrag, in dem es u.a. heißt: "H überlässt dem L am Giebel des ihm gehörenden Gasthofes einen Platz zur Ausnutzung für Lichtreklame gegen eine Vergütung von € 2.500, –– jährlich. Der Vertrag wird zunächst für vier Jahre abg eschlossen. Die Wirksamkeit des Vertrages hängt von der Erteilung der behördlichen Genehmigung für die Lichtre-klame ab, deren Kosten L zu tragen hat." Nach Abschluss des Vertrages befürchtet L, dass die hohen Kosten der Anbringung der Anlage ihn in wirtsch aftliche Schwierigkeiten bringen würden. Wenn L daraufhin der Genehmigungsbehörde lediglich Entwürfe einreicht, von denen er weiß, dass sie nicht genehmigt werden können, so verhindert er damit wider Treu und Glauben den Eintritt der Bedingung, so dass diese gemäß § 162 Abs. 1 als eingetreten gilt.

Nach herrschender Meinung enthält § 162 einen allgemeinen Grundsatz , der entsprechend auf andere Sachverhalte anwendbar ist, die eine vergleichbare Interessenlage aufweisen 160: Aus einem von ihm treuwidrig herbeigeführten Ereignis darf niemand eine für sich günstige Rechtsfolge herleiten.

Wichtige Entscheidungen: Zur Vollendung des Rechtsgeschäfts und Eintritt der Bedingung: BGHZ 127, 129,

Die Veräußerungsverbote (§§ 135 ff.) § 19 Die Ve räußerungsverbote (§ § 135 ff.) I. Überblick Veräußerungsverbote haben den Zweck, Verfügungen zu verhindern.161 Es gibt gesetzliche ( § 135), behördliche ( § 136) und rechtsgeschäftliche ( § 137) Veräußerungsverbote. II. Gesetzliche und behördliche Veräußerungsverbote Der Verstoß gegen ein gesetzliches oder behördliches Veräußerungsverbot i.S. der §§ 135 und 136 führt zu einer lediglich relativen Unwirksamkeit der Verfügung. Das bedeutet: Die Verfügung ist nur denjenigen Personen gegenüber unwirksam, die durch das Veräußerungsverbot geschützt werden sollen. Allen anderen Personen gegenüber ist die Verfügung wirksam. Relative Veräußerungsverbote dieser Art sind selten. Ein wichtige r Fall für die relative Unwirksamkeit ist die Verfügung über ein Grundstück trotz Bestehen e iner Auflassungsvormerkung (§ 883; vgl. § 888 Abs.1) . Beispiel: V verkauft dem K in notariellem Kaufvertrag sein Hausgrundstück. Es wird eine Auflassungsvormerkung zugunsten des K in das Grundbuch eingetragen. K wurde jedoch noch nicht als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. In der Zwischenzeit verkauft V das Grundstück erneut in notarieller Form an den D. Die Auflassung zugunsten des D (§ 925) erfolgt ebenfalls. Gemäß § ist die Eigentumsübertragung durch Auflassung von V an D (einzig und al lein) dem K als Vormerkungsberechtigten gegenüber unwirksam (relative Unwirksamkeit ; schwieriges Beispiel – bitte die Vorschriften lesen! ). Der K kann deshalb von D die Zustimmung zur Grundbuchberichtigung gem. § 888 I verlangen. Beispiel: V schließt mit K 1 einen Kaufvertrag über den Verkauf eines Baggers. Noch bevor K1 den Bagger abholen kann, schließt V mit K2 ebenfalls einen Kaufvertrag über den Bagger. Da die K2 hiervon erfährt und fürchtet, dass der K2 mit Übergabe an ihn Eigentümer wird, erwirkt sie beim Amtsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung (vgl. §§ 935, 938 II ZPO). Durch die einstweilige Verfü-gung wird dem V verboten, über das Bild zum Nachteil de r K1 zu verfügen. Übereignet V das Bild trotzdem an K2, so wird dieser Eigentümer (nur ei ne „relative“ Unwirksamkeit §§ 136, 135 I 1). Er kann das Eigentum allen gegenüber geltend machen, nur nicht K1 gegenüber. K1 ist so zu stellen, als hätte die Übereignung V an K2 niemals stattgefunden, der V wäre also noch Eigentümer des Baggers. Sofern d er K2 allerdings gutgläubig hinsichtlich des Verfügungsverbotes über den Bagger war, kommt ein gutgläubiger Erwerb i.S.d. §§ 136, 135 II, 932 in Betracht. Damit kann ein behördliches ebenso wie das gesetzliche Veräußerungsverbot ge-genüber dem gutgläubigen Dritten nicht geltend gemacht werden. _________________________________________________ 161 Zum Begriff der Verfügung siehe oben. 162 Details zur Auflassungsvormerkung im Modul Sachenrecht 55108. 163 Zu den Ansprüchen des K1 gegen den V bzw. des V gegen den K2 siehe auch B ROX/WALKER , § 14 Rn. 14.

Die Veräußerungsverbote (§§ 135 ff.) Häufig stellt sich heraus, dass ein Veräußerungsverbot dem Schutz allgemeiner Interessen dient. Es handelt sich dann um ein absolutes Veräußerungsverbot (bspw. Das unerlaubte Anbauen von Betäubungsmitteln nach § 29 Nr. 1 BtMG). Ein Verstoß dagegen ist nach § 134 zu beurteilen. Ein entsprechendes Rechtsgeschäft ist nichtig, soweit das Gesetz nicht ein anderes bestimmt. III. Rechtsgeschäftliche Veräußerungsverbote Nach § 137 S. 1 ist es nicht möglich, die Verfügungsbefugnis über veräußerliche Rechte, wie z.B. das Eigentum an Sachen und Forderungsrechte, auszuschließen oder zu beschränken. Auch wenn ein Verfügungsverbot rechtsgeschäftlich zwischen zwei Personen vereinbart worden ist, ist dies gegenüber Dritten nicht wirksam . Diese gesetzliche Regelung dient dazu zu verhindern, dass durch rechtsgeschäftlich vereinbarte Verbote Gegenstände dem Rechtsverkehr entzogen werden. § 137 S. 2 lässt allerdings die Möglichkeit offen, dass eine lediglich schuldrechtliche Verpflichtung, die ei n Veräußerungsverbot und damit ein Verbot einer Verfügung über ein Recht zum Gegenstand hat, zwischen zwei Personen vereinbart wird. Diese Verpflichtung wirkt allerdings nur zwischen den Personen, die an dieser Verein-barung beteiligt sind. Verletzt eine Pe rson, die sich einer anderen Person gegenüber verpflichtet hat, über ein bestimmtes Recht nicht zu verfügen, diese Verpflichtung, so kann sie dem Vertragspartner gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sein. Der Schadensersatzanspruch kann sich insbesondere aus § § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 ergeben (früher " positive Vertragsverletzung "). Für den Fall der Verletzung eines schuldrechtlich wirkenden Verfügungsverbotes kann auch eine Vertragsstrafe versprochen werden, vgl. §§ 339 ff . Beispiel: H verleiht de r E seine goldene Uhr, die einen Wert von € 3.000, -- hat. Da es sich um ein wertvolles Familienstück handelt, vereinbaren beide F olgendes: "§ 1: Verfügungen, die E über die Uhr trifft, sind unwirksam. “ „§ 2: Verfügt E dennoch über die Uhr und ist die Verfügung aus irgendeinem Grunde wirksam, so ist sie verpflichtet, eine Vertragsstrafe von € 4.000, -- zu entrichten."

Veräußert E die Uhr an den gutgläubigen G, so erwirbt dieser trotz § 1 des Vertrages das Eigentum an der Uhr gemäß § § 929, 932. Der Vertrag enthält aber zugleich eine (durch Auslegung zu ermittelnde) schuldrechtliche Verpflichtung mit, die Uhr nicht zu veräußern. Diese Verpflichtung wird durch ein Vertragsstrafenversprechen flankiert. H kann daher nicht nur nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 S. 1 den objektiven Wert (3.000 €) der Uhr ersetzt verlangen, sondern nach § 339 die ( höhere ) Vertragsstrafe (4.000 €) geltend machen , sofern letztere nicht unverhältnismäßig hoch ist (vgl. § 343).

_________________________________________________ 164 Münchkomm/ ARMBRÜSTER , BGB § 137 Rn. 35 .

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Lösung zu Aufgabe 1 : A. Zwischen A und F könnt e ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB zustande gekommen sein, wenn sie sich wirksam darüber geeinigt haben, dass der F das Fernsehgerät von A kauft. I. Da A selbst die notwendige Einigungserklärung nicht abgegeben hat, müsste sie bei Vertragsschluss gemäß § 164 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam von F vertreten worden sein. Eine wirksame Vertretung nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Vertreter eine eigene Willenserklärung innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt. 1. Es ist davon auszugehen, dass F die auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung als eigene Willenserklärung im Namen von A abgegeben hat. 2. Fraglich ist allerdings, ob F mit Vertretungsmacht gehandelt hat. A hat der F für die Dauer ihrer Abwesenheit Generalvollmacht erteilt. Die Vollmacht bezog sich also ohne Einschränkung auf alle Geschäfte, die zum Rechtskreis der A gehören, also auch auf den Verkauf des Fernsehgerätes. a) Dennoch könnte nach § 181 BGB wegen eines Insichgeschäfts keine Vertretungsmacht bestanden haben, weil der F bei Vertragsschluss auf der Verkäuferseite als Vertreter und auf der Gegenseite – vertreten durch B – als Käufer aufgetreten ist. Ein solches Insichgeschäft liegt grundsätzlich vor, wenn ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich selbst ein Rechtsgeschäft vornimmt (sog. Selbstkontrahieren). Hier hat sich F allerdings durch B vertreten lassen, sodass die von § 181 BGB geforderte Personenidentität der die Vertragserklärungen abgebenden Personen nicht direkt vor-liegt. Die für und gegen F wirksame Willenserklärung des B ist eine eigene Willenserklärung des B gem. § 164 Abs. 1 S. 1 BGB in der Funktion als Vertreter des F. Man könnte daher zu dem Ergebnis gelangen, dass hier kein Fall des Selbstkontrahierens vorliegt. b) Allerdin gs wird nach überwiegender Ansicht § 181 BGB nicht als formale Ordnungsvorschrift, sondern als eine gesetzliche Regelung verstanden, die das Ziel verfolgt, die Gefahren einer Interessenkollision vom Vertretenen abzuwenden. Deshalb darf § 181 BGB nicht nur auf die Art des Zustandekommens des Rechtsgeschäfts bezogen werden, sondern muss sich auch darauf beziehen, für wen das Rechtsgeschäft Wirkung entfaltet. Nach § 164 Abs. 1 BGB, der die Wirkung des Rechtsgeschäfts in der Person des Vertretenen eintreten läs st, bleibt der durch B vertretene F genauso am Kaufvertrag beteiligt, als habe er ihn selbst, d.h. ohne Vertreter als Käufer abge-schlossen. Zudem unterliegt B wegen seiner Vertreterstellung den Weisungen des von ihm vertretenen F, so dass die Gefahr eines Interessenkonflikts zum Nachteil der A ebenso groß ist wie bei einem Vertragsschluss ohne Vertreter des F auf Käuferseite. § 181 BGB ist mithin auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden, so dass der F gemäß § 181 BGB grundsätzlich keine Vertretungsmacht ge habt hat. c) Etwas anderes gilt nur, wenn eine der in § 181 genannten Ausnahmen eingreift.

Lösungen zu den Selbsttestauf gaben Eine Ausnahme würde vorliegen, wenn A dem F den Abschluss des Kaufvertrages gestattet hätte. Ausdrücklich hat A eine solche Erklärung nicht abgegeben. Auch die Erteilung einer Generalvollmacht ist keine konkludente Zustimmung zu derartigen Vorteilsgeschäften zu Ungunsten der A. Die Gestattung einer Ausnahme zum Regelfall des § 181 muss vielmehr ausdrücklich erklärt werden oder unzweifelhaft aus zusätzlichen Umständen hervorgehen, die die Gestattung einer Selbstkontraktion gem. § 181 BGB zwingend nahelegen. Solche Umstände sind hier nicht erkennbar. 3. Der F hat also gemäß § 181 BGB ohne Vertretungsmacht gehandelt, sodass der Kaufvertrag gemäß § 177 Abs. 1 BGB zunächst einmal schwebend unwirksam ist. II. Mangels Genehmigung des zunächst schwebend unwirksamen Kaufvertrags durch A nach § 177 Abs. 1 ist dieser auch endgültig unwirksam geworden. B. Somit ist kein wirksamer Kaufvertrag zwischen der A und dem F gem. § 433 BGB hinsichtlich des Fernsehgeräts zustande gekommen. Lösung zur Aufgabe 2: A. E könnte von O die Zahlung der € 1.000, –– gemäß § 433 Abs. 2 BGB verlangen, wenn zwischen E und O ein wirksamer Kaufvertrag über die Soundbar zu einem Preis von € 1.000, –– zustande gekommen ist. Der Abschluss eines Kaufvertrages nach § 433 BGB setzt das Vorliegen von zwei inhaltlich übereinstimmenden, mit Bezug aufeinander abgegebenen Willenserklärun-gen voraus. I. Da O persönlich bei dem Vertragsabschluss nicht mitgewirkt hat, könnte M als Vertreter von O gem. §§ 164 ff. BGB den Kaufvertrag mit E abgeschlossen haben. Dann müsste e r gemäß § 164 Abs. 1 S. 1 BGB eine eigene Willenserklärung innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des O gegenüber E abgegeben haben. 1. Es ist davon auszugehen, dass M die auf den Kaufvertragsabschluss gerichtete eigene Willenserklärung i m Namen von O abgegeben hat. 2. Fraglich ist allerdings, ob er hierfür die nötige Vertretungsmacht gehabt hat. a) O hat ihm weder ausdrücklich noch konkludent die Vollmacht erteilt, für ihn eine Soundbar bei E zu kaufen. b) Eine Vertretungsmacht könnte sich indes aus dem Tatbestand der Duldungsvollmacht ergeben. Eine Duldungsvollmacht ist zu bejahen, wenn der zum Handeln im fremden Namen nicht befugte M während einer gewissen Dauer und zum wiederholten Male für O als Stellvertreter aufgetreten ist, O die s wusste und duldete, obwohl er die Möglichkeit hatte, einzuschreiten. M ist bei den Käufen des Schallplattenspielers, des Verstärkers und der beiden Lautsprecherboxen stets im Namen des O gegenüber E und damit mehrfach als O's Stellvertreter aufgetreten. Da er diese Gegen-stände von 2019- 2022 der Reihe nach gekauft hat, hat sich sein Auftreten als Bevollmächtigter von O über einen längeren Zeitraum erstreckt. O hat auch schon Ende 2023 und damit vor Vertragsschluss am 31.10.2024 davon gewusst, dass M hin und wieder in seinem Namen aufgetreten ist. Er hat dies zwar nicht gebilligt, ist allerdings auch trotz vorhandener Möglichkeit dazu nicht gegen das Verhalten des M eingeschritten. E als Geschäftsgegnerin des M wusste zwar nicht , dass O von dem Verhalten des M Kenntnis hatte; dies ist aber auch keine Voraussetzung für die Zurechnung einer Willenserklärung aufgrund einer "Duldungsvollmacht", die nach

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben der hier vertretenen Ansicht keine Rechtsscheinsvollmacht ist. Hiervon abgesehen sind die Anforderungen an eine Duldungsvollmacht erfüllt. c) Fraglich ist jedoch, ob von einem Tatbestand der Anscheinsvollmacht als weitere Möglichkeit einer Rechtsscheinhaftung des O auszugehen ist. Eine Anscheinsvollmacht liegt abweichend zur Duldungsvollmacht vor, wenn der Vertret ene das mehrmalige und auf Dauer angelegte Auftreten eines anderen als sein Vertreter zwar nicht kennt, es aber bei entsprechender Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. M ist wiederholt und über einen längeren Zeitraum für O als dessen Stellvertr eter aufgetreten. Das Auftreten des M in seinem Namen am 31.10.2024 kannte O zwar nicht, er hätte dies aber, wenn er dem M die Peinlichkeit nicht hätte ersparen wollen, verhindern können, indem er den M zumindest davon abzuhalten versucht hätte. Da M zum w iederholten Male bei E im Namen des O aufgetreten ist, durfte E nach Treu und Glauben darauf vertrauen, dass O als der angeblich Vertretene dies dulde und billige. Der Tatbestand einer Anscheinsvollmacht liegt deshalb vor. Die Voraussetzung eines Verschuldens des Vertretenen als Zurechnungsgrund kann den gesetzlich geregelten Rechtsscheintatbeständen nicht entnommen werden, sodass es dessen auch nicht be-darf. Gleichwohl können Verschuldensaspekte eine gewisse Rolle spielen, wenn es um die Beurteilung der Fr age geht, ob der gesetzte Rechtsschein dem Vertretenen zurechenbar ist. Für eine solche Zurechnung kann insbesondere sprechen, wenn der Vertretene das Auftreten des angeblichen Vertreters hätte erkennen und verhindern können und wenn der Dritte (der Vertra gspartner) das Dulden des Vertretenen nach Treu und Glauben so verstehen musste, dass der als Vertreter Handelnde tatsächlich bevollmächtigt sei. Die Wirkung der Anscheinsvollmacht ist die gleiche wie die einer rechtsgeschäftlich erteilten. II. In entspre chender Anwendung des § 164 BGB werden E und O also Vertragspartner . B. E hat gemäß § 433 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises erworben. Lösung zu Aufgabe 3 :

A. Kaufvertrag mit S: Der Kaufvertrag über das Fahrrad sollte laut Bestellschein mit M und nicht mit S als Käufer zustande kommen. Eine Pflicht des S zur Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB besteht daher nicht. B. S als falsus procurator: F könnte aber einen Zahlungsanspruch i.H.v. € 3.750, –– gegen S gemäß § 179 Abs. 1 BGB haben. Dieser Anspruch setzt voraus, dass S einen Vertrag als Vertreter ohne Vertretungsmacht ( falsus procurator ) geschlossen hat, seine Vertretungsmacht nicht nachweisen kann und der Vertretene die Genehmigung des Vertrages verweigert. Indem S den von M stammenden und unterschriebenen Bestellschein dem F vorgelegt hat, könnte S als Vertreter der M mit Wirkung für diesen den Kaufvertrag über das Fahrrad abgeschlossen haben (§ 164 Abs. 1 BGB). I. Dann müsste S eine eigene Willenserklärung abgegeben haben. Eine eigene Willenserklärung des Vertreters liegt vor, wenn ihm ein gewisser Entscheidungsspielraum zusteht. Insoweit ist der Stellvertreter vom Boten, der nur eine fremde Willenserklärung überbringt, abzugrenzen.

Lösungen zu den Selbsttestaufgaben Gegen eine Stellvertretung könnte hier sprechen, dass der Bestellschein eine vorformulierte Erklärung der M enthält, die S lediglich als Bote überbracht haben könnte. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese schriftliche Erklärung keine bereits fertige, d.h. abschließende Willenserklärung der M darstellt, sondern lediglich den Kauf „eines Fahrrads“ bestimmt. Dem S verbleibt noch genügend Entscheidungsspielraum hinsichtlich der konkreten Marke, des Typs und des Kaufpreises des Fahrrads.165 S hat also eine eigene Willenserklärung abgegeben. Sie wird gem. § 165 BGB auch nicht dadurch unwirksam, dass S als 17jähriger nach § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig ist. II. Mit Vorlage des Bestellscheines hat S bei Vertragsschluss auch im Namen der M gehandelt und ist mithin als Vertreter der M gemäß § 164 Abs. 1 aufgetreten. III. S hat ohne Wissen der M mit Hilfe des Bestellscheins das Fahrrad gekauft. Er kann deshalb seine Vertretungsmacht nicht nachweisen. Wegen der Ablehnung der Kaufpreiszahlung der M gegenüber F ist nicht davon auszugehen, dass V die für die Wirksamkeit des Kaufvertrages gemäß § 177 Abs. 1 BGB erforderliche Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB) erteilen wird. S hat einmalig eine solche Handlung vorgenommen, es ist nicht ersichtlich, dass er das gleiche erneut tun wird. Auch wurde ihm keine Vollm achtsurkunde gemäß § Abs. 1 ausgestellt; daher ist eine Anscheinsvollmacht abzulehnen. Insoweit liegen also die Voraussetzungen von § 179 Abs. 1 BGB vor, S hat als Vertreter ohne Vertretungsmacht (falsus procurator) gehandelt. IV. Zu prüfen bleibt inde s ein Haftungsausschluss nach § 179 Abs. 3 S. 1 BGB, wenn der Geschäftsgegner den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Voraussetzung dafür ist die Kenntnis des F, dass S nicht zur Vornahme des Rechtsgeschäfts bevollmächtigt gewesen ist. E s liegen aber keine Anhaltspunkte vor, die für F die Verpflichtung begründen konnten, Erkundigungen darüber einzuziehen, ob S mit Vertretungsmacht ausgestattet gewesen ist oder nicht. Selbst wenn man die Ansicht vertreten sollte, dass die Minderjährigkeit des Vertreters bereits ausreicht, um für den Geschäftsgegner eine Nachforschungspflicht zu begründen, muss mangels Kenntnis des F von der Minderjährigkeit des S vorliegend eine derartige Verpflichtung des F abgelehnt werden. V. Möglicherweise ist aber die Haftung des S gemäß § 179 Abs. 3 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn S in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt gewesen ist und nicht mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat. Der 17 Jahre alte S ist nach §§ 2, 106 BGB beschränkt geschäftsfähi g und hat ohne Zustimmung (§§ 182 ff. BGB) seiner Eltern als seine gesetzlichen Vertreter (§ Abs. 1 BGB) gehandelt. Somit liegen die Voraussetzungen von § 179 Abs. 3 S. 2 BGB vor. C. F hat demnach auch keinen Anspruch gegen S auf Zahlung der € 3.750, –– aus § 179 Abs. 1 BGB.

_________________________________________________ 165 Zur Abgrenzung zum Boten siehe KE 6, § 16 I Nr. 3.

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Kurseinheit 8: § 91 unterscheidet zwischen vertretbaren Sachen und nicht vertretbaren (unvertretbaren) Sachen.

Rechts­ wissenschaftliche FakultätStudium Rechtswissenschaft Prof. Dr. Sebastian Kubis Prof. Dr. Ulrich Eisenhardt Unter Mitarbeit von Abdussamed Nazik und Pia Höhne Kurs 55101 Das Rechtsgeschäft und die Instrumente des Privatrechts Kurseinheit

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Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis .................................................................................................. § 20 Die Berechnung von Fristen und Terminen ............................................... § 21 Die Verjährung ...................................................................................... § 22 Die Personen ......................................................................................... I. Rechtssubjekte .................................................................................. 1. Der Personenbegriff des BGB .......................................................... 2. Die Rechtsfähigkeit ........................................................................ 3. Der Schutz der Persönlichkeit .......................................................... a) Überblick .................................................................................... b) Das Namensrecht ....................................................................... c) Das Recht am eigenen Bild .......................................................... d) Die Verletzung der in § 823 Abs. 1 genannten Lebensgüter ......... e) Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ........................ II. Die juristischen Personen .................................................................... 1. Begriff, Bedeutung und Arten von juristischen Personen .................. 2. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts juristischer Personen ............... 3. Der Verein ..................................................................................... a) Überblick .................................................................................... b) Der eingetragene Verein ............................................................. c) Der wirtschaftliche Verein ........................................................... d) Vereine ohne Rechtspersönlichkeit .............................................. 4. Die rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts .................................. § 23 Subjektive Rechte .................................................................................. I. Subjektives Recht und objektives Recht ............................................... II. Begriff und Arten der subjektiven Rechte ............................................ 1. Der Begriff des subjektiven Rechts .................................................. 2. A rten der subjektiven Rechte .......................................................... a) Die Einteilung der subjektiven Rechte nach Inhalten ..................... (a) Die Persönlichkeitsrechte .................................................. (b) Die persönlichen Familienrechte ....................................... (c) Die Herrschaftsrechte ....................................................... (d) Ansprüche .......................................................................

(e) Die Gestaltungsrechte ...................................................... b) Absolute und relative Rechte ...................................................... III. Der Erwerb und die Übertragung subjektiver Rechte ........................... IV. Die Grenzen der Durchsetzbarkeit subjektiver Rechte .......................... 1. Das Schikaneverbot und andere Fälle unzulässiger Rechtsausübung . 2. Rechtsmissbräuchliches Handeln ..................................................... V. Die erlaubt e Verteidigung subjektiver Rechte (Rechtfertigungsgründe) 1. Überblick ....................................................................................... 2. Notwehr § 227 .............................................................................. 3. Notstand ....................................................................................... 4. Selbsthilfe §§ 229 ff. ...................................................................... 5. Selbsthilfe des Besitzers nach § 859 ................................................ § 24 Rechtsobjekte ....................................................................................... I. Überblick .......................................................................................... II. Sachen .............................................................................................. 1. Begriff und Arten von Sachen ........................................................ 2. Verbindungen von Sachen ............................................................. a) Bestandteile ............................................................................... b) Zubehör ..................................................................................... 3. Der Leichnam und die Entnahme von Körperteilen .......................... III. Rechte .............................................................................................. IV. Nutzungen (Früchte und Gebrauchsvorteile) ....................................... V. Gesamtheiten von Sachen und Rechten ............................................. 1. Das Vermögen ............................................................................... 2. Das Unternehmen .......................................................................... Anhang: Wichtige Anspruchsgrundlagen, Einwendungen und Gestaltungsrechte .......................................................................................................................

Die Berechnung von Fristen und Terminen § 20 Die Berechnung von Fristen und Terminen Schrifttum: EFFER-UHE, Die Berechnung von Rückwärtsfristen – zugleich eine Stellungnahme zur Dogmatik des Zugangs von Willenserklärungen, JZ 2016, 770 ; HÜBNER, § 52 in Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches, 2. Auflage 1996; Z IEGELTRUM , Grundfälle zur Berechnung von Fristen und Terminen gem. §§ 187 ff. BGB in JuS 1986, 705, 784; S CHROETER , Die Fristenberechnung im Bürgerlichen Recht, JuS 2007, 29; VON ALTEN, Kündigung zum Jahresende und Verjährung, NJW 2021, 3622 . I. Einleitung Der Faktor „Zeit“ hat im Rechtsleben eine enorme Bedeutung, da er häufig gesetzlich normierte Voraussetzung für den Eintritt oder Nichteintritt einer Rechtswirkung ist. Beispiele bilden etwa der Eintritt der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres (§§ 2, 106) oder das Erlöschen des Urheberrechts 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 64 UrhG) . Darüber hinaus können auch vertraglich geregelte oder auch einseitig erklärte Zeitbestimmungen Voraussetzung für den Eintritt oder Nichteintritt einer Rechtswirkung sein. Wen n z.B. die in einem Vertrag geregelte Kündigungsfrist nicht eingehalten wird, besteht trotz der (zu späten) Kündigung der Vertrag fort. Ein weiteres Beispiel ist die einseitig gesetzte Annahmefrist beim Vertragsschluss (vgl. § 148). Wird sie ver-säumt, so k ommt trotz Annahmeerklärung kein Vertrag zustande. Daher sollte jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr in der Lage sein, Fristen und Termine richtig zu berechnen. Dies so lange unproblematisch , wie Zeitbestimmung eindeutige und unzweifelhaft getroffen worden is t (Beispiel: "Zugang bis 24.3., 12 Uhr"). In der Praxis hat man es indes häufig mit weniger klaren , auslegungsbedürftigen Zeitbestimmungen zu tun. II. Die Regeln in §§ 187-193 BGB Das BGB enthält in den §§ 187-193 Auslegungsregeln über die Berechnung von Fristen und Terminen. Diese Vorschriften verfolgen nach dem Willen des Gesetzgebers den Zweck, Bestimmtheit und Einfachheit der Sprache zu ermöglichen und zu gewährleisten, dass mehrdeutige Ausdrucksweisen so verstanden werden, wie dies nach der Lebenserfahrung der mutmaßlichen Absicht desjenigen entspricht, der Fristen und Termine setzt. Es handelt sich hierbei um materielle Auslegungsregeln, die dann anzuwenden sind, wenn die Auslegung von Gesetzen, Willenserklärungen oder Verträgen nach den allgemeinen Grunds ätzen zu keinem zweifelsfreien Ergebnis führt. Sie sind von großer Bedeutung, da Fristenprobleme in der Praxis recht häufig auftauchen und die Fristversäumung oder -einhaltung über das Bestehen von Ansprüchen entscheiden kann. Die Vorschriften sind subsidi är, d.h. sie treten zurück, wenn man bereits mit Hilfe der Auslegung nach §§ 133, 157 zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt1 oder wenn eine Frist unter Angabe von Datum und Uhrzeit so genau bestimmt ist, dass sie einer Auslegung weder nach allgemeinen Grundsätzen noch unter Zuhil-fenahme der §§ 187 ff. bedarf. _________________________________________________ 1 MünchKomm/ GROTHE , BGB § 186, Rn. 1.

Die Berechnung von Fristen und Terminen Beispiele: 1. Setzt A dem B eine Frist zur Vornahme einer Rechtshandlung mit der Erklärung "bis Donnerstag, den 7. November um 12 Uhr mittags", dann bedarf diese Erklärung weder der Auslegung nach allge meinen Grundsätzen noch sind die Regeln der §§ 187 ff. anzuwenden. 2. Setzt A der B eine Frist mit der Erklärung "bis einschließlich Donnerstag, den 7. November" wird man diese Erklärung nach gängigem Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des Wortes "einschl ießlich" so zu verstehen haben, dass die Frist am Donnerstag, dem 7. November um 24.00 Uhr enden wird. Aufgrund dieses eindeutigen Ergebnisses bleibt für die Anwendung der §§ 187193 kein Raum. 3. Bei einer Fristsetzung mit der Erklärung "heute in 8 Tagen" w ird man diese wohl ebenfalls nach gängigem Sprachgebrauch so zu verstehen haben, dass der gleiche Wochentag in der nächsten Woche gemeint ist (vgl. aber § Abs. 2 HGB bei Handelsgeschäften!). In diesem Fall würden die §§ 187 ff. ohnehin nicht weiterhelf en, da dort nicht geregelt ist, was unter der Erklärung „heute in 8 Tagen“ zu verstehen ist. Nach § 186 gelten die §§ 187-193 für Frist - und Terminbestimmungen, die in Gesetzen, gerichtlichen Verfügungen und Rechtsgeschäften enthalten sind. Gesetz im Sinne des BGB ist nach Art. 2 EGBGB jede Rechtsnorm. Demnach ist der Anwendungsbereich der §§ 187 ff. nicht auf das Zivilrecht beschränkt, sondern erfasst vielmehr alle Rechtsgebiete, soweit dort nicht Sondervorschriften über Fristen und Ter-mine bestehen. In m anchen Fällen finden die §§ 187 ff. neben Sondervorschriften Anwendung. Beispielsweise enthält das Zivilprozessrecht mit den §§ 221, 223 ZPO spezielle Vorschriften zur Frist - und Terminbestimmung, ordnet daneben jedoch in § 222 ZPO die entsprechende Geltung der §§ 187 ff. an.

Bei der Berechnung von Fristen gilt nach den Vorschriften der §§ 187, 188, 189 das Prinzip der "Zivilkomputation"; das bedeutet, dass eine Frist, die nach Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bemessen ist, nach ganzen Kalendertagen berechnet wird. Sind Fristen hingegen nach Stunden oder Minuten bestimmt, kommen die §§ 187, 188, 189 nicht zur Anwendung. III. Beginn und Ende einer Frist 1. Beginn In den meisten Fällen ist für den Beginn einer Frist ein Ereignis oder in den Lauf eines Tages fall ender Zeitpunkt maßgebend. In diesem Fall wird nach § 187 Abs. 1 bei der Berechnung der Frist der Tag des maßgebenden Ereignisses bzw. Zeitpunktes nicht mit eingerechnet. Hierdurch wird nach dem Prinzip der Zivilkomputation verhindert, dass Bruchteile von Tagen in die Fristberechnung mit einfließen. Unter einer Frist versteht man einen Zeitraum, der bestimmt bezeichnet oder jedenfalls bestimmbar ist und innerhalb dessen eine Rechtshandlung vorzunehmen ist oder ein Ereignis eintreten soll.

Bei einem Termin handelt es sich um einen bestimmten Zeitpunkt, an dem eine Rechtshandlung vorzunehmen ist oder eine Rechtswirkung eintreten soll.

Die Berechnung von Fristen und Terminen Beispiel: A setzt dem B zur Vornahme einer Rechtshandlung am Donnerstag um 14 Uhr eine Frist von 5 Tagen. Ereignis im Sinne des § 187 Abs. 1 ist vorliegend die Erklärung des A, dass er dem B eine Frist von 5 Tagen setze. Die Frist beginnt damit erst am nächsten Tag, also am Freitag um 0.00 Uhr. Ist hingegen der Anfang eines Tages als Fristbeginn bestimmt, soll also zum Beispiel eine Frist am 01.09. beginnen, so wird dieser Tag nach § 187 Abs. 2 S. 1 mit eingerechnet. Beispiel: A vereinbart mit dem P, dass der Pachtzins ab dem 01.03. zu zahlen ist. Die Zahlungspflicht besteht damit auch schon für den 01.03. Die gleiche Berechnung wie im Falle des § 187 Abs. 2 S. 1 wird auch bei der Berechnung des Lebensalters angewandt. Obwohl eine Geburt in der Regel in den Lauf eines Tages fällt und damit eigentlich die Regel des § 187 Abs. 1 Anwendung finden müsste, bestimmt für diesen Fall § 187 Abs. 2 S. 2 , dass der Geburtstag bei der Berechnung des Lebensalters mitgezählt wir d. Dies entspricht der allgemeinen Verkehrsanschauung. Beispiel: Ein am 12.08.2024 um 23.57 Uhr geborenes Kind gilt als am 12.08.2024 um 0.00 Uhr geboren (Zur Berechnung der Volljährigkeit siehe sogleich ). 2. Ende Ist eine Frist nach Tagen berechnet, so endet sie nach § 188 Abs. 1 mit dem Ablauf des letzten Tages (und nicht etwa irgendwann im Laufe des Tages). Beispiele: 1. A setzt dem B zur Vornahme einer Rechtshandlung am Donnerstag um 14 Uhr eine Frist von 5 Tagen. Die Frist beginnt am Freitag um 0.00 Uhr und endet demnach am Dienstag um 24.00 Uhr. 2. A setzt dem B eine Frist „bis zum Donnerstag“. Die Frist endet am Donnerstag um 24.00 Uhr. 3. M mietet beim Fahrradverleih V am 26.7. um 12.30 Uhr ein Fahrrad für einen Tag (Preis pro Tag: 10 Euro). M bringt das Rad am 27.7. um 12 Uhr zurück. V verlangt die Zahlung von 20 Euro. Zu Recht? In der Praxis werden unterschiedliche Vereinbarungen getroffen. Besorgt man sich einen Skipass als Tagesti-cket, gilt dieser nur für den selben Tag. Bei einem Mietwagen steht das Auto dem Mieter in aller Regel für 24 Stunden zu Verfügung. Schaut man auf die gesetzlichen Regelungen in §§ 187 Abs. 2 S. 1, 188 Abs. 1 BGB, so würde M für das Fahrrad 20 Euro zahlen müssen, da mit dem 27.07. ein neuer Kalendertag beginnt und somit auch der Preis für den Tag zu zahlen wäre. Für den Ablauf einer nach Wochen oder Monaten bestimmten Frist ist gemäß § Abs. 2 zwischen dem Fall nach § 187 Abs. 1 und dem des § 187 Abs. 2 S. 1 zu unterscheiden: Liegt ein Fall des § 187 Abs. 1 vor, dann endet die Frist am gleichen Wochen- oder Monatstag, an dem das die Frist auslösende Ereignis stattgefunden hat. _________________________________________________ 2 MünchKomm/ GROTHE , BGB § 187, Rn. 7 .

Die Berechnung von Fristen und Terminen Beispiel: A setzt dem B am Donnerstag, dem 12. September , um 14.00 Uhr eine Frist von 2 Wochen. Die Frist endet am zweiten Donnerstag nach dem Donnerstag, an dem sie gesetzt wurde, also am 26. September um 24.00 Uhr.

Im Falle des § 187 Abs. 2 S. 1 endet die Frist hingegen einen Tag früher, da ja auch ihr Lauf früher begonnen hat, nämlich bereits mit Beginn des Tages. Beispiel: Wird eine Frist von 2 Wochen gesetzt und ist als Fristbeginn Donnerstag, der 12. September bestimmt, endet die Frist bereits am Mittwoch, den 25. September um 24.00 Uhr. Bei Fristen, die um 24.00 Uhr enden, ist jedoch stets zu beachten, dass diese Fristen oftmals nicht bis zum letzten Augenblick ausgenutzt werden dürfen: In der Regel wird derjenige, dem die Frist erklärt wurde, wohl nur innerhalb der üblichen Geschäftszei-ten handeln können. Beispiel: B sucht am 12. September das Geschäft der A in Köln auf. Diese bietet dem B in diesem Zusammenhang den Abschluss eines Kaufvertrages an und er-klärt zugleich, dass sie sich nur für fünf Tage an ihr Angebot gebunden fühle. B, der in Hagen wohnt, entschließt sich am 14. September, der A die Annahme des Angebots per Brief zukommen zu lassen. A hat dem B im vorliegenden Fall eine Annahmefrist im Sinne des § 148 gesetzt. Die Annahmefrist beginnt nach § 187 Abs. 1 am nächsten Tag, also am 13. September um 0.00 Uhr. Die Frist endet nach § 188 Abs. 1 am 17. September um 24.00 Uhr. Bis zu diesem Zeitpunkt muss der Brief des B allerdings so in den Machtbereich der A gelangen, dass eine Kenntnisnahme unter normalen Umständen möglich ist (vgl. § 147 Abs. 2). B muss daher den Brief an A so übermitteln, dass dieser spätestens am 17. September innerhalb der üblichen Geschäftszeiten in ihrem Geschäft eingeht. Beauftragt er beispielsweise einen Freund, der in Köln wohnt und wirft dieser den Brief am 17. September um 22.45 Uhr in den Briefkasten der A, muss diese sich an ihr Angebot nicht mehr gebunden fühlen. Für den Fall, dass der 17. September ein Samstag, Sonn- oder Feiertag ist.

  • Ereignis: z.B. 08.05.
  • Beginn der Frist = am nächsten Tag um 0 Uhr - > 09.05.
  • Frist: ein Monat
  • Ende: Ereignis + ein Monat -> 08.06. 24:00 Uhr.

Die Berechnung von Fristen und Ter minen Die Vollendung des achtzehnten Lebensjahres eines Menschen (und damit die Volljährigkeit, vgl. § 2 BGB) tritt somit nach 18 Jahren ebenfalls mit Ablauf des Tages vor dem eigentlichen Geburtstag um 24.00 Uhr ein. Beispiele: 1. Ein am 12.08.2024 um 23.57 Uhr geborenes Kind wird bereits mit dem Ab-lauf des 11.08.2025 sein erstes Lebensjahr beendet haben, folglich am 12.08.2025 seinen ersten Geburtstag feiern. 2. Feiert jemand seinen achtzehnt en Geburtstag, so ist er oder sie bereits an diesem Tage volljährig. 3. Ist ein Kind am 01.03.2022 geboren worden, wird es nach der Vorschrift des § 188 Abs. 2 2. Alt. am letzten Tag des Monats Februar sein jeweils nächstes Lebensalter erreichen, unabhängig davon, wie viele Tage der Monat Februar (Schaltjahr) hat. Bei einer Fristbestimmung nach Monaten trägt auch § 188 Abs. 3 der unterschiedlichen Tagesanzahl der Monate Rechnung. Nach dieser Vorschrift endet eine nach Monaten bestimmte Frist, wenn der in dem letzten Monat für den Fristablauf maßgebende Tag fehlt, schon mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats. Beispiel: Eine im Falle des § 187 Abs. 1 im Laufe des 31.08. beginnende 1 -Monatsfrist endet bereits am 30.09. und nicht erst am 01.10. IV. Fristende bei Sonn- und Feiertagen; Sonnabenden Ist an einem bestimmten Tag oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs - oder L eistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend (Samstag), so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag (§ 193 sog. „Sa -So-Fei-Regelung“). Eine identische Reglung findet sich in § 222 Abs. 2 ZPO. Fällt also ein Termin oder der letzte Tag einer Frist auf einen der betreffenden Tage, dann hat der Erklärende bzw. Leistende für die Wahrung des Termins oder der Frist noch Zeit bis zum nächsten Werktag. Beispiel: Eine eigentlich am Sonntag, dem 10. November , um 24.00 Uhr endende Frist endet nach § 193 am darauf folgenden Werktag, also am Montag, den 11. November um 24.00 Uhr. Der Rosenmontag ist entgegen manchen lokale n Gepflogenheiten in NRW kein staatlich anerkannter Feiertag! Dasselbe gilt für den 24.12. (Heiligabend) und für den 31.12. (Silvester). Durch die Regelung des § 193 will das Gesetz dem Umstand Rechnung tragen, dass die Abgabe einer Erklärung oder die Vornahme einer Leistungshandlung nach den geschäftlichen Gepflogenheiten an Sonn -, Feiertagen und Sonnabenden vielfach nicht möglich oder nicht zumutbar ist, weil an diesen Tagen grundsätzlich kein ge-schäftlicher Verkehr stattfindet. 4 Diese allgemeine Reglung gilt folglich auch dann, wenn beispielsweise eine der Vertragsparteien an diesen Tagen ihren Betrieb g eöffnet hat. _________________________________________________ 4 WOLF/NEUNER , § 23, Rn. 14.

Die Berechnung von Fristen und Terminen Nach dem Wortlaut des § 193 betrifft die Vorschrift nur die Fälle, in denen eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken ist. Allerdings ist allgemein anerkannt, dass der § 193 auch auf Ausschluss - und Verjährungsfristen analog anwendbar ist.5 Bei der Berechnung des Lebensalters kommt es nicht auf das Vorliegen eines Sonntags, Sonnabends oder eines staatlich anerkannten Feiertages an. Das Vorliegen eines solchen Tages wirkt sich immer nur auf das Fristende und die Bestimmung e ines Termins und auch nur im Anwendungsbereich des § 193 aus. Beispiel: Ein am 26.12.2020 geborener Mensch wird am 25.12.2038 um 24.00 Uhr sein achtzehntes Lebensjahr vollendet haben, unabhängig davon, dass sowohl der 25. als auch der 26.12. in allen deutschen Bundesländern staatlich anerkannte Feiertage sind.

V. Bestimmung von Terminen Bei missverständlichen Bestimmungen von Terminen innerhalb eines Monats kann die Auslegungsregel des § 192 weiterhelfen. Danach wird unter Anfang des Monats der erste, unter M itte des Monats des 15. und unter Ende des Monats der letzte Tag des Monats verstanden. Für nicht eindeutige Bestimmungen von Terminen innerhalb einer Woche fehlt eine entsprechende Vorschrift. Man wird wohl nach allgemeiner Lebensauffassung und in Anlehnung an die ISO 8601 unter Anfang der Woche Montag, unter Mitte der Woche Mittwoch und unter Ende der Woche bei Arbeitstagen den Freitag zu verstehen haben. Wie bereits angesprochen, gilt die Vorschrift des § 193 auch für Termine. Diesbezüglich gilt also d as oben zu IV. Gesagte.

_________________________________________________ 5 BGH NJW 2021, 153 Rn. 17; BeckOGK/ FERVERS , BGB § 193 Rn. 49. 6MünchKomm/ /GROTHE , BGB § 192 Rn. 1 .

Die Verjährung § 21 Die Verjährung Schrifttum: VON ALTEN, Kündigung zum Jahresende und Verjährung, NJW 2021, 3622 ; EFFER-UHE, Die Berechnung von Rückwärtsfristen – zugleich eine Stellungnahme zur Dogmatik des Zugangs von Willenserklärungen, JZ 2016, 770; LEENEN , Die Neugestaltung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, DStR 2002, 34 ff.; LENKEIT , Das modernisierte Verjährungsrecht, BauR 2002, 196 ff.; MANSEL, Die Neuregelung des Verjährungsrechts, NJW 2002, 89 ff.; SCHROETER , Die Fristenberechnung im Bürgerlichen Recht, JuS 2007, 29; WAGNER , Die Verjährung gewährleistungsrechtlicher Rechtsbehelfe nach neuem Schuldrecht, ZI P 2002, 789 ff.; WITT, Schuldrechtsmodernisierung 2001/2002 – das neue Verjährungsrecht, JuS 2002, 105 ff. I. Der Sinn der Verjährung Alle gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche (Legaldefinition in § 194 Abs. 1) sind gemäß §§ 194 ff. der Verjährung unterworfen und damit im Hinblick auf ihre Durchsetzbarkeit zeitlich begrenzt. Beachte: das Rücktrittsrecht als Gestaltungsrecht verjährt nicht. Es kann aber durch Zeitablauf unwirksam werden, vgl. § 218. Verjährung bedeutet: Der Gläubiger kann den Anspruch nicht mehr durchsetzen, wenn der Schuldner die Einrede geltend macht, dass der Anspruch verjährt sei. Hat der Schuldner die Einrede der Verjährung erhoben, dann ist er berechtigt, die Leistung dauernd zu verweigern (§ 214 Abs. 1). Nur Ansprüche, nicht auch ander e subjektive Rechte unterliegen der Verjährung (vgl. § 194 Abs. 1). Sinn und Zweck der Verjährung ist es, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu bewah-ren. Kann sich ein Schuldner auf die Verjährung seiner Leistungsverpflichtung berufen, so macht er eine Einrede geltend. Eine Rechtsnorm gewährt eine Einrede, wenn sie einem Schuldner das Recht gibt, seine Leistung zu verweigern (Leistungsverweigerungsrecht). Die Verjährung bedeutet nicht, dass der Anspruch nicht mehr besteht. Die Verjährung ist nur zu beachten, wenn der Schuldner sich darauf beruft, die Einrede der Verjährung also geltend macht. Der Schuldner entscheidet also letztlich darüber, ob er sich auf die Verjährung beruft oder nicht. Ein Gericht darf demnach nicht von Amts wegen, d.h. ohne dass die Ei nrede der Verjährung erhoben worden ist, prüfen, ob eine Forderung verjährt ist. Beispiel: K kauft bei V einen Fernseher, der zwei Jahre und 3 Monate nach der Übergabe einen schweren Defekt aufweist. K verlangt eine kostenlose Reparatur des Geräts. Gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 verjähren Ansprüche wegen Mängeln der gekauften Sache in zwei Jahren nach Ablieferung der Kaufsache. Hier kann sich V also auf Verjährung berufen. Wenn K ein guter Kunde ist, wird V sich allerdings überlegen, ob das klug wäre. Aus Kulanz wird er sich im Zweifel nicht auf die Verjährung berufen, sondern dem K die Mängelbeseitigung gewähren. Vergisst der Schuldner, sich auf die Verjährung zu berufen, so muss er auch einen verjährten Anspruch erfüllen; er kann eine Leistung, die er bereits erbracht hat, nicht mehr zurückfordern (§ 214 Abs. 2). Merke: Prüfungsstandort der Verjährung ist der Prüfungspunkt „Anspruch durchsetzbar“. Beruft sich der Schuldner im Sachverhalt nicht auf die Verjährung, so fehlt es an der Erhebung der erforderlichen Einrede als Gestaltungsrecht. Dann ist die Verjährung

  • In dreißig Jahren verjähren nach § 197 u.a.:
  • Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit
  • Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten,
  • einige familien - und erbrechtliche Ansprüche,
  • rechtskräftig festgestellte Ansprüche, wie z.B. Zahlungsansprüche, die in einem rechtskräftigen Urteil festgestellt
  • Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte
  • Maßgebliches Ereignis für den Beginn ist der 31.12.2021, § 199 Abs. 1.
  • Dabei wird gem. § 187 Abs. 1 der Tag des Ereignisses für die Frist nicht
  • Die Frist beträgt drei Jahre, § 195.
  • Die Frist endet mit Ablauf des 31.12.2024 (um 24:00 Uhr), § 188 Abs. 2.
  • Infolgedessen ist der Anspruch des V bei Erhebung der Einrede im September 2024 noch nicht verjährt.
  • beim Kauf beweglicher Sachen mit der Ablieferung (Übergabe) der Sache (§ 438 Abs. 2), Anspruch entstandenKenntnis/Fahlässige
  • bei Verbraucherverträgen über digitale Produkte grds . die Bereitstellung
  • beim Werkvertrag im Regelfall mit der Abnahme (§ 634 a Abs. 2).
  • die Hemmung der Verjährung: bestimmte Zeiten werden in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet;
  • die Ablaufhemmung: bei diesem Unterfall der Hemmung läuft die Verjährungsfrist frühestens eine bestimmte Zeit nach Wegfal l von bestimmten Gründen ab, die der Geltendmachung des Anspruchs entgegenstehen;
  • den Neubeginn der Verjährung: hier wird die bis zum Neubeginn verstrichene Zeit nicht mehr mitgezählt wird; der Lauf der Verjährungsfrist beginnt also erneut.
  • Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1);
  • Zustellung eines gerichtlichen Mahnbescheides im Mahnverfahren (§
  • Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr.10);
  • Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, aufgrund derer der Schuldner berechtigt ist, vorübergehend die Leistung zu verweigern (§ 205); dazu
  • tatsächliche Hindernisse, die dazu führen, dass der Berechtigte einen bestehenden Anspruch nicht geltend machen kann (§ 206). Dazu zählt vor allem
  • Familiäre und ähnliche Gründe (§ 207). So sind in der Verjährung gehemmt
  • Eintritt der Parteien in Verhandlungen über einen streitigen oder zweifelhaften Anspruch oder über Umstände, aus denen sich ein Anspruch ergeben
  • der Schuldner gegenüber dem Gläubiger den Anspruch anerkennt ; das kann
  • eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen

Die Verjährung VII. Ausschlussfristen Von der Verjährung zu unterscheiden sind die so genannten Ausschlussfristen. Es handelt sich dabei um Fristen, innerhalb derer bestimmte Gestaltungsrechte , zu denen u.a. die Anfechtung, die Kündigung und die Ausübung des Rücktrittsrechts z ählen, geltend gemacht werden können. Ist die Frist, innerhalb derer das Gestaltungsrecht geltend gemacht werden kann, abgelaufen, so ist das Gestaltungsrecht erloschen. Beispiel : Die Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Anfechtung ist in den §§ 121 und 124 geregelt. In einem Prozess hat das Gericht den Ablauf von Ausschlussfristen zu prüfen und von Amts wegen zu berücksichtigen. Das heißt, das Gericht hat die Ausschlussfrist auch dann zu beachten, wenn sich der Gegner im Prozess darauf nicht beruft. Ausschluss-fristen sind in einem gerichtlichen Verfahren "rechtsvernichtende" Einwendungen.

Wichtige Entscheidungen: BGH NJW 2024, 1960 f . BGH NJW 2022, 3419 f .

Die Personen § 22 Die Personen Schrifttum: BAUERMEISTER , Personen im Recht – über Rechtssubjekte und ihre Rechtsfähigkeit , Zeitschrift für Unternehmens - und Gesellschaftsrecht, 2022, 733 ;.; CHELIDONIS, Legalität und Legitimation – Gedanken zum Verhältnis von subjektivem Recht und Rechtsmissbrauch, JURA 2010, 726; HÄHNCHEN , Der werdende Mensch – Die Stellung des Nasciturus im Recht, JURA 2008, 161; S. LORENZ , Grundwissen – Zivilrecht: Rechts und Geschäftsfähigkeit, JuS 2010, 11; R IEHM, Nein zur ePerson! , RDi 2020, 42 ;WALDNER, der nicht eingetragene Rechtsverein vor und nach dem MoPeG, RNotz 2023, 450.

I. Rechtssubjekte 1. Der Personenbegriff des BGB Als Träger von Rechten und Pflichten kennt das Privatrecht nur natürliche Personen und juristische Personen. Beide sind als Träger innen subjektiver Rechte Rechtssubjekte. Alle Menschen sind natürliche Personen. Als solche können sie Träger von Rechten und Pflichten sein. Gemäß § 1 ist jeder Mensch von der Geburt an rechtsfähig, d.h. eine "natürliche Person". Das BGB sieht also den Menschen als "geborene Person" an. Dem liegt das Verständ-nis vom Menschen zugrunde, dass er seiner "eigentümlichen Natur und Bestimmung nach darauf angelegt ist, sein Dasein und seine Umwelt im Rahmen der ihm jeweils gegebenen Möglichkeiten frei und verantwortlich zu gestalten, sich Ziele zu setzen und selbst Schranken des Handelns aufzuerlegen". 10 Dieses Verständnis wurzelt in der christlichen Religion ebenso wie in der abendländischen Philosophie, insbesondere in dem ethischen Personalismus Kants, der die Verfasser des BGB beeinflusst haben dürfte.11 2. Die Rechtsfähigkeit Die Rechtsfähigkeit als die Fähigkeit einer Person, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, macht die P erson zum Rechtssubjekt , am Rechtsverkehr und damit am sozialen Leben teilnehmen kann. Nach § 1 beginnt die Rechtsfähigkeit des Menschen im Zivilrecht mit der Vollendung der Geburt. Schon aus dem Grundsatz der formalen Gleichbehandlung aller Staatsbürger e rgibt sich, dass die Rechtsfähigkeit allen Menschen in gleicher Weise zu steht . Das bedeutet u.a., dass die Rechtsfähigkeit den Menschen unabhängig von Geschlecht, Abstammung, Rasse, Alter, Beruf, Einkommensverhältnissen, Religion oder politischen Überzeugungen verliehen ist. Die Rechtsfähigkeit hängt auch nicht von den kognitiven Fähigkeiten einer Person ab: Säuglinge sind ebenso rechtsfähig wie Personen, die an _________________________________________________ 10 NEUNER , § 10 Rn. 2 . 11 Vgl. NEUNER , § 10 Rn. 3 .

Die Personen einer krankhaften Beeinträchtigung ihrer geistigen Leistungsfähigkeit, etwa einer Demenz, leiden . Beispiel: Ein einjähriges Kind kann Eigentümer eines Grundstücks und Inhaber einer Schadensersatzforderung sein. Die Rechtsprechung hat den Rechtsschutz einer Person insoweit auf die Zeit vor der Geburt ausgedehnt, als sie einem Kind, das als Embryo verl etzt worden ist, Schadensersatzansprüche zuerkannt hat, wenn es mit Schäden auf die Welt gekommen ist.12 Beispiel (in Anlehnung an BGHZ 58, 48): Der Kraftfahrer K verursacht schuldhaft einen Verkehrsunfall, bei dem die im sechsten Monat schwangere F und der Embryo verletzt werden. Nach der Geburt des Kindes E stellt sich heraus, dass dieses infolge der Verletzung durch den Verkehrsunfall an spastischen Lähmungen leidet, weil es mit einem Gehirnschaden geboren worden ist. Nach dem Wortlaut des § 1 ist der Emb ryo nicht rechtsfähig, weil die Rechtsfähigkeit erst mit der Vollendung der Geburt beginnt. Dem ungeborenen Kind einen Schadens-ersatzanspruch zuzugestehen, würde gegen den Wortlaut des § 1 verstoßen. Der BGH 13 vertritt allerdings die Auffassung, bei Fällen dieser Art gehe es nicht um den Ersatz des Schadens, den die Leibesfrucht erlitten habe, sondern um den Schaden an der Gesundheit des zur Welt gekommenen, aber kranken Kindes. Im Übrigen sei die Tatsache, dass die Verletzung schon der Leibesfrucht zugefügt worden ist und daher vor der Existenz des Menschen und vor Beginn seiner Rechtsfähigkeit geschehen sei, kein Hindernis für die Anwendung des § 823. Nach Ansicht des BGH ist die Leibesfrucht dazu bestimmt, als Mensch ins Leben zu treten; sie und das später geborene Kind sind identische Wesen, eine naturgegebene Tatsache, der das Haftungsrecht Rechnung tragen muss. Verletzungen der Leibesfrucht werden daher jedenfalls mit Vollendung der Geburt zu einer Verletzung der Gesundheit des Menschen, für die der Schädiger gemäß § 823 Ersatz leisten muss. Damit wird der Schutz des Menschen wegen Körper - und Gesundheitsverletzungen in die Zeit vor Erlangung der Rechtsfähigkeit vorverlagert. Zugunsten des Schädigers ist allerdings zu beachten, dass ein Schadensersatzanspruch gegen ihn nur entstehen kann, wenn das Kind lebend zur Welt kommt. Zu dem vorhergehenden Beispiel: Nach der Rechtsprechung des BGH hat das Kind E also gegen K einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1. Die Rechtsfähigkeit endet mit dem Tod einer Person, weil Verstorbene nicht mehr Träger von Rechten und Pflichten sein können. Das Vermögen geht gemäß § Abs. 1 mit dem Tod als Ganzes auf einen oder mehrere Erben über (sog. Universalsukzession ).

Die Personen 3. Der Schutz der Persönlichkeit a) Überblick Die natürlichen Personen werden durch das im BGB nicht ausdrücklich geregelte, aber durch die Rechtsprechung und die rechtswissenschaftliche Literatur allgemein aner-kannte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfassend geschützt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein umfassendes Recht auf Achtung und Nicht-verletzung der Person, durch das die Privat - und Intimsphäre, die Ehre sowie Schrift und Rede geschützt werden. 14 Das Grundgesetz garantiert das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 und 2. Das BGB schützt mit dem Namensrecht nach § 12 ein "besonderes" Persönlichkeitsrecht. Vor allem aber wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht als absolutes „sonstiges Recht“ durch § 823 Abs. geschützt (zu Letzterem siehe sogleich unter e) .

  • § 12 bietet einen Schutz gegen den Gebrauch des Namens durch einen a nderen ( Namensanmaßung); er gewährt damit ein Ausschlussrecht gegen die
  • § 12 gewährt außerdem einen Schutz für den Gebrauch des eigenen Namens

Die Personen Eva Grünvogel verlangen, dass diese zukünftig den Gebrauch des Namens " Karoline Grau " unterlässt , sofern die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen besteht.

  • für Bilder von Personen der Zeitgeschichte;
  • für Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder einer sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
  • für Bilder, bei denen ein höheres Interesse der Kunst die Schaustellung recht-fertigt;
  • für Bilder, auf denen die Personen lediglich als Teilnehmer von Massenveranstaltungen zu sehen sind.

Beispiel: Das Bild de s gesuchten Straftäters darf veröffentlicht werden, nicht aber dasjenige seiner Eltern.

d) Die Verletzung der in § 823 Abs. 1 genannten Lebensgüter In § 823 Abs. 1 sind vier Lebensgüter genannt, deren rechtswidrige und schuldhafte Verletzung unter den übrige n in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen einen Schadensersatzanspruch entstehen lässt. Diese Lebensgüter sind: das Leben, der Körper, die Gesundheit und die Freiheit. _________________________________________________ 17 Vgl. dazu BGH NJW 1996,

Die Personen Die genannten Lebensgüter sind auch durch das Grundgesetz in Art. 2 Abs. 2 GG ausdrücklich geschützt. Es ist dort von dem "Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit" sowie der "Freiheit der Person" (Schutz der Freiheit) die Rede. Aus § Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG ist deshalb das Recht jeder Person auf Nichtverletzung des Le bens, des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit abzuleiten.18 e) Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert einen umfassenden Schutz der Persönlichkeitssphäre. Es wird aus dem Grundgesetz (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 und 2 ) abgeleitet und gemäß § 823 Abs. 1 als ein "sonstiges Recht" geschützt .19 Die Grenzen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind nur schwer zu ziehen. Sie dürften sich aus der Gleichheit des Rechts für alle Personen, aus einem berecht igten Interesse der Öffentlichkeit an Unterrichtung und Information i.V.m. dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG), das allerdings ebenso wie die Freiheit der Kunst nicht grenzenlos ist, und aus einem höher zu bewertenden Inte resse der Recht spflege ergeben . Beispiel (in Anlehnung an BGH, Urt. v. 24.10.2023 – VI ZR 1074/20) In der 50. Ausgabe der Zeitschrift X erscheint ein Artikel unter v oller Namensnennung des S. S sei wieder da, er sehe aus wie früher . Vor zwei Wochen habe das Magazin F R über die enge Freundschaft zwischen der Familie S (…) und dem Papst- Vertrauten G (…) berichtet. Bei einem Besuch der Familie S habe G mit dem Daumen noch ein Kreuzzeichen auf S(…)s Stirn gezeichnet . Die Familie X klagt auf Unterlassung von Teilen der Pres seberichterstattung. Hier geht es um die Frage, ob die Privatsphäre des S als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzt ist. Der BGH ist der Ansicht, dass durch die Berichterstattung des Ablaufs des Besuchs des Geistlichen im Wohnhaus des S und seiner „religiösen Geste“ gegen Ende seines Besuchs bei S in seine Privatsphäre einge-griffen wird. Allerdings wiege das Schutzinteresse des S nicht stärker als das durch Art. 5 I GG, Art. 10 EMRK geschützte Recht der X auf freie Meinungsäußerung. Das a llgemeine Persönlichkeitsrecht als Rahmenrecht habe keine festgelegte Reichweite, sondern müsse durch die Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich relevanten Belange bestimmt werden. Rechtswidrig sei ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht also , wenn das schutzwürdige Interesse des Betroffenen die Belange der anderen Seite überwiege.

Mit diesem Urteil hat der BGH erneut klargestellt, dass eine Rechtswidrigkeit des Eingriffs nur bei überwiegendem Interesse des Betroffenen gegeben ist. Im g eschilderten Streitfall entschied der BGH, dass das Informationsinteresse der Allgemeinheit und damit die Meinungsfreiheit der X überwiege.

Die Personen der Reeperbahn". K wurde wegen dieser Angriffe in der Presse von der Rundfunkanstalt, bei der sie angestellt war, entlassen. Sie verlangt nun von X und dem verantwortlichen Redakteur Schadensersatz und Schmerzensgeld. Hier geht es u.a. um die Frage, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht der K ver-letzt ist. D er BGH 21 ist der Ansicht, dass der geschilderte Bericht eine schwerwiegende rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts der K enthält. Zwar sei es der Presse erlaubt, die Leistungen der K als Ansagerin einer Rundfunkanstalt zu kritisieren und dabei a uch auf das den Fernsehteilnehmern bekannte äußere Erscheinungsbild einzugehen und es negativ zu würdigen. Die Ausführungen in der Illustrierten Y gingen aber über das Maß einer erlaubten Kritik weit hinaus. Das gelte vor allem für die Beleidigungen, K passe in "ein zweitklassiges Tingeltangel auf der Reeperbahn" und sehe aus wie eine "ausgemolkene Ziege". Diese Beleidigungen seien auch nicht mit einer Berufung auf das Grundrecht der Pressefrei-heit zu rechtfertigen. Dieses Grundrecht werde "in seinem Wesen verkannt, wenn ihm die von einer Verantwortung entbundene Freiheit entnommen wird, Klatsch zu verbreiten und die Berichterstattung auf Kosten der Ehre anderer zugkräftig zu machen (vgl. Art. 5 Abs. 2 GG)". Eben dies sei aber in dem Bericht geschehen, indem in verzerrter und beleidigender Art auf das Privatleben der K ohne sachlichen Grund eingegangen worden sei.

In dieser Entscheidung hat der BGH deutlich gemacht, dass mit ehrverletzenden Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Person verletzt werden kann. Er hat sich zugleich mit den Grenzen, die dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gezogen sein können, befasst, indem er geprüft hat, ob das Grundrecht der Pressefreiheit in einem solchen Fall eine Berichterstattung dieser Art zulässt.

Das BVer fG 22 geht davon aus, dass das Persönlichkeitsrecht regelmäßig nicht über den Tod hinaus fortwirkt, weil Träger des Grundrechts aus Art. 2 GG nur die lebende Person ist und mit ihrem Tode auch der Schutz aus diesem Grundrecht erlischt. Allerdings wäre es mit dem in der Verfassung verbürgten Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde unvereinbar, wenn der Mensch in diesem allgemeinen Achtungs-anspruch nach seinem Tode grob herabgewürdigt oder erniedrigt werden dürfte. Daher endet die in Art. 1 Abs. 1 GG aller staatlichen Gewalt auferlegte Verpflichtung, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf seine Menschenwürde zu gewähren, nicht mit seinem Tod (postmortaler Persönlichkeitsschutz) . 23 Geschützt wird auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Le-bensleistung erworben hat . Insbesondere besteht der Schutz des Persönlichkeitsbildes gegen grob ehrverletzende Entstellungen und der Schutz des Rechts am eigenen Bild gegen Herabwürdigung und Erniedrigung für angemessene Zeit fort. Ebenso wie das Schutzbedürfnis für die später geborene Person bereits vor der Geburt und damit vor der Rechtsfähigkeit beginnt, besteht auch ein Bedürfnis, den Schutz der menschlichen Persönlichkeit über den Tod hinaus auszudehnen (postmortaler Persönlichkeitsschutz) . Der BGH25 hat anerkannt, dass die schutzwürdigen Werte _________________________________________________ 21 BGHZ 39, 124 ff. 22 BVerfGE 30, 173 ff .; BVerfG, NJW 2023, 755 Rn. 27. 23 BVerfG 30, 173, 194 – Mephisto; BVerfG, NJW 2023, 755 Rn. 28 . 24 Vgl. PALANDT /SPRAU, § 823 Rn. 19. 25 BGHZ 50, 133 .

Die Personen der Persönlichkeit die Rechtsfähigkeit einer Person überdauern können, weil die Achtung vor der Person des Verstorbenen es gebiete, auch nach dem Tode herabsetzende und entstellende Äußerungen zu unterlassen. Der BGH vertritt die Auffassung, die Rechtsordnung könne Gebote und Verbote zum Schutze verletzungsfähiger Rechtsgüter von Personen auch unabhängig vom Vorhandensein eines lebenden Rechtssub-jektes vorsehen und namentlich Unterlassungsansprüche der in Rede stehenden Art durch jemanden wahrnehmen lassen, der nicht selbst Subjekt eines entsprechenden Rechtes ist, wenn der ursprüngliche Träger dieses Rechts durch den Tod die Rechtsfä-higkeit verloren hat. In einer späteren Entscheidung27 hat der BGH noch einmal betont, dass der rechtliche Schutz der Persönlichkeit gemäß Art. 1 Abs. 1 GG nicht mit dem Tod ende ; vielmehr bestehe der allgemeine Wert – und Anfechtungsanspruch fort, so dass das fortwirkende Lebensbild eines Verstorbenen weite rhin gegen schwerwiegende Entstellungen geschützt werde. Hinsichtlich einer Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener haben die Wahrneh-mungsberechtigten (meist die Erben ) einen ( quasinegatorischen) Beseitigungs - und Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1, 2 analog iVm § 823 Abs. 1. Die Schutzdauer der materiellen Bestandteile des postmortalen Persönlichkeitsrechts endet nach der Rechtsprechung ebenso wie das Recht am eigenen Bild (§ 22 S. 3 KunstUrhG) zehn J ahre nach dem Tod der Person. 28 Geldersatzans prüche wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts stehen den Erben jedoch nicht zu.29 Beispiel: Der Schriftsteller Klaus Mann hat einen Roman mit dem Titel "Mephisto" geschrieben. Darin schildert er Leben und Karriere eines Schauspielers, sein damals z.T. als "pervers" gewertetes Liebesleben und sein Verhalten im Dritten Reich. Für Kenner ist sofort erkenntlich, dass mit dem Schauspieler Gustaf Gründgens gemeint ist. Das Werk erschien erst nach dem Tode von Gründgens in der Bundesrepublik. Dessen Adoptivsohn wollte verhindern, dass das Andenken seines Vaters entehrt wurde. Er verlangte deshalb u.a., dass der Vertrieb des Buches in der Bundesrepublik Deutschland unterbleiben sollte.

Der BGH 30 hat dazu ausgeführt: Die schutzwürdigen Werte der Pers önlichkeit überdauern die Rechtsfähigkeit ihres Subjektes, die mit dem Tode erlischt. Das Persönlichkeitsrecht erfährt zwar mit dem Tode der Person eine einschneidende Einschränkung, da alle diejenigen Ausstrahlungen enden, die die Existenz einer aktiv han delnden Person bedingen. Andererseits sei aber allgemein anerkannt, dass der Verstorbene nicht nur übertragbare materielle Werte hinterlasse ; vielmehr überdauerten auch immaterielle Güter seinen Tod, die verletzbar und auch nach dem Tod noch schutzwürdig seien. Auch wenn man davon ausgehe, dass das Grundgesetz, indem es in Art. 1 die Würde des Menschen für unantastbar erkläre und in Art. 2 das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit festlege, vorwiegend den Schutz der Persönlichkeitsbelange des in der Rechtsgemeinschaft noch tätigen Bürgers gewährleisten wolle, bestehe kein Anhalt dafür , dass ent_________________________________________________ 26 BGHZ 50, 133, 137 . 27 BGHZ 107, 384, 391. 28 BGH, NJW 2007 684; LUDYGA , ZEV 2022, 693, 697 f . 29 Münch Komm/W AGNER , BGB § 823 Rn. 471 . 30 BGHZ 50, 133, 136 ff.

Die Personen gegen den Anschauungen unseres Kulturkreises die Schutzgarantie für die Menschenwürde, die auch nach dem Tode "antastbar" bleibe, für Verstorbene entfal-len so lle. Da das Grundgesetz zugunsten eines umfassenden Schutzes der Menschenwürde keine zeitliche Begrenzung auf das Leben des Menschen erkennen lasse, sei nicht einzusehen, warum der Schutz des so genannten allgemeinen Per-sönlichkeitsrechts, das die höchstrichterliche Rechtsprechung als sonstiges Recht i.S. des § 823 Abs. 1 anerkannt hat, indem es diese Generalklausel des bürgerlichen Rechts gemäß der Wertentscheidung des Verfassungsgebers ausgefüllt hat, zwangsläufig mit dem Tod enden solle. Konsequent hat der BGH deshalb zugelassen, dass der Adoptivsohn von Gründgens den postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutz zugunsten seines verstorbenen Vaters wahrnehmen konnte, zumal Entstellungen schwerwiegender Art auch nicht durch die ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG) gedeckt werden.

Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann auch in der Verletzung des Datenschutzes liegen 32 und – ein Verschulden vorausgesetzt – zur Entstehung eines Schadensersatzanspruches aus § 823 Abs. 1 führen. Die Rechte der Betroffenen sind durch die Datenschutz -Grundverordnung auf europäischer und dem Bundesdatenschutzgesetz auf nationaler Ebene ausführlich geregelt. Mit der Einführung des Art. 82 DSGVO wurde ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Daten-schutzes erschaffen. Der BGH hatte damals einen Anspruch aus § 823 I BGB für solche Verletzungen des Datenschutzes ausgeschlossen, die im Bundesdatenschutzgesetz abschließend geregelt waren . Begründet wurde dies damit, dass die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur ein so genannter "Auffangtatbestand" sei , der grundsätzlich gegenüber einer Spezialregelung des Persönlichkeitsrechts zurücktrete. 33 Dieser Ansicht des BGH Ist auch heute zu folgen. Der Art. 82 DSGVO ist nicht abschließend; e in deliktsrechtlicher Anspruch wird jedoch eine nur noch geringe Relevanz haben.34 II. Die juristischen Personen 1. Begriff, Bedeutung und Arten von juristischen Personen Wie bereits erwähnt, wird das soziale Leben nicht nur durch einzelne Menschen, sondern auch durch Organisationen geprägt und beeinflusst, wie z.B. den Staat, die Kirchen, Universitäten, Aktiengesellschaften und Sportvereine. Um diesen Organisatio-nen die selbständige Teilnahme am Rechtsverkehr zu ermöglichen, sieht die Rechtso rdnung vor, Personenvereinigungen oder rechtlich verselbständigten Zusammenfassungen von Vermögenswerten eine eigene Rechtsfähigkeit zu geben. Das BGB nennt sie juristische Personen. Juristische Personen sind soziale Organisationen, denen die Rechtsordnung eine eigene Rechtsfähigkeit zuerkennt, damit sie selbst Träger von Rechten und Pflichten sein können. Die juristischen Personen sind also selbst rechtsfähig. Ihre Rechte und _________________________________________________ 31 BGHZ 50, 133, 144 ff. 32 BGHZ 91, 233 ff. 33 BGHZ 91, 233, 237 f. 34 MünchKomm /WAGNER , BGB § 823 Rn. 680 .

Die Personen Pflichten sind ihre eigenen und nicht diejenigen der ihr angehörenden natürlichen Personen. Beispiel: Eigentümer des Grundstücks, auf dem die "Europäische Erdöl -Aktiengesellschaft" eine Raffinerie betreibt, ist die Aktiengesellschaft als juristische Person, wenn sie das Eigentum an dem Grundstück erworben hat, und nicht die Aktionäre oder der Vorstand der Aktiengesellschaft.

Die Schaffung der Rechtsfigur "Juristische Person" war notwendig, um einen selb-ständigen juristischen Zuordnungspunkt für Rechte und Pflichten zu schaffen, die nicht einer natürlichen Person zugeordnet sind. Mit de r juristischen Person werden Organisationsformen ermöglicht, die für den Rechtsverkehr in einer modernen Industriegesellschaft unerlässlich sind. Zur Zeit der Entstehung des BGB wurde erbittert darüber gestritten, welcher Rechtsnatur die juristische Person sei. U.a. ging es darum, ob sie eine nur gedachte "fiktive" Person (Fiktionstheorie) oder aufgrund der soziologischen Realität der Verbände und Organisationen eine "wirkliche und volle Person gleich den Einzelpersonen" sei (Theorie der realen Verbandspers önlichkeit ). 35 Dieser Streit ist im Wesentlichen abgeklungen.36 Man unterscheidet zwischen den juristischen Personen des öffentlichen Rechts, z.B. Bund, Ländern, Gemeinden, Kreisen, und den juristischen Personen des Privatrechts. Zu den juristischen Personen des Privatrechts gehören u.a.: eingetragene Vereine, Stiftungen, Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, eingetra-gene Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Die Rechtsfähigkeit erwerben juristische Personen in der Regel erst mit der Eintragung in ein staatliches Register (Vereinsregister, Handelsregister, Genossenschaftsre-gister) oder durch staatliche Verleihung, wie z.B. der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit . Allein der Erwerb der Rechtsfähigkeit setzt die juristische Person allerdings noch nicht in den Stand, im Rechtsverkehr zu handeln, z.B. einen Kaufvertrag abschließen zu können. Eine juristische Person kann im Rechtsverkehr nur mit Hilfe von natürlichen Personen (Stellvertretung § 164 I BGB) handeln, die die Organe der juristischen Person bilden. Organe, die diesen Zweck erfüllen, sind z.B. der Vorstand eines eingetragenen Sportvereins und der Vorstand einer Aktiengesellschaft oder der Geschäftsführer einer GmbH . Die Organe können außerdem der Willensbildung innerhalb der juristischen Person dienen. Einen solchen Zweck hat z.B. die Mitgliederversammlung eines Sportvereins oder die Mitgliederversammlung (auch Hauptversammlung genannt) einer Aktienge-sellschaft. Beispiel: Organe der Aktiengesellschaft si nd: der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung (Mitgliederversammlung).

Es gibt auch Organe, die eine Kontrollfunktion wahrnehmen. Beispiel: Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft kontrolliert den Vorstand. _________________________________________________ 35 Vgl. zum ehemaligen Streitstand E NNECCERUS –NIPPERDEY , § 103 und die Übers icht bei H ÜBNER , Rn. 192. 36 Vgl. dazu NEUNER , § 16, Rn. 13 f.

Die Personen Das Verhalten der Organe einer j uristischen Person wird nur der juristischen Person selbst zugerechnet. Die juristische Person handelt also selbst, wenn ihre Organe für sie handeln. Man kann sagen: Die juristische Person handelt durch ihre Organe. Die unmittelbaren privatrechtlichen Folg en des Handelns, im Wesentlichen der Erwerb von Rechten und Pflichten, treffen deshalb nur die juristische Person selbst. Den Gläubigern einer juristischen Person haftet nur deren Vermögen. Grundsätzlich haften die Mitglieder der juristischen Person nicht mit ihrem Privatvermögen. Man spricht deshalb auch von der juristischen Person "als Haftungsschirm".37 Beispiel: Wenn der Vorstand für die Aktiengesellschaft einen Kaufvertrag mit einer anderen Person abschließt, wird das Verhalten der Aktiengesellschaft zugerechnet (§§ 78 I 1, 82 I AktG, § 164 I 1 BGB). Die Aktiengesellschaft und nicht der Vorstand oder einzelne Vorstandsmitglieder wird aus dem Kaufvertrag berechtigt und verpflichtet. Ist die Aktiengesellschaft nicht in der Lage, ihre Pflichten aus dem Kaufvertrag zu erfüllen, können sich die Gläubiger nicht an die Mitglieder des Vorstandes der Aktiengesellschaft halten und von diesen die Leistung verlangen (Ausnahme § 93 II AktG und die sog. „Business Judgement Rule “). Nicht der Vorstand oder dessen einzeln e Mitglieder, sondern die Aktiengesellschaft als solche ist "Trägerin" der Verbindlichkeit.

2. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts juristischer Personen Grundsätzlich können auch juristische Personen, wie z.B. eine Aktiengesellschaft, Trägerinnen des allgem einen Persönlichkeitsrechts sein. Allerdings ist diese Rechtsträgerschaft inhaltlich begrenzt. Die Begründung dafür ergibt sich aus dem Entstehungs-grund, nämlich der Ableitung des Persönlichkeitsschutzes aus Art. 1 und 2 GG zur Ausfüllung einer Lücke. Nach Ansicht des BGH 38 ist eine Ausdehnung der Schutzwirkung des Persönlichkeitsrechts über natürliche Personen hinaus auf juristische Perso-nen nur insoweit gerechtfertigt, als sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen. Dies ist der Fall, wenn juristische Personen in ihrem "sozialen Geltungsanspruch als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden" . Der BGH hat die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Unterneh-mens in einem Fall bejaht, in dem ein Wissenschaftler, der Fortbildungsseminare für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater durchgeführt hatte, Ablichtungen eines im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlusses, der die finanzielle Situation dieses Unternehmens offenbarte, an Banken und Seminarteilnehmer weitergegeben hatte, ohne den Namen und die Adresse des Unternehmens unkenntlich zu machen. 40 Der BGH meint, wenn ein Seminar mit dem Titel "Jahresabschlussanalyse aus der Sicht der Banken" abgehalten und einem fachkundigen Empfängerkreis derartiges Material an die Hand gegeben werde, dann verbinde sich damit ein Hinweiseffekt, der die Aufmerksamkeit der Adressaten gerade auf solche Daten zur finanziellen Situation des betroffenen Unternehmens lenke, die zu kritischen Wertungen Anlass geben kön_________________________________________________ 37 Vgl. HÜBNER , Rn. 191. 38 BGHZ 98, 94, 97 f . 39 So BGHZ 98, 94, 97; OLG Hamm, BeckRS 2013, 21587 . 40 BGH NJW 1994, 1281 f .

  • die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB)
  • und den eingetragenen Verein (§§ 21 ff. und 55 ff. BGB).
  • dem in das Vereinsregister eingetragenen Verein einerseits (§§ 55 ff.)
  • dem nicht eingetragenen Verein gem. § 54 andererseits.

Die Personen einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Hingegen sind Vereine, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, wirtschaftliche Vereine (§ 22). Idealvereine sind in erster Linie solche Vereine, deren Hauptzwecke politischer, sportlicher, religiöser, wissenschaftlicher und sonstiger kultureller oder geselliger Art sind. Beispiel: Idealverein ist auch der Tennisverein , der in seinem Clubhaus Getränke und Speisen gegen Entgelt anbietet , denn für die Einordnung als Idealverein oder wirtschaftlichen Verein ist auf den Hauptzweck abzustellen .

Auf der Grenze zwischen Idealverein und wirtschaftlichem Verein dürften sich solche Sportv ereine bewegen, die eine aus Berufsspielern bestehende Fußballmannschaf t unterhalten.46 c) Der wirtschaftliche Verein Im Gegensatz zum Idealverein erwirbt der wirtschaftliche Verein gemäß § 22 die Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung (Konzessionszwang) . In der Praxis werden Konzessionen dieser Art kaum erteilt, weil das Gesellschaftsrecht für wirtschaftli-che Vereine eine Reihe spezieller Rechtsformen, wie z.B. die Aktiengesellschaft und die GmbH, zur Verfügung stellt. Diese Rechtsformen tragen in besonderem Maße dem Schutzbedürfnis der Gesellschafter und der Gläubiger Rechnung, indem sie unabdingbare Regelungen betreffend Gründung, Kapitalaufbringung, Entnahmeverbote etc. enthalten. Wenn diejenigen Personen, die einen wirtschaftlichen Verein gründen wollen, für ihre Ziele eine der vom Gesellschaftsrecht angebotenen Rechtsformen, wie Aktiengesellschaft und GmbH, wählen können, sind sie gezwungen, sich für eine solche Rechtsform zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung des BGH verbietet der in § 22 für wirtschaftliche Vereine verordnete Konzessionszwang, auf einem anderen Wege als in den Formen der Aktiengesellschaft, der GmbH und der eingetragenen Genossenschaft die Rechtsfähigkeit und die Nichthaftung der Mitglie-der für Verbindlichkeiten der Vereinigung zu erreichen. Die Verleihungspraxis hat sich nach § 22 von den Grundsätzen der Alternativität und Subsidiarität leiten lassen. Der Grundsatz der Alternativität bedeutet, dass nur solchen wirtschaftlichen Vereinen die Rechtsfähigkeit verliehen werden darf, die nicht auch nach § 21 eintragungsfähig wären. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität kann einem wirtschaftlichen Verein die Rechtsfähigkeit nur verliehen werden, wenn es ihm wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar ist, sich zur Erlangung der Rechtsfähigkeit nach den "besonderen reichsgesetzlichen Vorschriften" (Aktienge-setz, GmbH –Gesetz oder Genossenschaftsgesetz) zu konstituieren oder aber auf die Rechtsfähigkeit zu verzichten. Der Subsidiaritätsgrundsatz verstößt nicht gegen Art. GG. 48 Wegen der vorrangigen Sondergesetze sind rechtsfähige wirtschaftliche Vereine im Sinne dieser Vorschrift selten (Bsp aber: GEMA, „Verwertungsgesellschaft Wort“) . Für politische Parteien im Sinne des Art. 21 GG gilt das Parteiengesetz. _________________________________________________ 46 BeckOGK/ SEGNA, BGB § 21 Rn. 176 ; BRENNER , Abseitsfalle e.V. – wenn die wirtschaftliche Betätigung von Vereinen zur Bedrohung wird, SpoPrax 2023, 262; GUBITZ/HILDEBRAND , Ist der Profifußball in Deutschland illegal?, NZG 2017, 495. 47 BGHZ 22, 240, 244 . 48 Vgl. z ur Problematik K. SCHMIDT , AcP 182 [1982], 32 ff. m.w.N.n.

Die Personen d) Vereine ohne Rechtspersönlichkeit Wenn die Mitglieder einen Verein nicht in das Vereinsregister haben eintragen lassen, fehlte dem Verein nach früher geltendem Recht die Rechtsfähigkeit. Die fehlende Rechtsfähigkeit war das Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen eingetragenem Verein mit Rechtsfähigkeit einerseits und dem „ nichtrechtsfähigen“ Verein andererseits. Auch der nichtrechtsfähige Verein war eine auf Dauer angelegte Personenvereinigung, die vom Mitgliederwechsel unabhängig ist und der Erreichung eines gemeinsamen, selbst gesetzten Zweckes dient e. Auch er ist körperschaftlich verfasst, hat einen Vorstand und tritt nach außen unter eigenem Namen als selbständige Einheit auf. Die Bedeutung des nichtrechtsfähigen Vereins in der Praxis war nicht unerheblich. So sind u.a. als nichtrechtsfähige Vereine angesehen worden: die Niederlassungen eines katholischen Ordens (RGZ 97, 122, 123), Studentenverbindungen, 49 Handelssyndikate,50 die Heilsarmee.51 Mit der neuen Fassung des § 54 BGB, der seit dem 1.1.2024 für den nicht eingetra-genen Idealv erein eine entsprechende Anwendung der §§ 24 -53 BGB vorsieht , sind „nichtrechtsfähige“ Vereine nicht mehr „nichtrechtsfähig“ (§ 54 Abs. 1 S. 1) . Die Rechtsfähigkeit des nicht eingetragenen Idealv ereins ergibt sich nunmehr aus der analogen Anwendung ebenjener Normen. Zweifelhaft ist aber weiterhin, ob der nicht eingetra gene Verein unter seinem Namen (oder nur unter Nennung seiner Mitglieder) als Grundstückseigentümer im Grundbuch eingetragen werden k ann. Für Vereine, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und die nicht durch staatliche Verleihung Rechtspersönlichkeit erlangt haben, kann sich die Rechtsfähigkeit aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Gesellschaft ergeben (§§ 54 Abs. 1 S. 2, 705 Abs. 2).

4. Die rechtsfähige Stiftung des privaten Rechts Die rechtsfähige Stiftung ist eine als selbständiger Rechtsträger anerkannte, mit einem eigenen Vermögen ausgestattete Einrichtung, mit der ein dauernder Zweck (Ewigkeitsstiftung ), der durch den Willen der Errichtenden festgelegt wird, erreicht werden soll. Sie ist kein Person enverband. Die Stiftung als eine besondere Organisationsform ermöglicht es, die Verfolgung konkreter Ziele langfristig, auch über den Tod des Stifters hinaus, zu institutionalisieren. Das Stiftungsrecht ist in den §§ 80 ff. nur unvollständig geregelt. Eine Reihe von Bundesländern hat die vom BGB offen gelassenen Probleme durch Landesgesetze gere-gelt. _________________________________________________ 49 RGZ 78, 134, 135 . 50 RGZ 82, 294, 295 . 51 Reichsarbeitsgericht in: JW 1935, 2228; zum nichtrechtsfähigen Verein im einzelnen siehe E ISENHARDT /WACKERBARTH , Gesellschaftsrecht I, Rn. 250 ff. 52Vgl. (zum früheren Recht) BGH NJG 2016, 666; BeckOK BGB/ SCHÖPFLIN , § 54 BGB Rn. 29b f.; MünchKomm/L EUSCHNER , BGB § 54 Rn. 22 ff.; GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 54 Rn. 8 ; OTT, NJW 2003, 1223 ff. 53 Vgl. KÜBLER /ASSMANN , § 12 I 1 a.

  • ein Rechtsgeschäft unter Lebenden; es bedarf dann der Schriftform und kann
  • eine Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) (§ 83).

Subjektive Rechte § 23 Subjektive Rechte Schrifttum: TEICHMANN , Venire contra factum pr oprium – Ein Teilaspekt rechtsmi ßbräuchlichen Handelns, JA 1985, 497 ff.; WÜSTENBECKER , Die subjektiven Privatrechte, JA 1984, 227 ff. I. Subjektives Recht und objektives Recht Das objektive Privatrecht enthält die Teile der Rechtsordnung als Zusammenfassung von Rechtsregeln, denen das menschliche Zusammenleben unterworfen ist und die allgemein gültig und verbindlich sind. Das objektive Recht verleiht den einzelnen Personen unter den in ihm genannten Voraussetzungen subjektive Rechte, die durch-setzbare Rechtsp ositionen darstellen. Sie sind vor Gericht einklagbar und vollstreckbar. Beispiel: § 823 Abs. 1 ist Bestandteil des objektiven Rechts. Verletzt der A den B vorsätzlich mit einem Messer am rechten Oberarm, so erfüllt er damit den Tatbe-stand des § 823 Abs. 1. Das objektive Recht – die Rechtsnorm des § 823 Abs. 1 – verleiht unter den genannten Voraussetzungen dem B ein subjektives Recht gegen A, nämlich das Recht, von ihm wegen des erlittenen Schadens Ersatz zu verlangen.

II. Begriff und Arten der subjektiven Rec hte 1. Der Begriff des subjektiven Rechts Ein subjektives Recht ist die dem einzelnen von der Rechtsordnung verliehene, zur Befriedigung seiner Bedürfnisse und Interessen dienende Rechtsmacht.55 Allerdings ist diese Definition umstritten .56 Der in der Definitio n gebrauchte Ausdruck "Rechtsmacht" soll keinen Zweifel daran lassen, dass nicht an wirtschaftliche Macht, sondern "an einen normativen Sachverhalt, nämlich an eine dem Berechtigten von der Rechts-ordnung erteilte Ermächtigung, ein "Handeln -Dürfen" oder ein "rechtliches Können" gedacht ist". Das subjektive Recht steht einer Person, also einem Menschen (= natürliche Person) , oder einer juristischen Person zu. 2. Arten der subjektiven Rechte Die subjektiven Rechte des Privatrechts lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunk-ten einteilen. a) Die Einteilung der subjektiven Rechte nach Inhalten (a) Die Persönlichkeitsrechte Zu den wesentlichen subjektiven Rechten zählen die Persönlichkeitsrechte. Zu ihnen gehören die in § 823 Abs. 1 genannten Rechtsgüter, neben Gesundheit, Körper und _________________________________________________ 55 So in etwa E NNECCERUS –NIPPERDEY , 1, § 72 II und B ROX/WALKER , § 28 Rn. 10 . 56 BROX/WALKER, § 28 Rn. 1,13 ff .. 57 So zutreffend N EUNER , § 20 Rn. 4 f.

Subjektive Rechte Freiheit das Namensrecht, das Recht am eigenen Bild und das allgemeine Persönlichkeitsrecht.58 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verleiht der einzelnen Person ein umfassendes Recht auf Achtung und Nichtverletzung der Person; durch dasselbe wer den die Privat – und Intimsphäre geschützt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist also eine dem einzelnen von der Rechtsordnung verliehene Rechtsmacht, seine persönlichen Interessen – hier Achtung und Nichtverletzung der Person – zu befriedigen und durchz usetzen. (b) Die persönlichen Familienrechte Die persönlichen Familienrechte sind ein eigener Typus subjektiver Rechte, die den oben bezeichneten Persönlichkeitsrechten verwandt sind. Mit den Persönlichkeitsrechten haben sie gemein, dass sie streng an die Per son gebunden sind, also weder übertragbar noch vererblich sind. Die persönlichen Familienrechte haben die Beziehungen einer natürlichen Person zu anderen natürlichen Personen zum Gegenstand, die keinen vermögensrechtlichen Charakter haben. Zu diesen zählen u.a. die elterliche Sorge und das Recht der Ehe-gatten auf Achtung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Natürliche Personen, die nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, stehen grundsätzlich unter der elterlichen Sorge , kraft derer die Eltern das Recht und die Pflicht haben, für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen (§ 1626). Die elterliche Sorge beinhaltet für die Eltern im Verhältnis zu ihren minderjährigen Kindern Rechte und Pflichten. Das von der elterlichen Sorge umfasste Recht der Personenso rge verleiht den Eltern z.B. das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen (§ Abs. 1). (c) Die Herrschaftsrechte Herrschaftsrechte, die man auch als Beherrschungsrechte bezeichnen kann, verleihen die Rechtsmacht, auf ein bestimmtes Objekt (Sache, Geis tesprodukt, Recht, Vermögen) unmittelbar einzuwirken. Mit dieser Befugnis zur eigenen Einwirkung ist häufig die Befugnis zum Ausschluss fremder Einwirkung verbunden. Das stärkste Herrschaftsrecht in Bezug auf Sachen ist das Eigentum. Der Eigentümer einer Sache kann – allerdings im Rahmen der in Art. 14 GG bestehenden Sozialbindung – mit der ihm gehörenden Sache tun und lassen, was er will, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen oder Rechte Dritter entgegenstehen. Wer das Eigentum eines anderen schuldhaft ve rletzt, ist gemäß § 823 Abs. 1 zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Gemäß § 903 kann der Eigentümer andere Personen von jeder Einwirkung auf das Eigentum ausschließen. Nach § 1004 kann der Eigentümer verlangen, dass er in der Ausübung des Eigentumsrechts nicht gestört wird. Der Eigentümer hat im Hinblick auf die ihm gehörende Sache also die Rechtsmacht, unmittelbar auf sie einzuwirken und, soweit nicht andere gesetzliche Bestimmungen _________________________________________________ 58 Vgl. dazu oben ff. 59 S. hierzu oben § 23 I Nr. 3 . 60 Vgl. NEUNER , § 20 Rn. 16. 61 So ENNECCERUS –NIPPERDEY , 1, § 73 I 1.

Subjektive Rechte entgegenstehen, andere Personen von der Einwirkung auf die Sache auszuschließen. Das Eigentum ist damit das typische Herrschaftsrecht an Sachen. Beispiel: Der Eigentümer eines Kraftfahrzeuges kann gemäß § 903 entscheiden, ob er überhaupt damit fährt und gegebenenfalls wohin er sich damit auf den öffentlichen Verkehrswegen begibt. Er kann allerdings weder den Linksverkehr einführen noch darf er bei der Ampelstellung rot über eine Kreuzung fahren. In-soweit kann er mit der Sache nicht nach seinem Belieben verfahren, weil hier das Gesetz, nämlich das Straßenverke hrsrecht (StVG, StVO) , und die Rechte Dritter, z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit (§ 823 Abs. 1), entgegenstehen (§ 903). Wenn ein anderer Teilnehmer am Straßenverkehr grob fahrlässig einen Unfall verursacht, bei dem das Kraftfahrzeug des Eigent ümers E beschädigt wird, so kann E u.a. aus § 823 Abs. 1 wegen der Verletzung des Eigentums Schadensersatz von dem Schädiger verlangen.

Es existieren auch Herrschaftsrechte an unkörperlichen Gütern; diese Rechte werden auch Immaterialgüterrechte genannt. Das können u.a. Geisteswerke , Marken und Erfindungen sein. Geisteswerke sind Werke der bildenden Kunst, der Musik und der Literatur. An ihnen besteht ein Urheberrecht , das den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nut zung des Werkes schützt (§ S. 1 UrheberrechtsG) . Erfindungen werden durch das Patentrecht (Patent G) geschützt. (d) Ansprüche Ein Anspruch gibt einer Person das Recht, von einer anderen oder mehreren anderen Personen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu ve rlangen (§ 194 Abs. 1 Legaldefinition ). Beispiel: Schließen V und K einen Kaufvertrag über ein Buch ab, so hat V gegen K einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises (§ 433 Abs. 2). K hat gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des gekauften Buches (§ 433 Abs. 1).

Ergibt sich ein Anspruch aus einem Schuldverhältnis, wie es z.B. der Kaufvertrag dar-stellt, so handelt es sich um eine Forderung. Der Inhaber einer Forderung (der Gläubiger) kann von demjenigen, gegen den sich die Forderung richtet (von dem Schuldner), die Leistung – ein Tun oder Unterlassen, das den Gegenstand der Forderung bildet – verlangen (vgl. § 241 Abs. 1). Kommt der Schuldner dem Leistungsbegehren des Gläubigers nicht nach, so kann der Gläubiger vor dem zuständigen G ericht seine Forderung einklagen und, wenn das Gericht ein Urteil zu seinen Gunsten fällt, mit Hilfe des Staates die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Der Gläubiger einer Forderung kann also die staatliche Gewalt in Anspruch nehmen, um sei n Recht gegen den Schuldner durchzusetzen. (e) Die Gestaltungsrechte Unter einem Gestaltungsrecht als einem subjektiven Recht soll hier lediglich die Rechtsmacht verstanden werden, die einer Person die Möglichkeit gibt, allein durch die Ausübung ihres Willens solche Rechtsfolgen herbeizuführen, die in der Aufhebung

Subjektive Rechte oder Veränderung eines bestehenden Rechtsverhältnisses bestehen.62 Während es zum Zustandekommen eines vertraglichen Schuldverhältnisses der Mitwirkung mindestens zweier Personen bedarf, die den Vertr ag entstehen lassen wollen, gibt das Gesetz den Vertragspartnern unter gewissen Voraussetzungen das Recht, durch einseitige Erklärung das vertragliche Schuldverhältnis aufzuheben oder zu verändern. Ein fast jedermann bekanntes Gestaltungsrecht dieser Art i st die Kündigung, die meist mit einem Mietverhältnis (Mietvertrag) oder einem Arbeitsverhältnis (Arbeitsver-trag) in Verbindung gebracht wird. Das Gesetz räumt bei manchen Verträgen den Vertragspartnern die Möglichkeit ein, einen wirksam geschlossenen Vertrag durch eine Kündigung einseitig und unabhängig von der Zustimmung eines Partners aufzulösen. Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die ein auf Dauer angelegtes vertragliches Schuldverhältnis für die Zukunft auflöst. In de r Regel sehen entweder das Gesetz oder die einzelnen Verträge Kündigungsfristen vor. Wenn eine wirksame Kündigungserklärung abgegeben worden ist, endet das Schuld-verhältnis mit dem Ablauf der Frist. Beispiel: Der Arbeitnehmerin A ist seit drei Monaten bei der Firma Interschrott GmbH beschäftigt, als ih r am 1. März 20 24 das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung gekündigt wird. Nach § 622 Abs. 1 beträgt die Kündigungsfrist vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats. Das Arbeitsver hältnis endet damit am 31. März 2024 .

  • ein Rücktrittsrecht im Vertrag vereinbart worden ist oder
  • das Gesetz bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Ausübung eines Rücktrittsrechts gewährt.

Subjektive Rechte bisherigen Schuldverhältnisses (hier: Kaufvertrages) tritt ein Rückgewä hrschuldverhältnis, aufgrund dessen D und M verpflichtet sind, das, was an Leistungen bereits ausgetauscht worden ist, zurückzugewähren. Deshalb hat M den Fernsehapparat an D zurückzugeben; D muss an M die erhaltenen € 250,–– zurückzahlen. (Welche Ansprüch e wegen Verschlechterung oder Untergangs der Sache entstehen können, regeln §§ 346 Abs. 2 ff.).

Eine weitere Möglichkeit, ein wirksam zustande gekommenes vertragliches Schuldverhältnis nachträglich einseitig zu vernichten, gewährt die Anfechtung . Unter de n im Gesetz genannten Voraussetzungen (§§ 119 ff.) kann derjenige, der eine Willenserklärung abgegeben hat, diese Erklärung mit der Folge anfechten, dass das gesamte Rechtsgeschäft gem. § 142 Abs. 1 rückwirkend vernichtet wird . b) Absolute und relative Rechte Stellt man in erster Linie auf die Person des Verpflichteten ab, so ist zu unterscheiden zwischen absoluten Rechten einerseits und relativen Rechten andererseits. Absolute Rechte wirken gegenüber jedermann. Das bedeutet: Absolute Rechte geben dem Inhabe r einen absoluten Schutz. Zu den absoluten Rechten gehören die Persönlichkeitsrechte wie die in § 823 Abs. 1 genannten Rechtsgüter Leben, körperliche Unversehrtheit, Gesundheit und Freiheit, das Namensrecht und das allgemeine Per-sönlichkeitsrecht. Ein wich tiges absolutes Recht ist auch das Eigentum. Auch Immaterialgüterrechte, wie z.B. Patente , Marken , Designs und Urheberrechte , zählen zu den absoluten Rechten. Beispiel: Der Eigentümer einer Sache genießt einen absoluten Schutz. Verletzt jemand das Eigentum an der Sache und fügt schuldhaft dem Eigentümer einen Schaden zu, so kann der Eigentümer von dem Schädiger Ersatz des entstandenen Schadens verlangen (§ 823 Abs. 1). Nimmt ein anderer dem Eigentümer die Sache weg, ohne dazu berechtigt zu sein, so kann der Eigentümer von dem anderen die Herausgabe der Sache verlangen (§ 985). Wird der Eigentümer auf sonstige Weise im Gebrauch seines Eigentums gestört, so hat er gegen den Störer, gleich wer derselbe ist, einen Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung der St örung (§ 1004).

Im Gegensatz zu den absoluten Rechten, die gegenüber jedermann wirken, wirken die relativen Rechte nur zwischen bestimmten Personen innerhalb eines Rechtsverhältnisses. Ein solches Rechtsverhältnis ist in der Regel ein vertragliches Schuldverhältnis (es kommt durch den Abschluss eines Vertrages zustande) oder ein gesetzliches Schuldverhältnis (ein solches entsteht dadurch, dass eine oder mehrere Personen Handlungen vornehmen, durch die ein im Gesetz umschriebener Tatbestand erfüllt wird). D as typische relative Recht ist der Anspruch, den eine Person gegen eine andere hat, und kraft dessen sie von der anderen Person ein bestimmtes Tun oder Unterlassen verlangen und erzwingen kann (vgl. § 194 Abs. 1) . Beispiel: Aufgrund eines abgeschlossenen Kaufvertrages (vertragliches Schuldverhältnis) kann der Käufer vom Verkäufer gemäß § 433 Abs. 1 Übereignung und Übergabe der gekauften Sache verlangen. Er hat darauf einen Anspruch, also ein relatives Recht. Aus demselben Kaufvertrag kann der Verkäufer von dem Käufer _________________________________________________ 63 Vgl. dazu KE 6, § 14 .

Subjektive Rechte Zahlung des Kaufpreises verlangen (§ 433 Abs. 2). Der Verkäufer erwirbt aus dem Kaufvertrag also ebenfalls einen Anspruch, ein relatives Recht.

Beispiel: Verletzt A den B vorsätzlich mit einem Messer am rechten Oberarm, so erfüllt sein Verhalte n den Tatbestand des § 823 Abs. 1 (gesetzliches Schuldverhältnis). B kann von A materiellen Schadensersatz Arztkosten, (§ 823 I i.V.m. § 249 II bzw. § 823 II BGB i.V. § 223 I, 224 I Nr. 2 StGB) und "Schmerzensgeld" (§ 823 I i.V.m. § 253 Abs. 2 bzw. bzw. § 823 II BGB i.V. § 223 I, 224 I Nr. 2 StGB) verlangen . Er hat einen Anspruch darauf, also ein relatives Recht.

III. Der Erwerb und die Übertragung subjektiver Rechte Es gibt subjektive Rechte, die so stark an die Person desjenigen gebunden sind, dem sie zustehen, dass diese Rechte nur von dem Inhaber selbst ausgeübt werden können. Solche Rechte sind in der Regel unübertragbar und erlöschen regelmäßig mit dem Tode ihres Inhabers. Zu diesen höchstpersönlichen Rechten zählen u.a. die Persönlichkeitsrechte , zu deren teilweise gleichwohl anerkannten postmortalen Schutz .64 Andere subjektive Rechte, zu denen vor allem die Vermögensrechte gehören, sind hingegen grundsätzlich von der Person des Berechtigten unabhängig. Sie können deshalb auch über den Tod des Inhabers des subjektiven Rechts hinaus bestehen und auf andere Personen übertragen werden. Zu den subjektiven Rechten dieser Art zäh-len z.B. Forderungsrechte und das Eigentumsrecht. Beispiel: Der Anspruch des Darlehensgebers gegen den Darlehensnehmer auf Rückerstattun g des empfangenen Darlehens aus § 488 Abs. 1 geht nicht mit dem Tode des Darlehensgebers unter. Die Forderung aus § 488 Abs. 1 überdauert den Tod des Darlehensgebers. Sie geht mit dem Erbfall (= dem Tod des Erblassers) auf dessen Erben über (§ 1922 Abs. 1). Beispiel: Das Eigentumsrecht an einem Kraftfahrzeug ist nicht an eine bestimmte Person gebunden. Dieses Recht kann vielmehr auf eine andere Person übertragen werden. Nach § 929 S. 1 geschieht dies, indem der "Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und [sich] beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll". Nach dem Übertragungsakt ist die andere Person Eigentümerin des Kraftfahrzeuges. Beim Tod des Eigentümers geht da Eigentum mit dem Er bfall auf die Erben über, § 1922 Abs. 1.

Der Erwerb eines subjektiven Rechts kann auf verschiedene Art und Weise geschehen. Erwirbt eine Person von einer anderen Person ein subjektives Recht, so erlangt sie ein bereits bestehendes Recht. Beispiel: A ist Eigentümerin eines Kraftfahrzeuges. Sie überträgt das Eigentum durch Einigung und Übergabe (§ 929 S. 1) an dem Kraftfahrzeug auf B. B ist nunmehr Eigentümer. B hat ein subjektives Recht, das Eigentum, von A erworben, das A schon zuvor innehatte.

_________________________________________________ 64 § 23 I Nr. 3 e) .

Subjektive Rechte Geht das subjektive Recht durch einen Übertragungsakt von eine r Person auf die andere über, so spricht man von einem abgeleiteten Erwerb (derivativer Erwerb). Auch Forderungsrechte können übertragen werden. Die Übertragung kann sich kraft Rechtsgeschäftes oder kraft Gesetzes vollziehen. Zur rechtsgeschäftlichen Über tragung einer Forderung ist nach § 398 ein Abtretungsvertrag erforderlich, der in der Regel formlos abgeschlossen werden kann. In dem Abtretungsvertrag einigen sich der bisherige Gläubiger einer Forderung und der Erwerber der Forderung darüber, dass die Fo rderung auf den neuen Gläubiger übergehen soll. In dem Moment, in dem der Abtretungsvertrag wirksam wird, geht die Forderung von dem bisherigen Gläubiger auf den neuen Gläubiger über. Beispiel: A gewährt dem B ein Darlehen in Höhe von € 5.000, --. Die Darle hensrückzahlungsforderung, die A aus dem Darlehensvertrag hat, tritt er mit einem Abtretungsvertrag an D ab. Mit dem Wirksamwerden des Abtretungsvertrages ist nicht mehr A, sondern D Gläubiger des B. Die Folge: B muss nun nicht mehr an A, sondern an D zahl en. Es handelt sich hier um den abgeleiteten Erwerb eines subjektiven Rechts durch D.

  • gegen das Schikaneverbot (§ 226),
  • gegen die guten Sitten (§§ 138, 817, 826) oder
  • gegen Treu und Glauben (§ 242) verstößt.
  • illoyaler Verspätung
  • und schwerer Treuwidrigkeit.

Subjektive Rechte

Ein wichtiges Kriterium für die Verwirkung ist demnach das Untätigsein über einen längeren Zeitraum, das als zurechenbares vertrauensbild endes Vorverhalten zu qualifizieren ist .73 Darüber hinaus ist unter Beachtung der Gläubigerinteressen zu prüfen, ob dem Schuldner die Erfüllung trotz eines ihr entgegenstehenden schutzwürdigen Vertrauens noch zuzumuten ist. Insofern kommt es zu einer Wechse lwirkung mit dem Zeitmoment: Je länger ein Recht nicht geltend gemacht wurde, desto geringer sind die Anforderungen an die eine Verwirkung begründenden Umstände .74 Der BGH 75 lässt die Verwirkung auch gegen den Willen des Berechtigten eintreten, da insoweit die an Treu und Glauben ausgerichtete objektive Bewertung, nicht aber der subjektive Willensentschluss des Berechtigten entscheidend ist. Beispiel: M ist der Mieter in der V. Im Mietvertrag ist eine Miete in Höhe von € 2000, –– monatlich vereinbart. Da M die Miete zu hoch erscheint, zahlt sie nur mit dieser Begründung monatlich € 1750,–– an V. Sie sehen sich bei regelmäßigen Handballspielen des Dorfvereins, wobei V die M nicht mehr auf die Mietminderung anspricht und beide zusammen ausgelassen die Kreismeist erschaft feiern . Fünf Jahre später, als M aus der Wohnung auszieht, verlangt V als Restmietschuld für drei Jahre € 9000,–– von M. Diese weigert sich zu zahlen. Hier hat V längere Zeit ihren Anspruch auf Restmietzahlung in Höhe von monatlich € 250,–– nicht geltend gemacht. Nach dem Antwortschreiben der V sowie der jahrelangen Duldung der Mietkürzung durfte M davon ausgehen, dass V den Anspruch nicht mehr geltend machen werde .

_________________________________________________ 73 So SOERGEL /TEICHMANN , § 242 Rn. 336, 337. 74 BeckOGK/ KÄHLER , BGB § 242 Rn. 1770; BGH NJW 2018, 1390 Rn. 9 . 75 BGHZ 25, 47, 52; NK-BGB/ PETER KREBS, BGB § 242 Rn. 103 . Der Inhaber eines Rechts verstößt mit der Geltendmachung des Rechts gegen Treu und Glauben nach §242, wenn längere Zeit verstrichen ist, in der er das Recht nicht geltend gemacht hat, obwohl er es hätte geltend machen können (= Zeitmoment) derjenige, gegen den das Recht geltend gemacht wird (der Verpflichtete), nach dem vorher an den Tag gelegten Verhalten des Berechtigten davon ausgehen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen würde, der Verpflichtete dies auch angenommen und sich darauf eingerichtet hat (= Umstandsmoment )

Subjektive Rechte V. Die erlaubte Verteidigung subjektiver Rechte (Rechtfertigungsgründe) 1. Überblick Die Durchsetzung subjektiver Rechte bereitet Schwierigkeiten, wenn der Anspruchsgegner, der Verpflichtete, sich weigert, das von ihm verlangte Tun oder Unterlassen zu vollziehen. Es ist Aufgabe des Staates, dem Bürger bei der Durchsetzung des Rechts zu helfen. Dieser Aufgabe wird er durch die Einrichtung von Gerichten und besonderer Verfahren gerecht. Auch die Vollstreckung der von den Gerichten gefällten Entscheidungen ist Aufgabe des Staates. Die Verwirklichung bzw. Durchsetzung subjektiver Rechte geschieh t also grundsätzlich mit Hilfe der dafür vorgesehenen staatlichen Organe, der Gerichte und der Vollstreckungsorgane.76 Das genannte staatliche Gewaltmonopol schließt private Eigenmacht und Selbsthilfe bei der Durchsetzung des Rechts in der Regel aus. Allerdings gewährt die Rechts-ordnung dem Rechtsinhaber in Ausnahmefällen die Befugnis zur Verteidigung und Selbsthilfe. Im BGB geregelt sind Notwehr, Notstand und Selbsthilfe (§§ 227 ff., 859, 904).

2. Notwehr § Derjenige, der in Notwehr handelt, darf etwas tun, was in der Regel nicht erlaubt ist. Die Notwehrhandlung ist gerechtfertigt. Sie ist auch gerechtfertigt, wenn damit in ein fremdes subjektives Recht eingegriffen wird. Die Notwehr ist in § 227 definiert. Danach ist Notwehr die Verteidigung, die erforder lich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einer anderen Person abzuwenden. Angriff ist jede menschliche Handlung, durch die eine Verletzung rechtlich geschützter Interessen droht. Ein solcher Angriff ist rechtswidrig, wenn derjenige, gegen den sich der Angriff richtet, zur Duldung dieser Handlung nicht verpflichtet ist. Allerdings darf der sich Verteidigende den Angriff nur mit den erforderlichen Mitteln abwehren. Es darf kein unerträgliches Missverhältnis zwischen dem angegriffenen Rechtsgut und dem durch die Notwehr zu verletzenden Rechtsgut bestehen. Beachte: die Voraussetzungen der Notwehr nach § 227 BGB sind nicht vollständig deckungsgleich mit der Rechtslage im Strafrecht (vgl. §§ 32 f. StGB)! Beispiel: Um B zu ärgern, will D, der neben B an der Theke in einer Gastwirtschaft steht, diesem ein volles Glas Bier über den Kopf schütten . Um dies zu verhindern, stößt B den D zurück. D fällt auf den Boden und zieht sich eine Kopfverletzung zu. B hat die Verletzung dabei fahrlässig v erursacht. Die Körperverletzung erfüllt den Tatbestand des § 823 I BGB, indem der stoß äquivalent und adäquat kausal für die Kopfverletzung war. Allerdings ist sie nicht rechtswidrig, sondern durch Notwehr gem. § 227 BGB gerechtfertigt. Die Abwehrhandlung hält sich im Rahmen der erforderlichen Abwehr. Gleiches gilt für den Anspruch aus § 823 II BGB i.V. § 227 StGB. Die Verletzung mit einem Messer oder durch Schusswaffengebrauch wäre in diesem Falle unverhältnismäßig und nicht erforderlich gewesen. Beachten Sie, dass hier nur nach zivilrechtlichen Ansprüchen gefragt war. Dahingehend ist der § 227 BGB lex specialis zu § 32 f. StGB. _________________________________________________ 76 Näheres zum Erkenntnisverfahren und dem Vollstreckungsrecht im Modul 55113 Zivilprozessrecht . 77 MüKoBGB/Grothe ,, BGB § 227 Rn. 2.

Subjektive Rechte

3. Notstand Das BGB unterscheidet zwei Tatbestände des Notstands, den Verteidigungsnotstand (§ 228) und den Angriffsnotstand (§ 904). Der Notstand unterscheidet sich von der Notwehrsituation dadurch, dass die Gefahr, gegen die sich der Betroffene verteidigen darf, nicht zwingend von einem Menschen (vgl. Definitionen in § 227 BGB und § 32 StGB) , sondern von einer Sache ausgeht. Bei de m Verteidigungsnotstand (§ 228) geht die Gefahr von einer Sache aus; bei der Abwehr der Gefahr wird die se Sache beschädigt oder gar zerstört. Der Verteidigungsnotstand ist damit bei Angriffen von Sachen sowohl im Zivilrecht, als auch im Strafrecht der vorrangige Rechtfertigungsgrund. S owohl die zivilrechtliche Notwehr nach § 227 BGB, als auch die strafrechtliche Notwehr für eine Sachbeschädigung nach § 303 I StGB nach § 32 StGB setzen einen menschlichen Angriff voraus . Beispiel: Als S am Haus des R pfeifend vorbeigeht, springt dessen Hund Snoopy aus dem Haus heraus und fällt S an. Diese verteidigt sich, indem sie mit ihrem Regenschirm auf Bello einschlägt . Der Hund verendet. Der Hund Snoopy ist aufgrund des § 90 a Satz 1 rechtlich keine Sache; allerdings finden die Vorschriften für Sachen weitgehend entsprechend Anwendung. Von diesem Tier drohte gerade die Gefahr. Die Abwehr mit dem Regenschirm war erforderlich. Der Schaden, der durch die Tötung des Hundes entstanden ist, ist nicht unverhältnismäßig größer al s der Schaden, der durch die Verletzungen durch Hundebisse entstanden wäre. Die Tötung des Hundes (Verletzung des Eigentums des R) war gemäß § gerechtfertigt. S muss auch mangels Verschuldens keinen Schadensersatz leisten.

§ 904 (Angriffsnotstand bzw. aggressiver Notstand) gestattet den Zugriff und die Einwirkung auf eine Sache, von der keine Gefahr ausgeht, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Allerdings muss der drohende Schaden, der eintreten würde, unverhältnismäßig groß sein im Verhältnis zu de m Schaden, der dadurch entsteht, dass die fremde Sache benutzt wird, um den Angriff abzuwehren. Dies gilt es gegeneinander abzuwägen. Sofern die Gefahr durch eine Sache erfolgt, gilt im Verhältnis zum Notwehrrecht das zu § 228 Geschriebene. Geht die Gefahr von einem Menschen aus, so ist das Notwehrrecht daneben anwendbar. Nur hinsichtlich der Notstandsregelungen der §§ 34, 35 StGB ist der § 904 BGB spezieller. Beispiel in Abwandlung des vorhergehenden Beispiels: S ergreift einen Besen im Hauseingang des Na chbarhauses N und schlägt damit auf Hund Snoopy ein. Dabei bricht der Besen entzwei. Die Beschädigung des Besens des N war gerechtfertigt gemäß § 904. Dem Körper de r S drohte die Gefahr der Verletzung durch Hundebisse. Zur Abwehr der Gefahr war die Beschädigung des Besens erforderlich. Der drohende Schaden war somit unverhältnismäßig größer als der Schaden, der durch die Zerstörung des Besens entstanden ist. Allerdings muss S den am Besen entstandenen Schaden ersetzen.

_________________________________________________ 78 Näheres im Modul Strafrecht AT 55504.

Subjektive Rechte

4. Selbsthilfe §§ 229 ff. Selbsthilfe als die eigenmächtige, gewaltsame Durchsetzung eines subjektiven Rechts ist nur unter den engen, in den §§ 229 ff. genannten Voraussetzungen zulässig. Die wesentlichen Voraussetzungen für die Selbsthilfe sind, dass

5. Selbsthilfe des Besitzers nach § Das Recht zur Verteidigung bestehenden Besitzes nach § 859 ist weitergehend als das Notwehrrecht nach § 227 und das Selbsthilferecht nach § 229, da es nicht voraussetzt, dass obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist. Der in seinem Besitz Gestör te darf gemäß § 859 Abs. 1 mittels Gewalt die gegen seinen Besitz gerichtete verbotene Eigenmacht (vgl. § 858) beenden und gemäß § 859 Abs. 2 bereits weggenommene Sachen wieder mit Gewalt in seinen Besitz zurückführen (= sog. Besitzkehr ).79 Wichtige Entsche idungen: BGHZ 25, 47, 51 ff. BGHZ 97, 212, 220 f . BGHZ 103, 62, 70 f. BGHZ 105, 243, 256 f . _________________________________________________ 79 Näheres dazu im Modul 55108 Sachenrecht. Verteidigungsnotstand §228 •Gefahr geht von einer Sache aus •diese wird beschädigt/zerstörtAngriffsnotstand §904 •irgendeine Gefahr von Sache oder Mensch •Fremde Sache wird beschädigt/zerstört •a) Fälliger und einredefreier zivilrechtlicher Anspruch •b) Keine rechtzeitige obrigkeitliche Hilfe •c) Gefährdung der AnspruchsverwirklichungSelbsthilfelage •a) Insbesondere Wegnahme einer Sache oder Festnahme des fluchtverdächtigen Verpflichteten •b) Erforderlichkeit ( sie muss also das relativ mildeste Mittel sein ( §230 I))Selbsthilfehandlung •die Selbsthilfe von einem Selbsthilfewillen getragen ist (str.).Subjektives Rechtfertigungselement

  • Nach der herrschenden Meinung
  • Gleiches gilt für die Verkörperung eines Computerprogramm s, die auf einem
  • Zu den Sachen gehören freilich auch Pflanzen.
  • Virtuelle Gegenstände (Virtuelle Güter) sind (nur) in einer Softwareumgebung

Beispiele: Autos, Bücher, Lebensmittel und Kleidungsstücke sind bewegliche Sachen.

§ 91 unterscheidet zwischen vertretbaren Sachen und nicht vertretbaren (unvertretbaren) Sachen.

Dies trifft auf solche Sachen zu, die sich von anderen nicht durch ausgeprägte Individualisierungsmerkmale abheben und daher ohne weiteres austauschbar sind, deren Qualitätsmerkmale sich also gegenüber anderen Sache derselben Art nur aus Maß, _________________________________________________ 84 GRÜNEBERG /ELLENBERGER , § 90 Rn. 2; noch weiter differenzierend MünchKomm /STRESEMANN , BGB § Rn. 25. 85 HENKE, JZ 2022, 222, 222 ff . 86 MEYER, NJW 2015, 3686 ; HABERSTUMPF NJOZ 2015, 793 . 87 BeckOGK/ MÖSSNER , BGB § 90 R n. 97; BORKERT /BUNES, MMR 2023, 248, 249; HENKE, JZ 2022, 22 2, 224. Def.: Ein Grundstück ist ein Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch (einem staatlichen Register) als Grundstück geführt wird. Def.: Bewegliche Sachen sind körperliche Gegenstände, die nicht Grundstücke sind. Nach der D efinition des § 91 sind vertretbare Sachen bewegliche Sachen, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt werden.

Rechtsobjekte Zahl oder Gewicht ergeben.88 Nach Auffassung des BGH89 erfüllt Wein diese Begriffsmerkmale, ist also eine vertretbare Sache, weil Wein beim Abschluss von Schuldverhältnissen im Rahmen der gewünschten Sorte üblicherweise nach Zahl und Maß (Flaschen, Liter, Fässer, Fuder) bestimmt wird, ohne dass sich die jeweiligen Teilmengen, auf die sich das Geschäft bezieht, von anderen der gleichen Art durch individuelle Besonderheit en unterscheiden. Zu den vertretbaren Sachen gehören z.B. Geld, Wertpapiere und Obst.

Unvertretbare Sachen sind z.B. Originalkunstwerke und nach Beschreibung angefer-tigte Möbel. Bei beweglichen Sachen wird außerdem zwischen verbrauchbaren und unver-brauchbaren Sachen unterschieden (§ 92). Lebensmittel oder Brennstoffe sind z.B. verbrauchbare bewegliche Sachen, weil "deren bestimmungsmäßiger Gebrauch in dem Verbrauch besteht". Verbrauchbar sind auch solche Sachen, "deren bestimmungsmäßiger Gebrauch in der Veräußerung besteht". Dazu zählt in erster Linie Geld. Die Unterscheidung zwischen vertretbaren und nicht vertretbaren Sachen ist nicht identisch mit der im Schuldrecht getroffenen Unterscheidung zwischen Gattungs und Stückschuld (vgl. § 243 I). Während sich die Vertretbarkeit nach der Verkehrs-üblichkeit richtet, hängt die Einordnung als Stück - oder Gattungsschuld vom wirklichen Parteiwillen ab. 2. Verbindungen von Sachen a) Bestandteile Aus Gründen der Rechtsklarheit kennt das BGB dingliche Rechte, wie z.B. das Eigentum und das Pfandrecht, nur an bestimmten einzelnen Sachen, auf die sich die Rechte beziehen müssen.92 Da es zweckmäßig ist, wirtschaftliche Einheiten, zu denen Sachen zusammengefasst sind, auch als rechtliche Einheiten – jedenfalls in Grenzen – anzuerkennen, enthalten die §§ 93 ff. und §§ 946 ff. die Möglichkeit, mehrere Sachen zu einer engen oder auch losen Einheit miteinander zu verbinden. Das BGB unterscheidet u.a. zwischen wesentlichen Bestandteilen, unwesentlichen Bestandteilen und Schein-bestand teilen.

_________________________________________________ 88 BGH NJW 1985, 2403 f . 89 BGH NJW 1985, 2403 f . 90 RGZ 107, 339, 340. 91 BROX/WALKER , § 36 Rn. 9 . Wesentlicher Bestandteil an beweglichen Sachen §93an unbeweglichen Sachen §§94 ffSelbständige Sachen Scheinbestandteil §95Zubehör §§ 97, 98Nicht vertretbare Sachen sind solche Sachen, die individuell charakterisiert sind, sich von anderen Sachen also durch ausgeprägte Individualisierungsmerkmale abheben.

Rechtsobjekte § 946 trifft eine Aussage darüber, wie die Rechtsverhältnisse an solchen Sachen gestaltet sind, die wesentliche Bestandteile eines Grundstücks geworden sind: Die wesentlichen Bestandteile stehen im Eigentum dessen, der auch Eigentümer des Grund-stücks ist. § 93 enthält eine Definition der wesentlichen Bestandteile.

Beispiel: E ist Eigentümer eines Kraftfahrzeuges. In der Werkstatt des W wird in das Kraftfahrzeug des E ein Austauschmotor eingebaut. An diesem Motor behält sich W das Eigentum vor, bis E den Restkaufpreis vollständig bezahlt hat (Eigentumsvorbehalt). E hat erst ein Drittel des Kaufpreises entrichtet, als die Frage wichtig wird, wer Eigentümer des Austauschmotors ist. Wenn der Motor wesentlicher Bestandteil des Kraftfahrzeuges geworden ist, ist gemäß § 947 ein Alleineigentum des W an diesem Austauschmotor nicht möglich, weil an wesentlichen Bestand-teilen gemäß § 93 keine besonderen Rechte bestehen können. Nach BGHZ 18, 226, 229 ist der Motor durch den Einbau nur einfacher, aber nicht we sentlicher Bestandteil des Kraftfahrzeuges geworden. Wesentliche Bestandteile einer be-weglichen Sache sind nach § 93 nur diejenigen Bestandteile, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder andere zerstört oder in seinem Wesen ver ändert wird. Ein Motor kann aus einem Kraftfahrzeug wieder ausgebaut werden, ohne dass die sonstigen Teile des Kraftfahrzeuges dadurch beschädigt werden. Außerdem sind der Motor und das Kraftfahrzeug ohne Motor nach der Trennung noch zu nutzen. Der Motor k ann jederzeit wieder als Antriebsmaschine für ein anderes Kraftfahrzeug verwandt werden. Ebenfalls können die übrigen Bestandteile des Kraftfahrzeuges nach dem Ausbau des Motors weitergenutzt werden. 93 Da es sich bei dem Motor nicht um einen wesentlichen Bestandteil des Kraftfahrzeuges handelt, konnte sich W das Eigentum daran vorbehalten. Eigentümer des Motors ist also W und nicht E.

§ 94 definiert für Grundstücke näher, was unter wesentlichen Bestandteilen zu verstehen ist.

Das bedeutet: Die auf einem G rundstück errichteten Gebäude sind Eigentum des Grundstückseigentümers, auch dann, wenn eine andere Person als der Grundstückseigentümer das Gebäude errichtet hat. Beispiel (in Anlehnung an BGHZ 53, 324): A ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem ein Wohnhaus steht, das im Jahre 1935 gebaut ist. Das Gebäude ist mit einer Zentralheizung ausgestattet, die mit Koks befeuert wird. Im Jahre 1978 lässt A die Heizungsanlage auf Ölfeuerung umstellen. B liefert u.a. einen Ölbrenner und zwei Batterietanks. Zwischen B und A wird vereinbart, dass der Ölbrenner und die beiden Batterietanks solange im Eigentum des B bleiben sollen, bis A den gesamten Kaufpreis bezahlt hat (Eigentumsvorbehalt). Bisher hat A nur die Hälfte des Kaufpreises bezahlt. Als A das Grundstück mit dem Gebäude veräußern will, taucht die Frage auf, wer Eigentümer des Ölbrenners und der Batterietanks ist. _________________________________________________ 93 Vgl. auch BGHZ 61, 80 ff. Das BGB geht davon aus, dass Sachen so eng miteinander verbunden werden, dass eine neue körperliche Einheit entsteht. Ist dies der Fall, so spricht man von wesentlichen Bestandteilen.

Wesentliche Bestandteile eines Grun dstücks sind danach vor allem Gebäude.

Rechtsobjekte Diese Frage ist nach den §§ 946 und 94 zu entscheiden. Sind Ölbrenner und Batterietanks wesentliche Bestandteile des Grundstücks des A geworden, so ist A und nicht B Eigentümer. Nach Auffassung des BGH94 gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes die Sachen, die zur Herstellung des Gebäudes ein-gefügt sind. Die Frage, ob eine Sache zur Herstellung des Gebäudes eingefügt ist, entscheidet sich danach, ob die Einfügung dieser Sache dem Gebäude ein bestimmtes Gepräge gegeben hat. Ob dies der Fall ist, ist nach der Verkehrsanschauung bei natürlicher Auffassung über das Wesen, den Zweck und die Beschaffen-heit des Gebäudes zu beurteilen. Der BGH 95 geht davon aus, dass Zentralheizungsanlagen in ihrer Gesamtheit, also einschließlich aller nach techni-schen und wirtschaftlichen Erfordernissen eingefügten Teile, wesentliche Be-standteile neuzeitlich eingerichteter Wohnhäuser darstellen, und zwar auch dann, wenn eine solche Anlage nachträglich in ein Altgebäude eingebaut worden ist. Infolgedessen gelangt der BGH 96 zu dem Ergebnis, dass der Ölbrenner und die Tankanlage wesentliche Bestandteile des Grundstücks im Sinne des § 94 sind. Gemäß § 946 hat A als der Grundstückseigentümer also das Eigentum daran erworben. Bei Einbauküchen soll für die Qualifizierung als „Zubehör“ oder verkehrswesentliche Eigenschaften“ entscheidend sein, ob erst mit dem Einsetzen der Einbaukü-che das Haus als fertiggestellt gilt, was d ann anzunehmen ist, wenn es sich um eine spezielle Anfertigung o.Ä. handelt; dann sei die Einbauküche als wesentlicher Bestandteil zu beurteilen. Für Solaranlagen gilt: Werden sie auf Rahmen, die auf dem Dach dafür angebracht sind, angefügt, so ist jedenf alls nicht von einem wesentlichen Bestandteil auszugehen, da sowohl die Module als auch die dafür vorgesehenen Rahmen ohne die Beschädigung der Sache entfernt werden können.98 Inzwischen gibt es allerdings moderne Solaranlagen, welche in die Dachhaut integr iert werden. Solche sollten unproblematisch als wesentliche Bestandteile zu qualifizieren sein.99

Es kommt auch vor, dass bewegliche Sachen nur vorübergehend mit einem Grundstück verbunden werden. In solchen Fällen wäre es unzweckmäßig, diese Sachen in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergehen zu lassen, wenn es sich um Sachen handelt, die vorher nicht im Eigentum des Grundstückseigentümers gestanden haben. Das Gesetz sieht in § 95 für Fälle dieser Art eine Sonderregelung vor. Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden werden, werden nicht Bestandteile des Grundstücks, sondern sind sog. Scheinbestandteile . Beispiel: A mietet von C ein Grundstück auf die Dauer von 10 Jahren. A errichtet auf diesem Grundstück ein vorgefertigtes, im Wesentlichen aus Holz bestehendes Wochenendhaus, das er erworben hat. Er hat vor, dieses Haus nach Ablauf der Mietzeit wieder von dem Grundstück zu entfernen. Das Haus wird nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden. Es wi rd gemäß § _________________________________________________ 94 MünchKomm/ STRESEMANN , BGB § 94 Rn. 30 f. 95 BGHZ 53, 324, 326 . 96 BGHZ 53, 324, 326 . 97 BGHZ 53, 324, 325 f . 98 RING, in: H EIDEL/HÜßTEGE /MANSEL /NOACK, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB , § 94 Rn. 40 ff . 99 RING, in: H EIDEL/HÜßTEGE /MANSEL /NOACK, BGB Allgemeiner Teil / EGBGB , § 94 Rn.

Rechtsobjekte nicht Bestandteil desselben und geht deshalb auch nicht nach § 946 in das Eigentum des C über. Eigentümer bleibt vielmehr A. b) Zubehör Das BGB unterscheidet zwischen Bestandteilen und Zubehör.

Beispiel: Die Stühle und Tische eines auf einem Grundstück betriebenen Gartenlokals sind Zubehör und nicht Bestandteile des Grundstücks.

Sachen, die Zubehör sind, sind rechtlich selbständig . Das bedeutet u.a., dass der Eigentümer eines Grundstücks nicht auch der Eigentümer der Sachen sein muss, die Zubehör des Grundstücks sind (vgl. § 98). 3. Der Leichnam und die Entnahme von Körperteilen Der Körper des lebenden Menschen ist keine Sache. Das gilt auch für künstliche Teile, die dem Körper implantiert sind und dort Funktionen übernommen haben, die vorher vom Körper selbst wahrgenommen worden sind, wie z.B. künstliche Arterien, Rippen oder Schädeldecken.100 Anders sind dagegen solche künstlichen Körperteile zu behandeln, die nicht dauernd in den Körper aufgenommen sind, wie z.B. Prothesen oder Gebisse. Einen Grenzfall bildet z.B. ein Herzschrittmacher. Letztlich ist ein solcher aber als Sache zu qualifizieren, weil er zwar operativ in den Brustkorb eingebracht wird, jedoch ausgewechselt werden kann und lediglich eine unterstützende Funk tion wahrnimmt. Über die S acheigenschaft des Leichnams wird in der Literatur gestritten. Die Sacheigenschaft wird z.T. mit der Begründung abgelehnt, dass dem besonderen Charakter der Leiche als "Rückstand der Persönlichkeit" mit der Einordnung als Sache nicht hin-reichend Rechnung getragen werde. 102 Demgegenüber wird mit dem Argument, der Sachbegriff des § 90 müsse rein objektiv bestimmt werden, überwiegend die Meinung vertreten, der menschliche Körper müsse, wenn er nicht mehr Rechtssubjekt sein könne, wegen seiner Körperlichkeit als Gegenstand von Rechten, also als Sache angesehen werden. 103 Letztlich geht es bei der rechtlichen Einordnung der Leiche heutzutage vorwiegend um Probleme, die mit der Transplantation von Organen zusammenhängen. Dabei lässt sich trennen zwischen der Sacheigenschaft der Leiche einerseits und der Verfügungsmöglichkeit über die Leiche andererseits .104 Zu letzterer ist anerkannt, dass über eine Leiche nicht wie über eine beliebige Sache verfügt werden darf, solange sie der Totenehrung dient. Soweit es das Bestimmungsrecht darüber angeht, ob Organe aus einem Leichnam für eine Transplantation verwandt werden dürfen, ist in erster Linie auf den Willen des Verstorbenen abzustellen. Ist ein _________________________________________________ 100 Vgl. HÜBNER , AT, Rn. 287; GÖRGENS , JR 1980, 140, 141; G ROPP, JR 1985, 181. 101 So GÖRGENS , JR 1980, 140, 141; MüncKomm /STRESEMANN , BGB § 90 Rn. 28. 102 BGH NJW 2015, 2901 ; AG Osnabrück BeckRS 2015, 8550 ; FORKEL , JZ 1974, 593. 103 So GÖRGENS , JR 1980, 140, 141; E ICHHOLZ , NJW 1968, 2272, 2273; MünchKomm /STRESEMANN , BGB § 90 Rn. 31 . 104 Vgl. BECKOGK/M ÖSSNER , BGB § 90 Rn. 23 ff . Nach § 97 sind Zubehör solche beweglichen Sachen, die dem wirtschaftlichen Zweck einer Hauptsache dienen, zu ihr in einem entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen und nach der Verkehrsanschauung als Zubehör angese hen werden.

Rechtsobjekte solcher nicht feststellbar, sollte die Entscheidungsbefugnis primär den Angehörige n zustehen, weil von diesen am ehesten zu erwarten ist, dass sie den Willen des Verstorbenen erkennen und verwirklichen. Für den Fall, dass weder Willensbekundungen des Verstorbenen vorliegen und solche von Angehörigen nicht bekannt und auch nicht zu erhalten sind, sollte eine Organentnahme nur dann gestattet sein, wenn die Ärzte davon ausgehen dürfen, dass die Entnahme dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen nicht widerspricht .105 Die Organentnahme aus dem Körper des Toten zum Zweck ihrer Übertragung auf andere Menschen ist seit dem 1.12.1997 durch das Transplantationsgesetz (n.F. 2023) gesetzlich geregelt . III. Rechte Nicht nur Sachen sind Gegenstand subjektiver Rechte; subjektive Rechte können sich auch auf Rechte beziehen, soweit es sich um Vermögenswerte handelt. Dazu zählen die dinglichen Rechte, wie z.B. das Eigentum und die Pfandrechte, die Forderungen, die Mitgliedschaftsrechte an Personen – und Kapitalgesellschaften sowie Immaterialgüterrechte. Letztere können z.B. bestehen an Patenten, Markenrechten 106 und Werken der Literatur und Kunst (Urheberrechte). Nicht dazu zählen wegen ihres höchstpersönlichen Charakters die Persönlichkeitsrechte und die Familienrechte. Auch die Gestaltungsrechte, wie z.B. Anfechtung und Rücktritt, gehören nicht zu den Rechtsobjekt en, weil nicht sie, sondern die Rechte, aus denen sie abgeleitet werden, Gegenstand rechtlicher Herrschaft sind. Beispiel: Der Gläubiger G hat gegen den Schuldner S einen Anspruch auf Zahlung von € 200,––. Da S nicht zahlt, erwirkt G gegen ihn ein entsprechendes Urteil. Aufgrund dieses Urteils lässt G dann bei dem Arbeitgeber des S dessen Arbeits-einkommen ab der pfändbaren Höhe bis zur Höhe seines Anspruches pfänden. Das Pfandrecht ist ein subjektives Recht, das sich auf ein Recht bezieht, nämlich auf den Anspruch des S gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung des Lohnes. IV. Nutzungen (Früchte und Gebrauchsvorteile) Das BGB bezeichnet in § 100 die Erträge aus Rechtsobjekten, also Sachen und Rechten, als Nutzungen. Der Begriff der " Nutzungen" ist der Oberbegriff für die Gebrauchsvorteile und Früchte einer Sache oder eines Rechtes. Früchte im Rechtssinne sind nicht zu verwech-seln mit der Bedeutung, die diesem Ausdruck im täglichen Sprachgebrauch beige-messen wird (vgl. § 99). Einzelheiten sind in der nachfolgenden Graphik dargestellt: _________________________________________________ 105 Zum Ergebnis vgl. auch F ORKEL , JZ 1974, 593, 599. 106 Vgl. dazu SCHMIEDER , JuS 1995, 119, 122. 107 Vgl. BROX/WALKER , § 36 Rn. 4 .

Rechtsobjekte

Rechtsobjekte V. Gesamtheiten von Sachen und Rechten 1. Das Vermögen Der Begriff Vermögen wird im BGB oder auch im Strafrecht in etlichen Bestimmungen verwandt (vgl. u.a. §§ 311 b Abs. 2, Abs. 3, 419 und 1922). Es fehlt allerdings an einer gesetzlichen Definition.108

Geldwerte Rechte sind die Rechte, die unter normalen Verhältnissen gegen Geld veräußert oder nur gegen Geld erworben werden können oder sonst einen in Geldwert ausdrückbaren wirtschaftlichen Nutzen gewähren. Dazu zählen u.a.: Eigentumsrechte, Forderungen, soweit sie einen Geldwert haben, Anteilsrechte an Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung), Patente. Beispiel: Der Angestellte H macht zum Jahresende eine Vermögensaufstellung. Sein Vermögen setzt sich zusammen aus: dem Eigentum an einem Hausgrundstück, dem Eigentum an einem PKW, einer Darlehensforderung in Höhe von € 2.500,–– gegen seinen Onkel S, einem Vergütungsanspruch für den Monat Dezember in Höhe von € 5. 000,–– gegen den Arbeitgeber sowie dem Eigentum an 10 Aktien. Nicht zum Vermögen zählen z.B.: seine Mitgliedschaft in dem Spiel– und Sportverein e.V. und das Recht der Personensorge für sein Kind C.

2. Das Unternehmen Obwohl der Begriff Unternehmen vom Gesetzgeber verw endet wird, z.B. in § AktG und § 1 GWB, ist er gesetzlich nicht definiert, allein in § 14 BGB ist der Unternehmer erläutert. Das Unter nehmen ist ein zusammengesetztes Gebilde. Es umfasst Sachen, Rechte und sonstige wirtschaftliche Werte. Nach überwiegender Auffassung stellt das Unternehmen eine auf einer Verbindung personeller und sachlicher M ittel beruhende wirtschaftliche Einheit dar. 109 Eine beispielhafte Auflistung findet sich in § 266 HGB wieder, der die Gliederung der (Handels -) Bilanz regelt. Zu den Sachen können zählen: Grundstücke samt Gebäude und Zubehör, Warenlager, Einrichtungsgegenstände, wie z.B. Büromöbel, Computer , Regale, F ahrzeuge, Maschinen etc. Zu den Rechten können gehören: Markenrechte, Patente und Urheberrechte sowie Forderungen aus Geschäftsverbindungen. Zu den sonstigen wirtschaftlichen Werten zählen: technisches und kaufmännisches Know How, der Ruf des Unternehmens, die Beziehungen zu den Kunden und Mitarbeitern und der sog. Firmenwert . _________________________________________________ 108 So RGZ 78, 239, 240 . 109 Vgl. BROX/WALKER , § 35 Rn. 17 ff . Das Vermögen einer Person ist die Gesamtheit der ihr zustehenden geldwerten Rechte.

  • das Betriebsvermögen, zu dem Grundstücke und bewegliche Sachen (z.B. Warenlager und Werkzeuge) und Rechte (Forderungen aus Umsatzgeschäften,
  • die Chancen, wie Kundenkreis, Geschäftsbeziehungen, Know -how (z.B. Herstellungsverfahren, Organisat ion).

Wichtige Entscheidungen:

BGHZ 53, 324 ff. BGHZ 18, 226, 2 28 ff. BGHZ 61, 80 ff. _________________________________________________ 110 Vgl. dazu BGHZ 3, 270, 279 f.; 38, 200 ff. 111 Möglich ist auch ein sog. Share deal. Auch genannt „Beteiligungskauf“

Anhang: Wichtige Anspruchsgrundlagen, Einwendungen und Gestaltungsrechte Anhang: Wichtige Anspruchsgrundlagen, Einwendungen und Gestaltungsrechte I. Anspruchsgrundlagen Anspruch : § 194 I 1. HS112 enthält eine Legaldefin ition des Anspruchs.

Gute Gründe sprechen dafür, bei Anspruchsketten sowie bei der Ausübung von Gestaltungsrechten (Anfechtung, Rücktritt) mit der Norm zu beginnen, in der die Rechtsfolge geregelt ist. So sollte bspw. der Schadensersatzanspruch statt der Leistung aus der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung wie folgt zitiert werden: §§ 280 I, III, I, 437 Nr. 3, 434. Gut vertretbar ist es aber auch, wenn man die Norm mit der Rechtsfolge am Ende der Kette stellt und der Verweisung folgt: §§ 434, 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I. Für welche Variante auch immer man sich entscheidet, wichtig ist, dass diese einheitlich verwen-det wird. Die folgende Auflistung ist nicht abschließend.

_________________________________________________ 112 Auch hier sind sämtliche Normen ohne Angaben solche des BGB. Def.: Ein Anspruch ist „das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen“.

Anhang: Wichtige Anspruchsgrundlagen, Ei nwendungen und Gestaltungsrechte 1. Vertrag

I. Primäransprüche •a) speziell •Kaufvertrag : •§433 I •§433 II •Gelddarlehen: •§488 I •§488 I 2 1.Var. •§488 I 2 2.Var. •Schenkung: •§516 I •Mietvertrag: •§535 I •§535 II •Leihe: •§598 •§604 I •Dienstvertrag: •§611 I 1.Var. •§611 I 2.Var. •Werkvertrag: •§631 I 1.Var. •§631 I 2.Var. •Auftrag: •§662 •b) sui generis •§§311 I, 241II. Sekundäransprüche •a) speziell •Kaufrecht: •§§439 I, 437 Nr. 1, 434 (bzw. 435) •§§346 I (oder II), 437 Nr. 2, 323, (bzw. 435) •§§441, 437 Nr. 2, 323, 434 (bzw. 435) •§§280 I, 437 Nr. 3, 434 (bzw. 435) •§§280 I, III, 281 I, 437 Nr. 3, 434 (bzw. 435) •§§280 I, III, 283, 437 Nr. 3, 434 (bzw. 435) •§§311 a II 1, 437 Nr. 3, 434 (bzw. 435) •Schenkung: •§524 I •Mietvertrag: •§536a I •§539 I •Werkvertragsrecht: •§§635 I, 634 Nr. 1, 633 I •§§637 I, 634 Nr. 2, 633 I •§§346 I, 634 Nr. 3, 323, (636), 633 I •§§280 I, 634 Nr. 4, 633 I •§§280 I, III, 281 I, 634 Nr. 4, 633 I •§§280 I, III, 283, 634 Nr. 4, (636), 633 I •§§311 a II 1, 634 Nr. 4, 633 I •b) allgemein •Hauptpflichtverletzung: •§280 I •Nebenpflichtverletzung : •§§280 I, 241 II •Statt der Leistung: •§§280 I, III, 281 I •§§280 I, III, •§§280 I, III, •Verzug •§§280 I, II, •anfängliche Unmöglichkeit: •§311a II

Anhang: Wichtige Anspruchsgrundlagen, Einwendungen und Gestaltungsrechte 2. Quasivertrag

3. Sachenrecht

a) SE wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten (c.i.c.) •§§280 I, 311 II (Nr. 1-3), 241 II b) GoA •aa) Anspruch des Geschäftsherrn auf Schadensersatz •§678 •bb) Aufwendungs ersatzanspruch des Geschäftsführers •§§677, 683 S. 1, •cc) Anspruch auf Herausgabe des Erlangten •§§677, 681 S. 2, •dd) Wertersatz bei unberechtigter GoA •§§677, 684 S. •Wertersatz bei angemaßter Eigengeschäftsfüh-rung •§§687 II 2, 684 1c) SE wegen nicht vorhandener Vertretungsmacht •§179 I •§179 analogd) SE nach erklärter Anfechtung •§122 I •§122 I analog a) Herausgabeansprüche •aa) Eigentum, Pfandrecht •§985 •§§985, •bb) Besitzrecht •§861 I •§1007 I •§1007 IIb) Unterlassungs -und Beseitigungsansprüche •aa) des Eigentümers •§1004 I •bb) des Besitzers •§862 Ic) Sonstige •aa) EBV •(1) Nutzungsherausgabe: •§987 I •§§987 I, 990 I •(2) Schadensersatz •§989 •§§989, 990 I •(3) Verwendungsersatz •§994 I •§996 •(4) Anspruch auf Zwangsvollstreckung •dd) Hypothek •§1147 •dd) Grundschuld •§§1192 I,

Anhang: Wichtige Anspruchsgrundlagen, Einwendungen und Gestaltungsrechte 4. Delikt

5. Bereicherungsrecht

  • Rechtshindernden Einwendungen (der Anspruch entsteht gar nicht erst;
  • Rechtsvernichtenden Einwendungen (der Anspruch entsteht, geht jedoch
  • Rechtshemmende Einwendungen (der Anspruch entsteht, geht auch nicht

Rechtshindernde und rechtsvernichtende Einw endungen werden von Gesetzeswegen berücksichtigt. Rechtshemmende Einwendungen müssen geltend gemacht werden. Man nennt sie deshalb auch Einreden.

  • Gestaltungserklärung
  • Gestaltungsgrund
  • Gestaltungsfrist

Auch hier wird die Rechtsfolge (in der Übersicht unter Rechtswirkung) an den Anfang gesetzt. Beispiel: die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung wird folgendermaßen zitiert: §§ 142 I, 123 I 1. Var. Zugunsten der Übersichtlichkeit wurde bei den Gestaltungsgründen und - fristen auf eine ausführliche Darstellung verzichtet. Jedoch muss auch hier auf die verschiedenen Varianten geachtet und genau zitiert werden. 1. Rechtshindernde Einwendungen (Anspruch entstanden) •Mangelnde Geschäftsfähigkeit: §§104 ff. •Willensmängel: §§116118 •Formmangel: §125 •Verstoß gegen Verbotsgesetz: §134 •Sittenwidrigkeit: §138 I •Wucher: §138 II •Anfechtung: §142 I (str.)2. Rechtsvernichtende Einwendungen (Anspruch untergegangen) •Anfechtung: §142 I (str.) •Unmöglichkeit: §275 I •Störung der Geschäftsgrundlage: §313 I •Rücktritt: 346 I •Widerruf: §355 I •Erfüllung: §362I •Aufrechnung: §389 •Erlass: §397 I3. Rechtshemmende Einwendungen (Anspruch durchsetzbar) •Verjährung: §214 I •Zurückbehaltungsrecht: §273 I •Unverhältnismäßig großer Aufwand: § II •Unzumutbarkeit: §275 III •Nichterfüllter Vertrag: §320I1 •Stundung

Anhang: Wichtige Anspruchsgrundlagen, Einwendungen und Gestaltungsrechte Anfechtung Aufrech-nung Kündigung Rücktritt Widerruf Erklärung § 143 I § 388 nur für außerord. Kündigung geregelt: § 314. § § 355 I 2, 3, Grund §§ 119; 120; 123 § 387 vereinbart oder gesetzlich (vgl. I): §§ 323; 324; 326 §§ 312g I; 495 I Frist §§ 121; 124 § 121; § 124 § 323 allgemein § 355 II-IV Rechts-wirkung § 142 I § 389 § 346 I § 355 I Weitere Rechts-folgen § 122 I §§ 357 ff.

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